Klimawandel Globale Herausforderung des 21. Jahrhunderts Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg 1 Klimawandel – Globale Herausforderung des 21. Jahrhunderts Schriftenreihe des Landesmuseums Natur und Mensch, Heft 67 Herausgegeben von Mamoun Fansa, Landesmuseum Natur und Mensch, Damm 38-44, D-26135 Oldenburg Klimawandel – globale Herausforderung des 21. Jahrhunderts Herausgegeben von Mamoun Fansa und Carsten Ritzau Vorträge anlässlich der wissenschaftlichen Tagung in Osnabrück vom 29. und 30.05.2008 sowie der Tagung von und für Kinder und Jugendliche in Oldenburg vom 04. und 05.07.2008 Primus Verlag GmbH Darmstadt 2009 Die Tagung und der Tagungsband wurden finanziert mit Mitteln des Landes Niedersachsen sowie: Redaktion: Carola Lüdtke, Carsten Ritzau Satz und Layout: Ute Eckstein Bildbearbeitung: Jens Schwanke Umschlaggestaltung: Elvira Spiller Umschlagbilder: Gletscher im Zillertal 1905 (oben) bzw. 2009 (unten) (Sammlung Gesellschaft für ökologische Forschung) Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie, detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar. © Landesmuseum Natur und Mensch, Damm 38-44, D-26135 Oldenburg ISBN 978-3-89678-988-4 www.primusverlag.de Gedruckt bei: Druckhaus Thomas Müntzer GmbH, D-99947 Bad Langensalza/Thüringen – ein Unternehmen der Beltz-Gruppe Inhaltsverzeichnis Vorwort 7 Mamoun Fansa, Carsten Ritzau Grußwort 9 Stefanie Heiden Grußwort 13 Niels Kämpny Die Struktur der Herausforderung durch den menschengemachten Klimawandel 15 Hans-Jochen Luhmann Das letzte Jahrtausend – ein historisch-ökologischer Rückblick 21 Josef H. Reichholf Mögliche Auswirkungen des Klimawandels auf Deutschland 33 Stefan Hagemann, Daniela Jacob Globaler Klimawandel: Auswirkungen auf den Mittelmeerraum 45 Elke Hertig Der Klimawandel in Afrika: Beobachtete Indizien und Klimamodellsimulationen 57 Heiko Paeth Tiere und Klima: Folgen und Prioritäten 69 Ragnar K. Kinzelbach Der Klimawandel und seine Auswirkungen auf die Vogelwelt 85 Franz Bairlein Regionale Klimafolgen und Klimaanpassung im Nordwesten Das Projekt NordWest 2050 97 Bernd Siebenhüner Generalplan Küstenschutz Niedersachsen/Bremen – Planungen zum Küstenschutz in Niedersachsen 103 Frank Thorenz Klimawandel – die Folgen für die Unterweser 117 Michael Schirmer Im Schraubstock zwischen Meer und Deich – Die ungewisse Zukunft des Wattenmeeres Burghard W. Flemming 131 Sylt braucht mehr Sand 139 Karsten Reise Gesellschaftliche Herausforderungen durch den Klimawandel – Zur Verletzbarkeit und der Anpassungskapazität unserer Gesellschaft 149 Harald Klimenta Geo-Engineering – Maßnahmen gegen den Klimawandel 165 Valerie Doan Phi van (Kaiserin-Auguste-Viktoria-Gymnasium, Celle) Wie kann man an Schulen etwas zum Klimawandelstopp beitragen? 169 Diederike Lindrum, Lisa Marie Lewandrowski (Jade-Gymnasium, Jaderberg) Projekt zur Energieeinsparung an der Waldschule Schwanewede 173 Benjamin Abdel-Karim, Jan-Henrik Schöne (Waldschule Schwanewede) Die Folgen von Überflutungen bei unterschiedlichen Bodenverhältnissen durch zunehmenden Starkregen 179 Marijke Siemens (Wilhelm-Gymnasium, Braunschweig) Untersuchung zu erosionsverringernden Maßnahmen an einem Unterrichtsmodell 187 Hendrik-Maximilian Schmitt (Gymnasium Ritterhude) Die Kohlenstoffdioxidemission