Kapitel 9 Die Elektrodynamik und das Photon Wir sind an der Beschreibung der Wechselwirkung zwischen Elektronen, Positronen und dem Photon interessiert. Wir beginnen mit der “klassischen” Theorie des Elektromagnetismus. 9.1 Klassische Maxwellsche Theorie Die Maxwellsche Theorie kann als eine klassische Feldtheorie dargestellt werden, die mit der Relativitätstheorie übereinstimmt. Wir verwenden die Heavyside-Lorentz Einheiten, für die gilt c = ε0 = µ0 = 1 Teilchenphysik 135 Die Elektrodynamik und das Photon Die Maxwellschen Gleichungen sind die folgenden: r r r ∂E r r r =J ∇× B− inhomogene ∇ ⋅ E = ρ t ∂ r r r r r ∇ ⋅ B = 0 ∇ × E + ∂B = 0 homogene ∂t wobei E, B die elektrischen und magnetischen Felder sind, und ρ, J die elektrische Ladungsdichte und die Stromdichte. Wir definieren das (kontravariante) elektromagnetische 4-Potential r A µ ≡ φ, A ( ) wobei die Felder φ und A folgendermassen mit E, B zusammenhängen: r r r r r r ∂A B ≡ ∇ × A und E ≡ −∇φ − ∂t Die Potentiale sind Lösungen der homogenen Maxwellschen Gleichungen: r r r r r r r r B ≡ ∇ × A ⇒ ∇ ⋅ B = ∇ ⋅ ∇ × A = 0 ok! ( und 136 ) r r r r r ∂B r r ∂A r ∂A r = −∇φ = 0 ⇒ ∇× E + = 0 ⇒ E + ∇× E + ∂t ∂t ∂t Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Klassische Maxwellsche Theorie Wir führen den antisymmetrischen elektromagnetischen Feldtensor ein: F µν ≡ ∂ µ Aν − ∂ν A µ Mit dieser Definition können die inhomogenen Maxwellschen Gleichungen ausgedrückt werden als r wobei J ν ≡ ρ, J ∂ µ F µν = J ν ( ) Der 4-Vektor Jν ist der elektrische Ladung-Strom-4-Vektor. In dieser Form ist die Kovarianz der Maxwellschen Theorie explizit! Man kann leicht beweisen, dass der elektromagnetische Feldtensor gleich F µν 0 E x = E y E z − Ex 0 − Ey − Bz 0 Bz − By Bx − Ez By − Bx 0 ist. Der Tensor transformiert sich unter der Lorentz-Transformation wie: ( F )′ = Λ µν µ α Λν β F αβ Der Tensor enthält beide, elektrische und magnetische, Felder. Eine Lorentz-Transformation wird deshalb, wie erwartet, die elektrischen und magnetischen Felder mischen. Die physikalische Grösse: wir betrachten den 4-Potentialvektor Aµ als die fundamentale physikalische Grösse. Die gewöhnlichen Felder Teilchenphysik 137 Die Elektrodynamik und das Photon E und B können aus Aµ hergeleitet werden. Wenn wir den 4-Potentialvektor Aµ verwenden, sind die homogenen Maxwellschen Gleichungen automatisch erfüllt, und die ganze Theorie wird in einer Gleichung zusammengefasst: r ∂ µ F µν = J ν wobei J ν ≡ ρ, J ( ) Das Problem der Eichtransformation: es gibt aber ein Problem: der 4-Potentialvektor Aµ ist nicht eindeutig definiert. Unter der Eichtransformation A µ → A µ + ∂µλ ∂λ r r , A − ∇λ → φ + ∂t wobei λ=λ(xµ) eine beliebige Funktion des Raumzeitvektors ist, wird der elektromagnetische Feldtensor nicht geändert: F µν = ∂ µ ( Aν + ∂ν λ ) − ∂ν ( A µ + ∂ µ λ ) = ∂ µ Aν − ∂ν A µ Wir können diesen Freiheitsgrad, der keinen Effekt auf die E und B Felder hat, dazu benutzen, um eine zusätzliche Bedingung zu stellen: ∂µ Aµ = 0 Lorentz − Bedingung Man spricht vom Festlegen der Eichung (“gauge fixing”). Die Maxwellschen Gleichungen vereinfachen sich