UNIVERSITÄT ULM Institut für Zahlentheorie und Wahrscheinlichkeitstheorie Musterlösung zur Probeklausur zur Geometrie Prof. Dr. Helmut Maier, Hans- Peter Reck Gesamtpunktzahl: 130 Punkte, 100 Punkte= 100 % keine Abgabe 1. Gib Definitionen für die folgenden Begriffe: (a) Polytop Eine Teilmenge Q ⊂ V heißt Polytop, wenn es endlich viele Punkte p0 , . . . , pN ∈ V gibt, so daß Q = Kon(p0 , . . . , pN ) gilt. (b) Polyeder Ein Polyeder ist eine konvexe Teilmenge p ⊂ V , für die P = {p ∈ V : ϕ(p) ≥ b} mit endlich vielen linearen Funktionalen ϕ = (ϕ1 , . . . , ϕM ) ∈ (V ∗ )M und reellen Zahlen b = (b1 , X . . . , bM ) ∈ RM gilt. (c) Extremalpunkt Es sei K ⊂ V eine konvexe Teilmenge. Dann heißt ein Punkt p ∈ K Extremalpunkt, wenn p nicht innerer Punkt einer Strecke [p1 , p2 ] mit p1 , p2 ∈ K ist. (d) stereographische Projektion Die stereographische Projektion ist eine Abbildung der Riemannschen Zahlenkugel S 2 := {z ∈ R3 : |z| = 1} auf die erweiterte komplexe Ebene C× . Sie ordnet einem Punkt z ∈ S 2 , wobei z nicht der Nordpol N ist, den Durchstoßpunkt der Geraden durch z und N durch die xy- Ebene zu. Ferner wird der Nordpol N auf ∞ abgebildet. (16 Punkte) 2. Gib Beispiele für die folgenden Objekte oder zeige, daß solche Objekte nicht existieren: (a) nicht kompaktes Poyeder Die Menge ( P= x y ! ) 2 ∈R :x≥0 ist ein Polyeder. Es ist nicht beschränkt und daher auch nicht kompakt. (b) nicht abgeschlossenes Polyeder des Rn Es sei P = {x ∈ Rn : ϕj (x) ≥ bj , 1 ≤ j ≤ M } nichtleer. Weiter sei x(0) ∈ Rn und lim xk = x(0) mit xk ∈ P. Dann erfüllt auch x(0) die Ungleichungen ϕj (x(0) ) ≥ bj , k→∞ also ist x(0) ∈ P. Damit enthält P seine sämtlichen Berührpunkte und ist somit abgeschlossen. Folglich gibt es ein nicht abgeschlossenes Polyeder nicht. (12 Punkte) 3. Es sei z1 = i, z2 = 3i und w1 = 4i. (a) Finde w2 ∈ H, so daß die beiden hyperbolischen Abstände d(z1 , z2 ) und d(w1 , w2 ) gleich sind. Für Punkte auf der imaginären Achse z1 = si und z2 = ti ist d(z1 , z2 ) = log st . Also gilt w2 = 12i oder w2 = 43 i. (b) Finde eine Bewegung der hyperbolischen Ebene H, die die Strecke z1 z2 in die Strecke w1 w2 überführt. Eine Bewegung, die z1 z2 in w1 w2 überführt, ist ϕA : z → A= 2 0 0 1 2 2z 1/2 mit ! . (10 Punkte) 4. Formuliere zwei beliebige Kongruenzaxiome der Euklidischen Ebene. Die Kongruenzaxiome sind • (K1): Man kann Längen abtragen. Sind P, Q, P 0 , R ∈ E mit P 6= Q und R 6= P 0 , so gibt es genau einen Punkt Q0 auf dem Strahl S(P 0 , R), so daß P Q ∼ = P 0 Q gilt. • (K2): Länge ist symmetrisch. Für je zwei Punkte P, Q ∈ E gilt P Q ∼ = QP . • (K3): Länge ist additiv. Liegen von sechs Punkten P, Q, R