Prostatakrebs - eine Zivilisationskrankheit?

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Prostatakrebs –
eine Zivilisationskrankheit?
Die moderne Zivilisationskost löst eine anabole Mast aus – Sie begünstigt durch ein
wachstumsförderndes, proentzündliches und oxidatives Milieu Prostatahyperplasie
und Prostatakarzinom ▬ Eine vielseitige, pflanzenbetonte, fettarme Kost wird zur Prävention und bei Vorliegen eines Prostatakarzinoms empfohlen
Ludwig Manfred Jacob, Karl-Friedrich Klippel
Im November 2014 erschien der neue Bericht des World Cancer Research Fund International zum Thema Prostatakrebs [54]. In
diesem Bericht werden v. a. zwei Faktoren
für ein erhöhtes Prostatakrebsrisiko herausgestellt:
Entwicklungsfaktoren, die zu einem
stärkeren Längenwachstum beitragen (Marker: Körpergröße im Erwachsenenalter), als
wahrscheinliche Ursache für Prostatakrebs
ein erhöhter Körperfettgehalt (Marker:
BMI, Taillenumfang, Taille-Hüft-Verhältnis)
als wahrscheinliche Ursache für fortgeschrittenen Prostatakrebs
Zu den Entwicklungsfaktoren, die die
Körpergröße beeinflussen, gehören u. a. Insulin und der Insulin-like Growth Factor 1
(IGF-1). Insbesondere im Hinblick auf die Insulin- und IGF-1-Spiegel im Körper spielt
die Ernährung eine wichtige Rolle für das
Prostatakrebsrisiko, da durch ein gesundes
Ernährungsverhalten beide Werte selbst
kontrolliert werden können. Tierische Lebensmittel sind reich an Aminosäuren, die
erhöhte IGF-1-Serumspiegel verursachen
können [3, 12]. Eine Reduktion der Proteinaufnahme [48] und eine rein pflanzliche Ernährungsweise [3, 4] haben dagegen niedrigere IGF-1-Spiegel zur Folge. Der Verzehr
von Milch erhöht sowohl den IGF-1-Spiegel
als auch das Längenwachstum [46].
Der EPIC-Studie zufolge ist ein hoher Verzehr von Milchprotein mit einem um 22 %
erhöhten Prostatakrebsrisiko assoziiert [5].
Ursachen hierfür sind u. a. erstens die damit
verbundene hohe Aufnahme von Kalzium,
das laut WCRF und American Institute for
Cancer Research [53] „wahrscheinlich“ das
Prostatakrebsrisiko erhöht, zweitens die in
der Milch enthaltenen insulinähnlichen
Wachstumsfaktoren wie IGF-1 und drittens
die besondere Wirkung des Milchproteins,
die IGF-1-Serumspiegel beim Menschen zusätzlich zu erhöhen [32, 37, 44]. Die heutige
Kuhmilch liefert aber auch beachtliche Mengen an Östrogenen, die in der Promotion
von Prostatakrebs eine wichtige Rolle spie-
len [20]. Wie protektiv dagegen die Verwendung von Sojadrink als Kuhmilch-Alternative ist, zeigte eine Studie von Jacobsen et al.
[28]: Männer, die öfter als einmal täglich Sojadrink tranken, senkten ihr Risiko für Prostatakrebs um 70 %.
Insbesondere die Kombination von Kohlenhydraten aus Zucker oder Weißmehl, die
einen hohen glykämischen Index haben, mit
Zusammenfassung
Anabole Hormone und Wachstumsfaktoren wie Insulin und IGF-1 sowie ein
erhöhter Körperfettgehalt sind laut dem Bericht des WCRF International
vom November 2014 wichtige Risikofaktoren für Prostatakrebs. Für beide
Faktoren spielt die Ernährung eine bedeutende Rolle. Hohe Insulin- und
IGF-1-Spiegel entstehen v. a. durch den Verzehr schnell verfügbarer Kohlenhydrate, von tierischem Protein und Milchprodukten. Sie begünstigen das
Wachstum von Krebszellen, indem sie die Zellteilung fördern und die Apoptose hemmen.
Unsere moderne Zivilisationskost löst eine anabole Mast aus und begünstigt durch ein wachstumsförderndes, proentzündliches und oxidatives Milieu sowohl eine Prostatahyperplasie (BPH) als auch ein Prostatakarzinom
(PCa). Immer mehr Studien zeigen, dass das metabolische Syndrom an der
Pathogenese und dem Fortschreiten von BPH und PCa kausal beteiligt ist.
Die traditionelle asiatische Ernährung mit großen Mengen protektiver
pflanzlicher Kost geht laut altersstandardisierten WHO-Daten mit einer bis
zu 96 % niedrigeren Prostatakrebssterblichkeit einher als die Ernährung in
westlichen Ländern, die auf Fleisch, Milchprodukten, Weißmehl und Zucker basiert. Eine Umstellung der Ernährungs- und Lebensweise bei Prostatakrebs hatte in klinischen Studien beeindruckende Erfolge. Sie kann die
Expression kanzerogener Gene, von Hormonen und Wachstumsfaktoren
beeinflussen und das Fortschreiten der Erkrankung hemmen – bei positiven Nebeneffekten auf das Herz-Kreislauf-System.
Eine vielseitige, pflanzenbetonte, fettarme Kost und Normalgewicht sind
evidenzbasierte Empfehlungen zur Prävention als auch bei Vorliegen eines
Prostatakarzinoms.
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tierischen Proteinträgern wie Milch oder
Fleisch führen zu einer sehr hohen Insulin­
ausschüttung [7]. Gleichzeitig können die in
tierischen Lebensmitteln enthaltenen gesättigten Fettsäuren eine Insulinresistenz und
einen damit einhergehenden hohen Insulinspiegel fördern. Da die krebsfördernden
Auswirkungen einer chronischen Hyperinsulinämie bekannt sind, dürfte die lebenslange übermäßige Zufuhr dieser Lebensmittel in Kombination mit Bewegungsmangel
den Stoffwechsel und den Hormonhaushalt
nachhaltig verändern und in der Synergie
ein bisher kaum untersuchtes kanzerogenes
Potenzial darstellen.
Auch Übergewicht und der damit einhergehende erhöhte Körperfettgehalt bringen
gesteigerte Spiegel an Wachstumsfaktoren
und Entzündungsmediatoren mit sich und
til lag noch bei einer durchschnittlichen
Aufnahme von 47 g tierischem Protein pro
Tag. Das höchste Quintil hielt sich bei 80 g
pro Tag [5]. Verglichen mit der traditionell
üblichen Ernährungsweise in Asien essen
die Europäer etwa 10-mal so viel tierisches
Eiweiß in Form von Fleisch, Wurst, Käse,
Milch, Eiern und Fisch.
Da nach den zuvor beschriebenen Erkenntnissen Fleisch, Wurst und Milchprodukte die Entwicklung von Prostatakrebs
ähnlich stark fördern, überrascht das Ergebnis der EPIC-Studie nicht. Es erklärt vielmehr, warum deutlich protektive Effekte
nur dann zu erwarten sind, wenn das Ernährungsmuster grundsätzlich geändert wird.
Unsere moderne Zivilisationskost mit
reichlich Fleisch- und Milchprodukten, Zucker, Weißmehl sowie vielen stark industri-
Erst wächst der Mensch, dann der Bauch, danach
die Prostata und zuletzt oft ein Karzinom.
nehmen Einfluss auf die Menge der im Körper vorhandenen Hormone (z. B. Insulin,
Cortisol, Östrogene). Fettgewebe selbst stellt
Hormone her, insbesondere Östrogene, die
an der Entstehung von Prostatakrebs beteiligt sind, und aktiviert enzymatisch Cortison zu Cortisol, das aggressiven Prostatakrebs begünstigt.
Die erhöhten Insulinwerte bei übergewichtigen Menschen können das Wachstum
von Krebszellen fördern, während durch die
zudem erniedrigten Testosteronwerte die
Differenzierung reduziert ist, was zu einem
aggressiveren Krebs führen kann [54].
Die europäische EPIC-Studie (European
Prospective Investigation into Cancer and
Nutrition) liefert auf den ersten Blick keine
herausragenden Ergebnisse bezüglich der
ernährungsbedingten Ursachen von Prostatakrebs. Eine genauere Analyse der Daten
zeigt allerdings den möglichen Grund: Die
Männer in Europa ernähren sich inzwischen
alle relativ ähnlich bezüglich Fleisch- und
Milchprodukten sowie Zucker und Weißmehl. Obwohl der Konsum von Fisch, Fleisch
und Milch zwischen den Ländern stark variierte, war der gesamte Konsum tierischen
Proteins überall gleichermaßen hoch. Tierische Lebensmittel, insbesondere Fleischerzeugnisse, waren die Hauptlieferanten von
Fett und Protein. Selbst das niedrigste Quin-
ell verarbeiteten Lebensmitteln fördert
Stoffwechselerkrankungen, Übergewicht
und das metabolische Syndrom und führt zu
einer Ansammlung von Fett in Bauch und
Leber.
Nach außen sichtbar ist v. a. das Übergewicht, doch im Blut finden sich zu viele Fette, Cholesterin, Zucker, Insulin, IGF-1 und
Aminosäuren, die eine anabole Mast auslösen und ideale Voraussetzungen für gutund bösartiges Zellwachstum schaffen. Auch
die Ausschüttung von Hormonen wird so
stimuliert. In der Prostata führt dies zunächst zu einer benignen Prostatahyperplasie (BPH). Die BPH resultiert in einer vermehrten Anfälligkeit der Prostata für Entzündungen oder verstärkt diese in Form
eines Teufelskreises. Denn Entzündungsprozesse fördern wiederum das Wachstum der
Prostata und die BPH.
Die Inflammationsprozesse bei einer
chronischen Prostatitis fördern schließlich
insbesondere durch den chronisch erhöhten
oxidativen und nitrosativen Stress die Entstehung eines Prostatakarzinoms. Dazu tragen auch Beschwerden beim Wasserlassen
und Stuhlgang bei, die zum vermehrten
Ausüben von Druck führen können, was das
Eindringen von Keimen in die Prostata begünstigt.
Metabolisches Syndrom
und Prostatakrebs
Die Daten der Nationalen Verzehrsstudie II
[34] zeigen: Insgesamt 58,2 % der Deutschen
wiegen zu viel; 37,4 % sind übergewichtig
und 20,8 % adipös. Etwa 40 % der Männer haben laut der GEMCAS-Studie [33] die nächste, bereits pathologische Stufe erklommen:
das metabolische Syndrom mit deutlich erhöhtem intraabdominellen, insbesondere
Leberfettgehalt. Dies muss nicht äußerlich
deutlich sichtbar erhöht sein, um Stoffwechselstörungen mit erhöhten Serumkonzentrationen an Glukose, Insulin, IGF-1,
Cholesterin, Triglyzeriden und anabolen
Aminosäuren auszulösen. Patienten mit metabolischem Syndrom haben ein erhöhtes
Risiko für eine BPH und Prostatakrebs (PCa)
[2]. Typische Kriterien des metabolischen
Syndroms gelten als Risikofaktoren für BPH
und PCa [22–24, 27, 35, 55].
Immer mehr Studien zeigen, dass das
metabolische Syndrom an Pathogenese und
Fortschreiten von Prostataerkrankungen
wie der BPH und dem PCa kausal beteiligt ist
(z. B. [2, 15]).
Darüber besteht eine Verbindung zwischen metabolischem Syndrom und dem
Schweregrad, damit auch der Prognose eines
PCa. Patienten mit erhöhten Insulinspiegeln,
Blutfetten und Übergewicht haben deutlich
häufiger höhergradigen (G3), schlecht differenzierten und damit aggressiveren Prostatakrebs [23]. Insbesondere erhöhte Insulinspiegel stehen in Zusammenhang mit PCa
und könnten ein Marker für die Aggressivität und Prognose des Tumors sein [2]. Dies
könnte mit der proentzündlichen und anabolen Wirkung einer Hyperinsulinämie in
Verbindung stehen. Auch Diabetes mellitus
Typ 2 und behandelter Bluthochdruck stehen mit PCa in Zusammenhang [24].
Adipositas allein ist ein starker Risikofaktor für aggressiven Prostatakrebs [31, 21]. In
der Cancer Prevention Study II mit fast
70 000 Männern ging ein hoher Body-MassIndex (BMI) mit einem erhöhten Prostatakrebsrisiko im 11-jährigen Follow-up-Zeitraum der Studie einher. Adipöse Männer
mit BMI zwischen 25 und 30 kg / m² hatten
ein 1,54-faches Risiko für einen aggressiven
Prostatakrebs im Vergleich zu weniger als
25 kg / m2 [47]. Dies ist vermutlich auf Änderungen der Östrogen-, Testosteron- und Insulinspiegel sowie auf die insgesamt proentzündliche Stoffwechsellage bei Übergewicht
zurückzuführen.
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Bedeutung von Insulin und IGFs
Insulin und insulinähnliche Wachstumsfaktoren (IGFs) fördern neben ihren Stoffwechselaktivitäten die Zellteilung und hemmen
die Apoptose. Entsprechend gehen auch erhöhte IGF-1-Werte im Blut mit einem erhöhten PCa-Risiko einher [45].
Insulinausschüttung und IGF-1-Konzentrationen hängen sehr stark von der Ernährung ab. Ein hoher Verzehr von tierischem
Protein und Milchprodukten sowie einfachen Kohlenhydraten wie Zucker oder
Weißmehl geht mit erhöhten Insulin- und
IGF-1-Spiegeln einher. Ein anschauliches
Beispiel ist die durchschnittliche Körpergröße in verschiedenen Ländern: Die Körpergröße von Europäern, die große Mengen an
Milch und Milchprodukten sowie anderen
tierischen Lebensmitteln zu sich nehmen,
ist größer als die der Asiaten, die kaum
Milch verzehren – ein möglicher Hinweis
auf die wachstumsfördernde, nahrungsvermittelte Wirkung von Insulin und IGF-1.
Auch die meisten Tumorzelllinien werden
durch IGF-1 stimuliert.
möglicherweise ein prognostischer Faktor
für PCa sein.
Ursächlich für die Zusammenhänge zwischen BPH und PCa ist am ehesten eine
westliche Ernährungs- und Lebensweise,
die beide Erkrankungen durch ein wachstumsförderndes, proentzündliches Milieu
fördern kann. Aber auch die BPH fördert
wiederum entzündliche und oxidative Prozesse, welche die Entstehung eines Prostatakarzinoms begünstigen.
Entzündungen in der Entstehung
von Hyperplasie und Prostatakrebs
Immer mehr Studien deuten darauf hin, dass
zwischen Entzündungsprozessen und gutwie bösartigem Prostatawachstum ein enger
Zusammenhang besteht (z. B. [2, 16]). So zeigen epidemiologische Studien Überschneidungen zwischen einer Prostatitis und BPH.
Die USA Health Professionals Study ergab,
dass Männer mit BPH 7,7-mal so häufig eine
Prostatitis gehabt hatten wie Männer ohne
BPH. Umgekehrt hatten Männer mit Prostati-
Adipositas ist ein starker Risikofaktor
für aggressiven Prostatakrebs.
Prostatavergrößerung
als Vorstufe von Prostatakrebs?
Epidemiologische Zusammenhänge zwischen BPH und PCa sind schon lange bekannt, doch auch anatomische, pathologische und genetische Verbindungen werden
immer stärker sichtbar [2]. BPH und PCa
weisen Ähnlichkeiten auf und existieren
häufig in verschiedenen Teilvolumina desselben Organs. Für beide spielen Androgene
und Östrogene eine bedeutende Rolle wie
auch die Bedeutung von Entzündungsprozessen klarer wird [9].
BPH wird zwar nicht offiziell als Vorläufer von PCa eingestuft, doch vielen Prostatakarzinomen geht eine BPH voraus [2].
Autopsiestudien zeigen, dass die meisten
Prostatatumoren (83 %) sich bei Männern
entwickeln, die zuvor eine BPH hatten, unabhängig vom Alter des Patienten [10]. Insbesondere eine schnell wachsende BPH
geht mit einem erhöhten PCa-Risiko und
mit erhöhtem Risiko für aggressiven und
tödlich verlaufenden PCa einher [2]. Das
Tempo des BPH-Wachstums kann daher
tis in der Vorgeschichte 3,4-mal so häufig
eine BPH wie Männer ohne Prostatitis [13].
Eine leichte chronische Entzündung ist die
häufigste Form von Entzündung, die bei klinischen BPH-Patienten gefunden wird [18].
Bei PCa wird häufig eine chronische Inflammation im Biopsat festgestellt. Die entzündliche Atrophie ist ein möglicher Vorläufer der
intraepithelialen Neoplasie, einer PCa-Vorstufe [16]. Daher ist insbesondere eine chronische Entzündung der Prostata ein wichtiger Risikofaktor für einen Prostatatumor und
muss gründlich therapiert werden.
Krankheitserreger kommen häufig über
den Harnweg in die Prostata, jedoch lässt
die anatomische Nähe zum Mastdarm auch
an eine Einwanderung von Darmbakterien
denken, insbesondere beim Vorliegen von
Schleimhautschäden. Durch die direkte
nachbarschaftliche Lage der vergrößerten
Prostata zum Dickdarm können krebserregende Substanzen, z. B. PAKs aus gegrilltem
Fleisch [29], aus dem Rektum in die Prostata gelangen. Der Nobelpreisträger und Virusexperte zur Hausen [25] vermutet, dass
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onkogene Viren aus rotem Rindfleisch den
Dickdarm infizieren und dort Krebs auslösen. Der Weg zur Prostata ist nicht weit.
Für Brustkrebs – trotz anatomischer Distanz – hat sich dieser Verdacht eindrucksvoll bestätigt: Frauen, bei denen das BLV-Virus aus Rindern (Bovine Leukemia Virus) im
Brustgewebe nachgewiesen wurde, hatten
ein 3-fach höheres Risiko für Brustkrebs als
Frauen ohne Virusnachweis [11]. Damit
übertrifft das Virus typische Risikofaktoren
wie z. B. Fettleibigkeit oder Alkoholkonsum.
Das BLV-Virus kommt nicht nur in Rindfleisch, sondern insbesondere auch in Kuhmilch vor. Bei großen Kuhherden kann
durch die Vermischung der Milch in den
großen Milchtanks die Durchseuchung bei
bis zu 100 % liegen (USDA, 2008).
Dagegen werden über Gemüse, Obst und
Kräuter sekundäre Pflanzenstoffe aufgenommen, die den entzündlichen und oxidativen
Prozessen in der Prostata entgegenwirken.
Aus den präbiotischen Ballaststoffen und aus
rechtsdrehender Milchsäure wird von Dickdarmbakterien, also in direkter Nähe der
Prostata, unter anderem der Entzündungsund Krebshemmstoff Butyrat gebildet.