zu: ∂ µ F µν = J ν = ∂ µ ∂ µ Aν − ∂ µ ∂ν A µ = ∂ µ ∂ µ Aν 123 =0 138 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Klassische Maxwellsche Theorie oder ∂ µ ∂ µ Aν = J ν Maxwellsche Gleichung in Lorentz − Eichung Strahlungs- (oder Coulomb-) Eichung: die Lorentz-Bedingung ist nicht genügend, um das Potential eindeutig zu definieren. Wir können noch den Gradient einer skalaren Funktion λ zum 4-Potential addieren, wobei ∂µ∂µλ = 0 gelten muss so dass, ∂µ Aµ = 0 wenn A µ → A µ + ∂ µ λ Tatsächlich gibt es keinen sauberen Weg diese Ambiguität aufzulösen. Im Fall des Vakuums (Jν=0) stellt man oft eine zusätzliche Bedingung: Im Vakuum: ∂ µ ∂ µ Aν = 0 Es folgt, A 0 ≡ 0, und wir setzen r r ∇⋅ A = 0 A0 ≡ 0 Coulomb − Eichung Diese Bedingung ist nicht kovariant, und kann deshalb nicht unabhängig vom Beobachter definiert werden. Die physikalische Bedeutung ist aber klar, wie wir im folgenden Kapitel sehen werden. Teilchenphysik 139 Die Elektrodynamik und das Photon 9.2 Das Photon Das Photon ist ein elementares Boson. Es ist schwierig zu sagen, wer das Photon entdeckt hat. Planck (1900) Elektromagnetische Strahlung von schwarzen Körpern Die elektromagnetische Strahlung, die Körper emittieren, ist quantisiert und die Beziehung zwischen Frequenz und Energie ist: E = hν h ≡ Plancksche Konstante Einstein (1905) Quantisierung ist eine Eigenschaft der elektromagnetischen Strahlung. Erklärt den photoelektrischen Effekt. Compton (1923) Lichtquant wird als Teilchen mit verschwindender Masse behandelt. Energie-Impuls-Erhaltung wird verwendet. Photon γ ≡ elementares Teilchen 9.2.1 Quantenelektromagnetismus Das Potential Aµ wird zur Wellenfunktion des Photons. Freies Photon: (Jν=0) ∂ µ ∂ µ Aν = 0 Maxwellsches freies Photon Wir erkennen die Klein-Gordon Gleichung (Siehe Kap. 5.2) für ein masseloses Teilchen! (∂ ∂ µ 140 µ ) + m2 φ( x µ ) = 0 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Das Photon Die Maxwellsche Gleichung besitzt aber vier Komponenten. Ansatz: ebene Welle mit vier komponentigem Polarisationsvektor A µ ( x µ ) = ae − ip ⋅xε µ ( p) wobei εµ der Polarisations-4-Vektor ist. Der Polarisationsvektor hat eine Beziehung zum Spin des Photons. ∂ µ ∂ µ Aν = 0 ⇒ (−i) 2 pµ p µ Aν = 0 ⇒ Es folgt (wie erwartet), m = 0 und pµ p µ = p 2 = 0 r E= p Polarisation: εµ besitzt 4 Komponenten. Lorentz-Bedinung: ∂ µ A µ = (−ipµ ) ae − ip ⋅xε µ ( p) = 0 pµε µ = 0 ⇒ Die Anzahl von unabhängigen Komponenten des Polarisationsvekrots reduziert sich auf drei. Coulomb-Eichung: A 0 ≡ 0, Es folgt, ε0 = 0 Teilchenphysik und r r ∇⋅ A = 0 r r ε⋅p=0 141 Die Elektrodynamik und das Photon Der Polarisationsvektor ε ist zur Ausbreitungsrichtung senkrecht. Das freie Photon ist transversalpolarisiert in CoulombscherEichung. Beispiel: p // z-Achse zwei unabhängige Zustände ε(µ1) = (0,1, 0, 0) und ε(µ2 ) = (0, 0,1, 0) Von den ursprünglichen 4 unabhängigen Komponenten bleiben schliesslich nur zwei übrig. 9.3 Lagrange-Formalismus der Elektrodynamik 9.3.1 Elektromagnetismus Wir suchen nun die Lagrange-Dichte-Funktion, die die Maxwellschen Gleichungen liefert. Die L-Dichte muss Lorentz- und eichinvariant sein, so dass die Theorie auch Lorentz- und eichinvariant sein wird. a) Freies Feld: 1 L frei = − Fµν F µν 4 Proca − Lagrange − Funktion Die Lagrange-Dichte ist Lorentz- und eichinvariant. 142 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Lagrange-Formalismus der Elektrodynamik Wir nehmen das Potential Aµ als fundamentales Feld. Es gilt, 1 L frei = − Fµν (∂ µ Aν − ∂ν A µ ) 4 1 = − Fµν ∂ µ Aν ( antisymmetrisch) 2 1 =− ∂ A (∂ µ Aν ) − ∂ν Aµ (∂ µ Aν ) 2 µ ν (( ) ( ) ) Es folgt, ∂L frei ∂(∂ A µ ν ) = − Fµν und ∂L frei =0 ∂Aν Mit Hilfe der Euler-Lagrange-Gleichung (Siehe Kap. 8.2) erhalten wir: ∂L frei ∂L frei µ = 0 ⇒ ∂ µ Fµν = 0 ok! ν −∂ µ ν ∂A ∂(∂ A ) b) Feld mit Quelle: Wir addieren einen Term, der das Feld mit der Quelle Jµ koppelt: 1 L = L frei + L Quelle = − Fµν F µν − J µ A µ 4 Wir erhalten, ∂L Quelle ∂(∂ A µ Teilchenphysik ν ) =0 und ∂L Quelle = − Jν ∂Aν 143 Die Elektrodynamik und das Photon und es folgt aus der Euler-Lagrange-Gleichung: ⇒ ∂ µ Fµν = Jν ok! D.h, die ganze Maxwellsche elektromagnetische Theorie kann in der folgenden Lagrange-Funktion zusammengefasst werden: 1 L Maxwell = − Fµν F µν − J µ A µ 4 Wir bemerken, dass die Kontinuitätsgleichung auch folgt, weil: ν µ ∂ µ Fµν = Jν ⇒ ∂ν Jν = ∂{ ∂ symmetrisch Fµν { =0 ! antisymmetrisch 9.3.2 Teilchen im elektromagnetischen Feld In der klassischen Elektrodynamik kann die Bewegung eines geladenen Teilchens der Ladung e in einem elektromagnetischen Potential durch die kanonische minimale Substitution des Impulses und der Energie r r r p → p − eA und E → E − eφ in der Lagrange-Funktion gewonnen werden. Wir können diese Methode erweitern zu p µ → p µ − eA µ oder als Ersatz des Operators i∂ µ → i∂ µ − eA µ 144 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Lagrange-Formalismus der Elektrodynamik Die minimale Substitution legt nahe, dass die Dirac-Gleichung in Anwesenheit eines elektromagnetischen Feldes so [γ (i∂ µ µ ) ] − eAµ − m ψ = 0 Dirac − Gleichung im äusseren Feld erweitert werden muss. Wir können deshalb die gesamte Lagrange-Dichte-Funktion der Quantenelektrodynamik (QED) bauen (Siehe Kap. 8.4 und 9.3) als L QED = L Dirac + L Maxwell + L Wechselwirkung [ ( ) ] = ψ γ µ i∂ µ − eAµ − m ψ − [ 1 F F µν − J µ Aµ 4 µν ] 1 = ψ γ µ i∂ µ − m ψ − Fµν F µν −( J µ + eψγ µψ ) Aµ 42444 3 1442443 144243 144 freies Dirac − Feld Quellen und Wechselwirkung zwischen Dirac − Feld und e .m . − Feld freies elektromagnetisches Feld Wenn wir das Potential Aµ variieren, erhalten wir die Maxwellschen Gleichungen mit der folgenden Ladungs-Strom-Dichte ∂ µ Fµν = Jν + eψγ νψ = Jν + ejν wobei j µ ≡ ψγ µψ wobei wir den Dichtestrom-4-Vektor der Dirac-Gleichung jµ (Siehe Kap. 6.4) erkennen. Diese Gleichung definiert den Ausdruck der elektromagnetischen Wechselwirkung eines Dirac-Teilchens als das Produkt der Ladung e und der bilinearen Kovarianten (Siehe Kap. 7.4.4) der Vektor-Form, d.h. e{ Strärke zur Ladung proportional Teilchenphysik × ψγ ψ ) (12 4 4 3 µ Form des Stroms: Vektor 145 Die Elektrodynamik und das Photon 146 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia