Soziale Milieus, Soziale Herkunft von

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KATHOLISCHE HOCHSCHULE FREIBURG
CATHOLIC UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCE FREIBURG
Soziale Milieus, Soziale Herkunft von
Auszubildenden der Pflegeberufe
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt an der
Kath. Hochschule Freiburg, 2011 bis 2012
BA-Studiengang Pflegepädagogik
unter Leitung von Prof. Dr. Burkhard Werner
wiss. Beratung: Prof. Dr. Dr. Michael Ebertz
Mitglieder der Projektgruppe:
Aschenbrenner, Simone
Beck- Winter, Waltraud
Breu, Christine
Großmann, Kathrin
Junginger, Christa
Köppl, Marika
Luckau, Doreen
Merz, Eva
Nebauer, Petra
Rigel, Karola
Röttele, Manuela
Tschesche, Eike
Vater, Kristin
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Inhaltsverzeichnis:
1.
Einleitung (W. Beck- Winter)............................................................................. 1
2.
Soziale Milieus-Stand der Theorie .................................................................. 2
2.1.
Karl Marx (1818 – 1883) (K. Rigel) ....................................................... 2
2.2.
Max Weber (1864 – 1920)(K. Rigel) ..................................................... 3
2.3.
Pierre Bourdieu (1930 – 2002) (P.Nebauer) ......................................... 4
2.3.1. Wer war Pierre Bourdieu? (P.Nebauer) ............................................. 4
2.3.2. Zentrale Begriffe nach Bourdieu (P.Nebauer) .................................... 5
2.3.2.1. Die sozialen Klassen (P.Nebauer)................................................. 5
2.3.2.2. Der soziale Raum (P.Nebauer) ..................................................... 5
2.3.3. Die verschiedenen Kapitalarten (P.Nebauer)..................................... 7
2.3.4. Der Habitus (P.Nebauer) ................................................................... 9
2.3.5. Abschließender Kommentar (P.Nebauer) .......................................... 9
2.3.6. Sozialer Raum (K. Rigel) ................................................................. 10
2.3.7. Bedeutung der Theorie von Pierre Bourdieu (K. Rigel) ................... 11
2.4.
Zusammenfassung der Milieuforschung (K. Rigel) ............................. 11
2.5.
Das soziale Milieu nach Michael Vester (E. Tschesche) ..................... 12
2.6.
Sinus-Milieus (E. Merz, M. Röttele) ....................................................... 14
2.7.
Soziologische Betrachtung (C. Breu) ................................................. 19
2.7.1. Soziale Milieus von pflegenden Angehörigen (C. Breu) .................. 19
2.7.2. Soziale Milieus von professionell Pflegenden (C. Breu) .................. 22
2.7.3. Soziales Milieu von (Alten-)Pflegerinnen (C. Breu) ......................... 23
3.
Stand der Verberuflichung in den drei Ausbildungsberufen ..................... 25
(D. Luckau, E. Tschesche)
3.1.
Stand der Ausbildung in der Pflege (D. Luckau) ................................. 27
3.1.1. Altenpflegeausbildung (E. Tschesche) ............................................. 27
3.1.2. Gesundheits- und Kinderkrankenpflege und Gesundheits- und
Krankenpflege (D. Luckau) ............................................................................ 28
3.2.
Reformmodelle in der Pflegeausbildung (D. Luckau) .......................... 30
3.3.
Gemeinsamkeiten der Ausbildungsmodelle (D. Luckau) .................... 30
3.4.
Motivation für den Pflegeberuf und zum Weg in die Pflegeausbildung
(M. Köppl) ........................................................................................... 33
4.
Forschungsdesign ......................................................................................... 35
4.1.
Die Fragestellungen und Hypothesen des Lehrforschungs- und
Entwicklungsprojektes (S. Aschenbrenner, K. Großmann) .................................... 35
4.2.
Die angewandte Methodik des Lehrforschungs- und
Entwicklungsprojektes (K. Großmann) .............................................................. 36
4.2.1. Kommunikative Grundlagen bei der Erstellung des Fragebogens 37
(K. Großmann)
4.2.2.
4.2.3.
4.2.4.
4.2.5.
4.2.6.
4.2.7.
4.2.8.
Die Titelseite (K. Großmann) ............................................................ 37
Hinweise zum Ausfüllen des Fragebogens (K. Großmann) .............. 38
Arten von Fragen (K. Großmann) ..................................................... 39
Formulierung von Fragen (K. Großmann) ........................................ 41
Die letzte Seite (K. Großmann) ........................................................ 42
Layout des Fragebogens (K. Großmann) ......................................... 42
Die Auswertung (K. Großmann) ....................................................... 43
I
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
5.
Ergebnisse...................................................................................................... 43
5.1.
Auswertung der soziografischen Daten .......................................... 43
(S. Aschenbrenner, E. Tschesche)
Milieuzugehörigkeit (D. Luckau) .........................................................
5.2.
52
5.3.
Gesundheitsverhalten, Freizeitverhalten bzw. Hobbies der
PflegeschülerInnen, nach drei Gruppen (C. Junginger) .................................... 54
5.3.1. Freizeitverhalten (C. Junginger) ....................................................... 55
5.3.2. Internet-Verfügbarkeit (C. Junginger) ............................................... 58
5.3.3. Gesundheitsverhalten der Pflegeauszubildenden ....................... 59
5.3.4. Zusammenfassung (C. Junginger) ................................................... 63
5.4.
Motive für die Ausbildung, Unterstützung bei der Suche nach einem
Ausbildungsplatz und bei der Berufsorientierung, Beurteilung der eigenen
Ausbildungsentscheidung ............................................................................. 63
5.4.1. Motive für die Ausbildung (W. Beck- Winter, M. Köppl, P. Nebauer) ....... 63
5.4.2. Unterstützung bei der Berufswahl (M. Köppl, P. Nebauer) ................. 76
5.4.3. Beurteilung der eigenen Ausbildungsentscheidung (C. Breu) ......... 79
6.
Prozessbeschreibung (W. Beck- Winter, M. Röttele)..................................... 80
7.
Fazit und Ausblick (K. Vater) ......................................................................... 86
8.
Danksagung und persönliches Resümee (K. Vater).................................... 89
Quellenverzeichnis ................................................................................................. 90
Bücher........................................................................................................... 90
Internet .......................................................................................................... 90
Sonstiges ...................................................................................................... 91
Abkürzungsverzeichnis .......................................................................................... 91
Abbildung: Theorien der sozialen Klassen und Schichten ................................. 92
II
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
1.
Einleitung
Überall geht ein frühes Ahnen dem späteren Wissen voraus.
(Alexander von Humboldt)
Die Flagge von Malta begrüßt im Mai vergangenen Jahres Pflegende aus aller Welt zu
einem internationalen Kongress. Schwerpunktthema der Veranstaltung ist der weltweite Arbeitsmarkt für Pflegekräfte. Ein Mangel an Pflegefachkräften macht sich in
Deutschland schon jetzt bemerkbar und die Berufsausbildung verliert an Attraktivität.
Fraglich bleiben die Gründe für den Rückgang. Die Universität Bremen startete eine
Kampagne bei der sie unter anderem die Beliebtheit von Berufen untersuchte. Die
Pflegeberufe belegen unter sechsundzwanzig Auswahlmöglichkeiten die hinteren Plätze (vgl. Institut für Public Health. Universität Bremen 2010)
Während eines Seminars an der Katholischen Hochschule Freiburg werden die unterschiedlichen Curricula in der Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung und in der Altenpflegeausbildung erörtert. Evaluationsergebnisse von Modellprojekten über eine
generalistische Ausbildung regen kontroverse Gespräche an. Ob im Hinblick auf das
zunehmende Fehlen von Pflegefachkräften eine generalistische Ausbildung für die drei
in Deutschland bestehenden Pflegeberufe eingeführt werden soll, wird ebenfalls im
Frühjahr vergangenen Jahres unter Studierenden heiß diskutiert.
Eine eventuell geplante Zusammenlegung der Ausbildungsberufe weckt unterschiedliche Befürchtungen. Sind die Ausbildungen der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege,
Gesundheits- und Krankenpflege und der Altenpflege grundsätzlich zu vereinen? Die
Zugangsvoraussetzungen unterscheiden sich generell und im Zuge der Gleichsetzung
mit anderen europäischen Staaten müssten sie angeglichen werden. Zudem ist das
Berufsbild der Altenpflege in anderen europäischen Ländern nahe zu unbekannt. Zukünftig werden die Fragen im Mittelpunkt stehen woher die Auszubildenden in der Pflege kommen, wie sieht deren Herkunft aus, warum entscheiden sie sich für den Beruf
und wie kann der steigende Bedarf an Pflegekräften im Hinblick auf eine älter werdende Gesellschaft bewältigt werden.
Diese Problematik war der Ausgangspunkt Studierender der Katholischen Hochschule
Freiburg. Eine Vorahnung, dass nicht nur Studierende ein Interesse an diesen Fragen
haben könnten, sondern auch Pädagogen und darüber hinaus Schulen und Ausbildungsinstitutionen bis hin zu Soziologen, begleitet mehrere Studierende. Sie erkundigten sich bei einem ihrer Professoren der Hochschule, ob diese Fragen nicht einer näheren Nachforschung wert wären. Das bot den Anlass, in Zusammenarbeit mit Prof.
Dr. B. Werner, sich Gedanken über ein entsprechendes Forschungsprojekt zu machen.
So wird im folgenden Semester das Lehr-Forschungs-Projekt “Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe“ vorgestellt und dreizehn Studierende finden Interesse an diesem Projekt.
1
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Anfangs beschäftigt sich die Projektgruppe vor allem mit Literatur- und Datenrecherchen. Als ungeahnte Schwierigkeit stellte sich heraus, dass keine Daten über die Herkunft von Auszubildenden in der Pflege zu finden sind. So entpuppt sich das LehrForschungs-Projekt als echte Pionierarbeit. Die Studierenden entwickeln einen eigenen
Fragebogen woraus sich eine vorrangig quantitative Erhebung ergibt.
Das Interesse des Sinus-Institutes Heidelberg, eine international agierende Markt- und
Meinungsforschungseinrichtung, kann im Zuge der Milieustudie gewonnen werden. Sie
decken einen Teil des Fragebogens mit eigenen Fragen ab und stellen die Auswertungen der Gruppe zur Verfügung. Somit ergibt sich in diesem Teil des Fragebogens eine
Vergleichbarkeit zur deutschen Gesamtbevölkerung.
In dieser Arbeit werden die Projektmitglieder die historischen Entwicklungen von sozialen Milieus, den Stand der Theorien und soziologische Betrachtungen bezogen auf
Pflegende darstellen. Zudem wird der aktuelle Stand der Ausbildung in den Pflegeberufen und Reformmodelle dargelegt. Aufgestellte Hypothesen wie beispielsweise aus
welchen Milieu-Gruppen Pflegeauszubildende kommen oder die Heterogenität unter
den drei Ausbildungsberufen im Hinblick auf soziale Herkunft, Alter und Bildungsabschlüsse, werden mittels des Fragebogens erörtert und die angewandte Methodik demonstriert. Verschiedene Studien werden vorgestellt und die Fragen des erstellten
Fragebogens erläutert, analysiert und ausgewertet. Der Datenfülle wegen wird nicht jede Frage explizit erläutert. Ein Fazit mit Ausblick auf Veränderungen in der Pflegeausbildung beendet den Projektbericht.
Die Projektgruppe hofft, dass ihre Vorahnung weitere Kreise zieht und die gewonnenen
Ergebnisse andere Interessierte zu differenzierteren Forschungen anregen. Vielleicht
können weitere Untersuchungen zur Lösungsfindung beitragen, wie zukünftig dem
Pflegekräftemangel begegnet werden kann, und zusätzliche Ergebnisse zur sinnvollen
Gestaltung der eventuellen Einführung der generalistischen Ausbildung beisteuern.
2.
Soziale Milieus-Stand der Theorie
In unserem Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt betrachteten wir unter anderem
die geschichtliche Entwicklung von Milieus und Schichten. Hintergrund war das bessere Verständnis zur Milieuforschung, deshalb lag hier der Schwerpunkt auf der klassischen Entwicklung bis in die heutige Zeit. Beginnen möchten wir mit:
2.1.
Karl Marx (1818 – 1883)
Bis in die heutige Zeit besteht der Begriff der Klassen oder auch Schichtzugehörigkeit.
Wer vom „Klassenbegriff“ spricht, kommt auch derzeit nur schwer an Karl Marx vorbei.
Marx betrachtete die Menschheitsgeschichte als Abfolge von Klassengesellschaften.
Jede geschichtliche Epoche war nach seiner Auffassung durch eine spezifische Produktionsweise gekennzeichnet, der ihrerseits eine jeweils spezifische Machtkonstellati2
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
on zugrunde lag. Diese Machtkonstellation zeichnete sich dadurch aus, dass sich eine
ökonomisch herrschende Klasse in ständigem, offenem oder verborgenem Konflikt mit
einer anderen, der unterdrückten Klasse befand (vgl. Schilcher, 2005).
Marx teilt die Menschen der bürgerlichen Epoche in insgesamt zwei Klassen ein:
1. Die Arbeitenden (Proletarier), die ihren Lohn beziehen
2. Die Arbeitgeber (herrschende Klasse), die das sogenannte Produkt entgegennehmen und eine Entlohnung für die Tätigkeit der Arbeitenden bezahlen.
Die herrschende Klasse bereichere sich laut Marx an ökonomischem Kapital, dagegen
hätte die Arbeiterklasse „nur“ die Arbeitskraft und bekäme diese entlohnt. Es bestehen
kaum Möglichkeiten diese und ihr Eigentum zu vermehren. Die Arbeitskraft der Unterklasse sei einem ständigen Stress, Verschleißerscheinungen, geringem Lohn und gesundheitlichen Problemen ausgesetzt.
Im Rahmen der industriellen Revolution rief Marx auf zum Klassenkampf und damit zur
Klassenlosigkeit. „Karl Marx deutet die Zukunft neu“ (ZDF online, Abruf vom 26.10.11).
Marx sah im Proletariat die Zukunft. Im Exil in Paris freundete er sich mit Friedrich Engels (Philosoph und Gesellschaftstheoretiker) an. Er entwickelte gemeinsam mit Karl
Marx die heute als Marxismus bezeichnete soziale Gesellschafts- und Wirtschaftstheorie. Sie beide betrachteten die Tätigkeit der Fabrikarbeiter und die Situationen, denen diese ausgesetzt waren als sehr heikel. Das Manifest der kommunistischen Partei
zeigte zur damaligen Zeit den Klassenkampf unter den Schichten, die Arbeiter gingen
auf die Barrikaden und forderten zudem mehr Freiheit und Zugeständnisse. Marx
selbst forderte liberalere Verhältnisse ein. Folgendes Zitat war zu dieser Zeit führend:
„Das Proletariat wird sich nun erheben.“ Nach der Arbeiterrevolution zog es Marx von
Paris nach London.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Theorie von Karl Marx als teilweise einseitig beschrieben wird. Es gab zwei Klassen und die dazugehörigen Unterschiede. Erfolgsverzeichnend war allerdings durchaus die Zunahme des Selbstbewusstseins der
„Arbeiter“, die an Ansehen gewannen und eine Eigendynamik im Rahmen von weiteren
Widerstandskämpfen zeigten. Schauen wir uns die weitere Entwicklung an:
2.2.
Max Weber (1864 – 1920)
Max Weber betrachtete die Klassenlage deutlich differenzierter als Marx und bezeichnet diese als Besitz von Eigentum und als Besitzlosigkeit. Er teilte die Unterklassen
dazu folgend ein:
3
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
•
Erwerbsklasse – Differenzierung des Marktwertes eines Arbeiters, Bauern
oder auch Unternehmers. Hier unterscheidet Weber in eine Art Mittelklasse und
auch bevorteilte (Unternehmer) und benachteiligte Klasse (Arbeiter)
•
Besitzklasse – Grundbesitz, Viehbesitz, Eigentum, privilegierte und negativ
privilegierte Besitzklasse
•
Soziale Klasse – Gesamtheit aller Klassen (Besitz und Erwerb), die veränderbar ist zwischen der Erwerbs- bzw. Besitzklasse
(http://www.jhterstegge.de/downloads/schichtung, Abruf am 26.10.11).
Weber unterschied Stände (angemessene Erziehung, Bildung, Ausbildung, Abstammung, Herrschaftsposition etc.). und Klassen und betrachtete diese wesentlich differenzierter als Karl Marx, der „nur“ heterogene Gruppierungen (Arbeiter versus Unternehmer) in seiner Schichttheorie beschrieb (http://www.soziologie.uni-erlangen.de, Abruf am 30.10.11).
Die Bedeutung der Theorie von Max Weber liegt in einer wesentlich differenzierteren
Betrachtung von Schichten und Klassen. Vor allem aber sagte Weber, dass zudem die
Stände, also die Herkunft von Menschen kritischer betrachtet werden muss. Nun zu einem weiteren Soziologen der den sogenannten „sozialen Raum“ gesellschaftskritisch
betrachtete und jahrelang in Frankreich erforschte:
2.3.
Pierre Bourdieu (1930 – 2002)
„Kultur ist für Bourdieu keine unschuldige Sphäre, sondern das entscheidende Medium
zur Reproduktion von Klassenstrukturen. Bourdieus Argumentation mündet in der zentralen These, dass Klassenzugehörigkeit am deutlichsten in differentiellen Lebensstilen zum Ausdruck kommt.“ (Schilcher C., 2005, S. 1).
2.3.1.
Wer war Pierre Bourdieu?
Pierre Bourdieu war ein Gesellschaftstheoretiker, der in bäuerlichen Verhältnissen aufgewachsen ist und sich bis zur französischen intellektuellen Spitze hochgearbeitet hat.
Er studierte Philosophie und war Mitglied eines renommierten Forschungsinstituts in
Frankreich. Er verfasste viele literarische Werke und lieferte wichtige Beiträge zum
Verstehen des Zusammenhangs von Gesellschaft, Sozialisation und Bildungssystemen. Ungleichheiten und Machtmechanismen in der Gesellschaft, in der Wissenschaft
und im Bildungssystem aufzudecken waren sein Bestreben, zudem ergründete er die
dafür auslösenden Ursachen und Wirkmechanismen und versuchte Strategien zu ent4
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
wickeln, die dagegen steuerten (vgl. Nestvogel R.; Studienbericht C; Sozialer Wandel
und Sozialisationstheorien, S. 28).
2.3.2.
Zentrale Begriffe nach Bourdieu
Die zentralen Begriffe nach Bourdieu lassen sich auch als Denkwerkzeuge ansehen,
um soziale Gegebenheiten besser verstehen und nachvollziehen zu können. Die zentralen Begriffe, die er beschreibt sind: die sozialen Klassen, der soziale Raum, die verschiedenen Kapitalarten und den Habitus. Er entwickelte diese Begriffe weiter, um daraus eine neue Sicht auf die Gesellschaft zu erlangen (vgl. Nestvogel R.; Studienbericht
C; Sozialer Wandel und Sozialisationstheorien, S. 28).
2.3.2.1.
Die sozialen Klassen
Diese sozialen Klassen werden in drei Kategorien eingeteilt. Bei der ersten handelt es
sich um die „Herrschende Klasse“, die sich durch Distinktion, also Abstand und Unterscheidung, zu den anderen Kategorien, charakterisiert. Bei der zweiten handelt es sich
um die „Mittlere Klasse“, die durch die Prätention dargestellt und erklärt wird. Die letzte
Klasse ist mit der Notwendigkeit für dieses System gekennzeichnet und wird als
„Volksklasse“ bezeichnet (vgl. Nestvogel R.; Studienbericht C; Sozialer Wandel und
Sozialisationstheorien, S. 28).
2.3.2.2.
Der soziale Raum
Bourdieu sieht die Gesellschaft als einen sozialen Raum und will sich von Vorstellungen abgrenzen, in denen die gesellschaftlichen Gruppen als säuberlich getrennt, neben- oder übereinander stehend angesehen werden. Nestvogel beschreibt die Sicht
von Bourdieu auf den sozialen Raum folgendermaßen: „Für ihn besteht der soziale
Raum aus mehreren Dimensionen, die er als drei übereinander gelegte (transparente)
Schemata konzipiert: Kapitalvolumen, Kapitalart und die Beziehung zwischen sozialer
Position und Lebensstilen (kulturelle Vorlieben, Hobbies, Freizeitgestaltung etc.)“ (zit.
n.: Nestvogel R.; Studienbericht C; Sozialer Wandel und Sozialisationstheorien; S. 28).
5
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Laut Nestvogel spricht Bourdieu hier über eine Art „Achsenkreuz“: „die vertikale hat ein
„Oben“ und ein „Unten“, die horizontale einen intellektuellen und einen ökonomischen
Pol“ (zit. n. Nestvogel R.; Studienbericht C; Sozialer Wandel und Sozialisationstheorien, S. 29). Die Abhängigkeit vom Kapitalvolumen und von der spezifischen Zusammensetzung der Kapitalarten, bestimmt die Position eines jeden im sozialen Raum. Ein
Müllunternehmer, der beispielsweise einen Hauptschulabschluss hat, aber mit der
Müllentsorgung viel Geld verdient, verfügt über ein hohes ökonomisches Kapital und
weniger kulturelles Kapital. Im umgekehrten Beispiel könnte eine Person mit Hochschulabschluss und Doktortitel, der auf der Suche nach Arbeit ist, viel kulturelles Kapital besitzen, dafür nur sehr wenig ökonomisches Kapital. Bourdieu ordnet die Verteilung der Menschen im sozialen Raum einmal nach der Kapitalhöhe bzw. der -menge
an, so befinden sich oben diejenigen mit viel Kapital und unten die mit wenig Kapital.
Zum zweiten teilt er sie nach der Kapitalart ein: links die mit kulturellen Kapital (Intellektuelle, insbesondere Lehrer und Hochschullehrer), rechts mit ökonomischem Kapital
(Industrielle, Handelsunternehmer) und in der Mitte mit sozialen Kapital (Freiberufler
mit hohem Einkommen und starkem kulturellen Kapital). Bei räumlicher Vorstellung,
befinden sich überall in diesem sozialen Raum Menschen, die über verschiedene Kapi6
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
talarten und -mengen verfügen und mit denen sie handeln, um ihr eigenes Kapital zu
akkumulieren (vgl. Nestvogel R.; Studienbericht C; Sozialer Wandel und Sozialisationstheorien, S. 29).
2.3.3.
Die verschiedenen Kapitalarten
Das Schema des Kapitalvolumens betrifft die drei vertikalen, also von oben nach unten
eingeteilten, sozialen Klassen der Herrschenden, der Mittleren und der Volksklassen.
Diese Begrifflichkeiten sind bekannt und allgemein verbreitet. Zur Unterscheidung dieser drei Schichten wird normalerweise das ökonomische Kapital als Kriterium verwendet, d.h. welches Einkommen und über welches Vermögen diese Gruppen verfügen.
Im zweiten Schema werden die Untergliederungen in Kapitalarten in der Horizontalen
vorgenommen (vgl. Nestvogel R.; Studienbericht C; Sozialer Wandel und Sozialisationstheorien, S. 29).
7
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Ist die Rede vom ökonomischen Kapital, handelt es sich hier um Geld, Einkommen und
Vermögen, das bereits Karl Marx zutreffend erörtert hat. Bourdieu ergänzte diese Kapitalart um das soziale, das kulturelle sowie weniger systematisch ausgeführt, auch um
das symbolische Kapital, weil nicht nur das ökonomische Kapital Macht und Akkumulation diese Fähigkeiten beinhalten. Außerdem will er die Mehrdimensionalität sozialer
Ungleichheiten dadurch betonen (vgl. Nestvogel R.; Studienbericht C; Sozialer Wandel
und Sozialisationstheorien, S. 29).
Handelt es sich um Ressourcen, die auf der Zugehörigkeit zu einer Gruppe beruhen,
auf einen bestimmten Familienhintergrund oder einen besonders angesehen Schulabschluss oder zählt zu Kreisen, die sehr einflussreich sind, handelt es sich um soziales
Kapital oder bezeichnet es als die Beziehungen, über die Menschen verfügen (vgl.
Nestvogel R.; Studienbericht C; Sozialer Wandel und Sozialisationstheorien, S. 29).
„Der Umfang des Sozialkapitals, das der einzelne besitzt, hängt demnach sowohl von
der Ausdehnung des Netzes von Beziehungen ab, die er tatsächlich mobilisieren kann,
als auch von dem Umfang des (ökonomischen, kulturellen oder symbolischen) Kapitals, das diejenigen besitzen, mit denen er in Beziehung steht“ (zit. n. Nestvogel R.;
Studienbericht C; Sozialer Wandel und Sozialisationstheorien S. 29).
Das kulturelle Kapital wird in den Formen des inkorporierten, des objektivierten und
des institutionalisierten Kapitals differenziert. Von einem inkorporierten Kapital wird
dann gesprochen, wenn Bildung - bewusst oder unbewusst - erworben wird, sei es in
der Schule, an der Universität oder in der Familie, und der Mensch dies verinnerlicht
hat. Für dessen Erwerb hat der Mensch Zeit geopfert und es ist zu einem festen Bestandteil seiner Person geworden (vgl. Nestvogel R.; Studienbericht C; Sozialer Wandel und Sozialisationstheorien, S. 29). „In objektiviertem Zustand existiert das kulturelle
Kapital „in Form von kulturellen Gütern, Bildern, Büchern, Lexika, Instrumenten“. Institutionalisiertes Kulturkapital sind Zeugnisse, Diplome und Titel. Hiermit wird dem inkorporierten Kulturkapital eine institutionelle Anerkennung verliehen“ (zit. n. Nestvogel R.;
Studienbericht C; Sozialer Wandel und Sozialisationstheorien, S. 30).
Wenn nun der Zusammenhang von Kapitalarten und dem sozialen Raum gesehen
wird, kann man sich ihn wie einen großen Markt vorstellen, an dem viele Akteure teilnehmen, viele handelnde Individuen, die ihr persönliches Kapital zum Einsatz bringen,
um möglichst hohe Gewinne zu erzielen oder um einen möglichst guten Platz in der
Gesellschaft einnehmen zu können (vgl. Nestvogel R.; Studienbericht C; Sozialer
Wandel und Sozialisationstheorien, S. 30).
8
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
2.3.4.
Der Habitus
Der Habitus sagt etwas über die Sozialisation aus, die ein Mensch im sozialen Raum
durchlaufen hat. Der Habitus ist für Bourdieu das „Körper gewordene Soziale“. Er stellt
eine
Relation/Beziehung
her
zwischen
Individuum
und
sozialen
Struktu-
ren/Gesellschaft. Damit versucht Bourdieu, den Dualismus zwischen Individuum und
Gesellschaft aufzuheben (Bourdieu, zit. n. Engler 2004, S. 224; zit. n. Nestvogel, S.
31). Bourdieu hat das Konzept des sozialen Raumes entwickelt, um die näheren Kennzeichnungen dieser Welt und die gesellschaftlichen Bedingungen der Ausbildung der
Formen des Habitus so umfassend wie möglich zu rekonstruieren (vgl. Nestvogel R.;
Studienbericht C; Sozialer Wandel und Sozialisationstheorien, S. 31). Je nach Stellung
im sozialen Raum ist der Habitus auch ein anderer. Besteht eine Korrespondenz zwischen dem Raum der sozialen Position und dem der Lebensstile, der Lebensweisen
und Geschmacksrichtungen, dann muss sich zwangsläufig jede Veränderung im Bereich der sozialen Position auf die eine oder andere Weise im Bereich von Lebensstil
und Geschmack veränderlich zeigen (vgl. Nestvogel R.; Studienbericht C; Sozialer
Wandel und Sozialisationstheorien, S. 31). Verschiedene spezifische Dispositionen,
Wahrnehmungs-, Deutungs-, Bewertungs- und Handlungsschemata, die mit der Position im sozialen Raum verbunden sind, lassen auf den jeweiligen Habitus schließen und
durch die Sozialisationserfahrungen in der Vergangenheit und durch die strukturierenden Einwirkungen auf seine Umwelt, gestaltet er sich neu. Der Habitus wird sich laufend verändern, denn er ist nichts statisches (vgl. Nestvogel R.; Studienbericht C; Sozialer Wandel und Sozialisationstheorien, S. 31).
2.3.5.
Abschließender Kommentar
In ihrem Skriptum hat Nestvogel Folgendes sehr treffend formuliert: „Viele Unterschiede, die auf das Elternhaus, die soziale Schichtzugehörigkeit zurückgehen, sind in der
Schule nicht ausgeglichen, kompensiert worden und sie haben einen Einfluss darauf,
wie das universitäre Wissen verstanden und verarbeitet wird“ (zit. n. Nestvogel R.; Studienbericht C; Sozialer Wandel und Sozialisationstheorien, S. 32). „Diese betreffen z.B.
den Umfang des Wortschatzes, die sog. Fremdwörter, Griechisch und Latein, um sich
Fremdwörter herleiten zu können, weitere Fremdsprachen, d. W. Allgemeinbildung zu
Politik, Ökonomie, Kultur, zu gesellschaftlich-historischen Zusammenhängen; die Fähigkeit, Schriftsprache zu verstehen, Lesekompetenzen, den sprachlichen Ausdruck,
Selbstwertkonzepte, Sicherheit oder Unsicherheit im Auftreten etc“ (zit. n. Nestvogel
R.; Studienbericht C; Sozialer Wandel und Sozialisationstheorien, S.32). Nestvogel beschreibt eine Ausgangslage in der Gesellschaft die wir sehr gut auf die Kranken-, Kin9
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
derkranken- und Altenpflegeschulen projizieren können und auch so vorfinden. Der soziale Raum, die unterschiedlichen Kapitalarten und der Habitus einer jeden Person,
begründen die Unterschiede zu einer jeden anderen Person. Die Individualität, die verschieden gewichteten Zusammenhänge, die Wechselwirkungen und die Wertigkeiten,
lassen auf eine große Heterogenität in der Gesellschaft und auch in der Gesundheitsund Kinderkrankenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege und Altenpflege rückschließen.
2.3.6.
Sozialer Raum
Bourdieu definierte den erweiterten Begriff der Klasse neu und ordnete diese im sogenannten sozialen Raum (Abb.) ein.
Abbildung: Der soziale Raum nach Bourdieu
Quelle: http://www.kulturdisplace.net., Abruf am 23.03.12
10
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Er unterschied unterschiedliche Kapitalarten (Ökonomisches Kapital, Kulturelles Kapital) und stellte diese in unmittelbaren Zusammenhang. Bourdieu sprach von der „Habitus-Hermeneutik“. Habitus steht für die Haltung eines Menschen und das, was ihn an
Eigenschaften auszeichnet, z.B. Kleidung, Ess- und Lebensgewohnheiten. Unter anderem teilte Bourdieu die Klassenzugehörigkeit nach der Quantität des ökonomischen
Kapitals ein in die:
Herrschende Klasse: hohes ökonomisches Kapital (Unternehmer) oder
hohes kulturelles Kapital (Künstler)
Mittelklasse: absteigendes Bürgertum, exekutives Bürgertum, neues
Kleinbürgertum (Vertreter, Berater, Werbeagenten, Journalisten)
Volksklasse: die Beherrschten, unterster Bereich (angelernte Arbeiter),
sozialer Raum wäre veränderbar, Steigung nur mit Kraftaufwand.
2.3.7.
Bedeutung der Theorie von Pierre Bourdieu
Die Darstellung und Zusammenhänge im sozialen Raum zwischen Ökonomie und Kultur, Habitus- und Klassenbegriff zur Quantität des Kapitals, Mehrdimensionalität von
Klassenentstehung und damit auch der Einordnung im sozialen Raum waren Bourdieus zentrale Ansatzpunkte. Problematisch ist, dass Bourdieu in Frankreich geforscht hat
und dadurch die Übertragbarkeit nach Deutschland, so z.B. ins Bildungssystem auch
immer wieder kritisiert wird. Trotz aller Beurteilung ist Bourdieu bis in die heutige Zeit
einer der bedeutendsten Soziologen, er war Vorreiter in der Erforschung von Milieus,
die sich dann auch weiterentwickelt haben, so die SINUS-MILIEUS, zu deren näheren
Betrachtung wir nun kommen.
2.4.
Zusammenfassung der Milieuforschung
Klassen? Schichten? Milieus? Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Weiterentwicklung bereits geschichtlich betrachtet enorm ist. Es bleibt festzuhalten, dass
Marx ein Vorreiter von sogenannten „Schichttheorien“ war, nur, und das wird ihm bis in
die heutige Zeit entgegengehalten, war seine Einteilung zu grob, finden sich in der Arbeiterklasse doch verschiedene Unterteilungen und auch die Unternehmerklasse unterscheidet durchaus mehrere Unterklassen.
Max Weber entwickelte die Klassentheorie weiter und differenzierte in der Zugehörigkeit bereits insgesamt drei Klassen und verfeinerte hier noch einmal zwischen quantitativen Zusammenhängen. In der sozialen Klasse nach Weber fasste dieser alle Klassen
11
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
zusammen und behauptete sogar, dass hier stetig Veränderungen stattfinden können.
Das kommt auf die Ökonomie und Weiterentwicklung einzelner Menschen an, Größen
die hier immer veränderbar sind.
Revolutionär ist die Betrachtungsweise von Pierre Bourdieu, der der Darstellung der
Klassentheorie im sozialen Raum eine veränderte Einteilung verschafft und hier dann
auch Ökonomie und Kultur gegenüber stellt. Er teilt ein z. B. nach Musik- und Literaturgeschmack, Trink- und Essgewohnheiten und Eigenschaften, die den „Habitus“ eines
Individuums stark mitprägen und im sozialen Raum auch vorzufinden sind.
2.5.
Das soziale Milieu nach Michael Vester
Vester geht in seiner Milieuforschung davon aus, dass das Schichtmodell veraltet ist
und Milieus inzwischen an seine Stelle getreten sind. Vester unterscheidet, im
Gegensatz zum Sinusmilieu, das Milieu in zwei Bereiche: Erstens die alltägliche
Lebenswelt. Diese beinhaltet das individuelle gesellige Verhalten. Der zweite Bereich
ist die gesellschaftspolitische Grundeinstellung, der so genannte Politikstil.
Das individuelle Milieu entsteht nach Vester nicht durch die Auseinandersetzung mit
einem vermeintlichen „Gegner“ oder durch das Innehaben eines Arbeitsplatzes,
sondern das Milieu entsteht durch das individuelle Beziehungsnetz, die persönlichen
Werthaltungen und die jeweiligen Lebensweisen. Dabei haben Menschen die Tendenz,
das bestehende Milieu zu erhalten. Das geschieht dadurch, dass man das fremde
Milieu selektiv und verzerrt wahrnimmt und sich zum eigenen Milieu hingezogen fühlt.
Verstärkt wird diese Wahrnehmungsverzerrung durch das Verwenden allgemein
bewertender Schlagwörter, wie z.B. Erlebnisgesellschaft oder Zweidrittelgesellschaft.
Trotz
dieser
Verharrungstendenz
Entwicklungstendenzen.
Diese
gibt
es
aber
Entwicklungstendenz
auch
wird
bei
den
gespeist
Milieus
durch
die
allgemeine Individualisierung, die einhergeht mit der Kompetenzerweiterung der
Beteiligten. Vester betont in diesem Zusammenhang die zunehmende Selbst- und
Mitbestimmung der Personen. Die Entwicklung der Milieus wird auch angetrieben
durch die Auflösung individueller Zwänge. Das Ergebnis ist, dass die Lebensführung
nicht mehr so eng an von außen vorgegebene Klassenmentalitäten gebunden ist.
Bei dieser Entwicklung sind die Gewinner die bildungsnahen und engagierten Milieus,
z.B. die kritisch Engagierten, die Sozialintegrativen, die Radikaldemokraten und die
arbeitnehmerische Mitte. Die Verlierer sind die bildungsfernen Milieus.
In seiner Milieuuntersuchung stellt Vester nach der Kategorisierung „Bescheiden vs.
Anspruchsvoll“ und „Idealistisch vs. Konventionell“ folgende Milieus dar:
12
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
1. den humanistisch-aktiven Typus
- mit einer ausgeprägten Ethik und Leistungsorientierung
2. den ganzheitlichen Typus
- mit dem Kompromiss zwischen alternativer Lebensführung und dem Akzeptieren
der eigenen Grenzen
3. den erfolgsorientierten Typus
- der soziale Ungleichheiten akzeptiert
4. den Typus der neuen Arbeiterinnen/Arbeiter
- für den Selbstverwirklichung, Gesellschaft, Freizeit und Arbeit wichtig sind, der
aber persönlich keinen Aufstieg möchte
5. den Typus der neuen traditionslosen Arbeiterinnen/Arbeiter
- der ständig bemüht ist, Veränderungen entgegen zu wirken.
Nach der gesamtpolitischen Einstellung, welche Aspekte wie die Individualisierung,
Deklassierung, soziale Öffnung berücksichtigt, unterteilt Vester folgende Milieus:
1. die Sozialintegrativen
- sind stärker sozial orientiert als politisch
2. die Radikaldemokraten
- haben eine reformorientierte Grundhaltung mit dem Ziel, die demokratischen
Grundrechte zu stärken
3. die skeptisch Distanzierten
- haben eine sehr große Verweigerungshaltung gegenüber der Politik
4. die gemäßigten Konservativen
- haben gegenüber der Politik ein grundsätzliches Vertrauen, wollen aber von der
Politik in Ruhe gelassen werden
5. die traditionellen Konservativen
- bekunden Vertrauen und Interesse für die Politik
6. die Enttäuschten-Apathischen
- haben ein fatalistisches Gesellschaftsbild
7. die Enttäuschten-Aggressiven
- haben kein Mitleid mit den Schwächeren und sind auf ihren persönlichen Vorteil
bedacht.
13
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Nach dem geselligen Verhalten, welches die Aspekte Umgang mit Freunden und
Fremden berücksichtigt, erkennt Vester folgende Milieus:
1. die Erlebnisorientierten
- legen Wert auf Erweiterung des Erfahrungshorizonts und haben einen großen
Freundeskreis
2. die Suchenden
- probieren einerseits neue soziale Beziehungen, wünschen aber auch Sicherheit
3. die Zurückhaltenden
- orientieren sich auf die Familie und sehr wenige Freunde, die Motivation für diese
Zurückhaltung ist von einer elitären, kann aber auch Status sichernden Motivation
oder resignierenden / ängstlichen geprägt sein
4. die Unkomplizierten
- konzentrieren sich auch auf die Familie und Freunde. Sie wünschen sich aber in
ihrer Freizeit ein gemeinsames Erleben
5. die Bodenständigen
- beziehen sich häufig auf eine sehr langjährige Beziehung, insbesondere zu Familie
und Nachbarn.
6. die Resignierten
- leben in Spontaneität und Individualismus und wünschen für sich Konformität und
Gleichmäßigkeit.
2.6.
Sinus-Milieus
Das Sinus-Institut Heidelberg wurde 1978 von den Diplom-Psychologen Dorothea und
Horst Novak gegründet. 2009 hat die Firma Integral Wien die Anteilsmehrheit beim Sinus-Institut übernommen. Das Unternehmen beschäftigt sich mit allen Gesichtspunkten
von sozialen und kulturellen Entwicklungen in der Bevölkerung und deren Auswirkungen auf Firmen und Organisationen. Es unterhält Standorte in Heidelberg, Zürich, Wien
und Berlin. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen 21 festangestellte und 30 freie
Mitarbeiter. Die Beschäftigten stammen aus den unterschiedlichsten wissenschaftlichen Disziplinen, wie zum Beispiel Mathematik, Design, Pädagogik, Kommunikationsund Kulturwissenschaften (http://www.sinus-institut.de/unternehmen/sinus-sociovision.html).
Der Erfolg des Sinus-Instituts beruht auf der Entwicklung eines autonomen Forschungsansatzes. Abweichend von der bisher üblichen Einteilung von Zielgruppen
nach soziodemografischen Merkmalen, wie zum Beispiel Geschlecht, Alter oder sozialer Herkunft, richtet sich die neue Betrachtungsweise des Instituts auf eine ganzheitli14
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
che Betrachtung der Menschen In diesem Rahmen entstand die sogenannte `Lebensweltforschung`, welche die alltäglichen Handlungen und Denkweisen der Menschen in
den Mittelpunkt des Forschungsinteresses rückt. Auf diese Weise gelang es Sinus,
Menschen welche sich in Bezug auf ihren Lebensstil und ihre Lebenseinstellung ähnlich waren, in Gruppierungen, den sogenannten `Sinus-Milieus` zusammenzufassen
(Information zu den Sinus-Milieus 2011, S. 5).
Die Entwicklung dieses neuen Forschungsansatzes Ende der siebziger Jahre, beruhte
ursprünglich vollständig auf qualitativen Erhebungen. 1982 wurden diese jedoch durch
ein standardisiertes und ökonomisch einsetzbares Instrument, den sogenannten `Sinus-Milieuindikator`, quantitativ kontrolliert und bewertet. Ab diesem Zeitpunkt wird der
Sinus-Milieuindikator in vielen repräsentativen Befragungen eingesetzt, um im Rahmen
der Marktforschung die Vorlieben der einzelnen Milieus im Bezug auf bestimmte Konsumgüter zu ermitteln. Ab 1983 erweitert sich dieses Einsatzgebiet auf die Erforschung
des Lebensstils, des Schönheitsempfindens und der persönlichen Wahrnehmung innerhalb der einzelnen Milieugruppen. Die hierbei gewonnen Erkenntnisse werden von
Sinus im Rahmen der Vermarktung von Mitarbeiterschulungen und Werbe-Briefings
genutzt (Information zu den Sinus-Milieus 2011, S. 11).
Sinus selbst bezeichnet das Milieukonzept als lebensechtes Modell. Das bedeutet,
dass die Grenzen zwischen den einzelnen Milieus fließend sind und sich nicht immer
genau festlegen lassen. Außerdem können äquivalent zur sozialen Realität, Übereinstimmungen oder Übergangszonen innerhalb des Milieugefüges festgestellt werden
(Information zu den Sinus-Milieus 2011, S. 13).
15
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Die folgende Grafik zeigt eine Abbildung bezüglich der sozialen Positionierung und
Grundhaltung der sozialen Milieus in Deutschland.
Quelle: Sinus-Institut Heidelberg 2011
Im Anschluss folgt eine Kurzdarstellung der Sinus-Milieus nach einem Original von Sinus
Sozial gehobene Milieus:
Konservativ-etabliertes Milieu 10%
Das klassische Establishment:
Verantwortungs- und Erfolgsethik; Exklusivitäts- und Führungsansprüche; Standesbewusstsein, Entre-nous-Abgrenzung
Liberal-intellektuelles Milieu 7%
Die aufgeklärte Bildungselite:
liberale Grundhaltung und postmaterielle
Wurzeln; Wunsch nach selbstbestimmtem Leben, vielfältige intellektuelle Interessen
16
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Milieu der Performer 7%
Die multi-optionale, effizienzorientierte
Leistungselite:
global-ökonomisches Denken; Konsumund Stil-Avantgarde; hohe IT- und Multimedia-Kompetenz
Expeditives Milieu 6%
Die ambitionierte kreative Avantgarde:
mental und geografisch mobil, online und
offline vernetzt und auf der Suche nach
neuen Grenzen und neuen Lösungen
Milieus der Mitte:
Bürgerliche Mitte 14%
Der leistungs- und anpassungsbereite
bürgerliche Mainstream:
generelle Bejahung der gesellschaftlichen
Ordnung; Wunsch nach beruflicher und
sozialer Etablierung, nach gesicherten
und harmonischen Verhältnissen
Adaptiv-pragmatisches Milieu 9%
Die moderne junge Mitte unserer Gesellschaft mit ausgeprägtem Lebenspragmatismus und Nutzenkalkül:
zielstrebig und kompromissbereit, hedonistisch und konventionell, flexibel und sicherheitsorientiert; starkes Bedürfnis
nach Verankerung und Zugehörigkeit
Sozialökologisches Milieu 7%
Konsumkritisches, -bewusstes Milieu mit
normativen Vorstellungen vom "richtigen"
Leben:
ausgeprägtes ökologisches und soziales
Gewissen; Globalisierungs-Skeptiker,
Bannerträger von Political Correctness
und Diversity
17
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Milieus der unteren Mitte / Unterschicht:
Traditionelles Milieu 15%
Die Sicherheit und Ordnung liebende
Kriegs- / Nachkriegsgeneration:
verhaftet in der alten kleinbürgerlichen
Welt bzw. in der traditionellen Arbeiterkultur; Sparsamkeit, Konformismus und Anpassung an die Notwendigkeiten
Prekäres Milieu 9%
Die um Orientierung und Teilhabe bemühte Unterschicht mit starken Zukunftsängsten und Ressentiments:
Häufung sozialer Benachteiligungen, geringe Aufstiegsperspektiven, reaktive
Grundhaltung; bemüht, Anschluss zu halten an die Konsumstandards der breiten
Mitte
Hedonistisches Milieu 15%
Die spaß- und erlebnisorientierte moderne Unterschicht / untere Mittelschicht:
Leben im Hier und Jetzt, Verweigerung
von Konventionen und Verhaltenserwartungen der Leistungsgesellschaft
(Information zu den Sinus-Milieus 2011, S. 16)
Bei den Sinus-Milieus handelt es sich nicht um festgeschriebene Gesetzmäßigkeiten.
Die Gruppierungen spiegeln die gesellschaftlichen Entwicklungen und Strömungen,
wie zum Beispiel Modernisierung/ Individualisierung, Überforderung/ Regression oder
Entgrenzung und Segregation wieder und verändern dementsprechend ihr Erscheinungsbild (Information zu den Sinus-Milieus 2011, S. 17).
Aufgrund dieser Erkenntnisse im Rahmen unserer Literaturrecherche wurde eine exakte Milieubestimmung immer interessanter. Das Sinus-Institut als Unternehmen agiert
weltweit, die genauen Informationen zur Milieubestimmung sind Firmeninterna. Die
oben angeführten Details zu den Milieus sind frei zugängliche Informationen. Um nun
Rückschlüsse hinsichtlich der erstellten Hypothesen ziehen zu können, mussten die
Milieus nach Sinus somit auch direkt von Sinus bestimmt werden. Prof. Dr. Werner initiierte eine Zusammenarbeit mit dem Sinus-Institut Heidelberg. Ziel dieser Zusammen18
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
arbeit war es, im Hinblick auf unsere Thesenbildung eine ganzheitlichere Betrachtungsweise zu erhalten. Da wie bereits beschrieben, das Sinus-Institut Heidelberg auf
dem Markt der Milieubestimmung marktführend ist, war es für unser Projekt insofern
relevant, als dass wir ein breites Spektrum an Milieus innerhalb der drei Ausbildungsgänge erwarteten. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit werden die Ergebnisse, welche
aus den in den Fragebogen implementierten Sinusfragen gewonnen werden konnten,
näher beleuchtet.
2.7.
Soziologische Betrachtung
Nach Betrachtung der historischen Entwicklung, sollte nun die Soziologie der Pflege
als Literaturrecherche beitragen. Bei der Literaturrecherche zur Projektarbeit „Soziales
Milieu von SchülerInnen in der Gesundheits- und (Kinder)Krankenpflege und der Altenpflege“ wurde folgende Literatur gesichtet:
Schroeter, Klaus R.; Rosenthal, Thomas (2005): Soziologie der Pflege, Grundlagen, Wissensbestände und Perspektiven, Juventa Verlag Weinheim und München
Diese Literatur richtet die empirischen Untersuchungen insbesondere auf die Altenpflege. So sind lediglich ein Drittel der zur Bearbeitung anstehenden Bereiche vergleichbar. Außerdem befasst sich die Soziologie mit der ganzen Bandbreite der Pflege.
Deshalb werden folgende Gliederungen vorgenommen:
•
soziale Milieus von pflegenden Angehörigen (Vergleichsstudie Stadt/ Land)
•
soziale Milieus von professionell Pflegenden.
Ein weiterer benennbarer Punkt ist eine Untersuchung, deren Inhalt sich mit einer Befragung von AltenpflegeschülerInnen befasst. Dabei lag der Schwerpunkt auf der „Auskunft über das Arbeits- und Lebensklima in ihrer letzten Praktikumseinrichtung“
(Schroeter bei Amrhein in Schroeter et al. 2005, S. 412).
Jedoch konnten sich hierbei nicht die sozialen Milieus der AltenpflegeschülerInnen ermitteln lassen, welches für uns entscheidend wäre.
2.7.1.
Soziale Milieus von pflegenden Angehörigen
Hierbei werden Untersuchungen angestellt, wie die Bereitschaft zur Pflege Angehöriger
in unterschiedlichen sozialen Milieus und deren Bildungsabschluss ausgeprägt ist. Zusätzlich werden die Solidaritätsformen in „Nah- und Fernraumsolidarität“ (Blinkert in
Schroeter et al. 2005, S. 141) gegenübergestellt. Somit wird nicht nur der demographische Wandel der Gesellschaft betrachtet, sondern ebenso die Milieuverteilung und de19
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
ren Bereitschaft zur Übernahme der Versorgung pflegebedürftiger Personen (vgl. ebd.,
S. 141).
Die Betreuung von Pflegebedürftigen ist an eine Bereitschaft der Angehörigen geknüpft. Zurzeit kann ein Anteil von 70% verzeichnet werden und ein geringer Anteil derer (ein Drittel) benötige professionelle Unterstützung dabei. So kann momentan von
einer noch gesicherten Versorgung der Pflegebedürftigen gesprochen werden, allerdings in Hinblick auf den demografischen Wandel wird eine grundlegende Veränderung
stattfinden (vgl. Blinkert in Schroeter et al., S. 2005, S. 142) So schildert Blinkert, dass
„[…] mit einer deutlichen Zunahme der Zahl der Pflegebedürftigen zu rechnen ist - bis
2050 voraussichtlich von derzeit rund 1,8 Millionen auf nahezu 4 Millionen.“ (Blinkert in
Schroeter et al. 2005, S. 142).
Die Untersuchungen haben zum Ergebnis geführt, dass deutliche Unterschiede in den
verschiedenen sozialen Milieus zu verzeichnen waren. So schildert Blinkert: „Dabei
wurden soziale Milieus durch zwei Achsen definiert: einerseits durch eine „strukturelle
Achse“ (positionale Ungleichheit) und andererseits durch eine „symbolische Achse“
(Lebensentwurf, Lebensstil).“ (Blinkert in Schroeter et al. 2005, S. 145).
Quelle: Blinkert in Schroeter et al. 2005, S. 147
„Diese Untersuchungen wurden bei 40- bis 60-Jährigen in der Kleinstadt Munderkingen
(Blinkert, Klie 2000) und in der Großstadt Kassel (Blinkert, Klie 2000) durchgeführt.“
(Blinkert in Schroeter et al. 2005, S. 143).
20
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Quelle: Blinkert in Schroeter et.al. 2005, 144
Quelle: Blinkert in Schroeter et al. 2005,S. 148
Daraus lässt sich erkennen, dass die Betreuung von Pflegebedürftigen mit steigenden
„strukturellen Ressourcen“ (ebd., S. 148), vor allem im bürgerlichen Milieu (hoher beruflicher und allgemeiner Bildungsabschluss) sinkt und das Verlangen nach einer Un21
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
terbringung im Pflegeheim steigt. Ist zusätzlich ein moderner Lebensentwurf beobachtbar, so steigt die Zahl auf 64% der Zustimmung für eine Versorgung im Heim. In dem
Zweig der „weniger strukturellen Ressourcen“ (ebd., S. 149) ist die Selbstpflege von
Angehörigen dazugehörend (ebd., S. 148).
Eine zusätzliche Untersuchung mittels Interviews um eine `Dilemma-Frage` ergab,
dass nur eine Minderheit aus moralischer Entscheidung heraus diese Frage beantwortet hat, jedoch 60% aus finanziellen Gründen. Hierdurch kann der Zusammenhang erstellt werden, warum in welchen Milieus eine Pflegebereitschaft vorhanden ist und wie
die Auswirkungen einer finanziellen Belastung in den unterschiedlichen Milieus gesehen werden (ebd., S. 150 ff).
Dabei ist zu beachten, dass sich in den Jahren 1982 bis 2000 die Milieuzugehörigkeiten verändert haben:
•
das „traditionelle Unterschichten-Milieu“ verringerte sich auf ca. 20%
•
das „liberal-bürgerliche Milieu“ nahm von 5% auf 20% zu
•
das „liberale-Mittelschicht-Milieu nahm von 3% auf 12% zu
(vgl. Blinkert 2005, in Schroeter et al., 2005, S. 152)
Diese Veränderungen lassen auf die veränderten Werteansichten schließen und einer
Zunahme der Bedeutung der „modernen Lebensentwürfe“ (ebd., S. 152).
Bezogen auf unsere Fragestellung bzw. Auswertung und Vergleichsmöglichkeiten
könnten nun Rückschlüsse gezogen werden auf die beruflichen und schulischen Abschlüsse der Eltern und der Vertretung eines Pflegeberufes in der Familie.
2.7.2.
Soziale Milieus von professionell Pflegenden
Hierbei richtet sich der Blickwinkel auf zwei wesentliche Aspekte. Die Zusammensetzung des Pflegefachpersonals erfolgt aus unterschiedlichen Altersstufen. Somit kooperiert langjährig erfahrenes Fachpersonal mit Personal, das seinen Abschluss noch nicht
so lange her erworben hat. Ein weiterer Aspekt ist, dass ein wesentlicher Altersunterschied zwischen dem Personal und den Bewohnern zu verzeichnen ist, welches besonders im Altenpflegebereich zutreffend ist (vgl. Höpflinger in Schroeter et al. 2005, S.
167). Dadurch kann es zu differenten Pflegeverständnissen kommen. So etwa „[…] eines mehr humanistisch-idealistischen Verständnis von Pflege gegenüber einem stärker
akademisch sozialisierten, professionellen Berufsverständnis.“ (Höpflinger in Schroeter
et al. 2005, S. 168).
Festhalten lässt sich ebenfalls, dass sich das Bildungsniveau in der Altenpflege etwas
langsamer als im Vergleich zur Krankenpflege angehoben hat. So berichtet Voges bei
22
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Höpflinger in Schroeter et al., dass die Ausbildung in der Altenpflege häufig als Neueinstieg bei weiblichen Arbeitnehmerinnen genutzt worden ist (Voges bei Höpflinger in
Schroeter et al. 2005, S. 168). Ebenso ist zu bemerken, dass das Alter der Pflegenden
über 45 Jahre in der Altenpflege zu einem Drittel, dagegen in der Krankenpflege nur zu
einem Fünftel anzutreffen ist. Betrachtet man die Ausbildung beider Berufsbilder so sei
zu erkennen, dass die Krankenpflege häufig als erste Ausbildung ergriffen wird und eine rückläufige Tendenz im Alter zu verzeichnen ist, hingegen die Altenpflege nicht selten als Quereinstieg und Zweitausbildung genutzt wird und somit eine Möglichkeit auch
im fortgeschrittenen Alter zum Berufserwerb darstellt (vgl. Höpflinger in Schroeter et al.
2005, S. 168).
Das wiederum führt dazu, dass die Organisation einen Qualifikationsbestand erstellen
muss, um mit dem medizinischen Fortschritt Stand halten zu können (ebd., S. 169).
Hierbei sollte ein kurzer Blick auf die Ausbildung geworfen werden.
Wendet man den Fokus zur Berufssoziologie hin, so nehmen individuelle Weiterbildungsmöglichkeiten und der Anreiz einer solchen Ausbildung einen bedeutsamen Stellenwert ein (Winter in Schroeter et al. 2005, S. 279).
Vor der Einführung des Bundesaltenpflegegesetzes am 01.03.2003 sei der Bereich der
Ausbildung als Aufgabe der Bundesländer gesehen worden, dementsprechend waren
16 unterschiedliche Gesetze mit differenten inhaltlichen Vorgaben vorhanden (ebd., S.
280).
So könnte in diesem Zusammenhang die Fragestellung nach einer vorher bereits beendeten Berufsausbildung, Studium oder ähnliches und das Alter aussagekräftig und
vergleichbar miteinander sein.
2.7.3.
Soziales Milieu von (Alten-)Pflegerinnen
So wurde eine Befragung von AltenpflegeschülerInnen durchgeführt.
Hierbei handelt es sich um eine „teilstandardisierte schriftliche Befragung“ (Schroeter
bei Amrhein in Schroeter et al. 2005, S. 412) und der Bearbeitung von der Fragestellung:
„[…] Auskunft über das Arbeits- und Lebensklima in ihrer letzten Praktikumseinrichtung
(Pflegeheim oder Sozialstation) und der dort beobachteten Konflikt- und Machtsituation
[.]“ (Schroeter bei Amrhein in Schroeter et al. 2005, S. 412).
Der Zeitraum dieser Untersuchung war von März bis Juni 2000 mit einer Stichprobe
von acht Ausbildungsklassen aus drei verschiedenen Altenpflegeschulen in Bamberg
und Forchheim mit insgesamt 116 SchülerInnen (vgl. ebd., S. 412).
Mit geschlossenen und offenen Fragen wurden folgende Themenbereiche bearbeitet:
23
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
•
„Arbeitsbelastung des Personals
•
Soziale Konflikte der Stationsmitarbeiter
•
Machtbeziehungen zwischen Pflegekräften und Bewohner“
(Schroeter bei Amrhein in Schroeter et al. 2005, S. 413).
Ergebnisse der Untersuchung:
„Arbeitsbelastung des Personals“: (Schroeter bei Amrhein in Schroeter et al. 2005, S.
413)
•
63% beklagen die Unterbesetzung durch krankheitsbedingten Ausfall
•
51% beklagen die hohe Druckbelastung bei der Arbeit
•
42% beklagen die gleichzeitige Durchführung vieler Tätigkeiten
•
30% extreme körperliche Belastung
•
57% keine verbleibende Zeit für persönliche Gespräche mit den Bewohnern
(vgl. ebd., S. 413).
Ebenso wird bemerkt, dass der Beruf der Altenpflege auch aus Motiven der Umschulungsfinanzierung durch das Arbeitsamt gewählt wird (vgl. Capell 1996; Voges 2002 in
Schroeter bei Amrhein in Schroeter et al. 2005, S. 415).
„Soziale Konflikte der Stationsmitarbeiter“: (Schroeter bei Amrhein in Schroeter et al.
2005, S. 415)
•
46% soziale Konflikte zwischen Bewohnern und Mitarbeitern
•
54% soziale Konflikte zwischen Stationsmitarbeitern
•
40% zwischen Mitarbeiter und der Stationsleitung
•
26% zwischen Mitarbeitern verschiedener Stationen
•
54% zwischen gleichgestellten Mitarbeitern
•
30% zwischen Stationsmitarbeiter und den Bewohnern und (31%) mit deren
Angehörigen
(vgl. ebd., S. 415).
Sicherlich hat hierbei die Pflegeversicherung zu einer enormen Beeinflussung beigetragen. So fühlten sich lang erfahrene Hilfskräfte gegenüber Berufseinsteigern ungerecht behandelt, da laut gesetzlichen Vorschriften, verschiedene Tätigkeiten nun einer examinierten Fachkraft zur Durchführung übertragen wurden. Ausschlaggebende
Kriterien bei Neueinstellung lagen nicht auf fachlichem Können, sondern lediglich die
vorgeschriebene Erfüllung von 50% der Fachkräftequote (vgl. ebd., S. 417).
24
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
„Machtbeziehungen zwischen Pflegekräften und Bewohner“ (Schroeter bei Amrhein in
Schroeter et al. 2005, S. 418)
•
47% roher Umgang mit den Bewohnern
•
46% „ausschimpfen“ der Bewohner
(vgl. ebd., S. 418).
Ein Fazit der Untersuchung ergab, dass es nach Inkrafttreten der Pflegeversicherung
zu einem verstärkten Konkurrenzdenken innerhalb der Altenpflege gekommen ist.
Ebenso sei aus wirtschaftlicher Sicht betrachtet mit der Einführung gleichzeitig eine
Rationalisierung, vor allem beim Personal, durchgeführt worden, die dazu führte, dass
die Einrichtungen immer mehr bürokratisiert werden, die, so schildert Schroeter, „[…]
mit möglichst wenig Personal eine möglichst große Anzahl an Pflegebedürftigen verwalten […]“ (Schroeter bei Amrhein in Schroeter et al. 2005, S. 425).
Es ist mir nicht gelungen, auch nach weiteren Recherchen, die sozialen Milieus der AltenpflegeschülerInnen ausfindig zu machen. Jedoch könnte ich mir einen Vergleich mit
der Fragestellung nach der Berufswahl und der Orientierung dazu und der Bereitwilligkeit, nochmals die Pflegeausbildung zu beginnen, vorstellen.
3. Stand der Verberuflichung in den drei Ausbildungsberufen
In Deutschland ist die Ausbildung in der Pflege in die drei Berufsgruppen Altenpflege,
Gesundheits- und Kinderkrankenpflege und Gesundheits- und Krankenpflege unterteilt.
Interessant ist die Frage, wie die einzelnen Berufsgruppen sich etablieren konnten und
derzeit aufgestellt sind.
Die Altenpflege ist innerhalb der Pflegeberufe ein junger Beruf. Die Ausbildung zum
Altenpfleger begann Ende der fünfziger Jahre bis Anfang der sechziger Jahre des
letzten Jahrhunderts mit einer trägerinternen halbjährigen Ausbildung. Die Grundlage
für den Lerninhalt war der Lehrplan für die Krankenpflege. Seitens der Träger war dafür
eine wichtige Motivation, die eigene Personalrekrutierung für die Pflegeheime
langfristig abzusichern und eine spätere Personalfluktuation in Richtung Krankenhaus
zu verringern. Die erste staatliche Anerkennung für den Altenpflegeberuf erteilte 1965
das Land Nordrhein-Westfahlen. Dadurch wurden Realitäten für eine länderbezogene
Altenpflegeausbildung geschaffen. Die anderen Bundesländer folgten in den folgenden
Jahren diesem Beispiel. So gab es 1990 in jedem Bundesland einen und in einem
Bundesland sogar zwei Lehrpläne. Unterschiedlich waren die Inhalte. In einigen
25
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Ländern war er vorrangig medizinisch-pflegerisch orientiert, in anderen Ländern stärker
sozialpflegerisch. Ebenfalls war die Ausbildungsdauer nicht einheitlich. Sie lag je nach
Bundesland zwischen zwei und drei Jahren. Trotz dieser Unterschiedlichkeit wurde
aber im Interesse der Mobilität der Mitarbeiter und der Personalrekrutierungsmöglichkeit seitens der Pflegeheime den Ländern die gegenseitige Anerkennung der
Ausbildung zugesichert.
Nach einer wiederholten und langen parlamentarischen Diskussionszeit und nach
einem abschließenden Urteil des Bundesverfassungsgerichtes wurde 2003 die
bundeseinheitliche Altenpflegeausbildung eingeführt. Verbunden war diese Anerkennung damit, dass das Bundesverfassungsgericht festgelegt hat, dass Altenpflege
kein vorrangig sozialpflegerischer Beruf ist, sondern ein Heilberuf der anderen Art.
Damit
erfolgte
eine
weitere
formale
Gleichstellung
zur
Gesundheits-
und
Krankenpflege. Diese Feststellung war auch wichtig, weil für die Heilberufe einer
anderen Art der Bund nach dem Grundgesetz verantwortlich ist.
Inzwischen kann man die Ausbildung des Altenpflegers an verschiedenen Hochschulen
in Zusammenhang mit einem Bachelor-Abschluss und gleichberechtigt mit der
Gesundheits- und Krankenpflege erwerben. Problematisch ist, dass der Altenpflegeberuf im europäischen Raum einen Sonderweg darstellt.
Die Ausbildungen und die Berufsbezeichnungen in der Kinderkrankenpflege und der
Krankenpflege wurden im Jahre 1957 in der Bundesrepublik Deutschland per Gesetz
einheitlich geregelt. Die Ausbildungszeit betrug ab diesem Zeitpunkt in beiden
Ausbildungsberufen zwei Jahre und beinhaltete 400 Stunden Theorie. Im Anschluss
daran musste ein Anerkennungsjahr absolviert werden. Die Ausbildung der ersten
Säuglingspflegerinnen lag zu diesem Zeitpunkt gut sechzig Jahre zurück. Die ersten
Bemühungen von Agnes Karll, Pflegeausbildung staatlich zu regeln, können auf das
Jahr 1900 datiert werden (vgl. Kempe 2001).
Die fortschreitende Entwicklung im medizinischen Bereich und die deutliche Abtrennung der Pflege von der Medizin führte in den Folgejahren zu weiteren Gesetzesänderungen und somit zu einer Anpassung der Ausbildung an die steigenden
Anforderungen im Gesundheitswesen. Ab 1965 wurde die Dauer der Krankenpflegeund Kinderkrankenpflegeausbildung auf drei Jahre und einen Theorieanteil von 1200
Stunden erhöht, was dem damaligen internationalen Standard entsprach. Mit der
Gesetzesänderung von 1985 wurde der theoretische Anteil der Ausbildung nochmals
um 400 Stunden erweitert (vgl. Altenpflegeschüler 2012).
In den folgenden Jahrzehnten wandelte sich das Arbeitsfeld in der Kranken- und
Kinderkrankenpflege, die Begriffe Gesundheit, Prävention und Beratung nahmen an
26
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Bedeutung zu. Zunehmend trat der ressourcenorientierte Ansatz in der Pflege von
Erwachsenen und Kindern in den Vordergrund. Das Gesetz über die Berufe in der
Krankenpflege (KrPflG) mit der entsprechenden Ausbildungs- und Prüfungsverordnung
für die Berufe in der Krankenpflege (KrPflAPrV) vom 16.07.2003 regelt die Ausbildung
in der Kranken- und Kinderkrankenpflege im Sinne dieser Entwicklung. Auch die neue
Berufsbezeichnung Gesundheits- und KrankenpflegerIn und Gesundheits- und
KinderkrankenpflegerIn unterstreicht diesen Gedanken (vgl. Kempe 2001).
3.1.
Stand der Ausbildung in der Pflege
Seit Inkrafttreten des Gesetzes über die Berufe in der Krankenpflege am 01.01.2004
gibt es weiterhin Bestrebungen, die Ausbildung in der Pflege weiterzuentwickeln. In
zahlreichen
Modellversuchen
wurde
erprobt,
Altenpflege,
Gesundheits-
und
Kinderkrankenpflege und Gesundheits- und Krankenpflege gemeinsam auszubilden.
Im nun folgenden Kapitel soll eingehender auf den aktuellen Stand in den
verschiedenen Ausbildungsberufen der Pflege eingegangen werden und ein Blick auf
die bereits durchgeführten Modellversuche gerichtet werden.
Altenpflegeausbildung
3.1.1.
Nach dem Bundesamt für Statistik begannen im Jahr 2011 23.684 Schüler mit der
Ausbildung zum Altenpfleger. Das sind 4.237 Auszubildende bzw. ca. 20% mehr als im
Jahr davor (http://www.altenpflegeausbildung.net/).
Zum Erlernen des Berufes ist nach § 6 Altenpflegegesetz die schulische
Voraussetzung ein abgeschlossener erweiterter Hauptschulabschluss bzw. ein
Hauptschulabschluss mit einer abgeschlossenen einjährigen Pflegehelferausbildung
bzw. einer anderen zweijährigen Berufsausbildung. Die Altenpflegeausbildung dauert 3
Jahre und umfasst insgesamt 2.500 Stunden Praxis und 2.100 Stunden Theorie. Damit
entspricht
diese
Ausbildung
den
Voraussetzungen
der
Gesundheits-
und
Krankenpflege. Ziel der Ausbildung ist unter anderen nach § 3 Altenpflegegesetz die
Befähigung zur einer:
fachkundigen, medizinisch-pflegerischen Erkenntnissen entsprechenden
umfassenden und geplanten Pflege,
Mitwirkung bei der Behandlung kranker alter Menschen einschließlich der
Ausführung ärztlicher Verordnungen,
Begleitung Sterbender,
Betreuung und Beratung alter Menschen in ihren persönlichen und sozialen
Angelegenheiten sowie
Hilfe zur Erhaltung und Aktivierung der eigenständigen Lebensführung.
27
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Das besondere des Berufes ist demzufolge die Spezialisierung auf die Pflege des alten
Menschen sowie seine Betreuung und Beratung einschließlich der Berücksichtigung
seines Umfeldes.
Die praktische Ausbildung umfasst Praktika in der stationären und in der ambulanten
Pflege sowie je ein sechswöchiges Praktikum im Krankenhaus und in einer gerontopsychiatrischen Einrichtung.
Der theoretische Unterricht wird in vier Lernfelder unterteilt. Es sind:
Aufgaben und Konzepte in der Altenpflege (1.200 Stunden)
Unterstützung alter Menschen bei der Lebensgestaltung (300 Stunden)
Rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen (160 Stunden)
Altenpflege als Beruf (240 Stunden)
(Hinweis: 200 Stunden zur freien Verfügung).
Eine wichtige Besonderheit der theoretischen Altenpflegeausbildung gegenüber den
anderen Pflegeausbildungen ist die Vermittlung des Lernfeldes „Unterstützung alter
Menschen bei der Lebensgestaltung“. Ziel des Lernfeldes ist die gezielte positive
Gestaltung des Umfeldes und des Tagesablaufes eines alten Menschen.
3.1.2.
Gesundheits- und Kinderkrankenpflege und Gesundheitsund Krankenpflege
Im Schuljahr 2010/2011 befanden sich in der Bundesrepublik Deutschland 52.680
Schüler in der Gesundheits- und Krankenpflege und 6038 Schüler in der Gesundheitsund Kinderkrankenpflege in Ausbildung (vgl. Statistisches Bundesamt 2012).
Das Gesetz über die Berufe in der Krankenpflege (KrPflG) regelt im § 4 die
Zugangsvoraussetzungen für eine Ausbildung in diesen beiden Ausbildungsberufen.
Der Bewerber muss gesundheitlich geeignet sein und über einen Realschulabschluss,
eine andere gleichwertige 10-jährige Schulbildung oder einen Hauptschulabschluss in
Verbindung mit einer abgeschlossenen zweijährigen Ausbildung verfügen. Auch eine
bereits
erfolgreich
absolvierte
Ausbildung
in
der
Krankenpflegehilfe
bzw.
Altenpflegehilfe dient als Voraussetzung (vgl. KrPflG).
Die Ausbildung in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege und Gesundheits- und
Krankenpflege erstreckt sich über drei Jahre. In dieser Zeit müssen die Schüler 2.100
Stunden theoretischen und praktischen Unterricht sowie 2.500 Stunden in der Praxis
absolvieren.
Die „Ausbildung für die Pflege nach Absatz 1 soll insbesondere dazu befähigen:
28
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Erhebung
und Feststellung
des
Pflegebedarfs,
Planung,
Organisation,
Durchführung und Dokumentation der Pflege,
Evaluation der Pflege, Sicherung und Entwicklung der Qualität der Pflege,
Beratung, Anleitung und Unterstützung von zu pflegenden Menschen und ihrer
Bezugspersonen in der individuellen Auseinandersetzung mit Gesundheit und
Krankheit,
Einleitung lebenserhaltender Sofortmaßnahmen bis zum Eintreffen der Ärztin
oder des Arztes,
Eigenständige Durchführung ärztlich veranlasster Maßnahmen,
Maßnahmen der medizinischen Diagnostik, Therapie oder Rehabilitation,
Maßnahmen in Krisen- und Katastrophensituationen,
multidisziplinäre und berufsübergreifende Lösungen von Gesundheitsproblemen entwickeln.“ (KrPflG, S. 5).
Die theoretische Ausbildung umfasst vier Themenbereiche:
Gesundheits- und Krankenpflege, Gesundheits- und Kinderkrankenpflege sowie
Pflege- und Gesundheitswissenschaften
950 Stunden
Naturwissenschaften und Medizin
500 Stunden
Geistes- und Sozialwissenschaften
300 Stunden
Recht, Politik und Wirtschaft
150 Stunden
Zur Verteilung
200 Stunden
Insgesamt: 2.100 Stunden
(vgl. KrPflAPrV).
Die praktische Ausbildung ist wie folgt aufgeteilt:
„I. Allgemeiner Bereich
1. Gesundheits- und Krankenpflege von Menschen aller
Altersgruppen in der stationären Versorgung in kurativen
Gebieten in den Fächern Innere Medizin, Geriatrie,
Neurologie, Chirurgie, Gynäkologie, Pädiatrie, Wochen- und
Neugeborenenpflege sowie in mindestens zwei dieser Fächer
in rehabilitativen und palliativen Gebieten
800 Stunden
2. Gesundheits- und Krankenpflege von Menschen aller
29
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Altersgruppen in der ambulanten Versorgung in präventiven,
kurativen, rehabilitativen und palliativen Gebieten
500 Stunden
II. Differenzierungsbereich
1. Gesundheits- und Krankenpflege Stationäre Pflege in den
Fächern Innere Medizin, Chirurgie, Psychiatrie oder
700 Stunden
2. Gesundheits- und Kinderkrankenpflege Stationäre Pflege
in den Fächern Pädiatrie, Neonatologie, Kinderchirurgie,
Neuropädiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie
III. Zur Verteilung auf die Bereich I. und II.
500 Stunden
Insgesamt: 2.500 Stunden
(KrPflAPrV, S. 12).
Diese Daten über die Struktur und den Zeitumfang der Ausbildungen in der Pflege
zeigen neben einigen Unterschieden auch prägnante Gemeinsamkeiten. Warum sollte
es aufgrund dieser Tatsache nicht möglich sein, die drei Ausbildungsberufe zu
verzahnen, so wie es in den meisten europäischen Ländern auch der Fall ist?
3.2.
Reformmodelle in der Pflegeausbildung
Der folgende Abschnitt dieser Arbeit beschäftigt sich mit den verschiedenen Konzepten
der Kopplung unterschiedlicher Ausbildungsgänge in der Pflege.
In der Auseinandersetzung mit verschiedensten Literaturquellen zeigt sich deutlich, wie
groß die Bemühungen sind, Pflegeausbildung zu reformieren und welche ersten Schritte auf diesem Weg bereits gegangen wurden. Es gab und gibt vielfältige Modellversuche, die in ihrer Wirksamkeit untersucht wurden und werden. Vergleichende Studien an
typischen Reformmodellen brachten das Ergebnis, dass alle diese Modelle Kriterien
entsprachen, die eine zukunftsweisende Pflegeausbildung möglich machen. (vgl. Stöver 2010).
3.3.
Gemeinsamkeiten der Ausbildungsmodelle:
Curriculare Strukturen sind so konstruiert, dass eine Anpassung an die sich
schnell verändernde gesundheitspolitische und gesellschaftliche Veränderungen möglich ist
Neue Lehr- und Lernformen
Persönlichkeits- und Kompetenzorientierung
Orientierung weg von Krankheit und hin zu Gesundheit, Prävention, Beratung
30
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Bessere Verknüpfung von Theorie und Praxis, um das Denken und Handeln
besser zu vernetzen (Heraufsetzung der Praxisanleiterstunden)
Bessere Arbeitsmarktchancen
Höhere Attraktivität des Berufes
Keine Durchlässigkeit (vgl. Stöver 2010).
Unterschiede der Ausbildungsmodelle:
Integrative Ausbildung
•
Verfügte über eine theoretische Fundierung in größerem Umfang
•
„Verankerung neuer curricularer Konstruktionsprinzipien beruflicher Bildung“
(Stöver 2010, S. 175)
•
Entwicklung eines eigenen Kompetenzmodells
•
Sehr guter Theorie-Praxis-Transfer, Praxis-Theorie-Transfer
•
Gute Arbeitsmarktchancen
•
Keine Durchlässigkeit
•
Wurde bereits in den Regelbetrieb übernommen (vgl. Stöver 2010).
Integrierte Ausbildung
•
Hält keine lernunterstützenden Lernorte vor
•
Keine Qualifizierung der AusbilderInnen
•
Enges Kompetenzprofil
•
Theoretischer Begründungsrahmen ungenügend
•
Curriculum stark an der Praxis orientiert
•
Fokussierte als erstes Modell weg von Krankheit hin zu Gesundheit, stellt
Ressourcen in den Vordergrund
•
Leistete insgesamt einen großen Anteil an der „Reformierung der Pflegeausbildung“ (Stöver 2010, S. 176), (vgl. Stöver 2010).
Generalistische Ausbildung
•
Beinhaltet keine regelmäßig stattfindenden Praxisanleitertreffen
•
Erschwerter Theorie-Praxis-Transfer
•
Weniger theoretische Fundierung des Begründungsrahmens
•
Realisierung innovativer Lern- und Lehrformen (z.B. POL)
•
Gute Arbeitsmarktchancen (vgl. Stöver 2010).
31
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Vor allem die Gemeinsamkeiten aller drei Modelle dienten als Grundlage für eine Bewertung der einzelnen Modelle, sie bildeten die Qualitätskriterien, die sich je nach Modell in viele verschiedene Einzelkriterien unterteilten. Zusammenfassend kann betrachtet werden, welche Reformmodelle sich bewährt haben bzw. welche der einzelnen
Elemente. Ein sehr bedeutendes Ergebnis ist, dass in allen drei Modellen eine Zusammenführung getrennter Ausbildungsberufe gelungen ist, auch wenn viele der Modelle vorerst die Gesundheits- und Kinderkrankenpflege außen vor ließen. Auch in der
Praxis erfolgte nach wie vor eine Trennung in die drei Berufsbilder. Hier steht die Forderung, die Pflege nicht weiter an den Altersgruppen zu orientieren, sondern an den
„individuellen Problemen und Bedürfnissen der Pflegempfänger“ (Stöver 2010, S. 177).
Zukünftige Pflegeausbildung sollte eine fundierte Grundlage schaffen, um auf die Betreuung aller Altersgruppen vorbereitet zu sein. Fachweiterbildungen könnten im Anschluss an die Berufsausbildung erfolgen. Allen Reformmodellen ist gemein, dass sie
über ein Curriculum verfügen, welches sich stark an der Praxis orientiert und Lernfeldcharakter hat. Weiterführend wäre es denkbar, die Pflegeausbildung zu modularisieren
oder zu teilmodularisieren. Das hätte den Vorteil, schneller auf Veränderungen gesundheitspolitischer und gesellschaftlicher Art reagieren zu können. Ein Kreditpunktesystem würde der Durchlässigkeit für andere Berufe förderlich sein. Ein hoher Anteil an
pflegewissenschaftlichen und pflegetheoretischen Grundlagen in der Pflegeausbildung
forderte bereits das Krankenpflegegesetz von 2003. Diese Bestrebungen müssen fortgeführt werden, um auf die steigenden Anforderungen im Pflegeberuf vorbereitet zu
sein. Um der Forderung nach lebenslangem Lernen gerecht zu werden, ist es von großer Bedeutung, neue Formen des Lehrens und Lernens in die Ausbildung zu integrieren, die die Auszubildenden dazu befähigen, Lernprozesse selbst zu steuern. Hier geht
es nicht nur um den Erwerb von Fachwissen, sondern auch um die Herausbildung von
Handlungskompetenzen wie Teamfähigkeit, Flexibilität, Reflexions- und Lernfähigkeit.
So ist bei den praktischen Einsätzen der Schüler der Fokus nicht mehr nur auf den stationären Betrieb zu legen, sondern zunehmend auf den Bereich der ambulanten Versorgung, Beratung, Gesundheitsförderung und Prävention. Denkbar sind auch Einsätze im Pflegemanagement oder im Qualitätsmanagement. Durch die Ausweitung praktischer Einsätze in die genannten Bereiche wird bei den Auszubildenden die Voraussetzung geschaffen, nach der Ausbildung vielfältig einsetzbar zu sein, der Wert auf dem
Arbeitsmarkt würde somit steigen. Auch in der theoretischen Ausbildung ist zunehmend das Augenmerk auf eine bessere Zusammenführung von Theorie und Praxis zu
legen. Hier steht beispielsweise die Forderung nach Lerninseln, um den Transfer von
erworbenem Wissen in die Praxis zu gewährleisten. Die enge Einbindung von Praxisanleitern ist hierfür unerlässlich, deren regelmäßige Schulung und die Möglichkeit des
32
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Austausches mit den Schulen sind von größter Wichtigkeit. Das gilt ebenso für die
Lehrkräfte an den Schulen, die durch gezielte Bildungsangebote auf die Veränderungen in der Pflegeausbildung besser vorbereitet werden könnten (vgl. Stöver 2010).
In all diesen Ausführungen liegt auch der Ansatzpunkt für wichtige fortführende Betrachtungen: Auf der einen Seite gibt es die Forderungen nach einer Ausbildung, die
sich stark wissenschaftlich orientiert, auf der anderen Seite wird es immer schwieriger,
geeignete Bewerber und Bewerberinnen für die Ausbildungsgänge in der Gesundheitsund (Kinder-)Krankenpflege und Altenpflege zu finden.
Das Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt „Soziales Milieu, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe“ möchte sich den Fragen widmen, deren Beantwortung bei
der Neugestaltung der Ausbildung in den Pflegeberufen behilflich sein kann. Im nun
folgenden Kapitel werden die Forschungsfragen und Hypothesen des Projektes näher
vorgestellt.
3.4.
Motivation für den Pflegeberuf und zum Weg in die Pflegeausbildung
Für den oben genannten Fragenkomplex bietet die Studie „Imagekampagne für Pflegeberufe auf der Grundlage empirisch gesicherter Daten - Einstellung von Schüler/innen zur möglichen Ergreifung eines Pflegeberufes“ nicht nur wichtige Erkenntnisse, sondern auch konkrete Fragen zur Übernahme in unseren Fragebogen. Ein direkter
Vergleich der Ergebnisse nach unserer Auswertung wird damit möglich.
Der Hintergrund dieser Forschungsarbeit, mit dem sich das Institut für Public Health
und Pflegeforschung beschäftigte, diente primär zur Konzipierung einer Imagekampagne, um Schulabgänger für eine Pflegeausbildung zu gewinnen. Hier ist die Altenpflege und die Gesundheits- und Krankenpflege gemeint. Für unser Forschungsprojekt
ergeben sich wesentliche Informationen:
•
Die Motivation zur Wahl eines Pflegeberufes ist derzeit gering, da das Image
aus der Sicht von Schulabgängern und deren Eltern eher negativ ist
•
Ein absolviertes Praktikum im Bereich der Pflege und Beratungsangebote (Eltern, Lehrer) helfen bei der Entscheidung zur Berufswahl
•
Kriterien wie z.B. sicherer Arbeitsplatz, Aufstiegsmöglichkeiten und ein interessantes Tätigkeitsfeld beeinflussen die Entscheidung
•
Insbesondere bei männlichen Schulabgängern sind Weiterbildungs- und Aufstiegschancen, Freude an der Arbeit und ein Technikbezug weitere Aspekte
•
Das Berufsfeld der Altenpflege bezeichnen Schüler, aber auch ihre Eltern, als
einen „Out-Beruf“
33
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
•
Mädchen können sich fünfmal häufiger einen Pflegeberuf vorstellen als Jungen,
aufgrund fehlender persönlicher Voraussetzung
•
Auszubildende im Pflegeberuf bezeichnen Mitmenschlichkeit, hohe Belastbarkeit, Empathie, Offenheit und Teamfähigkeit als Voraussetzungen, um diesem
Beruf gerecht werden zu können
•
Spaß und Freude am Beruf sind Gründe für die Wiederwahl eines Pflegeberufes (vgl. IPP 2010, S. 4 ff).
Bezugnehmend zum Bildungsabschluss erfahren Pflegeberufe den größten Zuspruch
von Hauptschülern und nur ca. 30% der befragten Gymnasiasten könnten sich vorstellen, in der Pflege zu arbeiten.
Die Eltern der befragten Schüler werten pflegerische Tätigkeit aufgrund der restriktiven
Rahmenbedingungen und niedrigen Einkommenschancen ab. Meist fehlt es an differenzierten Informationen zum Arbeitsfeld der Pflegeberufe. Diese sind häufig von gängigen Klischees aus TV-Sendungen geprägt. Darum sollten zukünftig zur Anwerbung
von Auszubildenden realitäts- und praxisnahe Informationen vermittelt werden, um die
Attraktivität des Pflegeberufes zu steigern. Beispielsweise sind Aspekte wie Spezialisierungsmöglichkeiten, Vielseitigkeit, Teamarbeit und Studienmöglichkeiten zu nennen.
Zudem ist es sinnvoll, vermehrt an Fachoberschulen oder Gymnasien Werbeveranstaltungen zu planen und dabei die Eltern der Schüler einzubeziehen, weil diese erheblich
die Berufswahl beeinflussen (vgl. ebd., S. 58 f).
Interessanterweise würden ca. 95% der Pflegeauszubildenden den Beruf wieder wählen und anderen Personen eine Weiterempfehlung geben (vgl. ebd., S. 75).
Diese Studie nutzte unser Projektteam für die Entwicklung des Fragebogens im Bereich „III. Fragen zur Motivation“, um auch hier Rückschlüsse auf soziale Milieus und
Herkunft der Auszubildenden zu ziehen. Somit sind die Fragen mit der Nummer 16, 18,
20 und 21 einschließlich der Beantwortungsmöglichkeiten identisch aus der Forschungsarbeit des IPP entnommen. Als weiterer Vorteil ist hier ein direkter Vergleich
der Ergebnisse der o. g. Fragen zu nennen. Unsere Stichprobe von n=304 ist ähnlich
groß wie die Stichprobe der Studie mit n=267.
Das IPP wählte für ihre Forschung 111 Auszubildende aus der Altenpflege und 156
aus der Gesundheits- und Krankenpflege aus.
Zudem befragten sie Schulleitungen bzw. Lehrer/innen aus Pflegeschulen, Schüler/innen aus allgemeinbildenden Schulen mit Eltern und Berufsberater/innen. Die Befragungen fanden in norddeutschen Bundesländern in ländlichen und städtischen Regionen statt, wie z. B. in Hamburg, Bremen und Schwerin. Bei insgesamt 848 Personen unterschiedlicher Zielgruppen ist diese Studie repräsentativ (vgl. ebd., S. 9 f).
34
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
4.
Forschungsdesign
Im Rahmen des Pflegepädagogikstudiums im Modul Bildungssoziologie ergab sich bei
der Auseinandersetzung mit dem Thema „Soziale Milieus der Menschen in Deutschland“ einer Referatsgruppe, die Grundidee zu dem Forschungsthema. Im Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion die Pflegeausbildung in Richtung einer generalistischen Ausbildung zu verändern, ist das Thema „Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe“ für das Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt entstanden. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass es bis zu diesem
Zeitpunkt scheinbar noch keine vergleichbaren Projekte oder Untersuchungen zu diesem Thema gab. Dies fand sich bestätigt in einer weitreichenden Recherche von Daten
die deutschlandweit durchgeführt wurde. Anfragen zu diesem Thema reichten u. a. an
das Statistische Bundesamt, an verschiedene Statistische Landesämter der Bundesländer bis hin zum Gewerkschaftsverband ver.di. Es waren nirgendwo hinreichende
Daten für diesen Bereich vorliegend. Aufgrund dieser Tatsache wurden im Rahmen
des Lehrforschungs- und Entwicklungsprojektes Hypothesen und Fragestellungen entwickelt, die im Folgenden aufgeführt sind.
4.1.
Die Fragestellungen und Hypothesen des Lehrforschungsund Entwicklungsprojektes
Die Intentionen zu diesem Projekt, wie bereits oben erwähnt, waren: Erfassung und
Erhebung, aus welchen sozialen Milieus die Auszubildenden der Pflegeberufe derzeit
kommen und welche soziale Herkunft sie haben. Eine Zielsetzung war ebenfalls zu
ermitteln, was die Ergebnisse im Hinblick auf eine geplante generalistische Ausbildung
für die Lehrenden und die Pflegeschulen aussagen könnten. Zu diesem Aspekt wurden
für das Projekt die nachfolgenden Fragestellungen und Hypothesen generiert:
1. Aus welchen Sinus-Milieu-Gruppen kommen Pflegeauszubildende?
2. Finden sich Unterschiede im Gesundheitsverhalten, der Berufsidentifikation und
einer möglichen Berufswiederwahl zwischen den drei Ausbildungsgruppen?
3. Es besteht eine große Heterogenität zwischen den drei Ausbildungsberufen im
Hinblick auf deren soziale Herkunft, Alter und Bildungsabschlüsse
4. Die Auszubildenden in der Altenpflege weisen in sich die größte Heterogenität
auf.
35
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
4.2.
Die angewandte Methodik des Lehrforschungs- und Entwicklungsprojektes
Start des Lehrforschungs- und Entwicklungsprojektes war März 2011. Die Erstellung
des Fragebogens für die Umfrage ging bis Juli 2011, sodass die Umfragen an den beteiligten Pflegeschulen von Juli bis November 2011 durchgeführt werden konnten. Als
sehr gewinnbringend für das Projekt erwies sich, dass ein Fragenkomplex zum Thema
„Soziales Milieu“ von dem weltweit agierenden Markforschungsinstitut Sinus Heidelberg zur Verfügung gestellt werden konnte. Genauere Details zum Fragebogen werden
hier aber gesondert aufgeführt. Dieser ist auch im Anhang beigefügt. Dezember 2011
bis Januar 2012 konnte dann die Auswertung der erhobenen Daten mittels SPSS
durchgeführt werden. Das Projekt, das sich auf die zwei Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg bezieht, ist eine nicht repräsentative Pilotstudie. Es wurde ein Pretest durchgeführt mit 20 Fragebögen an einer Krankenpflegeschule in BadenWürttemberg. Insgesamt haben sich 15 Schulklassen aus 14 Schulen beteiligt im 2.
Ausbildungsjahr: je zwei Schulen Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, je vier Schulen aus der Gesundheits- und Krankenpflege und ein bzw. zwei aus der Altenpflege.
Der Rücklauf von 304 Fragebögen von ausgegebenen 313 Fragebögen bedeutete einen beachtlichen prozentualen Rücklauf von 97,1%. Der hohe Rücklauf begründet sich
daraus, dass die Studierenden der Projektgruppe vor Ort waren, d.h. dass sie die Fragebögen an den beteiligten Pflegeschulen ausgegeben haben, anwesend waren während die Auszubildenden die Fragebögen ausfüllten und diese dann wieder einsammeln konnten. Die Bearbeitungszeit lag dabei durchschnittlich bei 45 Minuten. Während dieser Zeit konnten Unklarheiten bezüglich der Fragen direkt geklärt werden. Die
Forschungsmethode war quantitativ mit drei qualitativen Forschungsfragen als Freitext.
Der Fragebogen umfasste fünf Fragendimensionen, die insgesamt 136 Items ergaben:
1. Bildungsstand der Schüler und Eltern
2. Arbeitsplatz, Gesundheitsverhalten und Hobbies der Schüler
3. Motivation für den Pflegeberuf
4. Soziales Milieu analog nach Sinus
5. Demografie
Als positiv betrachtet werden kann diese Form der Forschungsmethode, als dass dadurch ein breites Spektrum an Informationen gesammelt werden konnte, die einen umfassenden Überblick über Verhaltensweisen und Lebensformen von Pflegeauszubildenden ergaben. Jedoch nicht zielführend für das Projekt waren die Fragen 5 und 6,
welche die Bildung der Eltern widerspiegeln sollten. Zum einen waren die Fragestellungen sehr ähnlich, zum anderen konnte es den tatsächlich ausgeübten Beruf der El36
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
tern nicht darstellen. Ebenso wenig aussagekräftig war die Frage 7 zum Thema Internetnutzung, weil die Frage zu undifferenziert gestellt wurde. Es konnte nicht erfasst
werden, ob die Auszubildenden das Internet auch zum Lernen oder für fachliche Recherchen nutzen. Vorbehalte, die gegenüber der Altenpflegeauszubildenden erwogen
wurden, konnten nicht bestätigt werden. Diese waren, dass die Auszubildenden der Altenpflege einen geringeren Bildungsabschluss hätten und weniger Internetzugang hätten. Insgesamt betrachtet konnte das Forschungsprojekt aber mit großem Erfolg abgeschlossen werden.
4.2.1.
Kommunikative Grundlagen bei der Erstellung des Fragebogens
„Nicht der Interviewer, der Fragebogen muss schlau sein“
(
Schwarz Norbert zitiert in Porst 2009, S. 17)
Gemäß diesem Sprichwort hat sich die Projektgruppe bei der Erstellung des Fragebogens unterschiedlicher Quellen bedient. Der Entwicklung des Fragebogens liegen Anschauungsmaterialien in Form von betriebsinternen Fragebögen der Firma Wilhelm
Kächele in Weilheim/Teck und der Mikro-Zensus®-Studie 2011 sowie die Fachliteratur
„Fragebogen. Ein Arbeitsbuch“ von Porst zugrunde. Es war uns ein Anliegen, den Fragebogen so zu gestalten, dass die zu befragende Zielgruppe ausnahmslos mit dem
Beantworten der gestellten Fragen zurechtkommt.
Um diesem Anliegen gerecht zu werden, müssen folgende Punkte bei der Entwicklung
der Fragen beachtet werden. Die befragten Personen müssen
1. die gestellte Frage verstehen,
2. relevante Informationen zum Beantworten der Frage aus dem Gedächtnis abrufen,
3. auf der Basis dieser Informationen ein Urteil bilden,
4. dieses Urteil gegebenenfalls in ein Antwortformat einpassen und
5. ihr „privates“ Urteil vor der Weitergabe an den Interviewer bzw. den Fragebogen
gegebenenfalls „editieren“
(vgl. Porst 2009, S. 17).
4.2.2.
Die Titelseite
Ein Fragebogen hat immer eine Titelseite, die mal mehr, mal weniger ins Auge sticht.
Je nach Befragung dient die Titelseite als Platzhalter für wichtige Informationen des Interviewers, wie zum Beispiel Datum und Titel der Befragung. Auch kann dieses formelle Erstellen von Titelseiten dieser Art für eine maschinelle Auswertung der Fragebögen,
37
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
vor allem wenn der Befragung eine große Zielgruppe zugrunde liegt, von großer Bedeutung sein. Mitunter gibt es auch Fragebögen, auf denen man die ersten Fragen auf
dem Titelblatt finden kann (vgl. Porst 2009, S. 31).
Entscheidend für die Gestaltung unseres Titelblattes waren keine organisatorischen
Gründe. Vielmehr war es der Gruppe ein Anliegen, das Thema der Befragung sowie
der Name des begleitenden Institutes, in diesem Falle die Katholische Hochschule
Freiburg, zu benennen. Als Ergänzung hierzu haben wir die Titelseite mit der folgenden
Grafik gestaltet, welche die Aufgabe hatte, unser Thema nochmals zu veranschaulichen.
Quelle: http://www.lisaneun.com/01-bilder/log/2006-11/gesellschaftheute.gi; abgerufen im Mai
2011
4.2.3.
Hinweise zum Ausfüllen des Fragebogens
Auf Hinweise zum Ausfüllen des Fragebogens haben wir in unserem Falle verzichtet.
Prinzipiell dienen solche Hinweise dazu „den Befragungspersonen ihre Aufgaben zu
verdeutlichen.“ (vgl. Porst 2009, S. 45). Besonders bedeutend kann dies beim Ausfüllen von standardisierten Fragen mit Antwortkategorien, dem Bearbeiten von Skalen,
dem Umgang mit Filtern oder aber auch offen gestellten Fragen sein (vgl. Porst 2009,
S. 46).
Da in dem von uns gestalteten Fragebogen keine dieser Ausnahmefälle, bis auf die
Beantwortung offener Fragen vorkamen, erwies sich die Erstellung eines Hinweisblattes als unpraktikabel.
Dennoch haben wir die Transparenz unserer Fragestellung mittels eines Pretests
überprüft. Dieser fand an einer Gesundheits- und Krankenpflegeschule im Raum Freiburg im Umfang von 20 Pre-Fragebögen statt. Die dort aufgetretenen wenigen Unklarheiten wurden von den Mitgliedern der Projektgruppe nochmals überarbeitet und noch
vor der Fertigstellung des Fragebogens ausgebessert.
38
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
4.2.4.
Arten von Fragen
Neben Fragen nach der persönlichen Meinung, nach Wissen und Verhalten oder auch
nach Merkmalen ist eine Differenzierung jedoch nach der Form der Fragen sehr viel
entscheidender als deren Inhalt. So unterscheidet man Fragen mit geschlossener,
halboffener und offener Form (vgl. Porst 2009, S. 51).
Geschlossene Fragen lassen sich dadurch charakterisieren, dass ihnen eine begrenzte
Anzahl von Antwortkategorien zur Verfügung stehen, die entweder mittels einer Einfachnennung oder einer Mehrfachnennung beantwortet werden können. Beispiel für eine geschlossene Frage mit nur einer möglichen Antwort wäre die hier abgebildete Frage nach dem höchsten Schulabschluss. An dieser Stelle kann der Befragte nur eine
gültige Antwort ankreuzen.
3. Welchen höchsten Schulabschluss haben Sie?
Schulabschluss unbekannt
Keinen Schulabschluss
Volks-, Hauptschule, mind. 8. Klasse
Realschule, Mittlere Reife, mind. 10. Klasse
Fachoberschulreife, Fachoberschule, Fachhochschulreife Abitur
Andere
Beispiel für eine Frage, die auch durch eine Mehrfachnennung zu beantworten ist, wäre die folgende:
16. Haben Ihre Eltern Sie bei der Berufswahl unterstützt?
Ja
Nein
Wenn ja, wie? Mehrfachnennung möglich.
Informationssuche (Internet, Anzeigen)
Praktikums- bzw. Ausbildungsplatz suchen
Bewerbungen schreiben
Beratung (Lebenserfahrung, Diskussionen)
Motivieren, begleiten, unterstützen
Sonstiges: _________________________________________________
Für eine bessere optische Abhebung der Fragentypen kann gegebenenfalls auch eine
Unterscheidung in der Art der Kreuzkästchen vorgenommen werden. So lassen sich
beispielsweise Antworten mit Mehrfachnennungen durch einen Kreis von Antworten mit
Einfachnennung mit einem Kästchen optisch differenzieren (vgl. Porst, 2009, S. 52).
39
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
An dieser Stelle haben wir auf die optische Unterscheidung verzichtet und uns wegen
des Gesamtbildes auf eine einheitliche Darstellung über den gesamten Fragebogen
hinweg entschieden.
Auch findet sich in dem von uns gestalteten Fragekatalog die ein oder andere geschlossene Frage mit standardisierter Antwortkategorie wie die nachfolgende Frage:
12. Sind Sie gegenwärtig Zigarettenraucher/in?
Ja, regelmäßig
Ja, gelegentlich Nein
Ja, gelegentlich Nein
13. Trinken Sie Alkohol?
Ja, regelmäßig
14. Essen Sie Fast Food?
(z.B. Pizza, Dönerkebab, Hamburger, Wraps, Pommes frites, Hot Dogs, Chicken
Wings?)
Regelmäßig Gelegentlich selten oder nie Die Art der geschlossenen Fragestellung eignet sich besonders gut für eine problemlose, maschinelle Auswertung. Jedoch birgt auch diese Option eine Gefahr. Möglicherweise findet sich der Befragte nicht in einer der vorgegebenen Antwortpositionen wieder, was mitunter auch zu einer Nicht-Beantwortung der Fragestellung führen kann
(vgl. Porst, 2009, S. 54).
Auch in der Gruppe war diese Art der Fragestellung ein großer Diskussionspunkt, sodass die oben genannten Probleme zur Sprache kamen. Durch die Angabe dreier
möglicher Antworten besteht die Gefahr, dass der Befragte sich lenken lässt. Dieser
tendiert in der abgebildeten Antwortkategorie leicht dazu, den Mittelweg zu nehmen.
Doch trotz der Thematisierung des Problems entschied sich die Projektgruppe für diesen Antwortenkatalog.
Der Fragebogen enthielt drei offene qualitative Fragen als Freitext. Offene Fragen
zeichnen sich dadurch aus, dass lediglich der Fragentext abgedruckt wird. Es werden
also keine Antwortkategorien vorgegeben, sodass der Befragte die Antwort in seinen
eigenen Worten niederschreiben muss.
Offene Fragen bieten dem Befragten die Möglichkeit, sich durch sein „Gewohntes“ zum
Ausdruck zu bringen. Zugleich haben offene Fragen auch eine negative Eigenschaft.
Die Beantwortung einer Frage hängt in den meisten Fällen stark von der Verbalisierungsfähigkeit der zu befragenden Person ab (vgl. Porst 2009, S. 54).
Auf dieses Problem ist auch die Gruppe bei der Auswertung der Fragebögen gestoßen.
Für die Auswertung der nachfolgenden Fragestellung hatten wir für den Moment keine
40
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
brauchbare Verwendung. Durch die Nennung unterschiedlichster Schwächen und
Stärken konnte selbst eine im Nachhinein durch uns durchgeführte Kategorisierung
und Zusammenfassung keine überschaubare Anzahl an Ergebnissen erzielt werden.
17. Benennen Sie jeweils eine persönliche Schwäche und Stärke von Ihnen.
Stärke: ____________________________________________________
Schwäche: _________________________________________________
Ebenso wie geschlossene und offene Fragen finden sich im Fragebogenverlauf auch
halboffene Fragestellungen. Halboffene Fragen zeigen immer eine Entscheidungsschwierigkeit beim Fragebogenverfasser (vgl. Porst, 2009 S. 56) Unter dem Punkt
„Sonstiges“ ist es der Befragungsperson möglich, eine Antwort außerhalb der angegeben Fragenkategorien anzugeben.
Im Anschluss ein Beispiel für eine halboffene Fragestellung in unserem Fragebogen.
21. Welche persönlichen Voraussetzungen müssen Ihrer Meinung nach Personen
mitbringen, um den Anforderungen eines Pflegeberufs gerecht zu werden? Mehrfachnennungen möglich.
Gesundheit
Helfen wollen
Flexibilität
Geduld
Spaß/Freude am Beruf
Emotionale Stabilität
Verantwortung
Teamarbeit
Empathie
Hohe Belastbarkeit
Offenheit
Mitmenschlichkeit
Sonstiges: _________________________________________________
4.2.5.
Formulierung von Fragen
Bei der Formulierung möglicher Fragestellungen war die Gruppe konsequent darum
bemüht, die folgenden 10 Gebote der Fragenformulierung nach Porst zu befolgen (vgl.
Porst 2009, S. 97):
41
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
1. Du sollst einfache, unzweideutige Begriffe verwenden, die von allen Befragten
in gleicher Weise verstanden werden.
2. Du sollst lange und komplexe Fragen vermeiden.
3. Du sollst hypothetische Fragen vermeiden.
4. Du sollst doppelte Stimuli und Verneinungen vermeiden.
5. Du sollst Unterstellungen und suggestive Fragen vermeiden.
6. Du sollst Fragen vermeiden, die auf Informationen abzielen, über die viele Befragte mutmaßlich nicht verfügen.
7. Du sollst Fragen mit eindeutigem zeitlichem Bezug verwenden.
8. Du sollst Antwortkategorien verwenden, die erschöpfend und überschneidungsfrei sind.
9. Du sollst sicherstellen, dass der Kontext einer Frage sich nicht auf deren Beantwortung auswirkt.
10. Du sollst unklare Begriffe definieren.
Erstaunlich war, dass trotz der dauerhaften Überprüfung über Vollständigkeit und Verständnis aller Fragen durch die Gruppe diese durch den Befragten falsch oder missverständlich beantwortet wurden.
Zudem schlich sich trotz mehrmaliger Korrektur der Fragebogenendfassung ein gravierender Fehler ein. Eine Fragestellung wurde mit der falschen Antwortkategorie versehen und konnte somit nicht mit in die Auswertung genommen werden.
4.2.6.
Die letzte Seite
Die letzte Seite des Fragebogens wurde der demografischen Datenerfassung gewidmet. Ganz bewusst wurden die Fragen über die eigene Person an den Schluss gestellt
um die Zuverlässigkeit und Konzentration der Befragten bis zum Schluss aufrecht zu
erhalten. Die hohe Rücklaufquote der Fragebögen sowie das pflichtbewusste Beantworten der ersten bis zur letzten Frage zeigen die Wirksamkeit dieser Überlegung.
4.2.7.
Layout des Fragebogens
Das Layout des Fragenbogens wurde zum großen Teil selbst von den Mitgliedern der
Projektgruppe gestaltet. Wichtige Kriterien waren ein einheitliches Erscheinungsbild,
die einheitliche Anordnung und Ausrichtung der Kästchen zum Ankreuzen sowie das
Hervorheben von Fragen mit einer großen Kriterienauswahl durch eine dezente graue
Untermalung um Fehler beim Ausfüllen vorzubeugen.
Auf der Titelseite sowie der Seite des Anschreibens wurden das hochschuleigene
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42
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
4.2.8.
Die Auswertung
Die Ergebnisse der 136 Items wurden mit Hilfe des Programms SPSS an der katholischen Hochschule Freiburg erfasst und statistisch ausgewertet.
5.
Ergebnisse
Im Folgenden werden nun Tabellen und Grafiken aufgeführt, welche zur Präsentation
der erhobenen Daten dienen.
5.1.
Auswertung der soziografischen Daten
Es wurden verschiedene soziografische Daten erfragt, zum Beispiel das Alter, die Einkommenssituation, der Bildungsstand, die Herkunft und das Geschlecht. Der Beruf der
Gesundheits- und Kinderkrankenpflege wird zu 97,3% von Frauen erlernt. Diese Eindeutigkeit ist in den anderen Pflegeberufen weniger deutlich ausgeprägt. Die Gesundheits- und Krankenpflege erlernen zu 81,9% Frauen. Ähnlich ist auch der Wert in der
Altenpflege. Dieser Beruf wird zu 78,2% von Frauen erlernt. Beides sind keine absoluten Frauenberufe mehr.
Geschlechterverteilung der Ausbildungsberufe
Quelle: Forschungsergebnisse Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
2011; eigene Darstellung
43
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Das Durchschnittsalter der Auszubildenden in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege beträgt 21,2 Jahre. Dabei ist die sehr geringe Streuung innerhalb dieser Berufsgruppe auffallend. Das Durchschnittsalter bei den Auszubildenden in der Gesundheitsund Krankenpflege entspricht mit 21,5 Jahren dem der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, aber mit einer bedeutend geringeren Homogenität. Auffallend ist, dass in
dieser Berufsgruppe 31,5% der Auszubildenden zwischen 15 und 19 Jahren alt sind.
Damit fängt die Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege sehr zeitig an. Sie
beginnt demzufolge direkt nach dem Schulabschluss.
In der Altenpflege liegt das Durchschnittsalter mit 27,8 Jahren höher. Außerdem besteht eine große Heterogenität zwischen den Auszubildenden. 20% der Auszubildenden sind in diesem Beruf älter als 40 Jahre. Demzufolge ist die Altenpflege ein typischer Umschulungsberuf.
Altersverteilung der Ausbildungsberufe
Quelle: Forschungsergebnisse Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
2011; eigene Darstellung
Die Auszubildenden in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege sind zu 89% in
Deutschland geboren. Nur 5,5% der Auszubildenden sind Nicht-Europäer. Menschen
mit Migrationshintergrund erlernen diesen Beruf relativ selten. Offen bleibt dabei, ob
die Auszubildenden sich nicht bewerben oder ob die Schulen diese Bewerber ablehnen. In der Gesundheits- und Krankenpflege sind die Ergebnisse ähnlich. 85,7% der
Auszubildenden sind in Deutschland und 9,3% sind außerhalb von Europa geboren. Im
Vergleich der Pflegeberufe sind dies jeweils die Mittelplätze. In der Altenpflege ist die
Durchmischung mit anderen Kulturen bedeutend größer. Hier sind 75,3% der Auszu44
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
bildenden in Deutschland gebürtig, 19,5% der Auszubildenden sind Nicht-Europäer. Es
handelt sich also um einen Beruf, den Menschen mit Migrationshintergrund häufiger erlernen.
Vergleich der Geburtsorte der Ausbildungsberufe
100
80
Gkk (%)
60
Gk (%)
40
Ap (%)
20
0
Deutschland
Europa
Geburtsorte
außerhalb Europa
sonstiges (nicht
kategorisierbar)
Gkk= Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, Gk= Gesundheits- und Krankenpflege, Ap= Altenpflege
Quelle: Forschungsergebnisse Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
2011; eigene Darstellung
Auf die Frage nach dem Wohnort antworteten die Auszubildenden der einzelnen Pflegeberufe relativ ähnlich. In der Stadt hatten 38,7% der Auszubildenden der Gesundheits- und Krankenpflege gelebt, das ist der höchste Wert. In der Gesundheits- und
Kinderkrankenpflege sind es 33,8%, das ist der niedrigste Wert.
Vergleich der Wohnorte der Ausbildungsberufe
70
60
50
40
in der Stadt
30
auf dem Land
20
10
0
Gkk (%)
Gk (%)
Ap (%)
Gkk= Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, Gk= Gesundheits- und Krankenpflege, Ap= Altenpflege
Quelle: Forschungsergebnisse Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
2011; eigene Darstellung
Hinsichtlich des Bildungsstandes gab es zwischen den einzelnen Pflegeberufen große
Unterschiede. Die Auszubildenden in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege hatten insgesamt den höchsten Schulabschluss. 58,1% der Auszubildenden hatten den
45
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Abschluss der allgemeinen Hochschulreife. In der Gesundheits- und Krankenpflege
hatten 71,4% der Auszubildenden einen Realschulabschluss. Damit war der Anteil der
Auszubildenden mit Realschulabschluss am höchsten. Beiden Berufen ist gemeinsam
die relativ hohe Homogenität der Schulabschlüsse.
In der Altenpflegeausbildung war der Bildungsstand bedeutend heterogener. 18,8% der
Auszubildenden hatten einen Hauptschulabschluss oder einen gleichwertigen Abschluss, 16,2% konnten den Abschluss einer Fachoberschule bzw. Abitur vorweisen.
Dies waren aber häufiger jene Auszubildenden, die nicht in Deutschland geboren worden sind.
Vergleich der Schulabschlüsse der Ausbildungsberufe
Quelle: Forschungsergebnisse Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
2011; eigene Darstellung
Die Erstausbildung betreffend, wurden zwischen den einzelnen Pflegeberufen ebenfalls große Unterschiede ermittelt. In der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege hatten
77% der Auszubildenden im Vorfeld keine andere Berufsausbildung begonnen bzw.
beendet, in der Gesundheits- und Krankenpflege waren es mit 61,9% deutlich weniger.
In der Altenpflege waren es 47,4% der Auszubildenden, die noch keine andere Berufsausbildung hatten. Dies war der geringste Wert. Die Ursache hierfür liegt sicherlich
im jeweiligen Altersdurchschnitt der Auszubildenden. Überraschend war, dass sich die
Anzahl der Auszubildenden, die eine andere Berufsausbildung begonnen, aber nicht
abgeschlossen hatten, zwischen den einzelnen Pflegeberufen nur geringfügig unterscheidet. Es gibt demzufolge nur wenige Auszubildende, die noch während der bestehenden Ausbildung in den jetzigen Pflegeberuf gewechselt haben.
46
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Vergleich bezüglich bereits vorhandener bzw. begonnener Berufsausbildung vor
Wechsel in den Pflegeberuf der Ausbildungsberufe
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
Ja, angefangen
Ja, abgeschlossen
Nein
Gkk (%)
Gk (%)
Ap (%)
Gkk= Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, Gk= Gesundheits- und Krankenpflege, Ap= Altenpflege
Quelle: Forschungsergebnisse Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
2011; eigene Darstellung
Unterschiedlich bei den drei Pflegeberufen war nicht nur die Anzahl der Auszubildenden mit einer Berufsausbildung, sondern auch, welche Berufe im Vorfeld erlernt wurden. In der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege waren die erlernten Berufsgruppen
gleich verteilt. Anders war es in der Gesundheits- und Krankenpflege. Hier waren es
mit 28,8%, und damit am häufigsten, Assistenzberufe im Gesundheitswesen, z. B.
Arzthelfer oder Rettungssanitäter. Diese Auszubildenden konnten ihre vorherige Berufsausbildung nutzen. In der Altenpflege waren es 25,6% in sozialpflegerischen Berufen, z. B. Altenpflegehelfer, sowie 38,5% in einer sonstigen dreijährigen Berufsausbildung im dualen System. Überraschenderweise hatten in der Altenpflege 20,5% der
Auszubildenden im Vorfeld mit einem Studium begonnen. Dieses hebt die Unterschiedlichkeit der bereits vorhandenen Berufsausbildung hervor.
47
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Im Folgenden wird der Bildungsstand der Elterngeneration betrachtet. In der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege gaben 34,8% an, dass mindestens ein Elternteil einen
akademischen Berufsabschluss hat. Dies ist der mit Abstand höchste Wert bei den
Pflegeberufen. In der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege ist die hohe Homogenität
des Schulabschlusses der Elterngeneration auffallend. In der Elterngeneration der Gesundheits- und Krankenpflegeschüler gab es Eltern ohne Berufsausbildung, mit Berufsausbildung und mit einem akademischen Abschluss. 81,2% der Auszubildenden
gaben an, dass mindestens ein Elternteil einen dreijährigen dualen Berufsabschluss
hat. Die Elterngeneration der Altenpflegeschüler ist sehr heterogen. 6,8% der Auszubildenden gaben an, dass kein Elternteil über einen Berufsabschluss verfügt, andererseits hatte bei 15,1% mindestens ein Elternteil einen akademischen Berufsabschluss.
Beide Werte sind jeweils höher als in der Gesundheits- und Krankenpflege und zeigen
große Heterogenität innerhalb des Altenpflegeberufes, jedoch auch die Unterschiedlichkeit der Elterngeneration zwischen Altenpflege und Gesundheits- und Kinderkrankenpflege.
Vergleich der Berufsausbildung der Eltern der Ausbildungsberufe
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
Beide Elternteile ohne
Berufsabschluss
mind. 1 Elternteil Fachschulbzw. Ber.-Abschluss im
dualen System
mind. 1 Elternteil akad.
Berufsabschluss
Gkk (%)
Gk (%)
Ap (%)
Gkk= Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, Gk= Gesundheits- und Krankenpflege, Ap= Altenpflege
Quelle: Forschungsergebnisse Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
2011; eigene Darstellung
Die Auszubildenden in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege lebten häufig nicht
mehr bei den Eltern. 58,9% wohnten in einem 1- bzw. 2-Personenhaushalt. Die Haushaltsgrößen von Auszubildenden der Gesundheits- und Krankenpflege und der Altenpflege sind ähnlich: 38,1% der Gesundheits- und Krankenpflegeauszubildenden wohnten in einem 1- bzw. 2-Personenhaushalt, in der Altenpflege sind es 37,1%.
48
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Vergleich der Haushaltsgröße, in dem die Auszubildenden überwiegend leben;
Bewertung des Wohnheim-Platzes als 1-Personenhaushalt)
45
40
35
30
25
20
15
10
5
0
1-Personen-Haushalt (oder
Wohnheim)
2-Personen-Haushalt
3-Personen-Haushalt
4-Personen-Haushalt
>5-Personen-Haushalt
Gkk (%)
Gk (%)
Ap (%)
Gkk= Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, Gk= Gesundheits- und Krankenpflege, Ap= Altenpflege
Quelle: Forschungsergebnisse Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
2011; eigene Darstellung
Auf die Frage nach eigenen Kindern gaben 31,6% der Auszubildenden in der Altenpflege an, dass sie Kinder haben. Das ist mit Abstand der höchste Wert. Von den Auszubildenden in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege haben nur 1,4% Kinder, in
der Gesundheits- und Krankenpflege sind es 3,5%. Die Anzahl der Kinder erklärt u. a.
die geringere Haushaltsgröße in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege gegenüber
der Altenpflege, jedoch nicht die unterschiedliche Haushaltsgröße im Vergleich der
Auszubildenden in Gesundheits- und Kinderkrankenpflege und in der Gesundheitsund Krankenpflege.
Vergleich des Elternstatus in den drei Gruppen nach Pflegeausbildung
120
100
80
ja
60
nein
40
20
0
Gkk (%)
Gk (%)
Ap (%)
Gkk= Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, Gk= Gesundheits- und Krankenpflege, Ap= Altenpflege
Quelle: Forschungsergebnisse Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
2011; eigene Darstellung
Auch der Familienstand erklärt nicht die unterschiedliche Haushaltsgröße zwischen
den Auszubildenden in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege und in der Gesund49
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
heits- und Krankenpflege, denn der Familienstand ist bei beiden Berufen ähnlich. So
sind z. B. in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 41,9% ledig und ohne Partner
und in der Gesundheits- und Krankenpflege 38,9%. Die Auszubildenden in der Altenpflege sind hinsichtlich ihres Familienstandes heterogener. Nur 29,1% sind ledig und
ohne Partner. Dies ist im Vergleich der drei Pflegeberufe der niedrigste Wert. 17,7%
der Auszubildenden in der Altenpflege waren verheiratet, das ist mit
Abstand der
höchste Wert innerhalb der drei Pflegeberufe.
Vergleich Familienstand der Ausbildungsberufe
60
50
ledig (ohne Partner)
40
ledig (mit Partner)
verheiratet
30
getrennt lebend
20
geschieden
verwitwet
10
0
Gkk (%)
Gk (%)
Ap (%)
Gkk= Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, Gk= Gesundheits- und Krankenpflege, Ap= Altenpflege
Quelle: Forschungsergebnisse Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
2011; eigene Darstellung
Die unterschiedliche Haushaltsgröße erlebten die Auszubildenden in ihrer eigenen
Kindheit weniger. Die Anzahl der Geschwister sind nur in einzelnen Aspekten unterschiedlich. Die Auszubildenden der Altenpflege wuchsen seltener ohne Geschwister
auf, dafür aber häufiger mit 4 und mehr Geschwistern.
Vergleich der Anzahl an Geschwister bei Auszubildenden der Ausbildungsberufe
50
40
Gkk (%)
30
Gk (%)
20
Ap (%)
10
0
0
1
2
3
4
5
6
7
8
Gkk= Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, Gk= Gesundheits- und Krankenpflege, Ap= Altenpflege
Quelle: Forschungsergebnisse Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
2011; eigene Darstellung
50
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Beim Vergleich des Pro-Kopf-Einkommens gaben 18,8% der Auszubildenden in der
Gesundheits- und Kinderkrankenpflege an, dass sie weniger als 500 € im Monat zur
Verfügung haben. Nur 5,8% würden monatlich mehr als 1000 € zur Verfügung haben.
Bei den Pflegeberufen ist dies jeweils der niedrigste Wert.
Insgesamt besteht in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege eine relativ homogene Einkommenssituation. In der Altenpflege gaben 34,7% der Auszubildenden an, monatlich über weniger als 500 € verfügen zu können, bei 11,1% lag der zur Verfügung
stehende Betrag über 1000 € monatlich und bei 2,8% sogar über 1500 €. Hier zeigt
sich eine sehr heterogene Verdienststruktur.
Das Pro-Kopf-Einkommen der Auszubildenden in der Gesundheits- und Krankenpflege
lag jeweils zwischen den Angaben der beiden anderen Pflegeberufe.
Vergleich des Pro Kopf- Einkommens der Ausbildungsberufe
80
70
60
50
40
30
20
10
0
Gkk (%)
Gk (%)
Ap (%)
bis 500
bis 1000
bis 1500
mehr als 1500
Gkk= Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, Gk= Gesundheits- und Krankenpflege, Ap= Altenpflege
Quelle: Forschungsergebnisse Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
2011; eigene Darstellung
51
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
5.2.
Milieuzugehörigkeit
Quelle: Forschungsergebnisse Soziales Milieu und soziale Herkunft 2011; eigene Darstellung
Vergleich der Milieuverteilung in der Gesamtbevölkerung mit der von Auszubildenden in den Pflegeberufen im Alter von 17 bis 24 Jahren
Quelle: Forschungsergebnisse Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
2011; eigene Darstellung
52
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Im vorstehenden Diagramm wird die Verteilung der Milieus in der Gesamtbevölkerung
(17-24 Jahre) mit der Verteilung der Milieus bei den befragten Auszubildenden (17-24
Jahre) in den Pflegeberufen verglichen.
Diese Gegenüberstellung zeigt, dass die Verteilung der Milieus in der Gesamtbevölkerung zu der bei den Auszubildenden differiert.
Die drei häufigsten Milieus in der Gesamtbevölkerung (17-24 Jahre) sind:
•
Expeditives Milieu
21,2%
•
Adaptiv-pragmatisches Milieu
16,3%
•
Hedonistisches Milieu
29,1%
(vgl. Auswertung Sinus Heidelberg 2011).
Die vier häufigsten Milieus innerhalb der Ausbildungsberufe der Pflege (17-24 Jahre):
•
Adaptiv-pragmatisches Milieu
22,2%
•
Sozialökologisches Milieu
24,7%
•
Hedonistisches Milieu
27,6%
•
Bürgerliche Mitte
11,1%
(vgl. Auswertung Sinus Heidelberg 2011)
53
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Häufigste Milieuverteilung unter den befragten Auszubildenden der Pflegeberufe
im Alter von 17-24 Jahren:
Quelle: Forschungsergebnisse Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
2011; eigene Darstellung
Dieses Diagramm zeigt, wie die vier häufigsten Milieus innerhalb der befragten Auszubildenden der Pflegeberufe (17-24 Jahre) über die einzelnen Ausbildungsberufe verteilt
sind.
Interessant ist hier, dass in der Gruppe der Befragten der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege deutlich mehr Auszubildende aus dem sozialökologischen Milieu kommen (34,8%) als das bei der Gesundheits- und Krankenpflege und der Altenpflege der
Fall ist.
Das adaptiv-pragmatische Milieu ist in der Gruppe der Befragten der Altenpflege mit
34,1% stark überpräsentiert, das gilt auch für das hedonistische Milieu mit einem Anteil
von 34,1% in der Gruppe der Altenpflege.
5.3.
Gesundheitsverhalten, Freizeitverhalten bzw. Hobbies der
PflegeschülerInnen, nach drei Gruppen
Das Forschungsprojekt richtete den Blick u. a. auf das Freizeitverhalten der PflegeschülerInnen in allen drei Ausbildungsberufen, die Nutzung bzw. die Verfügbarkeit des
Internets sowie auf das Gesundheitsverhalten der SchülerInnen in diesen Gesundheitsberufen. Nachfolgend wird ein Teil der Erhebungen vorgestellt und, so weit möglich, kritisch beleuchtet bzw. bewertet.
