Kapitel 4 Die nicht-relativistische Quantenmechanik 4.1 Die Schrödinger-Gleichung 4.1.1 Die Wellenfunktion 1928 hat G.P. Thompson beobachtet, dass sich ein Elektron wie eine Welle verhalten kann: Elektronbeugung. In der Quantenmechanik wird ein Teilchen (z.B. das Elektron) mit Hilfe einer Wellenfunktion ψ beschrieben: ψ ≡ komplexe Wellenfunktion Diese Funktion stellt den Zustand des Teilchens dar und beschreibt die Wellennatur des Teilchens (Interferenz, Beugungseffekte, usw...). Die Wellennatur beobachtet man z.B. in Doppelspaltexperimenten. Teilchenphysik 51 Die nicht-relativistische Quantenmechanik Die übliche Interpretation der Wellenfunktion ist die folgende: r 2 r ψ ( x, t) d 3 x ≡ Wahrscheinlichkeit, das Teilchen zur Zeit t r im Volumenelement d 3 x zu finden. Die Normierung wird als r 2 3r * 3r ∫ ψ ( x, t) d x = ∫ (ψ ψ )d x ≡ 1 V V ausgedrückt. Die Wellenfunktion beschreibt den Zustand eines Teilchens. Die Wahrscheinlichkeitsdichte wird definiert als r r r r 2 ρ( x, t) ≡ ψ * ( x, t)ψ ( x, t) = ψ ( x, t) 4.1.2 Die Operatoren Die Wellenfunktion ist nicht beobachtbar, sondern entspricht der ganzen Information, die man über das Teilchen hat. Die beobachtbaren Grössen werden durch hermitische Operatoren dargestellt, die auf die Wellenfunktion wirken: r r r Impuls - Operator: p → −ih∇ = −i∇ ∂ ∂ Energie - Operator: E → +ih = +i ∂t ∂t wobei wir in den zweiten Termen die natürlichen Einheiten (Siehe Kap. 3.2) benutzt haben. 52 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Die Schr dinger-Gleichung 4.1.3 Die Schrödinger-Gleichung Die Schrödinger-Gleichung wird mit Hilfe der klassischen Beziehung zwischen Energie und Impuls “hergeleitet”. Die gesamte Energie eines klassischen Teilchen ist gleich E = T +V wobei T die kinetische und V die potentielle Energie des Teilchens ist. Es gilt, T= p2 2m wobei m = Masse des Teilchens Der Operator der gesamten Energie (der Hamilton-Operator) ist deshalb gleich H = T +V = p2 +V = E 2m Es folgt, p2 r r r Hψ ( x, t) = + V ψ ( x, t) = Eψ ( x, t) 2m oder r r r ∂ 1 r2 ∇ + V ( x, t)ψ ( x, t) = i ψ ( x, t) − 2m ∂t Diese Gleichung wurde 1926 von Schrödinger hergeleitet. Sie entspricht der Bewegungsgleichung (Wellengleichung) eines einzigen Teilchens der Masse m in einem externen Potential V. Teilchenphysik 53 Die nicht-relativistische Quantenmechanik 4.1.4 Die Kontinuitätsgleichung Wir betrachten die zeitliche Änderung der Wahrscheinlichkeitsdichte r r ∂ ∂ r ρ( x, t) ≡ (ψ * ( x, t)ψ ( x, t)) ∂t ∂t ∂ ∂ = ψ * ψ + ψ * ψ ∂t ∂t Aus der Schrödinger-Gleichung folgt ∂ ∂ * 1 r2 1 r2 ∇ + V ψ und ∇ + V ψ * ψ = − i − ψ = i − 2m 2m ∂t ∂t Durch Einsetzen erhalten wir ∂ 1 r2 1 r2 ∇ + V ψ * ψ − ψ *i − ρ = i − ∇ + V ψ 2m 2m ∂t r −i r 2 * = ∇ ψ ψ − ∇ 2ψ ψ * 2m (( ) ( ) ) Das Gausssche Theorem sagt voraus, dass r r 3r r r ∂ 3r = − ⋅ = − ∇ d x j dA ρ ∫ ∫V ⋅ jd x ∂t ∫V A =∂V wobei A die Fläche ist, die das Volumen V umschliesst, und j ist der Wahrscheinlichkeitsstromvektor. Wir können deshalb einen Stromdichtevektor (eine Vektorgrösse) definieren, die die Gleichung der Kontinuität erfüllt: r r r i r * ∇ψ ψ − ∇ψ ψ * j ( x , t) ≡ 2m (( ) ( ) ) 54 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Die Schr dinger-Gleichung Diese Grösse beschreibt, wie die Wahrscheinlichkeitdichte ρ “fliesst”. Wir bemerken, dass wie erwartet, gilt r r r r i r r * ∇⋅ j = ∇ ∇ψ ψ − ∇ ∇ψ ψ * 2m r r r r r i r2 * = ∇ ψ ψ + ∇ψ *∇ψ − ∇ψ∇ψ * − ∇ 2ψ ψ * 2m r i r2 * ∂ = ∇ ψ ψ − ∇ 2ψ ψ * = − ρ 2m ∂t (( ) ( ) ) (( ) (( ) ( ) ) ( ) ) Freies Teilchen: Wir betrachten ein freies Teilchen. r r r r ∂ 1 r2 ∇ ψ ⇒ ψ ( x, t) = Ne − i( Et − p ⋅x ) V ( x , t) ≡ 0 ⇒ i ψ = − ∂t 2m Die Wellenfunktion ist eine ebene Welle. Es folgt daraus, ρ = ψ *ψ = N 2 Einheit: 1 / L3 und r r r i r * j ( x , t) ≡ ∇ψ ψ − ∇ψ ψ * 2m r r i = (−ip)ψ *ψ − (ip)ψψ * ) ( 2m r r r i 2 2 p = (−ip)2 N = N = N 2 v m 2m (( ) ( ) ) [ ] [ ] Einheit: 1 / L3 [ L / Z ] = 1 / ( ZL2 ) Teilchenphysik 55 Die nicht-relativistische Quantenmechanik 4.2 Drehimpuls und Spin Wir werden Spin-Effekte in den Wirkungsquerschnitten von verschiedenen Prozessen betrachten. Deshalb folgt eine kurze Wiederholung der Eigenschaften dieser Operatoren. 4.2.1 Drehimpuls-Operator Der Drehimpuls-Operator ist gleich r r r r r L ≡ r × p = −ir × ∇ Mit der Kommutationsregel [ x, p ] = i, [ y, p ] = i, x y und [z, p ] = i z kann man beweisen, dass die Kommutationsregel des Drehimpulses gleich r Li , L j = iε ijk Lk wobei L = ( L1, L2 , L3 ) [ ] ist. Diese Gleichung beschreibt die Lie-Algebra des DrehimpulsOperators. Der total antisymmetrische Levi-Civita Tensor εijk ist definiert als +1 gerade Zahl von Permutationen von 1, 2, 3 ε ijk ≡ −1 ungerade Zahl von Permutationen von 1, 2, 3 0 andernfalls d.h., z.B. ε123 = ε 312 = ε 231 = 1 56 und ε 321 = ε132 = ε 213 = −1 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Drehimpuls und Spin 4.2.2 Spin-Operator Es gibt kein klassisches Analog zum Spin. Er entspricht einem internen Freiheitsgrad eines Teilchens. z.B. für Spin 1/2: zwei mögliche Zustände ↑ = s, s3 = 1 0 1 1 1 1 , = und ↓ = , − = 2 2 2 2 0 1 Die “spin-up” und “spin-down” Zustände sind die Eigenzustände des Operators 1 1 0 S3 = 2 0 −1 Die drei Komponenten können mit Hilfe der Pauli-Matrizen σ definiert werden r 1r S = ( S1, S2 , S3 ) = σ 2 wobei 0 1 σ1 = , 1 0 0 −i σ2 = , i 0 1 0 σ3 = 0 −1 Die Eigenschaften dieser Matrizen sind die folgenden: σ2 =1 σ + = σ ( Hermitisch) [σ ,σ ] = 2iε i Teilchenphysik j σk ijk Lie − Algebra 57 Die nicht-relativistische Quantenmechanik d.h. die Kommutationsregeln sind dieselben wie die des Drehimpulsoperators. Die Pauli-Matrizen werden wir weiter brauchen, wenn wir die DiracGleichung diskutieren werden (Siehe Kap. 6). 