trockengelegter Hochmoore – ein unbekannter Klimakiller?! Justin Müller (Gymnasium Westerstede) 193 Globaler Klimawandel: Auswirkungen auf den Mittelmeerraum Elke Hertig Für viele Regionen der Erde liegen inzwischen verbesserte Abschätzungen des regionalen Klimawandels im 21. Jahrhundert vor. Hauptsächlich Regionen mit einer hohen klimatischen Sensitivität werden von der zu erwartenden Klimaänderung betroffen sein. Hierzu zählen insbesondere auch klimatische Übergangsbereiche wie der Mittelmeerraum, welcher zwischen subtropisch vollariden und außertropisch immerfeuchten Verhältnissen gelegen ist. Zunächst stellt sich die Frage, welche Region unter dem Begriff Mittelmeerraum überhaupt zu verstehen ist. Der Mittelmeerraum lässt sich durch verschiedene Kriterien abgrenzen. Eine Möglichkeit ist durch die politischen Grenzziehungen gegeben, in dem Sinn, dass die Länder, die unmittelbar an das Mittelmeer angrenzen, zum Mittelmeerraum gezählt werden. So ist das Mittelmeer durch 21 afrikanische, asiatische und europäische Länder umschlossen. Eine weitere Abgrenzungsmöglichkeit kann durch klimatologische Charakteristika vorgenommen werden. Diese bietet sich im Folgenden an, da hier die Auswirkungen des Klimawandels auf den Mittelmeerraum von klimatologischer Seite her betrachtet werden. Der Mittelmeerraum ist in der solaren Klimazone der niedrigen Mittelbreiten verortet, gelegen zwischen dem nördlichen Wendekreis (23.5°) und 45°N. Er zeichnet sich im Allgemeinen durch milde, feuchte Winter und heiße, trockene Sommer aus. Es wird oft von einem mediterranen Winterregenklimat gesprochen, da das jährliche Niederschlagsmaximum im Winterhalbjahr zu liegen kommt. Wie später zu sehen sein wird, stellt diese spezifische ungleiche Ver- teilung der Niederschläge über das Jahr einen wesentlichen Problemkreis dar, sowohl im Rahmen der rezenten als auch unter veränderten Klimabedingungen. Doch nicht nur die ungleiche intraannuelle Verteilung der Niederschläge, sondern auch die große klimatische Variabilität, vor allem bei den Jahr-zu-Jahr-Schwankungen des Niederschlags, spielt eine große Rolle. Daneben ist noch auf ein weiteres spezifisches Charakteristikum des Mittelmeerraumes hinzuweisen. Es handelt sich um die komplexe Morphologie in diesem Raum, aufgrund des Vorhandenseins vieler Gebirge, Golfe, Inseln und Halbinseln. Daraus ergeben sich viele kleinräumige Besonderheiten bei der regionalen Ausgestaltung des Klimas. Das besondere Interesse am Mittelmeerraum der europäischen Länder und auch darüber hinaus kommt in verschiedenen Bereichen, wie dem Tourismus, der spezialisierten Landwirtschaft, aber auch in der geschichtlichen und kulturellen Bedeutung zum Ausdruck. Über 150 Kulturdenkmäler sind in der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen. Eine Schätzung der World Tourism Organization geht von einem Touristenaufkommen im Jahr 2025 von 655 Millionen Touristen pro Jahr aus (UNWTO 2007, 193f.). Dies entspricht mindestens einer Verdoppelung des heutigen Aufkommens. Schon heute beträgt der Wasserverbrauch eines Touristen zwischen 300 und 850 Liter pro Tag und Person. Auch der Landwirtschaft, vor allem dem Weinbau, dem Olivenanbau sowie dem spezialisierten Obst- und Gemüseanbau kommt eine besondere Bedeutung zu. Über 80 % des gesamten Wasserverbrauchs wird durch die 45 Abb. 1: Jahresmittel der globalen Lufttemperatur. Anomalien für den Zeitraum 1856-2005 bezogen auf das Mittel 1961-1990 (nach Gerstengarbe, Werner 2007, 34). Landwirtschaft verursacht. Sowohl der Tourismus als auch die Landwirtschaft sind also sensible Bereiche in Bezug auf die Wasserverfügbarkeit. Um die abgeschätzten zukünftigen Veränderungen besser einordnen zu können, wird zunächst ein Blick auf die Klimaentwicklung der jüngeren Vergangenheit geworfen. Für das 20. Jahrhundert lässt sich eine globale Temperaturerhöhung von 0,6 °C (± 0,2 °C) feststellen (Houghton et al. 2001, 56). Aus Abb. 1 wird deutlich, dass dieser Zeitraum durch zwei Zeitabschnitte starker Erwärmung gekennzeichnet ist, zum einen zwischen 1910 und 1940, zum anderen ungefähr ab dem Jahr 1976 bis heute. Betrachtet man die räumliche Verteilung der Erwärmung, kann man feststellen, dass in den meisten Regionen der Erde eine Erwärmung auftrat, die deutlich stärker ausfällt als die wesentlich geringeren Temperaturabnahmen in den wenigen Abkühlungsgebieten (Gerstengarbe, Werner 2007). Zieht man die jüngsten Temperaturtrends für den Mittelmeerraum 46 in jahreszeitlicher Auflösung zu Rate, so wird deutlich, dass der östliche Mittelmeerraum in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Winter von einem Abkühlungstrend betroffen war (Abb. 2). Dem steht ein winterlicher Erwärmungstrend im westlichen Mittelmeerraum gegenüber. Dieses gegensätzliche Temperaturverhalten zwischen östlichem und westlichem Mittelmeerraum wird häufig mit dem Konzept der „mediterranen Oszillation“, einer Druckschaukel zwischen westlichzentralem und östlichem Mittelmeergebiet, in Verbindung gebracht. Es stellt sich die grundlegende Frage, ob, wie hoch und in welcher Form der Mensch Anteil an der beobachteten Erwärmung hat. In den letzten 1.000 Jahren sind die astronomischen Randbedingungen, welche die großen eiszeitlichen Klimaschwankungen maßgeblich steuern, als relativ konstant anzusehen, so dass dies ein guter Zeitraum ist, um die Klimaänderungen im 20. Jahrhundert in Bezug zur natürlichen Variabilität zu setzen. Im Allgemeinen werden Abb. 2: Winterliche Temperaturtrends im Mittelmeerraum im Zeitraum 1951-2000 auf der Basis des CRU/PIK Datensatzes. Die schwarzen Symbole bezeichnen Signifikanz mit 95 % Sicherheitswahrscheinlichkeit, bei hellen Symbolen liegt das Vertrauensniveau bei rund 68 % (nach Jacobeit 2008, 126). eine mittelalterliche Warmphase zwischen ca. dem 11. und dem 14. Jahrhundert und die „Kleine Eiszeit“ zwischen etwa 1560 und 1850 ausgeschieden. Es handelt sich dabei aber um räumlich und zeitlich stark variierende Phänomene, die im Vergleich zur Erwärmung im 20. Jahrhundert keine derart eindeutige globale Signatur besitzen. Als primäre Ursache für die beobachtete Erwärmung im 20. Jahrhundert wird der Anstieg des Strahlungsantriebes durch anthropogen eingebrachte Treib-hausgase gesehen. Welche Reaktionen des Klimasystems diesem Anstieg beizumessen sind, wird im Allgemeinen mit Hilfe dynamischer und statistischer Simulationen ermittelt. Aus diesen Studien zeigt sich, dass der Einbezug menschlicher Einflüsse in die Modelle zu mit den Beobachtungen übereinstimmenden Ergebnissen führt. Natürliche Signale und interne Variabilität alleine scheinen die Messdaten nicht erklären zu können, sondern es bedarf zusätzlich einer anthropogenen Komponente zur Erklärung der jüngsten Veränderungen. Mit welchen Veränderungen ist nun im 21. Jahrhundert zu rechnen? In Bezug auf die globale Temperaturentwicklung wird ein fortgesetzter Erwärmungstrend im 21. Jahrhundert prognostiziert. Für das mittlere Emissionsszenario A1B, das global orientiert ist und von einem starken ökonomischen Wachstum, einer geringen Bevölkerungszunahme, einem hohen technologischen Fortschritt und einer ausgeglichenen Mischung bei der Verwendung verschiedener Energieträger im 21. Jahrhundert ausgeht (Naki enovi et al. 2000, 93), liegt die mit dynamischen Modellen abgeschätzte globale Temperaturerhöhung bei 2,8 °C im Zeitabschnitt 2080-2099 im Vergleich zu den Jahren 1980-1999, der Unsicherheitsbereich umfasst dabei 1,7 °C bis 4,4 °C (Meehl et al. 2007, 749). Die aus dem neuesten IPCC-Bericht (Assessment Report 4 des Intergovernmental Panel on Climate Change) entnommene Abb. 3 zeigt, dass die modellierte Temperaturerhöhung generell über den Landflächen wesentlich stärker ausfällt als über den Ozeanen, und dass die Erwärmung besonders stark im Winter in den nördlichen geographischen Breiten ist. Geringere Erwärmungsraten zeigen sich hingegen über den südlichen Ozeanen und über dem Nordatlantik. Das abgeschätzte räumliche Erwärmungsmuster für das 21. Jahrhundert setzt im Wesentlichen die beobachteten Trends des 20. Jahrhunderts fort. Für den mittleren 47 Abb. 3: Über verschiedene dynamische Globalmodelle gemittelte Temperaturänderung (°C) für Winter (DJF, obere Abb.) und Sommer (JJA, untere Abb.). Änderungen für das mittlere Szenario A1B für den Zeitraum 2080-2099 gegenüber dem Zeitraum 1980-1999. Punktsignatur gibt Gebiete an, in denen der Mittelwert des Multimodellensembles die von Modell-zu-Modell-Standardabweichung übersteigt (nach IPCC, Meehl et al. 2007, 767). 48 Abb. 4: Über verschiedene dynamische Globalmodelle gemittelte Niederschlagsänderung (mm pro Tag) für Winter (DJF, obere Abb.) und Sommer (JJA, untere Abb.). Änderungen für das mittlere Szenario A1B für den Zeitraum 2080-2099 gegenüber dem Zeitraum 1980-1999. Punktsignatur gibt Gebiete an, in denen der Mittelwert des Multimodellensembles die von Modell-zu-Modell-Standardabweichung übersteigt (nach IPCC, Meehl et al. 2007, 767). 49 Abb. 5: Regional climate change index (RCCI), berechnet aus den regionalen Änderungen des mittleren Niederschlags, Änderungen der mittleren Temperatur und Änderungen der interannuellen Niederschlags- und Temperaturvariabilität. Der Index stellt den Mittelwert aus 21 globalen Modellen für die Emissionsszenarien A1B, A2 und B1 dar (nach Giorgi 2006). Niederschlag kann aus Abb. 4 entnommen werden, dass es unter einem wärmeren Klima der Zukunft zu Niederschlagszunahmen in tropischen Regionen kommt, vor allem über dem tropischen Pazifik. In den subtropischen Bereichen werden hingegen Niederschlagsrückgänge modelliert, während es in den hohen geographischen Breiten zu Zunahmen kommt, aufgrund der Intensivierung des globalen Wasserkreislaufes. In Bezug auf die Niederschlagsintensität kommt es auch in Gebieten, in denen Niederschlagsrückgänge modelliert werden (vor allem in den subtropischen Bereichen und in Teilen der