54
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
5.3.1.
Freizeitverhalten
Bezogen auf das Freizeitverhalten der Pflegeauszubildenden, war es naheliegend Recherchearbeiten bei der 16. Shell Jugendstudie aus dem Jahr 2010 vorzunehmen. Es
war der Gruppe klar, dass nur ein Teil der SchülerInnen direkt vergleichbar mit den befragten Altersgruppen der Shell-Studie sein wird, dennoch erschien diese Studie geeignet, um Referenzdaten zu sammeln.
Deshalb hat sich die Forschungsgruppe Soziale Milieus und soziale Herkunft mit ihren
Fragen teilweise an die Jugendstudie angelehnt bzw. orientierte sich mit der Zielrichtung ihrer Fragen daran.
In der Jugendstudie wurde festgestellt, dass Jugendliche heutzutage eine hohe Varianz an Möglichkeiten haben, ihren privaten Alltag bzw. ihr Freizeitleben zu gestalten.
So wurde z. B. die Mitgliedschaft in Cliquen nach relevanten sozialen und persönlichen
Merkmalen untersucht (vgl. Albert, Hurrelmann et al. 2010, S. 80 ff). Außerdem erhob
die Studie bei Jugendlichen im Alter von zwölf bis 25 Jahren deren fünf häufigste Freizeitbeschäftigungen (ebd. S. 96 ff).
So treffen sich demnach 59% in ihrer freien Zeit gerne mit anderen, ebenso viele surfen gerne im Internet. 56% hören gerne Musik, gefolgt von 54% der Jugendlichen, die
sich für Fernsehen begeistern. 37% geben an, dass sie in die Disco, zu Partys und auf
Feten gehen; hingegen betätigen sich 28% mit Freizeitsport wie Radfahren, Fußballkick oder Skaten und um ein weiteres Prozent mehr, also 29%, treiben Sport aktiv im
Fitnessclub oder mit Trainer im Sportverein.
Das Freizeitverhalten der Auszubildenden in der Alten-, Gesundheits- und (Kinder)Krankenpflege wird in der Frage Nummer 15 beleuchtet. Unter insgesamt 19 Items
sollten die Schülerinnen auch in dieser Studie die fünf wichtigsten Freizeitaktivitäten
benennen, die sie innerhalb einer Woche bevorzugt ausführen. So erhielten alle TeilnehmerInnen die Gelegenheit zu bewerten bzw. zum Ausdruck zu bringen, was sie besonders gerne in ihrer Freizeit unternehmen.
Werden dazu die unter 25-Jährigen in den Fokus genommen, zeigt sich, dass sie zu
30,3% die Buchlektüre schätzen (16. Shell Jugendstudie 27%); 7,4% vertreiben sich
die Zeit mit Elektronik-Games an Spielkonsolen, was gegenüber den jungen Menschen
aus der Shell-Studie einem Minus von 13,6% entspricht, denn dort ergab die Erhebung, dass 21% gerne elektronische Spiele machen.
Es ist sehr wichtig, bei den hier vorgestellten Auswertungen zu bedenken, dass diese
Berechnungsergebnisse, anders als bei der Jugendstudie, ausschließlich in der Altersspanne zwischen 17 und 25 Jahren angesiedelt sind.
23,8% der jungen Pflegeschülerinnen geben eine Interessenslage für Videos und /
oder DVDs schauen an, wohingegen die Jugendstudie 20% ermittelte. In der Jugend55
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
studie unternehmen gleichfalls 20% gerne etwas mit der Familie. Dieser Wert ist bei
den Auszubildenden in der Pflege mit 35,2% deutlich höher.
Was den Fernsehkonsum betrifft, so benennen hierfür 53,7% ein Interesse, was sich
fast mit dem Ergebnis der o. g. 54% aus der Shell Jugendstudie deckt.
Das Forschungsprojekt zeigte auch auf, dass 23% der Auszubildenden gerne zum
Shoppen gehen bzw. sich in der Freizeit tolle Sachen kaufen, dagegen fühlen sich davon die Jugendlichen deutschlandweit zu 16% angesprochen.
Bezüglich der Analyse möglicher Gründe für diverse Unterschiede zwischen den beiden Studien sind lediglich Mutmaßungen möglich. Ob die Schülerinnen in der Pflege z.
B. deshalb seltener PC-Spiele machen, weil es sich dabei um eine Freizeitbeschäftigung handelt, die überwiegend für sich alleine ausgeübt wird, was junge Menschen in
der Gesundheitsbranche vielleicht nicht so liegt, weil sie auch in ihrer Freizeit den sozialen Kontakt und Austausch suchen, lässt sich aus den Ergebnissen keinesfalls belegen. Dazu bedürfte es weiterer Untersuchungen; dennoch könnte es eventuell ein
möglicher Beweggrund sein, sich deutlich seltener als die Jugendlichen in Deutschland
elektronischen Spielen zu widmen.
Diese Annahme könnte sich auch darin widerspiegeln, dass sich die Pflegeauszubildenden zu 68,9% mit Leuten treffen, was in der Jugendstudie mit exakt 59% ausgewiesen ist. Es scheint sich ebenso eine höhere Tendenz zur Kontaktpflege des nahen
sozialen Umfelds, hier mit der Familie, bei den PflegeschülerInnen abzubilden. 35,2%
geben familiäre Unternehmungen an, die Jugendlichen der Shell-Studie zu 20%.
Etwas auffällig ist wiederum, dass die Auszubildenden bis 25 Jahre bei sportlicher Betätigung mit Vereinsbindung, was gleichfalls Sozialkontakte befördern kann, mit 24,2%
hinter den Jugendlichen der Shell-Studie liegen – bei diesem Item mit einem Minus von
4,8%. Das könnte allerdings den Schicht- bzw. Dienstzeiten geschuldet sein, da es im
Pflegebereich sehr schwierig sein kann, an fest fixierten Wochentagen regelmäßige
Termine, also z. B. Trainingszeiten, konstant wahrzunehmen, weshalb auf diese Art
der Hobbypflege möglicherweise verzichtet wird. Im Gegensatz dazu spräche die etwas stärkere Wahrnehmung sportlichen Tuns in der Freizeit, d. h. ohne eine zeitlich
wiederkehrende Terminierung, mit 31,6% gegenüber anderen Jugendlichen mit den
schon beschriebenen 28%, wobei hier der sozial-gesellschaftliche Aspekt, zumindest
beim Fußballspiel, ebenfalls eine Rolle spielen könnte.
50,8% der PflegeschülerInnen bestätigen auch, dass in ihrer Freizeit das Ausgehen in
die Kneipe und Disko, zur Party und auf die Fete zu ihren fünf liebsten Aktivitäten zählt.
Das könnte ebenfalls ein Indiz für einen höheren bedürfnisorientierten Wunsch nach
Sozialbegegnungen sein, da sich im Vergleich die Jugendlichen aus der Shell-Studie
nur zu 37% (s. o.) dafür aussprechen.
56
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Alles in allem, eine schlüssige Aussage darüber, ob das Freizeitverhalten der bis zu
25-jährigen SchülerInnen mit einem höheren Bedürfnis nach sozialen Beziehungen im
Kontext mit ihrer Berufswahl im Sozial- und Gesundheitsbereich korreliert, kann keinesfalls getroffen werden. Indes: Eine leichte Tendenz könnte naheliegend sein.
Ein kleiner Werteunterschied fällt bei der so bezeichneten 'Aktivität' nichts tun oder
rumhängen auf, wofür in der Jugendsprache gerne auch 'chillen' für entspannen und
abhängen verwendet wird. Bei der Jugendstudie werden dafür 14% angegeben, bei
den jungen Leuten in der Pflegeausbildung sind es 10,2%. Spekulativ wäre dazu sicherlich die Überlegung, dieser geringfügige Unterschied könnte auch hier unter Umständen wieder mit den verschiedensten Schicht- und Wochenenddiensten in der Pflege zusammenhängen.
In der Forschungsarbeit wurden weitere Items im Abgleich zur 16. Shell-Jugendstudie
untersucht. Die Darstellung der Ergebnisse bzw. eine Gegenüberstellung zwischen einigen Resultaten des Forschungsprojektes und der Referenzstudie erfolgt in nachfolgender Tabelle.
Aktivität
Ausgehen: Kneipe, Party,
Disco, Fete
Buchlektüre
Engagement in einem
Projekt / Initiative / Verein
Etwas mit der Familie unternehmen
Fernsehen
Filme: Videos, DVDs anschauen
Im Internet surfen
Jugendfreizeittreff, Jugendzentrum
Musik hören
Nichts tun, rumhängen
Playstation, Nintendo,
Computerspiele
Shoppen, sich tolle Sachen kaufen
Sich mit Leuten treffen
Sport in der Freizeit (Rad
fahren, Skaten, Kicken)
Training, aktiv Sport treiben (Fitnessclub, Sportverein)
Zeitschriften oder Magazine lesen
16. ShellJugendstudie
37%
Eigene Ergebnisse
50,8%
Wertedifferenz
27%
7%
30,3%
7,4%
Plus 3,3%
Plus 0,4%
20%
35,2%
Plus 15,2%
54%
20%
53,7%
23,8%
Minus 0,3%
Plus 3,8%
59%
5%
52%
2,9%
Minus 7%
Minus 2,1%
56%
14%
21%
54,9%
10,2%
7,4%
Minus 1,1%
Minus 3,8%
Minus 13,6%
16%
23%
Plus 7%
59%
28%
68,9%
31,6%
Plus 9,9%
Plus 3,6%
29%
24,2%
Minus 4,8%
8%
4,5%
Minus 3,5%
Plus 13,8%
Quelle: Albert, Hurrelmann et al. 2010, S. 96 ff; Forschungsergebnisse Soziales Milieu und soziale Herkunft 2011; eigene Darstellung
57
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Als Zwischenresümee kann festgehalten werden: Eine eindeutige Bewertung bzw. abschließende Interpretation der fünf Lieblingsfreizeitbeschäftigungen wäre ohne ergänzende bzw. vertiefende und dezidierte Befragungen voreilig und nicht ausreichend belegt. Deshalb liefert die Stichprobe zwar gewisse Anhaltspunkte und (vermeintliche)
Auffälligkeiten, um aber wirklich aussagefähige Zahlen zu gewinnen, müsste die Umfrage an Pflegeschulen nachgeordnet auf eine sehr viel breitere Basis gestellt werden.
Trotzdem darf durchaus konstatiert werden, hat das Forschungsteam dazu speziell für
den Pflegeausbildungsbereich eine erste statistische Dokumentation geliefert.
Eine etwas andere Zielrichtung nimmt die Frage nach dem eigenen Internet-Zugang
ein, obwohl gerade die Internet-Nutzung sowohl aus beruflichem wie aus privatem Anlass heraus erfolgen kann. Dementsprechend könnte auf diese Frage bei den Antworten gleichfalls ein freizeitgemäßes Sachinteresse implizit hinterlegt sein.
5.3.2.
Internet-Verfügbarkeit
Lernen findet heutzutage immer mehr mit elektronischer Unterstützung statt. Teilweise
setzen die Pflegeausbildungsstätten fast schon voraus, dass SchülerInnen eine entsprechende Hard- und Software an ihrem häuslichen Arbeitsplatz für z. B. Lernaufgaben einsetzen können.
Darum konzentrierte sich ein Schwerpunkt dieses Fragenkomplexes darauf, wie es unter den einzelnen Ausbildungszielgruppen mit der Verfügbarkeit eines eigenen InternetBrowsers aussieht. Erwartungsgemäß beantworten nahezu alle SchülerInnen diese
Frage mit ja. Im Fachbereich der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege haben 97,3%
einen persönlichen Zugang, bei der Gesundheits- und Krankenpflege sind es 97,95%.
Dagegen haben 5% der AltenpflegeschülerInnen keinen eigenen Internet-Zugang. Das
bedeutet im Umkehrschluss, dass die Auszubildenden der Altenpflege im Vergleich zu
den Auszubildenden der Gesundheits- und Krankenpflege etwas mehr als doppelt so
viele keine Möglichkeit haben, mit einem eigenen Anschluss im Internet zu surfen.
58
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
In der folgenden Abbildung sind die ermittelten Werte in Prozent wieder gegeben.
Verfügbarkeit über eigenen Internetzugang
Quelle: Forschungsergebnisse Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
2011; eigene Darstellung
Diese Ergebnisse bedeuten nach momentanem Stand, Pflegeschulen könnten im
Rahmen einer generalistischen Ausbildung nicht gänzlich davon ausgehen, dass alle
Auszubildenden eine entsprechende EDV-Ausstattung zu Hause greifbar haben. Deshalb müssten die Schulen eventuell darüber nachdenken, inwieweit sie möglicherweise
an der Schule selbst EDV-Räume vorhalten müssten.
5.3.3.
Gesundheitsverhalten der Pflegeauszubildenden
Eine weitere Dimension bezog sich auf das eigene Gesundheitsverhalten der Pflegeschülerinnen. Untersucht wurden z. B. der Zigaretten- und Alkoholkonsum, der BodyMass-Index, der Verzehr von Fast Food und die Einstellung zum Bodyshaping.
Unter dem Wissenschaftsblick der Ernährungsphysiologie ist für einen guten Gesundheitsstatus Normalgewicht anzustreben; teilweise wird auch vom 'Wohlfühlgewicht' gesprochen. Zur Gewichtsstatusermittlung dient als Assessment-Instrument der sogenannte Body-Mass-Index (BMI). Analog zu den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. wurde eine Zuordnung zu den jeweiligen BMI-Gruppen gewählt. Eine Präadipositas, d. h. Übergewicht, mit einem BMI zwischen 25 und 29,9
kg/m2 liegt bei 31,9% der Auszubildenden in der Altenpflege und bei 18,4% der Auszubildenden in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege vor. Das lässt darauf schließen, dass die Beachtung der eigenen Gesunderhaltung bei fast jeder dritten Person in
der Altenpflege und bei nahezu jeder Fünften in der Gesundheits- und Kinderkranken59
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
pflege eine weniger wichtige Bedeutung einzunehmen scheint. Ein BMI ab 30 aufwärts
kategorisiert die Adipositas, was gleichbedeutend mit Fettleibigkeit ist, diesen BMI
weist die Gesundheits- und Kinderkrankenpflege mit 1,4% am wenigsten auf. Die Altenpflege und Gesundheits- und Krankenpflege zeigen hier fast eine Gleichverteilung
mit 6,9 bzw. 6,6%. Obschon bei allen Ausbildungsgruppen davon ausgegangen werden kann, dass Fachwissen zu ernährungsbedingten Erkrankungen vorliegen dürfte,
liegen wohl unterschiedliche Wertigkeiten zum Schutz und Erhalt des persönlichen Gesundheitszustandes vor, denn auch bei der Gesundheits- und Krankenpflege und der
Altenpflege ist mindestens jede 20. Person von Fettleibigkeit betroffen.
Demgegenüber gilt Untergewicht, der BMI-Wert liegt bei 15 bis 19,9 kg/m2, gleichfalls
nicht als gesundheitsförderlich. In dieser Spannbreite finden sich 9,6% der Gesundheits- und KinderkrankenpflegeschülerInnen, 10,3% der Gesundheits- und KrankenpflegeschülerInnen sowie 5,6% der AltenpflegeschülerInnen.
Einen Gesamtüberblick zum Body-Mass-Index bietet das nachfolgende Diagramm mit
Prozentwertnennung.
Body-Mass-Index
Quelle: Forschungsergebnisse Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
2011; eigene Darstellung
Eine Frage galt den Ernährungsgewohnheiten, die natürlich in einer Wechselbeziehung
zum BMI stehen können, aber nicht müssen. Dennoch war von Interesse, ob die Befragten Fast Food in ihren Speiseplan aufnehmen, was vielleicht ein Anzeichen für die
60
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Ausprägung der persönlichen Gesundheitskompetenz sein könnte. Es stellte sich heraus, dass die SchülerInnen der Gesundheits- und Krankenpflege im Gegensatz zu den
beiden anderen Ausbildungsgruppen eine Vorliebe für Fast Food anzeigen. Immerhin
sagen 48,9% von sich, sie essen regelmäßig bzw. 39,1% sie verzehren gelegentlich
Fast Food. Die SchülerInnen der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege verspeisen zu
21,8% oder selten bzw. nie Gerichte der Fast Food Küche. Die AltenpflegeschülerInnen geben zu fast 50% an, Fast Food nie oder selten zu essen, gelegentlich jedoch zu
29% und regelmäßig greifen sie mit 24,1% zu Fast Food Produkten.
Insofern ernähren sich die Auszubildenden der Gesundheits- und Krankenpflege kontrastierend zu den beiden anderen Ausbildungssparten etwas mehr mit Speisen der
Schnellimbiss-Küche. Ein stichhaltiger Beleg für weniger gesunden Ernährungsstil lässt
sich daraus absolut nicht begründen, ein Hinweis oder Trend für möglicherweise andere Ernährungsgepflogenheiten könnte sich freilich schon darin verbergen. Allerdings
müssen diese Unterschiede auch vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Altersstruktur der Auszubildenden nach Art der Pflegeausbildung interpretiert werden. Die
Auszubildenden in der Altenpflege sind die im Durchschnitt ältesten in den drei Gruppen.
In nachstehender Abbildung ist der Ernährungsumgang mit Fast Food Kost dokumentiert.
Fast Food
Quelle: Forschungsergebnisse Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
2011; eigene Darstellung
61
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Im Zusammenhang mit dem Präventionsgedanken war es zudem naheliegend, eine
weitere Fragestellung im Kontext zu eigenen Gesundheitspräferenzen aufzunehmen.
Deshalb wird in Frage 12 explizit nach dem Zigarettenkonsum im fast identischen Fragentypus wie in der Shell-Studie gefragt.
Beim direkten Abgleich wird offenkundig, dass die SchülerInnen aller drei Gesundheitsberufe in der Altersgruppe zwischen 18 und 25 Jahren regelmäßig etwas mehr
rauchen als die gleichaltrigen jungen Menschen aus der Vergleichsstudie, nämlich mit
36% gegenüber 30,5%. Beim gelegentlichen Nikotingenuss liegen die PflegeschülerInnen mit 14,5% vor ihren Altersgenossen mit 12,5%. Als NichtraucherInnen bezeichnen
sich 49,5% der Pflegeauszubildenden, in der nationalen Jugendstudie 57%. Demnach
ist anzunehmen achten Auszubildende in der Pflege wohl etwas weniger auf ihre Gesundheit als die Vergleichsgruppe. Welche Motivationen oder gar Ursachen hinter den
Rauchgewohnheiten der PflegeschülerInnen stehen, obgleich ihnen aufgrund ihrer
Fachkenntnisse aus ihren Ausbildungsgängen die Krankheitsfolgen des Rauchens bekannt sein dürften, lassen sich aus dieser kleinen Kontrollgruppe nicht ableiten, sie wären zu hypothetisch.
Nachstehend folgt der statistische Vergleich bezüglich des Rauchverhaltens.
Zigarettenkonsum
Quellen: Albert, Hurrelmann et al. 2010, S. 93 f; Forschungsergebnisse Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe 2011; eigene Darstellung
62
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Inwiefern die Einstellungen und Haltungen der SchülerInnen in den drei Ausbildungsberufen zur selbstverantwortlichen Gesundheitsprävention als weniger hoch, mittelgradig oder hoch einzustufen sind, kann nicht konkret genug beurteilt werden. Als Zwischenfazit sei es erlaubt festzuhalten, dass sich jedenfalls Neigungen oder Hinwendungen zu bevorzugten Lebensstilen abzuzeichnen scheinen.
5.3.4.
Zusammenfassung
Wie sich abschließend alles in allem feststellen lässt, sind die Antworten in Bezug auf
die Fragen zum Gesundheitsverhalten und den Hobbies aufschlussreich und somit in
ihrer Aussagekraft unbedingt bemerkenswert. Gleichwohl ist die Datenlage bzw. sind
die Befunde in ihrer Gesamtheit allenfalls als erste Ergebnisse im Sinne von Strömungen, wie sie bei Auszubildenden in den Pflegeberufen vorkommen können, zu werten.
Was das eigene Gesundheitsverhalten bzw. die gesundheitliche Eigenvorsorge im Besonderen betrifft, so fällt auf, dass die Auszubildenden dazu eine gewisse Unbeschwertheit zu haben scheinen, zumindest deuten einige Gesundheitsindikatoren doch
darauf hin.
5.4.
Motive für die Ausbildung, Unterstützung bei der Suche nach
einem Ausbildungsplatz und bei der Berufsorientierung, Beurteilung der eigenen Ausbildungsentscheidung
Um für unsere Forschung und Ergebnisse Vergleichsdaten zu nutzen, haben wir uns
als Forschungsgruppe entschieden, den Fragenkomplex „Motivation für den Pflegeberuf und zum Weg in die Pflegeausbildung“ an bereits vorhandene Erhebungen anzugleichen. Wir erstellten unsere Fragen in Anlehnung an die „Imagekampagne für
Pflegeberufe auf der Grundlage empirisch gesicherter Daten“, welche vom Institut für
Public Health und Pflegeforschung (Universität Bremen 2010) durchgeführt wurde.
5.4.1.
Motive für die Ausbildung
Die folgende Tabelle zeigt die fünf meist genannten Kriterien zur Frage 20. „Welche
Einflussfaktoren auf die Berufswahl waren für Sie mehr oder wenig wichtig?“
Dabei waren Mehrfachnennungen möglich.
63
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Stichprobe differenziert in Berufsgruppen
Platz 1
Platz 2
Kinderkrankenpflege
n 74
Krankenpflege n146 Altenpflege n79
Interessante/sinnvolle
Tätigkeit
Kontakt mit Menschen
100%
Kontakt mit Menschen
98,6%
100%
Anderen helfen
Interessante/sinnvolle
Tätigkeit
97,9%
Sicherer Arbeitsplatz
98,8%
Sicherer Arbeitsplatz
96,6%
Sinnvolle Tätigkeit
Kontakt mit
Menschen
Anderen helfen
98,7%
96,5%
Gebraucht werden
Beruf mit
Verantwortung
97,4%
98,6%
Platz 3
Sicherer Arbeitsplatz
Beruf mit Verantwortung
95,9%
Platz 4
Gebraucht werden
Realisierung eigener
Begabungen
Anderen helfen
93,2%
Platz 5
Selbstständig Arbeiten
Selbstständig Arbeiten
90,5%
95,9%
Interessante Tätigkeit
Möglichkeit zur
Spezialisierung
94,9%
Unsere Stichprobe verglichen mit den Ergebnissen des IPP stellt folgende Grafik dar:
Die fünf häufigsten Kriterien zur Berufswahl im
Vergleich
Kontakt mit
Menschen
99,0%
96,6%
98,7%
Sinnvolle Tätigkeit
95,9%
97,6%
Anderen helfen
Interessante
Tätigkeit
Arbeiten im Team
93,2%
99,0%
91,4%
91,5%
91,0%
Stichprobe alle Berufsgruppen (eigene Daten 2011)
Studie IPP Bremen
Quelle: Institut für Puplic Health und Pflegeforschung; Abteilung 3: Interdisziplinäre Alterns- und
Pflegeforschung; 2010: Imagecampagne für Pflegeberufe auf der Grundlage empirisch gesicherter Daten;
Universität Bremen
Quelle: Forschungsergebnisse Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
2011; eigene Darstellung
64
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Dabei ist anzumerken, dass in unserer Stichprobe noch die Berufsgruppe Gesundheits- und Kinderkrankenpflege vertreten ist, während IPP nur zwei Berufsgruppen befragte (Altenpflege sowie Gesundheits- und Krankenpflege). Der Vergleich liefert ähnliche Ergebnisse bis auf das Item „Interessante Tätigkeit“, welches für die Auszubildenden unserer Befragung ein sehr wichtiges Kriterium ist und zusammen mit „Kontakt mit
Menschen“ an erster Stelle steht.
Weitere relevante Aspekte aus unserer Stichprobe für die Entscheidung zu einem Pflegeberuf sind „ein sicherer Arbeitsplatz“ und „gebraucht zu werden“ in einer „verantwortungsvollen, selbstständigen Arbeit“.
In der Hierarchie der wichtigen Einflussfaktoren kommen familiäre Kriterien wie „Vereinbarkeit mit Familie“ (79,2%) oder „Teilzeitarbeit möglich“ (67,8%) an dritt- bzw. viertletzter Stelle. Vermutlich hat die Aussicht auf eine Familiengründung zum Zeitpunkt der
Ausbildung für die Befragten noch eine untergeordnete Bedeutung, ist aber in Anbetracht der doch höheren Prozentzahlen (über 50%) kein unwesentlicher Aspekt.