4.3 Störungstheorie Wir beginnen mit einer ersten wichtigen Komponente der Theorie der Elementarteilchen: die sogenannte Goldene Regel von Fermi. 4.3.1 Fermis Goldene Regel Oft kann man Probleme nicht exakt lösen. Man braucht Näherungsmethoden. Wir betrachten den folgenden Hamilton-Operator H= H {0 zeitunabhängiger ungestörter Hamilton −Operator + V { zeitabhängige Störung H0 entspricht dem ungestörten Hamilton-Operator und ist zeitunabhängig. Die Störung V ist im Allgemeinen zeitabhängig. Wir nehmen an, dass die Eigenwerte und Eigenfunktionen des ungestörten Hamilton-Operators die folgenden sind H 0 un = E n un wobei un = Eigenzustand Eine stationäre Lösung ist deshalb zu r e -iE n t un ( x ) 58 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia St rungstheorie proportional. Falls die |un> ein vollständiges System bilden, können wir annehmen, dass eine Lösung von H als Linearkombination der Eigenfunktionen von H0 ausgedrückt werden kann: r r ψ ( x, t) = ∑ an ( t)e -iE n t un ( x ) n Aus der Schrödinger-Gleichung folgt, i ∂ ψ = Hψ ∂t dan + an E n e -iE n t un =( H 0 + V ) ∑ an e -iE n t un dt n ∑ i ⇒ n Mit H0|un>=En|un> erhalten wir dan -iE n t -iE t e un = ∑ anVe n un dt n ∑ i n Wir multiplizieren die Gleichung mit uf* und führen eine räumliche Integration durch: i∫ ∑ n r r dan * -iE n t u f e un d 3 x = ∫ ∑ an u*f Ve -iE n t un d 3 x dt n oder i∑ n ( ) r dan d 3 xu*f un e -iE n t = ∑ an e -iE n t ∫ dt 14243 n =δ Teilchenphysik (∫ d xur Vu ) 3 * f n n f 59 Die nicht-relativistische Quantenmechanik Die Zeitabhängigkeit des Koeffizienten af ist gegeben durch i da f -iE f t e = ∑ an e -iE n tV fn ( t) dt n r r wobei V fn ( t) = ∫ d 3 xu*f V ( x, t) un oder da f i E −E t = −i ∑ an e ( f n ) V fn ( t) dt n Wie wird diese Gleichung benutzt? Wir betrachten eine bestimmte Anordnung: ein freies Teilchen bewegt sich im Raum. Zur Zeit t≈0 wirkt ein zeitabhängiges Potential V während eines kurzen Zeitintervalls. Wir sind am Zustand des Teilchens nach der Potentialwirkung interessiert. Der Anfangszustand (zur Zeit –T/2) ist gleich T t=− : 2 T ai − 2 = 1 a − T = 0 n 2 n≠i d.h., das Teilchen befindet sich am Anfang im Zustand |ui>. 60 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia St rungstheorie Annahme: wenn die Störung klein ist, bleibt der Zustand ungefähr im Anfangszustand. Es folgt, da f i E −E t = −i ∑ an e ( f n ) V fn ( t) dt n i( E f − E i ) t V fi ( t) ≈ −ia{ i ( t)e ≈1 Diese Näherung wird als erste (oder Born’sche) Ordnung bezeichnet. Durch Zeit-Integration erhalten wir a f ( t) ≈ − i ∫ t −T /2 dt′V fi ( t′ )e ( ) i E f − Ei t ′ Zur Zeit +T/2 wird der Endzustand durch den Koeffizient af(T/2) definiert +T / 2 r r r r i E −E t ′ T a f ≈ −i ∫ dt′ ∫ d 3 xu*f ( x )V ( x, t) ui ( x )e ( f i ) −T / 2 2 Wir betrachten nun den Fall, in dem die Störung zeitunabhängig ist und lassen T nach unendlich gehen: r r V ( x, t) = V ( x ) und T → ∞ Die Übergangs-Amplitude vom Anfangszustand i in den Endzustand f wird definiert als ∞ r r r r i E −E t ′ Tfi ≡ −i ∫ dt′e ( f i ) ∫ d 3 xu*f ( x )V ( x ) ui ( x ) −∞ Wir bemerken, dass die zeitliche Integration zu einer Dirac-δ-Funktion führt. Teilchenphysik 61 Die nicht-relativistische Quantenmechanik Dirac-δ-Funktion. Wir betrachten die Fouriertransformierte Funktion f ( x) = 1 2π ∞ ∫ A(k )e ikx 1 2π wobei A( k ) = dk −∞ ∞ ∫ f ( x )e − ikx dx −∞ Es gilt, 1 f ( x) = 2π = ∞ ∞ ∫ dke ∫ dyf ( y )e ikx −∞ − iky −∞ ∞ ∞ −∞ −∞ dk ∫ dyf ( y ) ∫ 2π e + ik ( x − y ) ∞ = ∫ dyf ( y )δ ( x − y ) −∞ und deshalb δ ( x − y) = ∞ dk ∫ 2π e + ik ( x − y ) −∞ Mit der Dirac-δ-Funktion erhalten wir für die Übergangsamplitude ( Tfi = −iV fi (2π )δ E f − E i ) Wir bemerken, dass die Übergangs-Amplitude verschwindet, wenn die Anfangs- und Endzustandsenergien nicht gleich sind: Tfi = 0 wenn E f ≠ E i d.h., eine zeitunabhängige Störung kann die Energie des Teilchens nicht ändern. 62 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia St rungstheorie Die Übergangswahrscheinlichtkeit pro Zeiteinheit wird definiert als W ≡ lim Tfi T →∞ 2 T wobei wir den Betrag im Quadrat der Amplitude verwendet haben. Durch Einsetzen erhalten wir W = lim ( −iV fi (2π )δ E f − E i T →∞ ) 2 T ( ) 1 1 T /2 2 i E −E t V fi (2π ) δ E f − E i dte ( f i ) ∫ 2 − / T T →∞ T 2π /2 T 2 1 = lim V fi (2π )δ E f − E i ∫ dt −T2 / 23 T →∞ T 1 = lim 2 ( ) =T Die Übergangswahrscheinlichkeit pro Zeiteinheit ist deshalb gleich 2 ( W = (2π ) V fi δ E f − E i ) Wir können nun annehmen, dass das Teilchen einen Übergang in viele Endzustände mit der Energie Ef machen kann. Wir führen die Dichte der Endzuständen ρ ein als: ρ( E f ) dE f = Anzahl der Endzustände im Energieintervall E f und E f + dE f Teilchenphysik 63 Die nicht-relativistische Quantenmechanik Die gesamte Übergangswahrscheinlichtkeit pro Zeiteinheit vom Zustand i zu Zuständen f wird durch Intergration über die möglichen Endzustände gewonnen: 2 ( ) W fi = (2π ) ∫ dE f V fi δ E f − E i ρ( E f ) 2 = (2π ) V fi ρ( E f ) Fermis Goldene Regel 4.3.2 Elastisches Streuexperiment Wir versuchen nun ein Streuexperiment mit Hilfe der quantenmechanischen Beschreibung zu analysieren. Wir vereinfachen das Problem und betrachten nur elastische Stösse an einem festen Potential. In dieser Beschreibung ist ein Potential V für die Streuung des Teilchens verantwortlich. Als Folge wird das Teilchen seinen Impuls ändern. Im elastischen Stoss wird der Betrag des Impulses nicht geändert, nur die Richtung: r r r pi = p f = p = p Die Streuung wird als ein Übergang vom Anfangszustand mit Impuls pi zum Endzustand mit Impuls pf dargestellt. Siehe Abb. 1. 