Mit gesunder Ernährungs- und
­Lebensweise gegen Prostatakrebs
Ernährungsmuster beeinflussen Prostatakrebssterblichkeit
Der Vergleich weltweiter ProstatakrebsSterberaten mit dem im jeweiligen Land
über Jahrzehnte vorherrschenden Ernährungsmuster liefert sehr interessante Rückschlüsse. Die Schweiz, Schweden und Norwegen sind in Europa führend im Konsum
von Milchprodukten, Fleisch und Zucker. Im
Jahr 2000 war hier die altersstandardisierte
Prostatakrebssterblichkeit mit 27 Todesfällen pro 100 000 Männer bis zu 27-mal höher
als in asiatischen Ländern (China 1, Thailand
2,65, Japan 5,47 pro 100 000) [17]. Auch
wenn die länderspezifische Datenqualität
bei epidemiologischen Studien ein großes
Problem ist, kann eine solche Diskrepanz
schwerlich auf einem Messfehler beruhen.
Die Asiaten nehmen traditionell nicht
nur sehr wenige tierische Lebensmittel zu
sich, sondern auch große Mengen protektiv
wirksamer pflanzlicher Kost wie Soja, Gemüse, Kohl, Kräuter, Pilze und Grüntee. Die
traditionelle Ernährung der Asiaten bewahrte die Männer offenbar lange vor Prostataleiden. Asiaten, die in die USA umsiedelten, passten nicht nur ihre Lebensgewohn17
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zkm Wissen Prostatakrebs
18
heiten der US-Bevölkerung an, sondern
übernahmen auch deren hohe Prostatakrebssterblichkeit. Mit Einzug der westlichen Gewohnheiten in Asien nahm auch
dort zunächst die Häufigkeit von BPH stark
zu. Inzwischen ist auch eine starke Zunahme der altersstandardisierten Prostatakrebssterblichkeit festzustellen. Die Zunahme ist umso größer, je früher und intensiver
die Verwestlichung einsetzte. Denn die moderne Kombination von Reis mit Fleisch,
Fett, Milchprodukten und Zucker führt zu
einer ähnlichen anabolen Mast, wie sie auch
die Prostata in den westlichen Ländern hat
wachsen lassen.
Man muss aber nicht in Asien leben, um
sein Prostatakrebsrisiko durch eine entsprechende Ernährung zu senken: Die Adventist
Health Study 2, eine prospektive Kohortenstudie, untersuchte an 26 346 männlichen
Teilnehmern den Einfluss der Ernährungsweise auf das Prostatakrebsrisiko. Im Verlauf der Studie entwickelten 1079 Teilnehmer einen Prostatakrebs. Die Ergebnisse zeigen: Eine rein pflanzliche Ernährung
verringert das Risiko weißer Männer, an
Prostatakrebs zu erkranken, um 37 % [49].
Lebensstilumstellung hemmt
Krebs und verbessert Lebensqualität
Auch wenn das lebenslange Ernährungsmuster seine Spuren in der Prostata hinterlässt,
ist eine späte Umstellung der Ernährung und
Lebensweise bei einer bestehenden Prostatakrebserkrankung erstaunlich wirkungsvoll,
wie zahlreiche klinische Studien belegen.
Prostatakrebs liegt zwar eine gewisse genetische Disposition zugrunde, doch kann die Expression unserer Gene durch unsere Ernährung und Lebensweise positiv oder auch negativ beeinflusst werden.
Dies belegte Dean Ornish in der GEMINAL-Studie [40]. 30 Männer mit Prostatakrebs mussten ihren Lebensstil radikal umstellen: Sie ernährten sich mit sehr fettarmer, rein pflanzlicher Vollwertkost mit
täglich Tofu, nahmen Nahrungsergänzungsmittel ein, gingen 6 Tage pro Woche mindestens 30 Minuten spazieren, übten sich in
Stressmanagement (wahlweise Yoga, Atemübungen, Meditation, Visualisierungsübungen, progressive Muskelentspannung) und
nahmen einmal in der Woche an einer gemeinsamen Gruppensitzung teil. Die Mediziner entnahmen den Probanden sowohl
vor als auch drei Monate nach Beginn dieser
Abb. 1 Die traditionelle asiatische, pflanzenbetonte Kost hat asiatische Männer lange vor Prostataleiden bewahrt. Mit dem Einzug westlicher Gewohnheiten stieg auch die Prostatakrebssterblichkeit. © Jiri Hera / Fotolia
Studien belegen: Auch eine späte Umstellung der
Ernährung und Lebensweise bei bestehender Prostatakrebserkrankung ist erstaunlich wirkungsvoll.
Intervention Biopsien der Prostata. In diesen konnten die Forscher Veränderungen
der Expression mehrerer hundert Gene
nachweisen. Prokanzerogene Gene waren
herunterreguliert, protektive Gene dagegen
aktiver als vor der Lebensstilumstellung.
Verbesserung des PSA-Verlaufs
Dass diese Auswirkungen auch von prognostischer Relevanz sind, zeigte eine weitere
Studie von Ornish, in der sich durch die gleiche Lebensstilintervention in der Beobachtungsphase der PSA-Verlauf (active surveillance) deutlich verbessern ließ [19]. Im
ersten Jahr sank der PSA-Wert der Interventionsgruppe deutlich. Als das Serum der
Männer einer PCa-Zelllinie zugesetzt wurde,
reduzierte es stark das Krebszellwachstum.
Nach zwei Jahren mussten sich nur 5 % der
Ornish-Gruppe einer invasiven Therapie unterziehen, während in der Kontrollgruppe
das Fortschreiten der Erkrankung 27 % der
Patienten zu einer invasiven Therapie zwang.
Das heißt im Vergleich zur Kontrollgrupee
brauchten in der Ornish-Gruppe 82 % weniger Patienten eine invasive Therapie! Es erscheinen immer mehr neue Studien mit einem analogen, fettarmen, pflanzenbasierten
Ernährungsansatz und ähnlich guten Ergebnissen, wie Reduktion prokanzerogener Hormone (Östrogen, Testosteron, Insulin, IGF-1),
PSA-Stabilisierung sowie krebshemmender
Wirkung des Serums von Männern in der Interventionsgruppe (z. B. [26, 30, 50, 51]).
Steigerung der Telomeraseaktivität
In einer weiteren Studie wiesen Ornish et al.
[39] bei Prostatakrebspatienten, die der beschriebenen Lebensstilintervention folgten,
eine deutliche Steigerung der Telomeraseaktivität und folglich eine hohe Telomererhaltungskapazität in humanen Zellen des Immunsystems nach. Bei der Anschlussstudie
waren die Telomere in der Versuchsgruppe
nach 5 Jahren sogar relativ verlängert, in der
Kontrollgruppe dagegen signifikant verkürzt.
Je besser die Lebensstilveränderung eingehalten wurde, desto stärker war dieser posi-
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tive Effekt [38]. Diese Lebensstilinterventionen hatten außerdem wichtige positive „Nebenwirkungen“: Die Lebensqualität der
Studienteilnehmer stieg deutlich im Vergleich zu der Kontrollgruppe.
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Evidenzbasierte Empfehlungen
zur Prävention und Ernährung
bei Krebs
Die aktuellen deutschen S3-Leitlinien zu
Prostatakrebs entsprechen im Wesentlichen
denen der USA und den Empfehlungen des
WCRF als weltweit führende Autorität in Sachen Ernährung und Krebs. Sie lauten [6]:
„Achten Sie auf eine gesunde Ernährung mit
Schwerpunkt auf pflanzlichen Produkten
▄ Essen Sie jeden Tag verschiedene Obstund Gemüsesorten.