Mittelbreiten) zu einer Erhöhung der Niederschlagsintensität, mit gleichzeitiger Verlängerung der regenfreien Periode zwischen den Niederschlagsereignissen (Meehl et al. 2007, 750). Betrachtet man die verschiedenen Regionen der Erde, fällt auf, dass es bei dem zu erwartenden Klimawandel zu regionalen Unterschieden kommt. In Abb. 5 lassen sich sogenannte „Climate Change Hot-Spots“ 50 erkennen, also Regionen, in denen der anthropogene Klimawandel besonders ausgeprägt sein wird. Die Größe der Kreise zeigt dabei die Höhe des Index des regionalen Klimawandels (Regional Climate Change Index, RCCI) an, welcher sich aus den regionalen Änderungen des mittleren Niederschlags, aus den Änderungen der mittleren Temperatur und aus den Veränderungen der interannuellen Niederschlags- und Temperaturvariabilität berechnet. Der Index stellt den Mittelwert aus 21 globalen Modellen für die Emissionsszenarien A1B, A2 und B1 dar. Der große Kreis für die mediterrane Region zeigt an, dass der Mittelmeerraum besonders stark auf den globalen Klimawandel reagiert, bedingt vor allem durch die abgeschätzte negative Niederschlagsentwicklung und die Erhöhung der interannuellen Niederschlagsvariabilität. Die Abbildungen 6 und 7, aus dem jüngsten IPCC- Bericht stammend, zeigen nun ein regionales Bild der zu erwartenden Veränderungen für Europa und den Mittelmeer- Abb. 6: Über 21 dynamische Modelle gemittelte Temperaturänderungen für Europa für das mittlere A1B- Szenario. Änderungen für den Zeitraum 2080-2099, bezogen auf das Mittel 1980-1999. Von links nach rechts: Änderung des Jahresmittelwertes, Änderungen für den Winter (Dezember bis Februar), Änderungen für den Sommer (Juni bis August) (nach IPCC, Christensen et al. 2007, 875). raum, basierend auf Ergebnissen aus 21 dynamischen Modellen, für das mittlere A1BSzenario und für den Zeitraum 2080-2099 im Vergleich zu dem Zeitabschnitt 19801999. Betrachtet man die Veränderung der mittleren Temperatur im Jahresmittel (linker Abschnitt der Abb. 6), zeigt sich eine Temperaturerhöhung in allen Regionen Europas und des Mittelmeerraums, welche über den Landflächen stärker ausfällt als über dem Atlantischen Ozean, dem Mittelmeer und dem Schwarzen Meer. Im Winter (Dezember bis Februar, mittlerer Abschnitt der Abb. 6) zeigt sich ein nordost-/südwestgerichteter Gradient mit stärksten Erwärmungsraten über Nordosteuropa. Im Sommer (Juni bis August, rechter Abschnitt der Abb. 6) liegen hingegen die stärksten Erwärmungsraten mit teilweise mehr als 4 °C über den Landflächen des Mittelmeerraums vor. Betrachtet man die Veränderung des mittleren Niederschlags für Europa und den Mittelmeerraum in Abb. 7, fällt auf, dass im Jahresmittel für das 21. Jahrhundert Niederschlagszunahmen für das nördliche Europa und Niederschlagsabnahmen für das südliche Europa modelliert werden (linker Abschnitt der Abb. 7). In den Wintermonaten Dezember bis Februar zeichnet sich im mittleren Abschnitt der Abb. 7 ebenfalls diese Zweiteilung, mit Zunahmen in den nördlichen Regionen und Abnahmen in den südlichen Regionen, ab. Während weite Teile des Mittelmeerraums also durch winterliche Niederschlagsabnahmen gekennzeichnet sind, liegt der nördliche Mittelmeerraum in einem Bereich, in dem es Abb. 7: Über 21 dynamische Modelle gemittelte prozentuale Niederschlagsänderungen für Europa für das mittlere A1B- Szenario. Änderungen für den Zeitraum 2080-2099, bezogen auf das Mittel 1980-1999. Von links nach rechts: Änderung des Jahresmittelwertes, Änderungen für den Winter (Dezember bis Februar), Änderungen für den Sommer (Juni bis August) (nach IPCC, Christensen et al. 2007, 875). 