64 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia St rungstheorie pf θ pi V Figur 1. Streuexperiment in der quantenmechanischen Beschreibung Vergleiche mit Abb. 5 im Kap. 1.4.1. In der quantenmechanischen Beschreibung spricht man nicht mehr von der Bahnkurve des Teilchens, wir sind an der Übergangswahrscheinlichkeit zwischen Zuständen mit bestimmten Impulsen pi → pf interessiert. Einfallendes Teilchen: ebene Welle mit bestimmtem Impuls pi, und mit Normierung in einem Kasten des Volumens L3: r 1 r r ui ( x ) = 3 / 2 e ip i ⋅x L Teilchenphysik r Impuls pi 65 Die nicht-relativistische Quantenmechanik Auslaufendes Teilchen: r 1 ipr ⋅xr u f ( x ) = 3/2 e f L r Impuls p f Der differentielle Wirkungsquerschnitt für den Übergang zwischen Zuständen pi und pf wird definiert als dσ ij ≡ W fi j wobei j = Fluss des einfallenden Teilchens Einheit: Wfi = Übergangwahrscheinlichtkeit pro Zeiteinheit j=Wahrscheinlichkeit pro Zeitheinheit und Flächeneinheit d.h. der Wirkungsquerschnitt hat, wie erwartet, die Einheit einer Fläche. Für ein freies einfallendes Teilchen ist der Fluss gleich (Siehe Kap. 4.1.4) r r 1 p 2 p ⇒ j= 3 j= N m L m Es folgt daraus mit Fermis Goldener Regel: 2 2 W fi (2π ) V fi ρ( E f ) mL3 dσ ij ≡ = = (2π ) V fi ρ( E f ) 1 p j p L3 m 66 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia St rungstheorie Wir bestimmen die Dichte der Endzustände. Für eine ein-dimensionale Anordnung, erhalten wir u f ( x ) = Ne ip f ⋅ x ⇒ dp f = ⇒ u f ( L) = Ne ip f ⋅ L =1 ⇒ pf = 2πn L 2π dn L und in 3 Dimensionen 3 3 L L dn = dpx dpy dpz = p 2 dpdΩ 2π 2π Die Dichte der Zustände ist dn ρ( E f ) = dE f pdp p2 1 wenn E f = 2 pdp = ⇒ dE f = m 2m 2m oder 3 L 2 p dpdΩ 3 dn 2π L ρ( E f ) = = = mpdΩ pdp 2π dE f m Der differentielle Wirkungsquerschnit wird dann gegeben durch dσ = (2π ) Teilchenphysik 3 2 2 L 2 mL3 m V fi mpdΩ = L6 V fi dΩ 2π 2π p 67 Die nicht-relativistische Quantenmechanik oder 2 dσ m 6 2 = L V fi dΩ 2π Das Matrix-Element Vfi wird bestimmt: r r r − ipr ⋅xr r r r 1 r r rr 1 V fi = ∫ d 3 xu*f V ( x ) ui = 3 ∫ d 3 xe f V ( x )e ip i ⋅x = 3 ∫ d 3 xV ( x )e iq ⋅x L L wobei r r r q ≡ pi − p f = Aenderung des Impulses Man spricht vom Impulsübertrag q. Schliesslich wird der Wirkungsquerschnitt geschrieben als dσ m = dΩ 2π 2 r iqr ⋅xr 2 3r ( )e d xV x ∫ Diese Gleichung entspricht dem differentiellen Wirkungsquerschnitt für die Streuung am Potential V. Diese Gleichung gilt in erster Näherung (der sogenannten Born’schen Näherung). 4.4 Rutherford-Streuung Wir betrachten nun die Anordnung des Rutherford-Streuexperiments. In der Störungstheorie muss das Potential schwach sein. Wir können kein Potential verwenden, das eine unendliche Reichweite wie die Coulomb-Kraft besitzt. Wir nehmen deshalb an, dass 68 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Rutherford-Streuung die Ladung des punktförmigen Kerns von einer Elektronenwolke abgeschirmt wird. D.h., für das Potential verwenden wir ein Coulomb-Potential für eine punktförmige Ladung +Ze, korrigiert für eine Elektronenwolke der Ladung –Ze: r r ze 2 Z ρ( x ′ ) 3 r ( ) ≡ − V x r r d x ′ r 4πε 0 x ∫ x − x ′ wobei r ∫ ρ( x ′)d 3 r x′ = Z der gesamten Ladung der Elektronen entspricht. In der letzten Gleichung haben wir angenommen, dass das Atom elektrisch neutral ist. Die Ladung des gestreuten Teilchens ist gleich ze. In erster Born’scher Näherung müssen wir das folgende Integral berechnen, um das Matrix-Element zu bestimmen: r r iqr ⋅xr ze 2 ρ( x ′ ) 3 r iqr ⋅xr 3r 3 r Z ∫ d xV ( x )e = 4πε 0 ∫ d x xr − ∫ xr − xr ′ d x ′ e Wir bemerken, dass r 2 iqr ⋅xr r iqr ⋅xr 2 3r 3r ∫ d xV ( x )(∇ e ) = (iq) ∫ d xV ( x )e Es folgt, r iqr ⋅xr r 2 iqr ⋅xr 1 3r 3r d xV ( x ) e = − d xV ( x )(∇ e ) ∫ q2 ∫ Teilchenphysik 69 Die nicht-relativistische Quantenmechanik Mit Hilfe des Satzes von Green (Siehe Übungen) erhalten wir r 2 iqr ⋅xr 3r ( )(∇ e ) = d xV x ∫ r iqr ⋅xr r r r r r r r 3 r iq ⋅ x 2 iq ⋅ x + ∇ − ∇ ∇ ( ) d xe V x V e e V dA ( ) ∫ ∫ A =∂V (( ) ( )) Das Integral über die Fläche A, die das Volumen V umschliesst, verschwindet, wenn das Volumen nach unendlich geht, da gilt r r V ( x ) → 0 wenn x → ∞ r r r ∇V ( x ) → 0 wenn x → ∞ Durch Ersetzen von V können wir den Laplace-Operator, angewendet auf das Potential, berechnen r ze 2 2 1 1 r 3r 2 ∇ V (x) = ∇ − ∇ Z r r r ρ( x ′ ) d x ′ 4πε 0 x ∫ x − x′ 2 Aus dem Elektromagnetismus (Siehe z.B. Jackson) kennen wir die Beziehung 1 r r ∇ 2 r r = −4πδ ( x − x ′ ) x − x′ Deshalb ist r r r ze 2 ∇ V (x) = − Zδ ( x ) − ρ( x )) ( ε0 2 70 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Rutherford-Streuung Das Integral des Potentials ist deshalb gleich ∫d 3 r r r r rr r r 1 xV ( x )e iq ⋅x = − 2 ∫ d 3 xV ( x )(∇ 2e iq ⋅x ) q r rr r 1 = − 2 ∫ d 3 xe iq ⋅x (∇ 2V ( x )) q = r r r r ze 2 1 3 r iq ⋅ x d xe Zδ ( x ) − ρ( x )) ( 2 ∫ ε0 q Dieses Integral besitzt zwei Teile, die wir in folgender Weise ausdrücken werden: r r iqr ⋅xr ze 2 1 r ∫ d xV ( x )e ≡ ε 0 q2 [Z − F (q )] 3 wobei F(q) die Fouriertransformierte der Elektronenladungsverteilung ist: r r rr r F (q ) ≡ ∫ d 3 xe iq ⋅x ρ( x ) Schliesslich ist der Wirkungsquerschnitt gleich 2 2 r 2 dσ m ze 2 1 = 4 [ Z − F (q )] dΩ 2π ε 0 q wobei der Impulsübertrag gleich r r r q ≡ pi − p f = Aenderung des Impulses ist. Wir können den übertragenen Impuls q als Funktion des Streuwinkels ausdrücken: Teilchenphysik 71 Die nicht-relativistische Quantenmechanik r r r q ≡ pi − p f r r r r r ⇒ q 2 ≡ pi 2 + p f 2 − 2 pi ⋅ p f = 2 p 2 − 2 p 2 cosθ r q 2 = 2 p 2 (1 − cosθ ) = 4 p 2 sin 2 (θ / 2) Es folgt, wie erwartet r q 2 → 0 wenn θ → 0 In diesem Fall kann man die Fouriertransformierte durch die ersten Glieder ihrer Taylor-Reihe approximieren: r r r r 1 r r 2 e iq ⋅x ≈ 1 + iq ⋅ x + (iq ⋅ x ) + ... 2 D.h., r r rr r Z − F (q ) = Z − ∫ d 3 xe iq ⋅x ρ( x ) r r r r r r 1 r r r 2 r = Z − ∫ d 3 xρ( x ) − i ∫ d 3 x (q ⋅ x ) ρ( x ) + ∫ d 3 x (q ⋅ x ) ρ( x ) + ... 2 14 4244 3 1442r443 r =0 = = 0 wenn ρ ( x )= ρ ( − x ) 1 3r r r 2 r d x (q ⋅ x ) ρ( x ) + ... 2∫ Das Ergebnis hängt von der Verteilung der Ladung ab. Im Allgemeinen gilt r 1 Z − F (q ) = q 2 2 ( ) r r 2 r q2I ∫ d x (q√⋅ x ) ρ( x ) = 2 3 wobei I dem Integral entspricht, das von der Ladungsverteilung abhängt. 72 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Rutherford-Streuung D.h., für kleine Streuwinkel gilt 2 2 2 r dσ m ze 1 = [Z − F (q )]2 dΩ θ →0 2π ε 0 q 4 2 2 2 2 m ze 1 q I ≈ 4 2π ε 0 q 2 2 2 2 2 2 m ze I ≈ ≈ konst. 2π ε 0 2 Dank der Verteilung der Elektronenwolke gibt es keine Divergenz, wenn der Streuwinkel nach null geht. Wenn der Streuwinkel nach null geht, ist der Grenzwert des Wirkungsquerschnitt gleich einer Konstanten. Was passiert, wenn der Betrag des übertragenen Impulses q gross ist? Wir erwarten, dass gilt r r F (q ) → 0 wenn q → ∞ weil die Elektronenwolke nicht in einem Punkt konzentriert ist. Die Elektronenwolke ist keine Punktladung, und deshalb wird die Fouriertransformierte Funktion verschwinden, wenn der Betrag des “Wellenvektors” q nach unendlich geht. Für einen genügend grossen Betrag des übertragenen Impulses wird es möglich sein, F(q) im Vergleich zu Z zu vernachlässigen. Teilchenphysik 73 Die nicht-relativistische Quantenmechanik In diesem Fall gilt 2 2 2 r 2 dσ m ze 1 = 4 [ Z − F (q )] dΩ qr →∞ 2π ε 0 q 2 2 2 m zZe 1 ≈ 2π ε 0 q 4 2 zZe 2 2m = 2 2 4πε 0 4 p sin (θ / 2) 2 2 zZe 2 1 2 1 dσ = = 4 4πε 0 4 E sin (θ / 2) dΩ Rutherford Dieses Ergebnis ist gleich dem der klassischen Herleitung. Vergleiche mit Kap. 1.4.1. Der Rutherford-Wirkungsquerschnitt stellt deshalb die Born’sche Näherung dar, wenn der übertragene Impuls oder der Streuwinkel nicht zu klein ist, und wir in diesem Fall den Effekt der Elektronenwolke vernachlässigen können. 74 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia