4-8 – BWL I - B – Jahresabschluss – Sonstige Bewertungsaufgaben – Fabianca 4.2 BEWERTUNG VON ROHSTOFFEN 4.2.1 Grundlagen Roh- Hilfs- und Betriebsstoffe sind ein Bestandteil des Umlaufvermögens – und für die Bewertung des Umlaufvermögens gilt, wie Sie wissen, stets das strenge Niederstwertprinzip: Am Bilanzstichtag ist von zwei möglichen Wertansätzen (Tageswert und Anschaffungskosten / Herstellungskosten) der niedrigere anzusetzen (§ 253 IV HGB). Gemäß dem Prinzip der Einzelbewertung (§ 252 I HGB) müssen zum Bilanzstichtag alle Gegenstände des Vorratsvermögen körperlich (mengenmäßig) einzeln erfasst und bewertet werden. Vorräte werden allerdings in der Realität, oft zu unterschiedlichen Zeitpunkten, sowie zu verschiedenen Preisen angeschafft. Eine Einzelbewertung hätte einen großen Arbeitsaufwand zur Folge, welcher die Bewertungsgenauigkeit nicht rechtfertigen würde. Daher sind lt. § 240 III und V HGB sowie § 265 HGB so genannte Bewertungsvereinfachungsverfahren zulässig. Dazu gehören: Festwertansatz (§ 240 III HGB) Durchschnittswerte § 240 IV HGB) Verbrauchsfolgeverfahren (§ 256 HGB) 4.2.1.1 Festwertansatz Vorräte und damit Rohstoffe dürfen gem. § 240 III HGB mit einem Festwert, d.h. mit einer gleich bleibenden Menge und einem gleich bleibenden Wert bewertet werden, wenn die nachfolgenden Kriterien erfüllt werden bzw. gegeben sind: Regelmäßige Ersetzung Gesamtwert muss nachrangige Bedeutung für das Unternehmen haben Bestand darf sich in seiner Größe, seinem Wert und seiner Zusammensetzung nur gering verändern Wertvolle und regelmäßig erheblichen Preisschwankungen unterliegende Gegenstände (z.B. Edelmetalle) dürfen nicht mit einem Festwert bewertet werden. Alle drei Jahre ist allerdings aufgrund steuerlicher Vorschriften eine körperliche Bestandsaufnahme durchzuführen, was Korrekturbewertung zur Folge haben kann. Beim erstmaligen Ansatz des Festwertes in einen bestehenden Betrieb entspricht die Höhe grundsätzlich dem letzten Inventurwert. Typische Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe die mit Festwerten bewertet werden können: Schmier- und Reinigungsmittel Nieten Schrauben und sonstiges Kleinmaterial Beispiele aus der Praxis für Festwert: Bei der Inventur eines Reinigungsmittellagers zum 31. 12. 10 wird ein Bestand von 5000,00 € ermittelt. Das Konto wird ab 01. 01. 11 als Festwertkonto geführt. Eine besondere Buchung ist nicht erforderlich. Eine Fabrik verfügt ständig über einen, nach Größe und Wert etwa gleich bleibenden Bestand an Werkstoffen (z.B. Holzwolle). Zur Erleichterung der Inventur und der Bewertung kann für diese Betriebsstoffe ein Festwert gebildet werden, da es sich hier um relativ stabile Preise handelt. Am Bilanzstichtag befindet sich regelmäßig ein bestimmter, noch nicht bearbeiteter Bestand an Rohstoffen in den Produktionsanlagen. Dieser Bestand lässt sich nur schwer durch körperliche Aufnahme (Inventur) feststellen. Für diese Rohstoffe kann ein Festwert gebildet werden. Fabianca – BWL I - B – Jahresabschluss – Sonstige Bewertungsaufgaben – 4-9 4.2.1.2 Zahlenbeispiel Für die anderen Bewertungsmethoden möchte ich ein Zahlenbeispiel vorgeben, das uns durch alles weitere hindurch begleiten wird. Beispiel: Anfangsbestand am 01.01.: + Einkauf am 10.04.: + Einkauf am 08.08.: + Einkauf am 10.11.: = Summe - Verkauf am 20.04.: - Verkauf am 15.09.: = Endbestand am 31.12.: 100 kg 200 kg 300 kg 100 kg 700 kg 200 kg 250 kg 250 kg zu 21,-- €/kg zu 30,-- €/kg zu 23,-- €/kg zu 28,-- €/kg zu 32,-- €/kg zu 36,-- €/kg Berechnen Sie für den Endbestand jeweils den Preis in €/kg sowie gesamt nach dem einfachen, dem gewogenen und dem gleitenden Durchschnitt sowie nach Lifo, Fifo, Hifo und Lofo! Eines sei schon vorweg gesagt: Die beim Verkauf erzielbaren Erlöse haben nichts mit der Bilanzierung des verbliebenen Lagerbestandes zu tun. Und: Für die Wertansätze des Endbestandes in der Bilanz ist immer das strenge Niederstwertprinzip zu beachten! (§ 253 Abs. III HGB) 4.2.1.3 Durchschnittswerte Drei unterschiedliche Durchschnittswerte sind bekannt: 1. Einfacher Durchschnitt (nach § 240 IV HGB verboten!): Der Durchschnittspreis wird als arithmetisches Mittel der Preise berechnet, also die Gesamtanschaffungskosten durch die Gesamtstückzahl dividieren: (21 + 30 + 23 + 28) / 4 = 25,50 €/kg. Der Wert des Endbestandes beträgt also 250 • 25,50 = 6.375,-- €. 2. Periodischer oder gewogener oder gewichteter Durchschnitt: (handelsrechtlich nach § 240 IV HGB zugelassen) Die Einkäufe werden mit Ihren Mengen und Preisen gewichtet. Berechnung: Anfangsbestand am 1. 1.: + Einkauf am 10. 4.: + Einkauf am 8. 8.: + Einkauf am 10. 11.: = Summe 100 kg 200 kg 300 kg 100 kg 700 kg zu 21,-- €/kg zu 30,-- €/kg zu 23,-- €/kg zu 28,-- €/kg = = = = 2.100,-- € 6.000,-- € 6.900,-- € 2.800,-- € 17.800,-- € 17.800 / 700 = 25,43 €/kg; d.h. der Wert des Endbestandes beträgt 250 • 25,43 = 6.357,14 €. Vorteil: Nachteil: relativ einfach ohne großen Buchungsaufwand zu ermitteln zwischenzeitlicher Verbrauch wird am erst am Ende der Periode bewertet. 4-10 – BWL I - B – Jahresabschluss – Sonstige Bewertungsaufgaben – Fabianca 3. Gleitender Durchschnitt: (handelsrechtlich nach § 240 Abs. 4 HGB zugelassen) Die Bestände werden während eines Jahres laufend zu gewogenen Durchschnittspreisen berechnet, indem nach jedem Zugang ein neuer Durchschnittspreis ermittelt und jeder Abgang mit diesem neuen Preis erfasst wird. Die Verkaufspreise spielen dabei keine Rolle – sie bestimmen nur den Gewinn der Unternehmung. Berechnung: Anfangsbestand + Einkauf am 10. 4. 100 200 300 - Verkauf am 20. 4. 200 100 + Einkauf am 8. 8. 300 400 - Verkauf am 15. 9. 250 150 + Einkauf am 10. 11. 100 = Endbestand am 31. 12. 250 zu zu zu zu zu zu zu zu zu zu zu 21,00 30,00 27,00 27,00 27,00 23,00 24,00 24,00 24,00 28,00 25,60 = = = = = = = = = = = 2.100 € 6.000 € 8.100 € 5.400 € 2.700 € 6.900 € 9.600 € 6.000 € 3.600 € 2.800 € 6.400 € Vorteil: Durchschnittswert wird für jeden Verbrauch ermittelt/ man hat immer einen aktuellen Wert Nachteil: Aufwendige Berechnung insbesondere bei zahlreichen Mengenbewertungen (aber heutzutage durch EDV erleichtert) 4.2.1.4 Verbrauchsfolgeverfahren Der § 256 HGB sagt aus, dass die Bewertung gleichartiger Gegenstände des Vorratsvermögens nach einem sog. Verbrauchsfolgeverfahren bewertet werden dürfen. Diese Verfahren unterschieden sich in der Regel durch die Rangfolge, in der, der Verbrauch der Vorräte im Laufe eines Jahres stattfindet (Fifo u. Lifo). Die Verbrauchsfolgeverfahren ermöglichen einerseits eine praxisorientierte Bewertung der Vorräte und andererseits – und das macht den Unterschied zu Durchschnittsbewertung aus – erlauben sie den Unternehmen die Bewertung der Vorräte der gegenwärtigen Unternehmens- oder Marktsituation anzupassen. So führt z. B. bei steigenden Preisen die Lifo-Methode zu einer niedrigern Bestandsbewertung und damit zu einer geringeren Steuerabgabenlast. Lifo-Verfahren (last in – first out): Bei dem Lifo-Verfahren geht man davon aus, dass die zuletzt hergestellten bzw. angeschafften Waren zuerst verbraucht werden. Die Bestandsbewertung erfolgt daher zu den Anschaffungspreisen der zuerst beschafften Güter. Am Bilanzstichtag sind nur (evtl. teilweise) die bereits am Jahresanfang vorhandenen (bzw. evtl. auch noch aus den ersten Zugängen) Bestände auf Lager. Bildlich vorstellen kann man sich einen Papierstapel. Die zuerst beschafften Güter liegen ganz unten im Stapel und werden daher auch zuletzt verkauft, somit beginnt man mit ihnen die Bewertung. Das Lifo-Verbrauchsfolgeverfahren beruht auf dem Prinzip der Haldenlagerung bei Kohle, Kies, Sand etc, wo nur die zuletzt oben auf der Halde aufgefüllten Mengen auch entnehmbar sind. Lifo ist handelsrechtlich nach § 256 HGB und steuerrechtlich nach § 6 EStG zulässig. Berechnung: Der Endbestand von 250 kg setzt sich also zusammen aus 100 kg aus dem Anfangsbestand zu 21,00 €/kg + 150 kg aus dem ersten Zugang zu 30,00 €/kg = 250 kg Endbestand zu 26,40 €/kg = = = 2.100,-- € 4.500,-- € 6.600,-- € Fabianca – BWL I - B – Jahresabschluss – Sonstige Bewertungsaufgaben – 4-11 Fifo-Verfahren (first in – first out): Die zuerst angeschafften Gegenstände werden zuerst verbraucht bzw. veräußert, d.h. am Bilanzstichtag sind nur noch die letzten Bestände auf Lager. Bildlich vorstellen kann man sich das Verfahren am Beispiel von schnell verderblichen Lebensmitteln. Die zuerst beschafften Waren stehen immer vorn im Regal und werden zuerst verkauft. Neuere Waren werden hinten im Regal positioniert. Ein anderes Beispiel ist die Silo-Lagerung (von oben wird eingefüllt und von unten wieder entnommen). Fifo ist handelsrechtlich nach § 256 HGB zulässig, aber steuerrechtlich nach § 6 EStG nicht zulässig. Ausnahme: Es kann nachgewiesen werden, dass die unterstellte Verbrauchsfolge mit der tatsächlichen Verbrauchfolge übereinstimmt. Das ist beispielsweise im Lebensmitteleinzelhandel und in der Modebranche regelmäßig der Fall. Berechnung: Der Endbestand von 250 kg setzt sich also zusammen aus 100 kg vom Einkauf am 10. 11. zu 28,00 €/kg + 150 kg vom Einkauf am 8. 8. zu 23,00 €/kg = 250 kg Endbestand zu 25,00 €/kg = = = 2.800,-- € 3.450,-- € 6.250,-- € Neben diesen beiden in den Kurseinheiten besprochenen Verfahren gibt es noch weitere: Preisbezogene Verfahren wie Hifo (highest in, first out) oder Lofo (lowest in, first out) Konzernbezogene Bewertungsverfahren wie Kifo (koncern in, first out) oder Kilo (koncern in, last out). Sie spielen für Ihre Klausur keine Rolle. 4.2.1.5 Bewertungsvereinfachungsverfahren und Niederstwertprinzip Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie alle anderen Vorräte gehören immer zum Umlaufvermögen. Denken Sie also immer daran: Es ist stets das strenge Niederstwertprinzip zu beachten. Was bedeutet das in der Praxis? Beispiel 1: Angenommen, in einer Aufgabe sind die Anschaffungskosten für einen Rohstoff mit 15,- € / kg gegeben. Der Preis am Bilanzstichtag liegt bei 7,- € / kg und über ein – beliebiges – zulässiges Vereinfachungsverfahren haben Sie einen Wert von 6,- € / kg ausgerechnet. Mit welchem Preis ist dann der Lagerbestand von diesem Rohstoff zu bewerten? Wir hätten bei diesem Beispiel die Wahl zwischen dem Marktpreis am Bilanzstichtag und dem ausgerechneten Verfahrenspreis: Wenn wir einen hohen Gewinn ausweisen wollen, nehmen wir die 7,- € des Bilanzstichtages. Wenn wir einen niedrigen Gewinn ausweisen wollen, nehmen wir die 6,- €, die wir anhand eines Bewertungsvereinfachungsverfahren ausgerechnet haben. Das ist zulässig, weil das strenge Niederstwertprinzip nicht aussagt, dass man immer den niedrigsten Wert nehmen muss. Es sagt nur: Ist am Bilanzstichtag der Wert niedriger, muss auf diesen niedrigeren Wert abgewertet werden. Hat man dagegen auf einem zulässigen Weg einen noch niedrigeren Bilanzansatz ausgerechnet, darf man – wenn man einen möglichst niedrigen Gewinn ausweisen will – auch diesen Wert ansetzen. Auch bei den weiteren Beispielen wird die Frage nach dem „richtigen“ Bilanzansatz gestellt, wenn ein möglichst niedriger oder ein möglichst hoher Gewinn ausgewiesen werden soll: