Die Entdeckung der Antimaterie

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Kapitel 7
Die Entdeckung der
Antimaterie
7.1 Das Dirac-Teilchen und die
“Loch”-Theorie
Wegen seiner Matrizenform, beschreibt die Dirac-Gleichung ein Teilchen mit Spin-1/2. Die Wellenfunktion ist ein Spinor mit 4 Freiheitsgraden.
1.
2.
Zwei Freiheitsgrade stellen die “Spin-up” und “Spin-down” Freiheitsgrade eines Spin-1/2 Teilchens dar.
Die anderen zwei Freiheitsgrade entsprechen den zwei Arten von
Lösungen: die Lösungen mit positiven und negativen Energien.
Ein natürlicher Kandidat für das Dirac-Teilchen ist das Elektron.
Dirac schlug vor, dass seine Gleichung ein Elektron beschreibt.
Es fehlte noch eine Interpretation für die Elektronen mit negativen
Energien1. Dirac löste das Problem mit Hilfe des Ausschliessungsprinzips von Pauli. Dirac postulierte die Existenz eines unendlichen
Teilchenphysik
111
Die Entdeckung der Antimaterie
Sees im Vakuum, der mit Elektronen mit negativen Energien gefüllt
ist.
Es folgt daraus, dass alle Zustände mit negativen Energien besetzt
sind. Elektronen mit positiver Energie können nicht in Zustände mit
negativen Energien fallen.
Loch-Theorie: Dirac betrachtete den Fall, in dem ein Elektron mit
negativer Energie –E<0 in einen Zustand positiver Energie E’>0
angeregt wird.
Siehe Abb. 1.
Energie
E>0
E<0
E'
–E
Die Loch-Theorie. Ein Elektron mit negativer Energie wird in
einen Zustand mit positiver Energie angeregt.
Figur 1.
1. Die Dirac-Gleichung löst das Problem der negativen Dichte. Dass beide Arten von
Lösungen betrachtet werden müssen, ist eine Folgerung der relativistischen Beziehung
zwischen Energie und Impuls.
112
Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia
Die Entdeckung des Positrons
Als Folge der Anregung des Elektrons bleibt ein “Loch” im See.
Die Abwesenheit des negativ geladenen Elektrons mit negativer Energie (E<0) wird als Anwesenheit eines positiv geladenen “Antielektrons” mit positiver Energie E>0 interpretiert!
Die Loch-Theorie sagt die Existenz eines Teilchens voraus,
das dieselbe Ruhemasse wie das Elektron besitzt, aber mit
einer positiven Ladung.
Die Anregung eines Elektrons vom See stellt deshalb die Erzeugung
eines Elektrons und Antielektrons dar:
e − ( E ′) + e + ( E )
7.2 Die Entdeckung des Positrons
Die Dirac-Theorie sagt voraus, dass beide, das Elektron und das Antielektron (das Positron), existieren müssten.
C.D. Anderson (1933): die “gewöhnliche” Materie enthält Elektronen, Protonen und Neutronen. Anderson suchte nach neuen Teilchen,
die nicht in der gewöhnlichen Materie enthalten sind.
Er war an den höchsten Energien, die man beobachten konnte, interessiert. Die höchsten Energien wurden in kosmischen Strahlen2
beobachtet.
Anderson (mit Millikan) benutzte eine Blasenkammer (“Cloud chamber”). In dieser Kammer erzeugt übersättigter (“supersaturated”)
2. Die kosmischen Strahlen wurden von Viktor Hess mit Beobachtungen in Ballonen entdeckt.
Teilchenphysik
113
Die Entdeckung der Antimaterie
Dampf kleine Bläschen entlang der Ionisierung eines geladenen Teilchens. Die Bläschen werden photographiert.
Der Impuls eines Teilchens wird mit Hilfe eines magnetischen Feldes
gemessen, und die Ladung des Teilchen wird durch das Vorzeichen
der Krümmung gewonnen.
Die Richtung des Teilchens wird mit Hilfe einer 6mm dicken Bleiplatte gefunden.
Mit einer solchen Anordnung gelang es Anderson durch
Beobachtung von 1300 Fotografien Spuren positiv geladener
Teilchen zu entdecken, die nicht als Protonen interpretiert
werden konnten.
Teilchenidentifikation (“particle identification”): Durch die
Messung der Reichweite (“Range”) und des Energieverlusts
(“Energy loss”) konnte Anderson schliessen, dass es Spuren
von positiven Elektronen (d.h. Positronen) waren.
Stückelberg (1941) und Feynman (1948): neue Vorschrift, zur
Behandlung von Zuständen mit negativen Energien:
Ein Zustand mit negativer Energie beschreibt ein Teilchen,
das sich rückwärts in der Zeit ausbreitet
e − i( − E )( + t ) = e − i( + E )( − t )
Die Bewegung eines negativ geladenen Teilchens, das sich rückwärts
in der Zeit ausbreitet, ist gleich der Bewegung eines positiv geladenen Teilchens, das sich vorwärts in der Zeit ausbreitet.
Wir können z.B. den Strom-4-Vektor der Klein-Gordon Gleichung
betrachten:
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Die Entdeckung des Positrons
für ein Elektron:
(
)
j µ (e − ) = (−e) i(φ *∂ µφ − φ∂ µφ * )
r
2
= −2e N ( E , p)
für ein Positron:
(
)
j µ (e + ) = ( +e) i(φ *∂ µφ − φ∂ µφ * )
r
r
2
2
= +2e N ( E , p) = −2e N (− E , − p)
Es folgt,
r
r
j µ (e + , E , p) = j µ (e ± , − E , − p)
Siehe Abb. 2.
Zeit
e–
e+
=
E<0
Figur 2.
–E>0
Die Beziehung zwischen Teilchen und Antiteilchen.
Teilchenphysik
115
Die Entdeckung der Antimaterie
Bemerkung: die Zeit ist keine kovariante Grösse. Verschiedene
Beobachter messen verschiedene Zeiten. Als Folgerung daraus wird
eine kovariante Theorie immer Teilchen enthalten, die sich vorwärts
und rückwärts in der Zeit ausbreiten werden. Eine kovariante Theorie
wird deshalb immer Teilchen und Antiteilchen enthalten. Unter dieser
Annahme kann die Existenz von Antimaterie als eine Folgerung der
Prinzipien der Relativität betrachtet werden.
7.3 Dirac-Spinoren für Antiteilchen
Wir haben die freien Spinoren u(1),..., u(4) hergeleitet. Die Spinoren
hängen von der Energie und vom Impuls ab.
Wie können wir die Zustände mit negativer Energie als Positron interpretieren?
Ein Spinor mit negativer Energie wird als Zustand eines Antiteilchens mit positiver Energie interpretiert.
Positron e + 
r  ⇒
E > 0, p 
 Elektron e −
r

− E , − p
Wir definieren danach den Zustand eines Positrons als
r
r
v (1,2 ) ( p) ⇔ u( 4 ,3 ) (− p)
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Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia
Dirac-Spinoren f r Antiteilchen
d.h.,
(
 − px − ipy

 −E − m
r
r
pz

v (1) ( E , p) ≡ u( 4 ) (− E , − p) = N 
−E − m

0


1

)
 px − ipy 
 E+m 



− pz 


 = N E + m 

 0 




1



mit E ≥ 0
und in ähnlicher Weise
− pz

 −E − m

r
r
 − px + ipy
( 2)
( 3)
v ( E , p) ≡ − u (− E , − p) = − N 
−E − m

1


0

(
)

 pz 

 E+m 

 p + ip 
y

 x
 = −N  E + m 

 1 




 0 

mit E ≥ 0
Wir bemerken, dass wir die folgenden Spinoren assoziiert haben:
v (1) ⇔ u( 4 )
v ( 2 ) ⇔ u( 3 )
d .h ., für px = py = 0 " spin − down"
" spin − up"
d.h., wir ändern den Impuls und den Spin des Teilchens. Als Folge
wird die Helizität des Teilchens erhalten:
p µ ⇔ − p µ , und Σ ⇔ − Σ aber h ⇔ h
Teilchenphysik
117
Die Entdeckung der Antimaterie
Die Dirac-Gleichung für die v(1),v(2) Spinoren ist die folgende:
(
(
)
)
 γ µ pµ − m u = 0
r

γ (− p) µ − m u(− p) = 0 ⇒ 
µ
 γ pµ + m v = 0
(
)
µ
Der adjungierte Spinor:
( p/ − m) u = 0

( p/ + m)v = 0
u ( p/ − m) = 0
⇒ 
v ( p/ + m) = 0
Die Normierung:
( r ) ( s)
+( r ) ( s )
u u = 2 mδ r,s ( u u = 2 Eδ r,s )
 ( r ) ( s)
v v = −2 mδ r,s
Von jetzt an werden wir die folgenden Spinoren benutzen:
r
r
u(1) ( E , p), u( 2 ) ( E , p) ⇒ e −
r
r
v (1) ( E , p), v ( 2 ) ( E , p) ⇒ e +
wobei die Energie immer positiv ist.
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Lorentz-Transformationen und bilineare Kovarianten
7.4 Lorentz-Transformationen und
bilineare Kovarianten
7.4.1 Lorentz-Transformation des Spinors
Wir betrachten einen Spinor. Obwohl er vier Komponenten besitzt, ist
der Spinor kein 4-Vektor. Die Transformation eines Spinors wird so
geschrieben:
ψ
{′
≡ Sψ
bezüglich Beobachter O ′
wobei S eine 4x4 Matrix ist. In Björken & Drell wird bewiesen, dass,
im Fall dass der Beobachter O’ sich relativ zum Beobachter O’ mit
einer Geschwindigkeit β in x-Richtung bewegt, die S-Matrix gleich
 a+
S=
 a−σ 1
a−σ 1
1
 wobei a± = ± (γ ± 1)
a+ 
2
ist, wobei γ der Lorentz-Faktor ist.
Wir betrachten die folgende Grösse:
4
ψ +ψ = ∑ ψ i
2
i =1
Bezüglich O’ gilt
(ψ ψ )′ = (ψ )′ (ψ )′ = ψ
+
Teilchenphysik
+
+
S + Sψ
119
Die Entdeckung der Antimaterie
Mit Hilfe der Definition von S können wir das Produkt S+S berechnen:
−βσ 1
 1
S +S = γ 
 ≠1
1 
 −βσ 1
d.h., das Produkt wird unter der Lorentz-Transformation nicht erhalten.
Wir betrachten nun das Produkt
2
2
2
ψψ = ψ +γ 0ψ = ψ 1 + ψ 2 − ψ 3 − ψ 4
2
Die Transformation der Grösse ist
(ψψ )′ = (ψ + )′ γ 0 (ψ )′ = ψ + S +γ 0 Sψ
Man kann mit Hilfe der Definition der Matrizen einfach beweisen,
dass
S +γ 0 S = γ 0
Es folgt daraus, dass wir eine skalare Grösse gefunden haben:
(ψψ )′ = ψ + S +γ 0 Sψ = ψ +γ 0ψ = ψψ
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Lorentz-Transformationen und bilineare Kovarianten
7.4.2 Raumspiegelung (Parität) des Spinors
Die Raumspiegelung (Parität) wurde definiert als
 0′
0
x = x