Dieses Ergebnis konnte das IPP in der Vergleichsstudie ebenso feststellen. Hier kommen die Aspekte „Teilzeitarbeit“ (44,2%) an zweitletzter und „Vereinbarkeit mit Familie“
(27,3%) an viertletzter Stelle in der Kategorie „unwichtigste Faktoren“. Gleichzeitig wird
darauf hingewiesen, dass die schlechte Vereinbarkeit des Pflegeberufs mit der einer
eigenen Familie der häufigste Grund ist, warum Pflegende aus dem Beruf aussteigen
(vgl. IPP 2010, S. 47).
Rückblickend ist die Antwortmöglichkeit auf diese Frage in unserem Fragebogen ungünstig gewählt (siehe Fragebogen S. 4). Die Begriffe „unwichtig“ und „überhaupt nicht
wichtig“ haben die gleiche Aussagekraft und zwischen „sehr wichtig“ und „kaum wichtig“ fehlt eine mittlere Antwortmöglichkeit wie z. B. „wichtig“. Dieser Aspekt lässt auf die
hohen Prozentzahlen im Bereich „sehr wichtig“ zurück schließen, d. h. von 23 Items
wurde nur das Item „eigener Kindheitstraum“ unter 50% der Befragten angekreuzt. Bei
19 Items entschieden sich zwischen 99% und 80% der Auszubildenden, vermutlich
aufgrund der fehlenden mittleren Auswahlmöglichkeit, für ein „sehr wichtig“. In Anbetracht dessen könnten möglicherweise die Ergebnisse ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit sein.
65
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Auf die Frage nach den persönlichen Voraussetzungen für einen Pflegeberuf ergeben
sich folgende Daten (Frage 21):
Welche persönlichen Voraussetzungen müssen Ihrer Meinung nach Personen
mitbringen, um den Anforderungen eines Pflegeberufs gerecht zu werden?
Stichprobe gesamt (eigene Daten 2011)
Spaß/Freude am Beruf
87,0%
Verantwortung
85,3%
Teamarbeit
84,3%
Geduld
77,6%
Flexibilität
76,6%
Hohe Belastbarkeit
76,6%
Mitmenschlichkeit
74,6%
Helfen wollen
72,9%
Emotionale Stabilität
70,9%
Gesundheit
Offenheit
Empathie
66,9%
60,2%
55,5%
Quelle: Forschungsergebnisse Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
2011; eigene Darstellung
Hier war wieder eine Mehrfachnennung möglich. So ist zu erkennen, dass es keine
sehr großen Differenzen zwischen den einzelnen Kriterien gibt, bis auf die letzten drei
Items. Der Aspekt der Empathie wird allerdings interessant in der Betrachtung der einzelnen Berufsgruppen:
66
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Spaß/Freude am Beruf
Verantwortung
Teamarbeit
Geduld
Flexibilität
Hohe Belastbarkeit
Altenpflege n79
Mitmenschlichkeit
Krankenpflege n 146
Kinderkrankenpflege n 74
Helfen wollen
Emotionale Stabilität
Gesundheit
Offenheit
Empathie
0%
20%
40%
60%
80% 100%
Quelle: Forschungsergebnisse Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
2011; eigene Darstellung
Empathische Fähigkeiten als Voraussetzung für einen Pflegeberuf nannten Auszubildenden in der Altenpflege fast doppelt so oft als Auszubildende in den anderen zwei
Pflegeberufen. Unsere Forschungsgruppe vermutet hier möglicherweise ein anderes
Pflegeverständnis, weil sich die Beziehung zu Bewohnern im Pflegeheim aufgrund einer längeren Verweildauer intensiver und anders gestaltet als mit den Patienten in der
Akutversorgung.
Die Vergleichsstudie liefert zu dieser Frage andere Ergebnisse. Auf Platz eins steht
hier die Mitmenschlichkeit mit ca. 56%, gefolgt von „Offenheit“ mit 34%, an dritter und
vierter Stelle kommt „hohe Belastbarkeit“ und „Empathie“ mit 28%.
Die Gesundheits- und Krankenpflegeauszubildenden betonen, im Gegensatz zu unserer Stichprobe, Aspekte wie Empathie und Gesundheit häufiger als die Altenpflegeauszubildenden (vgl. IPP 2010, S. 62 f).
67
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Wie bereits im Kapitel 3 erwähnt, hebt die Vergleichsstudie hervor, dass ein Praktikum
als Sprungbrett in den Pflegeberuf zu sehen ist. Diesen Aspekt spiegelt unsere Befragung wider. Zur Frage 22. „Woher haben Sie in der Phase der Berufsorientierung
Informationen zum Pflegeberuf erhalten?“ antworteten 63,2% aller Auszubildenden,
dass dies über ein Praktikum, Zivildienst oder ein Freiwilliges Soziales Jahr geschah.
An zweiter Stelle kommt als wichtiges Medium das Internet mit 56,9%, und 48,4% haben Informationen von Freunden und Bekannten erhalten. Pflegeerfahrung aus der
Familie, meist von Eltern, Geschwistern oder Verwandten beeinflussten des Weiteren
mit 35,9% die Entscheidung zum Pflegeberuf.
Allgemeinbildende Schulen bieten oft einen Rahmen für Öffentlichkeitsarbeit umliegender Pflegefachschulen an. Somit erhielten 28,6% unserer Befragten Informationen zum
Beruf aufgrund von Werbeveranstaltungen oder durch schulorganisierte Praktika in
Pflegeeinrichtungen. Nur 15,1% der Auszubildenden nutzten eine Berufsberatung von
der Arbeitsagentur. Auch Infostände oder Messen wurden ähnlich wenig mit 14,5% besucht. Anzeigen in Zeitungen oder Zeitschriften und das Medium Fernsehen brachte
die wenigsten Informationen in der Phase der Berufsorientierung mit 9,5% und 3,9%.
Im Kontext der Informationsgewinnung zur Berufswahl konnten zwischen den einzelnen Ausbildungsgängen keine größeren Ergebnisdifferenzen festgestellt werden. Deshalb wurde hier die Gesamtzahl der Stichprobe dargestellt.
Das Institut für Public Health und Pflegeforschung stellte folgende Frage an die Schüler/innen: „Unabhängig davon, ob ein Pflegeberuf für dich in Frage kommt, was fällt dir
ein, wenn du an Pflegeberufe denkst?“ (vgl. IPP 2010, S. 53). Wir stellten daraufhin
folgende Frage an die Auszubildenden unserer Studie: „In der Phase der Berufsorientierung, an welche Aspekte des Pflegeberufes dachten Sie?“ (Angaben in %, Mehrfachnennungen möglich).
68
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
kein Spaß, Langeweile
Keine
Abwertung der Tätigkeit
Positive Attribute
Schlechte Bezahlung
Auszubildende gesamt
(Eigene Daten und
Darstellung 2011)
Alte Leute
Anstrengend, viel Arbeit
Schüler/innen gesamt (ipp
Bremen)
Schmerz, Krankheit
Emotionen (Freude, Trauer)
Betreuen, versorgen
Helfen
Umgang mit Meschen
Quelle: ippP= Institut für Public
Health und Pflegeforschung Uni
Bremen (2010)
0%
20%
40%
60%
80%
Im Vergleich der Angaben unserer Gruppe mit denen des Instituts für Public Health
und Pflegeforschung Bremen, können gerade bei den Items „Helfen“ und „Umgang mit
Menschen“ besonders große Unterschiede erkannt werden. Während 48% der befragten Schüler bei dem Gedanken an einen Pflegeberuf „Betreuung und Versorgen“ in
Verbindung bringen (vgl. IPP, S. 53), steht für die Auszubildenden unserer Studie mit
73% die Assoziation „Umgang mit Menschen“ an erster Stelle. Bei der Gegenüberstellung von den Fragen „Schlechte Einkommenschancen“ (2,3%) bei den Schülern (vgl.
IPP 2010 S. 53) und „Schlechte Bezahlung“ (23,4%) bei den Auszubildenden ist ebenfalls eine große Differenz festzustellen. Spannend fand unsere Forschungsgruppe allerdings, dass die Schülergruppe mit 19,9% dem Pflegeberuf „positive Attribute“ zusprach (ebd.), während dies nur 13,2 % der befragten Auszubildenden taten.
69
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Frage an die Auszubildenden unserer Studie: „Weshalb haben Sie sich letztendlich
für die Ausbildung zum Pflegeberuf entschieden?“ (Angaben in %, Freitext)
Quelle: Forschungsergebnisse Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
2011; eigene Darstellung
Die Befragung ergab, dass die Beweggründe, sich für den jeweiligen Ausbildungsberuf
zu entschließen, für die Auszubildenden sehr unterschiedlich und vielfältig waren. Bei
den Auszubildenden der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege waren die Aspekte
„Helfen wollen“ (23%), „Freude am Beruf“ (24%) und „Arbeiten mit Menschen“ (20%)“
am häufigsten vertreten. Bei den Auszubildenden der Gesundheits- und Krankenpflege
und der Altenpflege waren „Helfen wollen“ (jeweils 13% und 19%), „FSJ, Praktika, Zivildienst“ (jeweils 16% und 14%) und „Arbeiten mit Menschen“ (jeweils 7% und 9%) die
drei wichtigsten Aspekte. Fast übereinstimmend gaben alle Auszubildenden der drei
Berufsgruppen an (Gesundheits- und Kinderkrankenpflege mit 11%, Gesundheits- und
Krankenpflege mit 11% und Altenpflege mit 9%), der Pflegeberuf sei ihr „Traumberuf“.
Besonders auffallend sind jedoch die Angaben für den Aspekt „Pflege in der Familie“.
Die Auszubildenden in der Altenpflege gaben mit 8%, die der Gesundheits- und Krankenpflege mit 1% und die der Kinder- und Krankenpflege mit 0% an, ihre Berufswahl
durch diesen Aspekt getroffen zu haben. Vergleichsdaten aus der Studie vom Institut
für Public Health und Pflegeforschung konnten nicht herangezogen werden.
70
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Im Fragebogen zum Thema Soziales Milieu von Schüler/Innen in der Gesundheits- und
Kinderkranken-, Gesundheits- und Kranken- und in der Altenpflege wurden drei offene
Fragen gestellt.
In der Rubrik „Fragen zur Motivation für den Pflegeberuf und zum Weg in die Pflegeausbildung“ (eigene Daten und Darstellung [2011]) wurde u. a. die Frage „Benennen
Sie jeweils eine persönliche Schwäche und Stärke von Ihnen“ (ebd.) an die Schüler/Innen gerichtet.
Zielsetzungen der Fragestellung waren einerseits herauszufinden, wie die Selbsteinschätzung erfolgt und welche Fähigkeiten und Besonderheiten mitgebracht werden,
andererseits eine kritische Reflexion auf Fähigkeiten bzw. Kompetenzen, um im Berufsfeld der Pflege arbeiten zu können.
Benennung der Stärken
Die nachfolgende Grafik stellt die prozentualen Datenergebnisse der Befragung zu den
persönlichen Stärken aller drei Berufsgruppen dar:
Quelle: Forschungsergebnisse Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
2011; eigene Darstellung
71
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Beim Item Empathie lassen sich keine markanten Unterschiede in den jeweiligen Ausbildungsbereichen feststellen.
Empathie:
•
Gesamt: 26%
•
Gesundheits- und Kinderkrankenpflege mit 24%
•
Gesundheits- und Krankenpflege mit 26%
•
Altenpflege mit 28%
Dagegen lassen sich beim Merkmal Ehrlichkeit v. a. im Bereich der Gesundheits- und
Krankenpflege deutliche Unterschiede erkennen:
Ehrlichkeit:
•
Gesamt: 17%
•
Gesundheits- und Kinderkrankenpflege mit 19%
•
Gesundheits- und Krankenpflege mit 13%
•
Altenpflege mit 21%
In der Altenpflege überragt die Ehrlichkeit mit 21%, dicht gefolgt von der Gesundheitsund Kinderkrankenpflege mit 19%. Eine deutlich veränderte Wahrnehmung ist in der
Gesundheits- und Krankenpflege festzustellen.
Ehrgeiz und Offenheit, insgesamt mit weniger Bedeutung bewertet, ergeben ein unterschiedliches Resultat bei der Betrachtung der einzelnen Berufszweige.
Offenheit:
•
Gesamt: 8%
•
Gesundheits- und Kinderkrankenpflege mit 11%
•
Gesundheits- und Krankenpflege mit 7%
•
Altenpflege mit 8%
Ehrgeiz:
•
Gesamt: 12%
•
Gesundheits- und Kinderkrankenpflege und Gesundheits- und Krankenpflege
mit je 14%
•
Altenpflege mit 6%
Während die Offenheit in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege einen höheren
Stellenwert einnimmt, wird der Ehrgeiz sowohl in der Gesundheits- und Krankenpflege
als auch in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege als gleich wichtig bewertet. Of72
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
fenheit und Ehrgeiz sind in der Altenpflege wiederum jeweils weniger oft genannt worden.
Interessanterweise wurden, obwohl die Pflege als ein sehr kommunikatives Berufsfeld
bezeichnet wird, insgesamt die Kommunikation, die Teamfähigkeit und die Geduld nur
verhältnismäßig wenig benannt. Allerdings zeichnen sich hier wiederum unterschiedliche Angaben in den einzelnen Berufszweigen ab.
Kommunikation:
•
Gesamt: 6%
•
Gesundheits- und Kinderkrankenpflege mit 6%
•
Gesundheits- und Krankenpflege mit 11%
•
Altenpflege mit 1%
Teamfähigkeit:
•
Gesamt: 2%
•
Gesundheits- und Kinderkrankenpflege mit 3%
•
Gesundheits- und Krankenpflege mit 1%
•
Altenpflege mit 4%
Geduld:
•
Gesamt: 5%
•
Gesundheits- und Kinderkrankenpflege mit 5%
•
Gesundheits- und Krankenpflege mit 5%
•
Altenpflege mit 6%
Vor allem für die Abfrage zur Kommunikation ist es erstaunlich, dass nur 1% der Schüler/Innen in der Altenpflege diesbezüglich Angaben gemacht haben und somit vermutlich nicht als ihre Stärke erachten bzw. reflektieren.
Als Fazit der Fragestellung lässt sich vermerken, dass eine relative Homogenität in der
Antwortstellung vorlag. Insgesamt gestaltet sich die Zusammenfassung oder das Resümee von 9 Begrifflichkeiten schwierig.
73
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Benennung der Schwächen
Die nachfolgende Grafik stellt die Datenergebnisse der Befragung zu den persönlichen
Schwächen aller drei Berufsgruppen in Prozenten dar:
Quelle: Forschungsergebnisse Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
2011; eigene Darstellung
Als ein auffälliges Ergebnis ist hier zu verzeichnen, dass sowohl die Empathie mit 9%,
als auch die Ehrlichkeit mit 3% jeweils als Stärke, aber ebenso als Schwäche benannt
werden. Die Ungeduld mit 14% und die Reizbarkeit mit 12% dominieren eindeutig bei
der Benennung der Schwächen.
Bei Betrachtung der Einschätzung im Einzelnen, aufgeteilt in Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege und der Altenpflege, ergeben sich
nachfolgende Resultate:
Die Nennungen zur Ungeduld sind in gewisser Hinsicht erstaunlich. Folgende Resultate konnten ermittelt werden:
Ungeduld:
•
Gesamt:14%
•
Gesundheits- und Kinderkrankenpflege mit 18%
•
Gesundheits- und Krankenpflege mit 14%
•
Altenpflege mit 11%
74
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Die Ungeduld als Schwäche erzielt in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege mit
18% den höchsten Schnitt. Das ist überraschend, weil im Bereich der Gesundheitsund Kinderkrankenpflege für die Pflege von Kindern und Jugendlichen das Vorhandensein von besonders viel Geduld gerne als Zuschreibung formuliert wird.
Die als Stärke sowie Schwäche benannten Merkmale Empathie und Ehrlichkeit konnten folgendermaßen dokumentiert werden:
Empathie:
•
Gesamt: 9%
•
Gesundheits- und Kinderkrankenpflege mit 10%
•
Gesundheits- und Krankenpflege mit 8%
•
Altenpflege mit 9%
Ehrlichkeit:
•
Gesamt: 3%
•
Gesundheits- und Kinderkrankenpflege mit 1%
•
Gesundheits- und Krankenpflege mit 5%
•
Altenpflege mit 0%
Bezüglich der Ehrlichkeit bestätigt sich das bereits bei den Stärken mit 21% als eindrucksvolles Ergebnis bei der Altenpflege und wird hier bei der Reflektion der Schwächen nochmals unterstrichen.
Die Merkmale Reizbar und Selbstpflege führen ebenfalls zu differenzierten Aussagen,
während die restlichen Parameter eher eine Homogenität aufweisen.
Reizbar:
•
Gesamt: 11%
•
Gesundheits- und Kinderkrankenpflege mit 10%
•
Gesundheits- und Krankenpflege mit 14%
•
Altenpflege mit 8%
In der Gesundheits- und Krankenpflege wurde mit 14% ein deutliches Ergebnis in Bezug auf die Reizbarkeit als Schwäche festgestellt.
Selbstpflege:
•
Gesamt: 10%
•
Gesundheits- und Kinderkrankenpflege mit 15%
•
Gesundheits- und Krankenpflege mit 5%
•
Altenpflege mit 14%
75
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Bei der Selbstpflege lässt sich eine Homogenität bei der Wahrnehmung einer Schwäche in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege mit 15% mit der Altenpflege mit 14%
erkennen.
Welches Fazit kann durch diese zwei offen gestellten Fragen gewonnen werden?
Interessanterweise konnte festgestellt werden, dass die Merkmale Ehrlichkeit und Empathie sowohl als Stärke als auch als Schwäche benannt wurden.
Um wirklich präzise Aussagen über die Selbsteinschätzung zu treffen und um herauszufiltern, welche Fähigkeiten und Besonderheiten in den Berufen mit eingebracht werden und des Weiteren eine darauf bezogene kritische Reflexion zu erhalten, muss kritisch bemerkt werden, dass diese Ziele mit den zwei offen gestellten Fragen nicht erreicht werden konnten.
Daraus lässt sich schließen, dass in diesem Zusammenhang mit einer geschlossenen
Fragestellung zusätzlich hätte gearbeitet werden müssen, um zu aussagekräftigeren
Ergebnissen zu kommen. Letztlich ist diese Aussage für weitere Forschungsprojekte
allerdings aufschlussreich.
5.4.2.
Unterstützung bei der Berufswahl
Im Folgenden werden die Fragen 16, 18 und 19 aus dem Fragebogen bezüglich der
Unterstützung bei der Berufswahl, Hilfe bei der Berufsorientierung und Präsens des
Pflegeberufs in der Familie ausgearbeitet.
Die Intention der Fragen zielt auf die zu identifizierenden Unterstützungsaspekte, um
gegebenenfalls Unterstützungsbedarf bei den jeweiligen Berufsgruppen erkennen zu
können.
76
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Frage an die Auszubildenden: Haben Ihre Eltern Sie bei der Berufswahl unterstützt?
Zunächst wurde nur nach ja oder nein gefragt.
Quelle: Forschungsergebnisse Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
2011; eigene Darstellung
Deutlich ist zu erkennen, dass die Auszubildenden in der Altenpflege um ca. 20%Punkte weniger Unterstützung von ihren Eltern erfahren haben als die der anderen
beiden Pflegeberufe. Dies ist vermutlich ebenfalls – zumindest zum Teil - auf ihr vergleichsweise höheres Alter zurückzuführen.
Im Weiteren wurde abgefragt wodurch die Unterstützung bestand.
Zur Auswahl standen:
Hilfe bei:
•
Informationssuche
•
Praktikums- und/oder Ausbildungsplatzsuche
•
Bewerbung schreiben
•
Motivieren, begleiten, unterstützen
•
Sonstiges
Bei der Auswertung erhielten die Items zwischen 94% und 100%, so dass keine große
Diskrepanz zwischen den Berufsgruppen zu erkennen ist.
77
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Frage an die Auszubildenden: Welche Personen (außer Eltern) waren für Sie noch
hilfreich in der Phase der Berufsorientierung?
Mehrfachnennungen waren möglich.
Quelle: Forschungsergebnisse Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
2011; eigene Darstellung
Von allen drei Berufsgruppen waren Freunde bis zu 77,3% hilfreich, Lehrer durchschnittlich 13% und Mitarbeiter der Agentur für Arbeit durchschnittlich 9,5% und Sonstiges war mit durchschnittlich 40% angegeben. Nicht ersichtlich ist, was mit Sonstiges
gemeint ist.
Hieraus kann abgeleitet werden, dass das soziale Umfeld eine wichtige Rolle bei der
Berufsorientierung spielt. Da Lehrer und Mitarbeiter der Agentur für Arbeit nur wenig
Unterstützung bei der Berufsorientierung geben, kann gefordert werden, dass zukünftig
diese Personen bzw. die Berufsberatungseinrichtung gezielt für Werbung für den Pflegeberuf genutzt werden sollten.
78
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Frage an die Auszubildenden: Ist in Ihrer Familie der Pflegeberuf vertreten?
Diese Frage wurde von allen drei Berufsgruppen bei ungefähr 50% mit ja beantwortet.
Grundsätzlich kann eine positive Einflussnahme auf die Berufswahl vermutet werden
Die nachfolgende Frage, durch wen, die frei beantwortet werden konnte, wurde von
uns bei der Auswertung zusammengefasst in folgende Kategorien:
•
Großeltern
•
Eltern
•
Geschwister
•
Verwandte
•
Bekannte
Die Großeltern wurden mit knapp über 1% genannt, während Eltern mit durchschnittlich 17% und Verwandte mit durchschnittlich 15% angegeben wurden. Bei den Verwandten gibt die Altenpflege mit 22% die größte Anzahl an. Bekannte werden kaum
genannt. Hier lässt sich keine differenziertere Einflussnahme auf die Berufswahl ableiten.
5.4.3.
Beurteilung der eigenen Ausbildungsentscheidung
Frage an die Auszubildenden: Rückblickend betrachtet, würden Sie diese Pflegeausbildung wieder beginnen? (Angaben in %)
Quelle: Forschungsergebnisse Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
2011; eigene Darstellung
79
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Abschließend soll mit der oben dargestellten Grafik gezeigt werden, dass 84% der von
uns befragten Auszubildenden bereit und gewillt wären, diesen Beruf erneut zu erlernen. Berücksichtigt man die vorangegangen Ergebnisse, ist es nur verständlich, dass
unsere Forschungsgruppe von dem doch sehr eindeutigen Ergebnis für den Pflegeberuf positiv überrascht war.
Im Kontext der sozialen Herkunft unserer befragten Auszubildenden passen Motive zur
Berufswahl, wie z. B. Mitmenschlichkeit, anderen helfen wollen, Teamarbeit, betreuen
und versorgen sehr gut zum sozialökologischen Milieu.
In dieser Gruppe von Auszubildenden haben vermutlich die Eltern oder andere Verwandte ebenso zu vergleichsweise hohen Anteilen einen Pflegeberuf und gaben Anregungen für die Ausbildungsentscheidung.
Für das hedonistische Milieu sind Aspekte wie Spaß und Freude und eine abwechslungsreiche Arbeit eher ausschlaggebend. Eine zurzeit große Auswahl von Arbeitsplätzen in verschiedenen Pflegebereichen und ein unkomplizierter Wohnortwechsel, aufgrund von Wohnheimmöglichkeiten, sind weitere Motive, die Hedonisten ansprechen
könnten. Für das adaptiv-pragmatische Milieu unserer Befragten passt das Kriterium
einer sicheren, jedoch flexiblen Arbeit.
6. Prozessbeschreibung
Im März 2011 werden den Teilnehmern der Bachelorstudiengänge in Pflegepädagogik
und Pflegemanagements, im Rahmen einer Lehrveranstaltung unterschiedliche Lehrund Forschungsprojekte durch die betreuenden Dozenten vorgestellt. Die Studenten
können sich den einzelnen Projekten entsprechend ihren persönlichen Interessen frei
zuordnen.
Auf diese Weise bildet sich eine Gruppe von vierzehn Interessenten, welche sich unter
der Anleitung von Professor Werner mit dem Lehr und Forschungsprojekt ‚Soziale Milieus, soziale Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe‘, auseinandersetzt. Die
Intention zu diesem Lehr- und Forschungsprojekt ist die Erhebung und die Erfassung
von statistischen Daten, welche Rückschlüsse auf die soziale Herkunft und die sozialen Milieus liefern, aus denen die Auszubildenden der Pflegeberufe derzeit stammen.
Die dabei gewonnen Ergebnisse sollen auf ihre Aussagekraft, im Hinblick auf eine geplante generalistische Ausbildung untersucht werden.