51 im Mittel zu geringen Niederschlagszunahmen im Winter kommen kann. Da die Abschätzung der Variable Niederschlag jedoch mit teils erheblichen Modellunsicherheiten behaftet ist, ist der genaue Verlauf des Übergangsbereiches zwischen Niederschlagszunahmen und Niederschlagsabnahmen ungewiss. Aus diesem Grund ist für die Regionen des nördlichen Mittelmeerraums sowohl eine positive als auch eine negative Niederschlagsentwicklung denkbar, abhängig von der zukünftigen Breitenlage der Zugbahnen der Regen bringenden Tiefdruckgebiete. Betrachtet man die Niederschlagssituation für die Sommermonate Juni bis August im rechten Abschnitt der Abb. 7, zeigen sich für den gesamten Mediterranraum Niederschlagsrückgänge, so dass sich die teils bereits heute schon problematische Wassersituation weiter verschärfen wird. Ergänzend werden nun im Folgenden Abschätzungen für den Mittelmeerraum, basierend auf statistischen Abschätzungsmethoden und unter Annahme des B2-Szenarios vorgestellt. Das B2-Emissionsszenario ist lokal und regional orientiert und geht für das 21. Jahrhundert von einem stetigen Bevölkerungswachstum, einem mittleren Niveau des ökonomischen Fortschritts und einer Orientierung zum Umweltschutz aus (Nakienovi et al. 2000, 95). Die mittlere globale Temperaturerhöhung beträgt dabei im Zeitabschnitt 2080-2099 im Vergleich zu den Jahren 19801999 2,4 °C, mit einem Unsicherheitsbereich zwischen 1,4 °C und 3,8 °C (Meehl et al. 2007, 749). Abb. 8 zeigt die Abschätzungsergebnisse für aufeinanderfolgende Zweimonatswerte der Temperatur im Mittelmeerraum in Form eines Vergleichs der beiden Zeitabschnitte 2071-2100 und 1990-2019. Es liegen nur Ergebnisse für die Landflächen vor. Signifikante Temperaturänderungen (Vertrauenswahrscheinlichkeit 95 %) sind dabei mit einer Schrägschraffur gekennzeichnet. Insgesamt zeichnen sich für den gesamten Mittelmeerraum in allen Monaten des Jahres Temperaturzunahmen ab. In den Monaten Dezember/Januar lassen sich relativ geringe Temperaturzunahmen über den 52 Abb. 8: Statistisch abgeschätzte Temperaturänderungen 2071-2100 gegenüber 1990-2019. Differenz der beiden Zeiträume in Grad Celcius. Abschätzungsmethode: Statistisches Downscaling mit Kanonischer Korrelation aus großskaligen ECHAM4/OPYC3-Prädiktoren für das Emissionsszenario B2. Schrägsignatur: signifikante Veränderungen (Vertrauenswahrscheinlichkeit 95 %) (nach Hertig, Jacobeit 2007). Abb. 9: Statistisch abgeschätzte Niederschlagsänderungen 2071-2100 gegenüber 1990-2019. Differenz der beiden Zeiträume in mm. Abschätzungsmethode: Statistisches Downscaling mit Kanonischer Korrelation aus großskaligen ECHAM4/OPYC3-Prädiktoren für das Emissionsszenario B2 (nach Hertig, Jacobeit 2008, 1039). 53 westlichen Bereichen Nordafrikas und signifikante Zunahmen über der östlichen Hälfte des Mittelmeerraums erkennen, vor allem über den Gebirgsbereichen des nordöstlichen Mittelmeerraums. Die starken Temperaturzunahmen in diesen Gebieten könnten durch Zirkulationsänderungen sowie durch eine Abnahme der winterlichen Schneedecke, einer damit verbundenen geringeren Rückstrahlung und einer daraus folgenden erhöhten bodennahen Temperatur bedingt sein. In den Frühjahrs- und Herbstmonaten zeigt sich ein räumlich relativ einheitliches Muster der Zunahmen, die im Frühjahr ungefähr 3 °C, im Herbst teilweise mehr als 4 °C betragen. In den Sommermonaten Juni/ Juli werden stärkere Zunahmen mit teilweise mehr als 4 °C für den westlichen Mittelmeerraum abgeschätzt und in den Monaten August/September auch für die nördlichen und östlichen Regionen des Mittelmeerraums. Für die mediterrane Hauptregenzeit von Oktober bis Mai sind in Abb. 9 die statistischen Abschätzungsergebnisse für aufeinanderfolgende Zweimonatsmittel des Niederschlags aufgetragen. Zu Beginn der Regenzeit im Oktober/November ist nahezu der gesamte Mittelmeerraum durch Niederschlagsabnahmen im Zeitraum 2071-2100 im Vergleich zu 1990-2019 gekennzeichnet. Für die Wintermonate Dezember/Januar werden in den westlichen und nördlichen Regionen des Mittelmeerraums teils beträchtliche Niederschlagszunahmen abgeschätzt, während die südlichen und östlichen Regionen durch Niederschlagsabnahmen gekennzeichnet sind. In der statistischen Abschätzung wird also im Großen und Ganzen das gleiche räumliche Niederschlagsmuster im Winter wiedergegeben wie bei den Ergebnissen der dynamischen Modellierung im mittleren Abschnitt der Abb. 7. In den darauf folgenden Monaten Februar/März und April/Mai dominieren bei der statistischen Abschätzung in fast dem gesamten Mittelmeerraum Niederschlagsrückgänge zum Ende des 21. Jahrhunderts. Nicht nur die Veränderung der Mittelwerte, sondern vor allem die Veränderungen im 54 Bereich der Extremereignisse, wie Dürren, Hitzewellen und Starkniederschläge, sind im Rahmen des zu erwartenden globalen Klimawandels von Bedeutung. Es muss jedoch darauf aufmerksam gemacht werden, dass Aussagen zu der zukünftigen Entwicklung dieser seltenen Ereignisse teils mit noch erheblichen Unsicherheiten behaftet sind. Für Südeuropa und den Mittelmeerraum wird vom IPCC mit einer sehr wahrscheinlichen Zunahme der Frequenz, Intensität und Dauer von Hitzewellen gerechnet (Christensen et al. 2007, 877). Umgekehrt ist eine Abnahme der Anzahl der Frosttage sehr wahrscheinlich. Im Rahmen der hygrischen Extremereignisse besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass wärmere und trockenere Bedingungen zu häufigeren und längeren Dürren im Mittelmeerraum führen werden. Übergreifend ergeben sich Auswirkungen des Klimawandels im 21. Jahrhundert auf die verschiedensten Lebensbereiche. Nach dem IPCC (Alcamo et al. 2007, 543f.) muss beim Menschen zum Beispiel mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko aufgrund häufigerer Hitzewellen und einem verstärkten Umgang mit Krankheitserregern gerechnet werden. Des Weiteren besteht ein erhöhter Energiebedarf zur Kälteerzeugung. Im Jahr 2050 wird mit einer durchschnittlich 2 bis 5 Wochen längeren Kühlperiode pro Jahr gerechnet. Für die Landwirtschaft bedeuten die oben beschriebenen Klimaänderungen einen Rückgang der Ernteerträge und für den Tourismus im Mittelmeerraum einen Rückgang im Sommer und eine Verlagerung in die Frühjahrs- und Herbstmonate. Allen Bereichen gemein ist, dass