Elektrophysiologie gegen Rhythmusstörungen

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Herz & Kreislauf | 3
September 2015
U n t er n ehmensbei t r ag
Elektrophysiologie gegen
Rhythmusstörungen
In der Elektrophysiologie werden Rhythmusstörungen mit Katheterablation behandelt.
Am Kantonsspital Winterthur verfügt ein kompetentes Team über eine Anlage mit moderner
3-D-Mapping-Technologie.
H
erzrasen oder Herzstolpern sind für viele Patienten nicht nur
unangenehm und lästig, sondern gehen teilweise auch mit
massiven gesundheitlichen Problemen einher. Medikamente gegen
Rhythmusstörungen sind nur bedingt wirksam und haben nicht
selten erhebliche Nebenwirkungen. Abhilfe schafft in vielen Fällen
eine sogenannte Katheterablation, das heisst eine Verödung von
Gewebe, das für Rhythmusstörungen ursächlich ist, im Inneren
des Herzens.
Die interventionelle Rhythmologie ist ein relativ junges Spezialgebiet der Kardiologie. Sie beschäftigt sich einerseits mit allen Arten
von schnellen und langsamen Herzrhythmusstörungen, anderseits
auch mit schwerstkranken Patienten, die an fortgeschrittener
Herzinsuffizienz leiden. Seit Februar 2015 besteht am Kantonsspital
Winterthur eine Abteilung für Elektrophysiologie unter der Leitung
von Dr. med. Holger Stöckel, der über eine langjährige Erfahrung
auf diesem Gebiet verfügt.
Patienten, die zur Behandlung von Rhythmusstörungen bisher
in entsprechend ausgerüstete Zentren in Zürich verlegt werden
mussten, können jetzt in Winterthur mittels Katheterablation
behandelt werden. Dazu wurde im Sommer neben dem bisherigen
Katheterlabor der Kardiologie ein zweites Labor für invasive Elektrophysiologie mit modernster Technik erstellt.
Millimetergenaue Steuerung
Während der Operation werden Herz und Herzströme auch im Vorraum in
Echtzeit überwacht.
Somit können Patienten mit nahezu allen Arten von schnellen Herzrhythmusstörungen oder Extraschlägen einer Behandlung durch
Verödung unterzogen werden. Durch Einführen von Spezialkathetern
Kontakt / Anmeldung Kardiologie
Kantonsspital Winterthur
Departement Medizin, Kardiologie
Brauerstrasse 15, Postfach 834
8401 Winterthur
www.ksw.ch
T: 052 266 45 51
[email protected]
Schrittmacherprechstunde/
Elektrophysiologie
T: 052 266 43 93 · [email protected]
durch die Leistenvenen ins Herz unter Röntgenkontrolle kann der
Ursprungsort der Rhythmusstörung lokalisiert werden. Anschliessend
erfolgt die Verödung des Gewebes durch die Abgabe von hochfrequentem Wechselstrom oder auch durch Vereisung. Dadurch kann in den
meisten Fällen eine komplette Heilung oder zumindest ein deutlicher
Rückgang der Beschwerden erzielt werden.
In den letzten Jahren hat die Elektrophysiologie erhebliche
technische Fortschritte erlebt, die es heute ermöglichen, auch sehr
komplexe Rhythmusstörungen genau zu lokalisieren und damit
erfolgreich zu behandeln. Hierzu wird am Kantonsspital Winterthur ein dreidimensionales Mapping-System (CARTO) verwendet,
das mit Hilfe von Magnetfeldern erlaubt, die Katheter im Herzen
millimetergenau zu steuern und sehr detaillierte «Landkarten»
von Rhythmusstörungen zu erstellen. Dies ist insbesondere bei
Vorhofflimmern, der häufigsten Rhythmusstörung bei Erwachsenen, sehr hilfreich, um effektiver und sicherer behandeln zu
können. Dieses Verfahren der sogenannten PulmonalvenenIsolation bewirkt eine Unterdrückung der für Vorhofflimmern
ursächlichen Extraschläge aus den Lungenvenen. Bei manchen
Patienten kommt als alternative Behandlungsoption auch eine
Vereisung durch den sogenannten Cryo-Ballon infrage, was den
Eingriff vereinfacht und verkürzt.