Nachdem sich die Gruppenmitglieder zusammen gefunden haben, skizziert Professor
Werner in groben Zügen das geplante Forschungsprojekt. Das erste offizielle Treffen
der Projektgruppe wird für den April 2011 festgelegt. Dieser Termin findet in Abwesenheit von Professor Werner statt und gibt der Gruppe die Gelegenheit sich zu formieren
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Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
und die organisatorischen Rahmenbedingungen festzulegen. In diesem Zusammenhang entschließen sich die Mitglieder einstimmig, interne Regularien zu erstellen. Diese lauten wie folgt:
•
Vereinbarte Projekttermine sollen eingehalten werden. Bei der Abwesenheit
oder Verspätung eines Mitglieds wird eine rechtzeitige Entschuldigung erwartet.
•
Es soll bei jedem Gruppentreffen ein Protokoll geführt werden. Die Benennung
der Protokollanten erfolgt in alphabetischer Reihenfolge
•
Informationen, Protokolle und gegebenenfalls Arbeitsaufträge werden an die
Abwesenden mündlich und schriftlich weitergegeben, beziehungsweise ins
Stud-Ip eingestellt.
•
Zeitmanager ist der Protokollant der vorhergehenden Sitzung.
Die Gruppe entschließt sich außerdem dazu, zwei Mitglieder als Projektleitung und
Gruppensprecher zu wählen, um die Aufgabenkoordination und den Kontakt mit den
Dozenten zu vereinfachen.
Die nächste Zusammenkunft erfolgt im Beisein von Professor Werner. Zu Beginn werden die Termine für die nachfolgenden Gruppentreffen vereinbart. Danach werden
Fragen zur Hypothesenbildung und -formulierung erörtert und die weitere Vorgehensweise besprochen. Die Gruppe einigt sich darauf, den Fokus auf die soziale Herkunft
der Auszubildenden in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, sowie der Altenpflege zu richten. Diese sollen gezielt auf eine geplante generalistische Ausbildung und
die ausreichende Gewinnung von Nachwuchs in diesen Berufsbereichen untersucht
werden. Um diesbezüglich verwertbare Informationen zu erhalten, entschließen sich
die Gruppenmitglieder zur Erstellung eines Fragebogens.
Es werden unterschiedliche theoretische Ansätze diskutiert, was für Fragen gestellt
und wie diese konzipiert werden sollen. Auf Anraten von Professor Werner beschließt
die Gruppe eine ausführliche Literaturrecherche durchzuführen. Zu diesem Zweck,
stellt Professor Werner der Gruppe eine Reihe von Literaturhinweisen zur Verfügung.
Auf der Basis des bearbeiteten Materials und im Vergleich mit bereits bestehenden
Studien, sollen relevante Gesichtspunkte für den Fragebogen herausgefiltert werden.
Die Teammitglieder teilen sich die verschiedenen Literaturthemen untereinander auf
und bearbeiten diese, in Abhängigkeit des Materialumfangs, paarweise oder als Einzelperson.
Nach dem zweiten Treffen beschließt ein Gruppenmitglied, sich an einem anderen
Forschungsprojekt zu beteiligen und verlässt, in beiderseitigem Einvernehmen, das
Team. In der folgenden Sitzung am 04. April 2011, wird ein grober zeitlicher Ablaufplan
des Projektes erstellt und in der folgenden tabellarischen Form festgehalten.
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Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Geplantes Zeitmanagement zum Projektverlauf
Schritte
Apr
Mai
Jun
Jul
Aug
Sep
Okt
Nov
Jan
Feb
Mär
Apr
Mai
(Meilensteine)
2011
2011
2011
2011
2011
2011
2011
2011
2012
2012
2012
2012
2012
•
•
•
•
•
•
•
Methodik/Design
•
•
Fragebogen-
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
LiteraturRecherche
(Stand der
Forschung)
Fragestellung
(Hypothese)
•
•
Entwicklung
Feldzugang
Datenerhebung
Dateneingabe
•
Datenaus-
•
•
wertung
Präsentation
Bericht
•
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Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Zusätzlich wird eine Liste über die Schulen angefertigt, bei denen angefragt werden
soll, ob diese möglicherweise bereit sind, an der geplanten Befragung teilzunehmen. In
Absprache mit Professor Werner wird im Vorfeld eine Fallzahl von 320 Befragungen
angestrebt, die ein möglichst ausgewogenes Mengenverhältnis zwischen den unterschiedlichen Pflegeausbildungen aufweisen sollen.
Zu diesem Zeitpunkt wird den Mitgliedern der Arbeitsgruppe bewusst, welch enorme
Arbeitsleistung von ihnen gefordert wird und es stellen sich erste Zweifel ein, ob dieses
hohe Arbeitspensum innerhalb des verfügbaren Zeitraums bewältigt werden kann. Aus
diesem Grund formieren sich die Teammitglieder erneut in unterschiedliche Kleingruppen, um während ihrer Abwesenheit von der Hochschule mehrere Arbeitsprozesse parallel voran treiben zu können. Der Kontakt innerhalb der Gruppe erfolgt in dieser Zeit
nahezu ausschließlich über das Internet.
So beschäftigen sich zwei Gruppenmitglieder mit der Erstellung eines Fragebogens,
unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Kriterien. Die Kleingruppen, welche sich mit
der Literaturrecherche auseinandersetzen, fassen ihre Ergebnisse schriftlich zusammen, stellen sie ins StudIp und leiten Fragestellungen ab. Diese werden bis zum 10.
Juni 2011 an die Produzenten des Fragebogens weitergeleitet.
Das Fragebogen- Team hat den Auftrag aus den eingehenden Fragen einen Vorentwurf zu fertigen, welcher im Juli 2011 innerhalb der Gesamtgruppe diskutiert und ergänzt werden soll. Bis dahin wird geplant, die Literaturrecherche und die endgültige
Hypothesenbildung vollständig abzuschließen. Parallel dazu entwerfen zwei andere
Teammitglieder, nach einer Vorlage von Professor Werner, ein Anschreiben an die
ausgesuchten Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflegeschulen.
Während dieser Zeit unterrichtet Professor Werner die Teilnehmer des Lehr- und Forschungsprojekts `Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegebrufe`, das
eventuell die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit dem Sinus- Institut Heidelberg besteht. Dieses Institut beschäftigt sich unter anderem mit der Lebenswelt- beziehungsweise Milieuforschung und ist eines der marktführenden Unternehmen in diesem Bereich.
Anfang Juli 2011 treffen sich alle Mitglieder der Arbeitsgruppe, im Rahmen ihrer Lehrveranstaltungen an der Hochschule in Freiburg, wieder. Alle Anwesenden stimmen einer Kooperation mit dem Sinus- Institut zu. Es wird vereinbart, einen Fragenkomplex
des Unternehmens in den von der Projektgruppe erstellten Fragebogen aufzunehmen
und dem Institut die ausgewerteten Datensätze des gesamten Fragebogens zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug wertet das Unternehmen die erhaltenen Daten, im Bezug auf die Milieueinteilung der Pflegeschüler aus, ohne eine finanzielle Vergütung in
Anspruch zu nehmen.
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Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
In der folgenden Zeit versuchen die Gruppenmitglieder die einzelnen Arbeitsabläufe
wieder zusammenzuführen. Das Anschreiben an die einzelnen Schulen wird fertiggestellt und nach einer Überprüfung durch Professor Werner versendet. Großen Zeit- und
Diskussionsaufwand nimmt die endgültige Fertigstellung des Fragebogens in Anspruch. Aus organisatorischen Gründen, muss der Fragebogen bis Ende Juli 2011 gedruckt vorliegen, damit er an die einzelnen Schulen verteilt werden kann. Deshalb trifft
sich die Gruppe in dieser Zeit des Öfteren zusätzlich in den Vorlesungspausen, um die
Bearbeitung des Fragebogens termingerecht abschließen zu können. Um sicherzugehen, dass der Fragebogen praxistauglich ist, wird vor der endgültigen Ausgabe ein PreTest an einer Freiburger Pflegeschule durchgeführt. Nach einer abschließenden Überarbeitung gehen am 14. Juli 160 Fragebogenexemplare an der Hochschule, weitere
168 später in den einzelnen Einrichtungen in Druck.
Auf Anraten von Professor Werner werden die Gruppenmitglieder, welche den Kontakt
zu den verschiedenen Pflegeschulen hergestellt haben, bei der Befragung der Auszubildenden anwesend sein. Sie erhalten eine entsprechende Anzahl von Fragebögen,
mit der Aufgabenstellung die Befragung der Auszubildenden zu begleiten und die ausgefüllten Vordrucke im Oktober 2011, zur Auswertung zurückzubringen. Eine Ausnahme bildet dabei eine Altenpflegeschule, welche aufgrund differierender Anwesenheitszeiten der Auszubildenden erst im November 2011 befragt werden kann.
Für die Präsenzzeit der Studierenden im Oktober hat Professor Werner für mehrere
Tage den PC- Raum reservieren lassen. In dieser Zeit erstellt die Projektgruppe unter
seiner Anleitung eine Datenmaske, in welche anschließend die Angaben der ausgewerteten Fragebögen eingegeben werden. Die Fragebögen sind nach dem Ausfüllen
nummeriert und in acht großen Leitz- Ordnern sortiert und abgeheftet worden. Zur Gewährleistung der Datensicherung, werden sie im Büro des Professors aufbewahrt. Die
gesamte Projektgruppe beteiligt sich, über mehrere Tage an der Eingabe der Daten ins
SPSS- Programm. Dabei auftretende Probleme werden in Zusammenarbeit mit Professor Werner gelöst.
Die Auswertung der Datensätze erfolgt wiederum in Kleingruppen. Die Teilnehmer orientieren sich diesbezüglich an den Fragenkomplexen, an deren Erstellung sie ursprünglich beteiligt waren. Die Befragungsergebnisse werden mittels Kreuztabellen
näher untersucht und anschließend in Diagrammen visualisiert. In dieser Phase zeigt
sich im Rahmen der Auswertung, dass vereinzelte Fragen nicht zielorientiert, überflüssig oder teilweise falsch formuliert worden sind. Nichts desto trotz lassen sich eindeutige Schlussfolgerungen, bezüglich der aufgestellten Hypothesen treffen. Die eingegeben Datensätze, werden wie besprochen von Professor Werner an das Sinus- Institut
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Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Heidelberg weitergeleitet. Nur kurze Zeit später sendet das Unternehmen die Daten
bezüglich der Milieuverteilung der verschiedenen Pflegeschüler zurück.
Parallel dazu beginnen die Gruppenmitglieder die Projektpräsentation und die Erstellung des Forschungsberichts zu planen.
Die Präsentation soll sich aus verschiedenen Komponenten zusammensetzen. Als
Einstieg in das Thema wird eine Video- Sequenz gedreht, in deren Verlauf Gruppenmitglieder drei der häufigsten Milieus, im Rahmen eines Vorstellungsgesprächs, exemplarisch darstellen. Der Film verfolgt den Zweck, die Stimmung etwas aufzulockern und
den Zuschauern den Einstieg in die Thematik zu erleichtern. Danach sollen im Verlauf
einer Power- Point- Präsentation die wichtigsten Ergebnisse des Lehr- und Forschungsprojekts vorgestellt werden. Zu diesem Zweck erstellt jede Kleingruppe zwei
Folien, welche Ergebnisse zu den von ihnen bearbeiteten Themenkomplexen beinhalten. Einige Freiwillige übernehmen die Bearbeitung und Gestaltung der Präsentation.
Dieser Teil des Projekts stellt die Gruppe erneut vor eine große Herausforderung. Den
Projektmitgliedern wird nur ein verhältnismäßig kleiner Zeitraum zur Verfügung gestellt,
um dem Publikum einen monatelangen Prozess und die daraus gewonnenen Resultate
darzulegen. In mühevoller Kleinarbeit und aufwendigen Diskussionsrunden, einigen
sich die Gruppenmitglieder schließlich, im Laufe des Dezembers 2011 darauf, welche
Folien und Inhalte in der Präsentation abgebildet werden, welche Farben und Darstellungsformen verwendet werden und wer letztendlich den fertiggestellten Vortrag präsentieren soll. Der Abspann der Präsentation, zeigt ein Gruppenfoto, das mit dem Musiktitel ‘You´ll never walk alone‘ unterlegt ist und eine laufende Schrift, welche einzelne
Passagen des Projektverlaufs noch einmal auf originelle und humorvolle Weise aufgreift. Dieser Part der Präsentation gibt den Projektmitgliedern die Gelegenheit einen
Teil der gruppendynamischen Prozesse und emotionalen Bindungen wieder zu spiegeln, die im Verlauf dieser Zusammenarbeit entstanden sind.
Begleitend zu der Präsentation wird ein speziell entworfenes Plakat über die historischen Entwicklung der sozialen Milieus und eine Din A3 Vergrößerung des entwickelten Fragebogens an den Stellwänden des DCV- Saals ausgestellt.
Nachdem die Gestaltung der Präsentation abgeschlossen ist beginnen die vier Gruppenmitglieder das Einstudieren der Präsentationsabläufe. Diese finden zu Anfang im
kleinen Rahmen und später gemeinsam mit der Gesamtgruppe statt. Im Januar 2012,
wird einen Tag vor der Präsentation die Generalprobe in Gegenwart von Professor
Werner abgehalten. Im Verlauf dieses Treffens werden auch die Aufgaben bezüglich
des zu erstellenden Projektberichtes besprochen und schriftlich fixiert.
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Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Die Präsentation findet schließlich am 24.01.2012 statt und wird ein großer Erfolg. Die
erarbeiteten Ergebnisse wecken großes Interesse und werden im Rahmen der Veranstaltung lebhaft diskutiert.
Die Gruppe trifft sich am Abend der Projektpräsentationen zu einem gemeinsamen
Abendessen. Die meisten der Mitglieder betrachten diesen Abschluss mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Einerseits sind alle Teammitglieder stolz auf das
erreichte Ergebnis, andererseits bedeutet es aber auch das Ende einer erfolgreichen
Gruppenarbeit.
In der nachfolgenden Zeit werden einzelne Projektmitglieder immer wieder auf eine
Wiederholung der Präsentation an unterschiedlichen Schulen oder die zur Verfügungstellung von Datenmaterial gebeten. Die Gruppe selbst trifft sich noch vereinzelt,
um die Bearbeitung des Projektberichtes zu besprechen und für Juni 2012 ist ein letztes Gruppentreffen mit Professor Werner geplant, bei dem das Abschlussgespräch und
die Bewertung des Lehr- und Forschungsprojekts im Mittelpunkt stehen.
Sentimental wie wir sind, werden wir uns an dieser Stelle vermutlich noch einmal gemeinsam den Abspann unserer Präsentation anschauen und in Erinnerungen und
Anekdoten schwelgen.
7. Fazit und Ausblick
Die Intention der quantitativen Studie „Soziales Milieu, soziale Herkunft von Auszubildenden in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege und der Altenpflege“ war es, Ergebnisse zu identifizieren, die Anhaltspunkte zur inhaltlichen Gestaltung einer generalistischen Pflegeausbildung geben können. Ein besonderes Augenmerk der Studie lag insbesondere darauf Erkenntnisse zu gewinnen,
aus welchen sozialen Milieus die Auszubildenden in der Pflege stammen und welche
Schlussfolgerungen sich daraus für die curriculare Entwicklung der pflegerischen
Grundausbildung ziehen lassen.
Die Hypothese, dass eine große Heterogenität zwischen den drei Ausbildungsberufen
im Hinblick auf deren soziale Herkunft, Alter und Bildungsabschlüsse besteht, hat sich
nach der Datenauswertung nicht bestätigt. So sind zum Beispiel die Unterschiede in
den schulischen Abschlüssen berufsgruppenübergreifend bei weitem nicht so prägnant
wie vermutet. Die Hypothese, dass die Auszubildenden in der Altenpflege die größte
Heterogenität aufweisen, lässt sich jedoch bestätigen. So findet sich in dieser Gruppe
das größte Spektrum an verschiedenen Schulabschlüssen. Auffallend war weiterhin die
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Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
große Varianz in Bezug auf das Alter. Erstaunlich war, dass ca. 50% der Auszubildenden vor dem Einstieg in die Pflege bereits eine Berufsausbildung abgeschlossen oder
begonnen hatten.
Wenn auch nicht so stark wie erwartet zeigt die Studie, dass bei einer Zusammenführung der unterschiedlichen Ausbildungsgänge die Heterogenität der Klassen bezogen
auf die Schulabschlüsse, das Altersspektrum und der sozialen Herkunft dennoch zunimmt. Beispielsweise in Hinsicht auf das Geburtsland der Auszubildenden wurde
sichtbar, dass in der Altenpflege 19,5% außerhalb Europas geboren sind. Im Vergleich
dazu sind es in der Gesundheits- und Krankenpflege 9,3% und in der Gesundheitsund Kinderkrankenpflege nur erstaunliche 5,5%. Diese Erkenntnis wird für die Auszubildenden eine große Herausforderung darstellen. Gleichzeitig kann es aber auch eine
Chance sein. So könnten durch soziales Lernen Schwächere von Stärkeren und Jüngere von Älteren lernen und profitieren. Die Organisation Schule hat bei der Neugestaltung der Ausbildung den Bildungsauftrag, vor allem vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und des sich abzeichnenden Fachkräftemangels, die Rahmenbedingungen der Ausbildung so zu gestalten, dass die Leistungsschwächeren zur Erreichung des Ausbildungsziels eine individuelle Ausbildungsbegleitung bzw. Förderung
erhalten.
Die Hypothese, dass es Unterschiede Im Gesundheitsverhalten zwischen den einzelnen Ausbildungsgruppen gibt, kann durch die Studie bestätigt werden. Darauf deuten
die Ergebnisse aus den Fragen zum Body-Mass-Index, zum Zigarettenkonsum oder
dem Verzehr von Fast Food hin. Hier zeigt sich vor allem, dass bei den Auszubildenden der Altenpflege knapp 40% einen leicht erhöhten bzw. einen stark erhöhten BMIWert haben. Eine Ursache für diese Werte könnte das Ernährungsverhalten sein. So
wird durch die Studie deutlich, dass ein Viertel der Auszubildenden in der Altenpflege
regelmäßig Fast Food konsumieren. Auffallend ist der Wert in der Gesundheits- und
Krankenpflege. Dort sind es knapp 50% die regelmäßig Fast Food zu sich nehmen. Interessant ist hierbei, dass die Auszubildenden der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege nur gelegentlich auf diese Ernährungsform zurückgreifen. Daraus ließe sich
mutmaßen, dass dieses Verhalten mit dem in dieser Gruppe höheren Bildungsstatus
korreliert. Beim Zigarettenkonsum geben über 50% der Befragten an gelegentlich oder
regelmäßig zu rauchen. Dies sind im Vergleich zur 16. Shell Jugendstudie 8,5% mehr
Konsumenten. Um stärker detaillierte Fakten in Hinblick auf das Gesundheits- und Ernährungsverhalten zu erhalten, wäre eine ausführlichere Forschung in diesem Bereich
notwendig. Trotzdem lassen die Erkenntnisse aus der Studie den Schluss zu, dass die
Prävention und die Gesunderhaltung bereits innerhalb der Ausbildung ein höherer Stellenwert eingeräumt werden muss.
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Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
In der Auswertung der weiteren Ergebnisse wurde festgestellt, dass es in den Bereichen Lieblingsfreizeitbeschäftigung und der Selbsteinschätzung zusätzlichen Forschungsbedarf gäbe. Die teilweise stichprobenartige Befragung in einzelnen Themengebieten oder der offene Fragestil ließen viel Interpretationsspielraum, sodass es uns
nicht möglich war eindeutige Bewertungen zu liefern. Zudem ist hier anzumerken, dass
diese Studie im Bereich der Auszubildenden in der Pflege bisher einmalig ist und damit
auch Ansporn für weitere Forschungsstudien sein kann. Insgesamt gesehen wollten wir
möglichst viele Teilgebiete zur sozialen Herkunft erfragen. Denn nach intensiver Recherche bei Berufsverbänden und öffentlichen statistischen Einrichtungen wurde uns
deutlich, dass es in dieser Hinsicht bisher keine ermittelten Daten gibt.
In Anlehnung an die Kategorisierung der sozialen Milieus nach dem Sinus-Institut Heidelberg wird in der Studie untersucht, aus welchen sozialen Milieus die Schüler der
genannten Pflegeberufe stammen. Vor der Befragung gingen wir von einer recht breiten Milieuverteilung aus. Insgesamt lässt sich im Nachhinein aber festhalten, dass vor
allem vier soziale Milieus dominant vertreten sind. Dies sind das adaptiv-pragmatische
Milieu, das sozialökologische Milieu, die bürgerliche Mitte und das hedonistische Milieu. Hier stellt sich die Frage, warum keine oder nur wenig Auszubildende aus den anderen sechs Milieugruppen stammen? Um das Reservoir an Auszubildenden zu erweitern, wäre es ratsam in einer weiterführenden Studie die Ursachen für dieses Phänomen zu klären. Eine zentrale Aufgabe wird es sein, die aktuell in der Ausbildung vorhandenen Milieus in den Mittelpunkt zu nehmen und die Gewinnung von neuen Auszubildenden darauf anzupassen. Es gilt zielgerichtete Marketingstrategien für die Ausbildung im Pflegeberuf zu entwickeln, die sich insbesondere auf die in unserer Studie
hauptsächlich vertretenen vier sozialen Milieus fokussiert. Zusätzlich sollten neue Anreize wie beispielsweise in Bezug auf eine bessere Bezahlung und einen erhöhten Status im Arbeitsgebiet geschaffen werden.
Um die Professionalisierungsbemühungen nachhaltig zu unterstützen sollte nach Meinung der Autoren das Modell des ausbildungsbegleitenden Erwerbs der Fachhochschulreife in die generalistische Ausbildungsform im Sinne einer vertikalen Durchlässigkeit integriert werden. Weiterführend wäre es denkbar, die Pflegeausbildung zu modularisieren oder zu teilmodularisieren und eventuell mit einem Kreditpunktesystem zu
erweitern.
Die Entwicklung hin zu einer generalistischen Ausbildung wird nicht nur für die Auszubildenden eine große Herausforderung sein, sondern auch für die Lehrkräfte. Sie benötigen zukünftig eine hohe Kompetenz an fachlicher Interdisziplinarität und kultureller
Diversität. Es erfordert eine Offenheit, Flexibilität und ein breites fachliches Wissen zur
Integration der unterschiedlichen Pflegesettings.
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Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Grundsätzlich unterstützt das Ergebnis der Studie die Machbarkeit der von der Bundesregierung geplanten Zusammenführung der bislang dreigliedrigen Pflegeausbildung
in generalistischer Form. Die weitaus geringere Heterogenität lässt vermuten, dass
keine signifikanten Probleme bei einer Zusammenführung der Ausbildungsrichtungen
zu erwarten sind.
8. Danksagung und persönliches Resümee
Abschließend betrachtet war diese innovative Studie ein Wegweiser in die richtige
Richtung. Den dreizehn Mitgliedern dieser Forschungsgruppe wurde deutlich, wie wichtig es ist, eventuell voreingenommene Meinungen durch eine stichhaltige Untersuchung zu überprüfen. Zudem wurde im Gruppenprozess deutlich, wie zentral es ist,
Wissen zu teilen, um gegenseitig davon profitieren zu können. Diese Forschungsreise
war also nicht nur ein Erfolg in Hinsicht auf die gewonnen Erkenntnisse, sie hat uns
auch ermöglicht andere Blickwinkel einzunehmen und somit unseren gedanklichen Horizont erweitert.
An dieser Stelle möchten sich alle Forschungsmitglieder bei den beteiligten Personen
bedanken, die uns diese Erfahrung ermöglichten. Als erstes gilt unser Dank Herr Prof.
Dr. Werner, der uns in der ganzen Studienphase unterstützt hat. Gleichzeitig gilt unser
Dank auch dem Sinus Institut-Heidelberg in Verbindung mit Herr Prof. Dr. Dr. Ebertz.
Ausschlaggebend in dieser Studie war die erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Pflegeschulen und den einzelnen Auszubildenden, bei denen wir uns herzlich bedanken,
denn ohne sie wäre diese Forschung nicht möglich gewesen.
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Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
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Abkürzungsverzeichnis
Ap
Altenpflege
Gk
Gesundheits- und Krankenpflege
Gkk
Gesundheits- und Kinderkrankenpflege
IPP
Institut of Public Health
KrPflAPrV
Krankenpflege Ausbildungs- und Prüfungsverordnung
KrPflG
Krankenpflegegesetz
91
Lehrforschungs- und Entwicklungsprojekt:
Soziale Milieus, Herkunft von Auszubildenden der Pflegeberufe
Abbildung: Theorien der sozialen Klassen und Schichten
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