und P 0 , Q0 , R0 der Punkt Q zwischen P und R sowie Q0 zwischen P 0 und R0 , und ist P Q ∼ = P 0 Q0 sowie QR ∼ = Q0 R0 , so ist auch P R ∼ = P 0 R0 . • (K4): Winkel sind symmetrisch. Für drei Punkte P, Q, R, die nicht auf einer Geraden liegen, gilt < P QR '< RQP . Ferner gilt < P QR '< P 0 QR0 für alle von Q verschiedenen Punkte P 0 ∈ S(Q, P ) und R0 ∈ S(Q, R). • (K5): Man kann Winkel abtragen. Sind P, Q, R, X, P 0 6= Q0 Punkte aus E, so daß P, Q, R nicht auf einer Geraden liegen und X nicht auf der Geraden durch P 0 und Q0 liegt, so gibt es genau einen von Q0 ausgehenden Strahl S, so daß für alle Punkte R0 von S, die von Q0 verschieden sind, 2 < P QR '< P 0 Q0 R0 gilt und R0 auf derselben Seite der Geraden durch P 0 und Q0 liegt wie X. • (K6): Zwei Seiten mit eingeschlossenem Winkel bestimmen das Dreieck. Sind P, Q, R, P 0 , Q0 , R0 Punkte von E, so daß weder P, Q, R noch P 0 , Q0 , R0 auf einer Geraden liegen und gilt P Q ∼ = P 0 Q0 , QR ∼ = Q0 R0 sowie < P QR '< P 0 Q0 R0 , so gilt auch P R ∼ = P 0 R0 , < QP R '< Q0 P 0 R0 und < QRP '< Q0 R0 P 0 . (10 Punkte) 5. (a) Wie ist die Gruppe SL(2, R) definiert? Es gilt ( SL(2, R) := A= a b ! ) ∈ GL(2, R : a, b, c, d ∈ R, det A = 1 . c d (b) Beschreibe die Menge der Bewegungen der hyperbolischen Ebene H und zeige, daß es sich um eine Gruppe handelt. Hinweis: Es kann ohne Beweis verwendet werden, daß SL(2, R) eine Gruppe ist. Die Abbildungen sind von der Form az + b ϕA : z → cz + d Es sei A = a b c d ϕA (ϕB (z)) = a b mit A = c d ! ∈ SL(2, R). ! ∈ SL(2, R). Dann ist sz+t a · uz+v +b a · ϕB (z) + b (as + bu) · z + at + bv = = ϕAB (z). = sz+t c · ϕB (z) + d (cs + du) · z + ct + dv c · uz+v + d 1 0 Wegen ϕI (z) = id mit I = 0 1 ! folgt die Gruppeneigenschaft von {ϕA } aus der von SL(2, R). (c) Bestimme den Stabilisator des Punktes i. Das Ergebnis ist zu begründen. Für den Stabilisator des Punktes i gilt ( {A ∈ SL(2, R) : ϕA (i) = i} = Dies gilt, da für A = ϕA (i) = i ⇔ a b c d ! a −b b a ) 2 2 : a, b ∈ R, a + b = 1 . ! ∈ SL(2, R) folgendes gilt: ai + b = i ⇔ ai + b = −c + id ⇔ d = a ci + d und c = −b. (12 Punkte) 3 6. Die zwei hyperbolischen Geraden g1 und g2 seien durch g1 := {it : t > 0} und g2 := {z : |z − 1| = √ 2, =(z) > 0} definiert. Bestimme den Schnittwinkel δ zwischen g1 und g2 , wobei die beiden Geraden so parametrisiert sein sollen, daß 0 ≤ δ ≤ π 2 gelte. Die Geraden g1 und g2 besitzen die Parametrisierungen ϕ1 : t → x1 (t)+iy1 (t) mit x1 (t) = 0 und y1 (t) = 0 sowie t > 0 bzw. ϕ2 : t → x2 (t) + iy2 (t) mit x2 (t) = 2 cos(π − t) und y2 (t) = 2 sin(π − t) sowie t ∈ (0, π). Der Schnittpunkt S von g1 und g2 ist S = i. Es ist dx1 dt = 0 und dy1 dt = 1. Weiter ist x2 (t) ! dx2 dt dy2 dt · y2 (t) ! = 0. Also gilt wegen x2 (t) ! y2 (t) dann dx2 dt dy2 dt −1 = ! 1 ! 1 =λ ! 1 . Die Tangentialeinheitsvektoren sind somit ! 0 1 bzw. v = √ · u= 2 1 √ woraus dann cos θ = u · v = 2 2 und damit θ = π 4 1 1 ! , folgt. (15 Punkte) 7. Ein Polyeder P sei durch x 3 P = y ∈ R : ϕj (x, y, z) ≥ bj , 1 ≤ j ≤ 4 z mit ϕ1 (x, y, z) = x − y, ϕ2 (x, y, z) = y, ϕ3 (x, y, z) = z und ϕ4 (x, y, z) = −(x + 2y + 3z) sowie b1 = b2 = b3 = 0 bzw. b4 = −6 definiert. Bestimme die Extremalpunkte von P (mit Begründung). Nach dem Eckenkriterium (Satz 3.3.2) gibt es für jede Ecke p Indizes i1 , i2 und i3 , so daß (ϕi1 , ϕi2 , ϕi3 ) eine Basis des Dualraums V ∗ und ϕi1 (p) = bi1 , ϕi2 (p) = bi2 bzw. ϕi3 (p) = bi3 ist. 4 Man erhält die vier Ecken p1 , p2 , p3 und p4 durch 0 ϕ1 (p1 ) = ϕ2 (p1 ) = ϕ3 (p1 ) = 0 ⇒ p1 = 0 0 2 ϕ1 (p2 ) = ϕ2 (p2 ) = 0, ϕ4 (p2 ) = −6 ⇒ p2 = 0 0 2 ϕ1 (p3 ) = ϕ3 (p3 ) = 0, ϕ4 (p3 ) = −6 ⇒ p1 = 2 0 6 ϕ2 (p4 ) = ϕ3 (p4 ) = 0, ϕ4 (p4 ) = −6 ⇒ p1 = 0 . 0 (15 Punkte) 8. Es sei P ein Platonischer Körper. Weiter sei q die Anzahl der regulären p- Ecke, die in einer Ecke von P zusammentreffen. Gib p und q für folgende Objekte an: (a) Tetraeder Für den Tetraeder gilt p = q = 3. (b) Oktaeder Hier ist p = 3 und q = 4. (c) Ikosaeder Schließlich haben wir beim Ikosaeder p = 3 und q = 5. (15 Punkte) 9. Ein Oktaeder besitze im xyz- Koordinatensystem die sechs Ecken (, 0, 0)T , (0, , 0)T und (0, 0, )T mit ∈ {−1, 1}. Bestimme den Radius der umbeschriebenen Sphäre, auf der die sechs Ecken liegen, und der einbeschriebenen Sphäre, welche die acht Seitenflächen berührt. Hinweis: Es kann ohne Beweis angenommen werden, daß die einbeschriebene Sphäre die Seitenflächen in den Schwerpunkten berührt. Das sind diejenigen Punkte im Inneren der Dreiecke, die von den drei Eckpunkten den 0 Die sechs Ecken haben von M = 0 gleichen Abstand haben. alle den Abstand 1. Die umbeschriebene Sphäre 0 hat also den Radius 1. Wir behandeln den Fall des Dreiecks P1 , P2 und P3 mit P1 = (1, 0, 0), P2 = (0, 1, 0) und 5 P3 = (0, 0, 1). Es liegt in der Ebene mit der Gleichung x + y + z = 1. Der Schwerpunkt ist √ also S = 13 , 13 , 13 . Damit ist der Radius der einbeschriebenen Sphäre gerade 33 . (13 Punkte) 10. Ein Hexaeder besitze wiederum im xyz- Koordinatensystem die acht Ecken (x , y , z )T mit x , y , z ∈ {−1, 1}. Die Mittelpunkte der sechs Seitenquadrate sind die Ecken eines platonischen Körpers. Um welchen handelt es sich (mit kurzer Begründung)? Die Mittelpunkte der Seitenquadrate sind ±1 0 , 0 0 ±1 0 und also die Ecken eines Oktaeders. 0 0 , ±1 (12 Punkte) Viel Erfolg! 6