 x i′ = − x i i = 1, 2, 3
Man kann beweisen, dass die Raumspiegelung auf einen Spinor so
wirkt:
ψ ′ = Pψ = γ 0ψ
Raumspiegelung
Es folgt daraus,
(ψψ )′ = ψ +′γ 0ψ ′ = (ψ +γ 0 )γ 0 (γ 0ψ ) = ψ +γ 0ψ = ψψ
d.h.,
ψψ ist eine Invariante der Parität ⇒ ψψ Skalar
7.4.3 Skalar und Pseudoskalar
Wir führen eine neue γ-Matrix ein:
γ 5 ≡ iγ 0γ 1γ 2γ 3
Die Algebra dieser Matrix ist die folgende:
γ 5γ µ + γ µγ 5 = 0 Antikommutation
(γ )
5 +
Teilchenphysik
=γ5
(γ )
5 2
=1
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Die Entdeckung der Antimaterie
In der Pauli-Dirac Darstellung ist die Matrix gleich
 0 1
γ5 =

 1 0
Pseudoskalar: Wir definieren nun die folgende Grösse (eine C-Zahl)
ψγ 5ψ
Das Produkt ist invariant unter der Lorentz-Transformation.
Unter der Parität gilt
P (ψγ 5ψ ) = ψ +′γ 0γ 5ψ ′ = ψ +γ 0γ 0γ 5γ 0ψ
= ψ +γ 5γ 0ψ = −ψ +γ 0γ 5ψ = −(ψγ 5ψ )
Das Produkt wird deshalb als Pseudoskalar bezeichnet, weil sich sein
Vorzeichen unter der Parität ändert.
7.4.4 Bilineare Kovarianten
Wir können das Produkt von Spinoren mit einer allgemeinen 4x4 ΓMatrix betrachten:
ψ 12
Γ3 ψ
( 4 × 4 Matrix )
Die 4x4 Γ-Matrix besitzt 16 unabhängige Komponenten. Wir können
eine beliebige 4x4 Matrix als Funktion von 16 linear unabhängigen
Matrizen ausdrücken. Ein solche Basis für die Matrix kann die folgende sein:
µ 5
γ , + 6 Matrizen
1, γ{µ ,γ 5 , γ{
4 Matrizen
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4 Matrizen
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Lorentz-Transformationen und bilineare Kovarianten
Die letzten 6-Matrizen werden durch den antisymmetrischen Tensor
σµν ausgedrückt
σ µν ≡
i µ ν
γ γ − γ νγ µ )
(
2
Es gibt 6 unabhängige Matrizen, die nicht verschwinden:
σ 01,σ 02 ,σ 03 ,σ 12 ,σ 13 ,σ 23
Wir können deshalb 16 sogenannte bilineare Kovarianten bilden:
Skalar
ψψ
Pseudoskalar ψγ 5ψ
Vektor
ψγ µψ
Pseudovektor ψγ µγ 5ψ
Tensor
ψσ µνψ
1
1
4
4
6
Das ist alles. Jede beliebige Grösse der Form
ψ 12
Γ3 ψ
( 4 × 4 Matrix )
kann als Linearkombination dieser “bilinearen Kovarianten” ausgedrückt werden.
7.4.5 Ladungsspiegelung
Diese Operation transformiert den Spinor eines Teilchens in den
Spinor des Antiteilchens. Es gilt,
ψ C ≡ Cψ = iγ 2ψ *
Teilchenphysik
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Die Entdeckung der Antimaterie
Es gilt,
Cu(1) = v (1) und
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Cu( 2 ) = v ( 2 )
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