▄ Essen Sie lieber Vollkorn- als Weißmehlprodukte.
▄ Begrenzen Sie die Zufuhr von Fleischprodukten und rotem Fleisch.“
„Streben Sie ein gesundes Gewicht an
▄ Achten Sie auf eine gesunde Balance
von Energie (Kalorien) und körperlicher
Aktivität.
▄ Vermeiden oder reduzieren Sie Übergewicht (…).
▄ (…) Reduktion bzw. der Verzicht auf
zusätzlichen Zucker, gesättigte oder
Transfette und Alkohol. (…)“
Zu ergänzen wäre der weitgehende Verzicht
auf Milchprodukte und deren Ersatz durch
Sojaprodukte.
Auch der WCRF empfiehlt, überwiegend
pflanzliche Lebensmittel zu verzehren [53]:
▄ Mindestens fünf Portionen (mindestens
400 g) von verschiedenem nicht stärkehaltigem Gemüse und Obst pro Tag.
▄ Relativ unverarbeitetes Getreide
und / oder Hülsenfrüchte zu jeder Mahlzeit.
▄ Verzehr von stark verarbeiteten, stärkehaltigen Lebensmitteln begrenzen.
Daneben spielen auch regelmäßige Bewegung, Frischluft, Sonnenlicht (Vitamin D),
ausreichend Entspannung und Schlaf sowie
die Psyche eine wichtige Rolle, was an dieser Stelle aber nicht ausreichend gewürdigt
werden kann.
Dem Prostatakrebs liegt auch eine genetische Disposition zugrunde, doch zu einem
großen Teil können wir Ausbruch und Verlauf selbst beeinflussen. Medikamente können das natürliche Fortschreiten von BPH
verhindern und damit möglicherweise auch
zur Prävention eines Prostatakarzinoms beitragen. Doch sie bergen immer das Risiko
für unerwünschte Wirkungen in sich. Eine
konsequent durchgeführte Umstellung der
Ernährungs- und Lebensweise hat dagegen
keine negativen Begleiterscheinungen, sondern stattdessen sogar spürbar stark positive Nebenwirkungen auf Vitalität, Körpergewicht und Herz-Kreislauf-Gesundheit. Gesund zu leben und gesund zu altern bedeutet
viel mehr Lebensqualität: nicht Verzicht auf
Lebensfreude, sondern auf oft unnötiges
Leid!
▬
Interessenkonflikt: Dr. L. M. Jacob ist Gesellschafter der Jacobs medical GmbH.
Online zu finden unter
http://dx.doi.org/10.1055/s-0042-120454
Zum Weiterlesen
Jacob L.M. Prostatakrebs-Kompass – Prävention
und komplementäre Therapie mit der richtigen
Ernährungs- und Lebensweise. Heidesheim am
Rhein: Nutricamedia; 2014
Jacob L.M. Dr. Jacobs Weg des genussvollen Verzichts – Die effektivsten Maßnahmen zur Prävention und Therapie von Zivilisationskrankheiten.
3. Aufl. Heidesheim am RheinNutricamedia:
2014
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Dr. Jacobs Institut für komplementär­
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Egstedterstr. 46
55262 Heidesheim am Rhein
E-Mail: [email protected]
www.drjacobsinstitut.de
Ludwig Manfred Jacob (1971) ist Autor zweier
medizinischer Fachbücher und zahlreicher Fachartikel zu seinen Forschungsschwerpunkten:
Ernährungstherapie von Prostatakrebs, metabolisches Syndrom, sekundäre Pflanzenstoffe, SäureBasen- und Mineralstoff-Haushalt. Er promovierte zum Thema Prostatakrebs und Polyphenole,
insbesondere Granatapfel-Polyphenole, bei Prof.
K.-F. Klippel.
Jacob LM, Klippel K-F. Prostatakrebs – eine Zivilisationskrankheit? zkm 2016; 6: 14–20
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