Bei Patienten mit schwerer Herzerkrankung, zum Beispiel nach
einem Herzinfarkt, die bereits einen sogenannten implantierten
Defibrillator als Schutz vor lebensbedrohlichem Herzrasen tragen,
kann eine Ablation häufig wiederkehrende Rhythmusstörungen
unterdrücken und somit eine meist sehr unangenehme Schocktherapie durch den Defibrillator vermeiden.
«Schonender Eingriff mit hoher Erfolgsrate»
Herzrhythmusstörungen sind oft verantwortlich für einen Spitaleintritt. Kardiologe Holger Stöckel,
Leitender Arzt Elektrophysiologie am Kantonsspital Winterthur, über die Vorteile und Art der Katheterablation.
Im Interview
Dr. med. Holger Stöckel
Leitender Arzt
Elektrophysiologie
Kardiologie am KSW
Auf welche Patienten ist das neue Herzkatheterlabor im Kantonsspital
Winterthur ausgerichtet?
Mit seiner Ausrüstung für Elektrophysiologie auf nahezu alle
Patienten mit Rhythmusstörungen. Die Anlage ist zudem für unterschiedliche kardiologische Eingriffe geeignet, so dass wir in der
Kardiologie Wartezeiten weitgehend verkürzen und Engpässe bei
Notfällen vermeiden können.
Wann kommt die Elektrophysiologie zum Zuge?
Meist wenn medikamentöse Behandlungen nicht wirksam waren.
Prinzipiell aber bei allen Eingriffen gegen Herzrhythmusstörungen,
die von der Herzinnenseite her vorgenommen werden können. Bei
vielen Patienten lautet die Diagnose Vorhofflimmern.
Was versteht man konkret unter Vorhofflimmern?
Eine chaotische elektrische Erregung vom linken Vorhof aus.
Weil die Pumpaktivitäten der Vorhöfe und der Herzkammern nicht
mehr aufeinander abgestimmt sind, sinkt die Herzleistung.
Kardiologen. In 99 Prozent der Fälle handelt es sich bei der Elektrophysiologie um Wahleingriffe. In meiner 14-jährigen Tätigkeit
als Elektrophysiologe habe ich erst knapp eine Handvoll Notfälle
erlebt, bei denen zusätzlich zur normalen Akutbehandlung im Spital
auch eine sofortige Katheterablation notwendig war.
Warum steigt die Zahl der Patienten mit
Rhythmusstörungen stetig an?
Mit der höheren Lebenserwartung hat auch der Anteil der Betroffenen zugenommen. Ab dem 60. Lebensjahr steigt die Kurve
deutlich an, von den über 80-Jährigen leiden bereits rund zehn
Prozent an Rhythmusstörungen, insbesondere Vorhofflimmern.
Wie lassen sich die Risikogruppen generell charakterisieren?
Ältere Menschen mit hohem Blutdruck, vorbestehenden anderen
Herzerkrankungen, Übergewicht. Auch Alkoholkonsum kann bei
manchen Menschen Rhythmusstörungen verursachen. Eine Rolle
spielt bei Vorhofflimmern auch die genetische Veranlagung, hier
haben wir Mitteleuropäer eher schlechte Karten. Eine weitere
Patientengruppe umfasst jüngere Menschen mit angeborener
Rhythmusstörung oder Herzfehlern.
Erfordert jede Form von Herzrhythmusstörung eine Behandlung?
Nein, auch deshalb geht jedem Eingriff eine vertiefte Beratung
voraus. Wer eine Rhythmusstörung ohne Beschwerden hat, muss
nicht unbedingt behandelt werden, ausser in speziellen Situationen.
Ziel ist es, die Patienten von ihren einschneidenden Symptomen
zu befreien. In manchen Situationen kann die Behandlung aber
auch die Prognose des Patienten beeinflussen und das Risiko zum
Beispiel eines plötzlichen Herztodes reduzieren.
Und die Folgen?
Unregelmässiger Puls, Herzstolpern oder -rasen, oft auch Atemnot, Schwindel und Erschöpfung. In Extremfällen droht eine Herzschwäche; das Schlaganfallrisiko erhöht sich.
Wie läuft die Elektrophysiologie ab?
Bei der Katheterablation als häufigstem Verfahren werden unter
Röntgendurchleuchtung feine Katheter durch die Leistenvenen,
oder seltener -arterien, ins Herz geschoben. Die für die Rhythmusstörung verantwortlichen elektrisch aktiven Muskelzellen werden
lokalisiert und durch Verödung mit hochfrequentem Wechselstrom
in nicht-leitendes Bindegewebe (Narbe) umgewandelt. Als Alternative bei Vorhofflimmern ist eine Vereisung mit dem sogenannten
Cryo-Ballon möglich.
Was ist zu tun, wenn diese Symptome auftreten?
Bei schweren akuten Herzproblemen sofort die Notrufnummer
144 wählen; in allen anderen Fällen empfiehlt sich als Erstes eine
Vorstellung beim Hausarzt und anschliessend eine Beratung beim
Die neue Anlage am Kantonsspital Winterthur basiert auf der
3-D-Mapping-Technologie. Wie soll man sich diese vorstellen?
Der Rechner hilft dem operierenden Arzt eine exakte Landkarte des Herzens zu erstellen. Bewegung und Position des
eingeführten Katheters werden über Magnetfelder ermittelt
und aufgezeigt unter Minimierung der noch notwendigen Röntgenzeit. Ich erhalte in Echtzeit Informationen sowohl über die
Anatomie als auch die elektrischen Phänomene im Herzen. Die
Messtechnik verfeinert sich laufend, und zusätzlich konnten
wir mit unserer neuen Röntgenanlage die Strahlenbelastung
um gut 50 Prozent senken.
Wie steuern Sie den Katheter?
Mit ruhiger Hand: Entscheidend für eine tiefe Komplikationsrate
sind Präzision und vor allem viel Erfahrung. Die Elektrophysiologie ist ein Fachgebiet mit einer flachen Lernkurve und setzt eine
jahrelange Operationstätigkeit voraus.
Die Elektrophysiologie ist ein relativ junges Spezialgebiet.
Was hat ihm zum Durchbruch verholfen?
Aus Sicht des Patienten und Arztes liegen die Vorteile auf
der Hand: Eine dauerhafte Einnahme von Medikamenten gegen
die Rhythmusstörungen entfällt, und der Eingriff ist über kleine
Einstiche in der Leiste möglich. Die blutverdünnende Therapie bei
Vorhofflimmern muss allerdings für eine bestimmte Zeit fortgeführt
werden. In der Regel ist nach der Operation weder eine Nachbehandlung noch ein Rehabilitationsaufenthalt nötig.
Wie lange dauert die Operation?
Je nach Krankheitsbild zwischen 45 Minuten und mehreren
Stunden. Abhängig vom Eingriff und in Absprache mit dem
Patienten verwenden wir gegebenenfalls beruhigende Medikamente oder Schlafmittel. Eine Vollnarkose ist nur in einzelnen
Fällen nötig. In leichteren Fällen erfolgt die Ablation ambulant;
nach längeren Eingriffen bleibt der Patient mindestens für die
darauffolgende Nacht im Spital, damit wir bei allfälligen Komplikationen sofort reagieren können.
Wie hoch ist die Rückfallquote?
Sie liegt je nach Art der Rhythmusstörung bei unter zehn bis
50 Prozent. Bei komplexen Eingriffen mit vielen notwendigen
Ablationsstellen, zum Beispiel wegen Vorhofflimmern, ist häufiger
mit einem Zweiteingriff zu rechnen. Zudem können insbesondere
bei herzkranken Patienten im Verlauf neue Rhythmusstörungen
auftreten und so kann nach einigen Jahren eine weitere Behandlung
angezeigt sein. Das heisst aber im Umkehrschluss, dass es in den
meisten Fällen beim einmaligen Eingriff bleibt. Letztendlich müssen die Einzelheiten aber im Gespräch vor und nach dem Eingriff
zwischen Arzt und Patient geklärt werden.
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