es zu einer verschlechterten Wasserverfügbarkeit kommen wird, dem ein vermehrter Wasserbedarf, vor allem zu Bewässerungszwecken in der Landwirtschaft, gegenübersteht. Auch für die Tier- und Pflanzenwelt ergeben sich weitreichende Folgen. So muss unter veränderten Klimabedingungen zum Beispiel mit einem Rückzug der Wälder und einem Verschwinden von bestimmten angepassten Ökosystemen gerechnet werden. Abschließend soll als Beispiel für den Einfluss nichtklimatischer Faktoren die Bevölkerungsdynamik im Mittelmeerraum angesprochen werden. Vor allem für die Länder des südlichen und östlichen Mittelmeerraums, wie die Türkei, Syrien, Ägypten und Algerien, wird ein relativ starkes Bevölkerungswachstum in den nächsten Jahrzehnten angenommen. Dies könnte einen stärkeren Einfluss als der Klimawandel haben, so dass bei der Abschätzung zukünftiger Veränderungen ein multisektoraler Ansatz nötig ist. Insgesamt wird aber, trotz Unsicherheiten im Rahmen der Abschätzungen des zukünftigen Klimawandels, deutlich, dass für die Länder des Mittelmeerraums Anpassungsstrategien erforderlich sein werden. Literatur Alcamo, J., Moreno, J. M., Nováky, B., Bindi, M., Corobov, R., Devoy, R. J. N., Giannakopoulos, C., Martin, E. Olesen, J. E., Shividenko, A. 2007: Europe. In: M. L. Parry, O. F. Canziani, J. P. Palutikof, P. J. van der Linden, C. E. Hanson (Hrsg.), Climate Change 2007: Impacts, Adaptation and Vulnerability. Contribution of Working Group II to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, Cambridge University Press, Cambridge, UK, S. 541-580. Christensen, J. H., Hewitson, B., Busuioc, A., Chen, A., Gao, X., Held, I., Jones, R., Kolli, R. K., Kwon, W.-T., Laprise, R., Magana Rueda, V., Mearns, L., Menendez, C. G., Raisänen, J., Rinke, A., Sarr, A., Whetton, P. 2007: Regional Climate Projections. In: S. Solomon, D. Qin, M. Manning, Z. Chen, M. Marquis, K. B. Averyt, M. Tignor, H. L. Miller 2007 (Hrsg.), Climate Change 2007: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. Cambridge, New York 2007. Gerstengarbe, F.-W., Werner, P. 2007: Der rezente Klimawandel. In: W. Endlicher, F.-W. Gerstengarbe (Hrsg.), Der Klimawandel – Einblicke, Rückblicke und Ausblicke, Humboldt- Universität zu Berlin, 2007, 34-43. Giorgi, F. 2006: Climate change hot- spots. In: Geophysical Research Letters VOL. 33, L08707, doi:10.1029/2006GL025734. Jacobeit, J. 2008: Neuere Perspektiven des Klimawandels. In: E. Kulke, H. Popp (Hrsg.), Umgang mit Risiken. Katastrophen – Destabilisierung – Sicherheit, Bayreuth, Berlin 2008. Hertig, E., Jacobeit, J. 2008: Downscaling Future Climate Change: Temperature Scenarios for the Mediterranean area. In: P. Lionello, S. Planton, X. Rodó (Hrsg.), Mediterranean Climate: Trends, Variability and Change, Special Issue of Global and Planetary Change, 2008, 127-131. Hertig, E., Jacobeit, J. 2008: Assessments of Mediterranean precipitation changes for the 21st century using statistical downscaling techniques. International Journal of Climatology 28, S. 1039. Meehl, G. A., Stocker, T. F. , Collins, W. D., Friedlingstein, P., Gaye, A. T., Gregory, J. M., Kitoh, A., Knutti, R., Murphy, J. M., Noda, A., Raper, S. C. B., Watterson, I. G., Weaver, A. J., Zhao, Z.-C. 2007: Global Climate Projections. In: S. Solomon, D. Qin, M. Manning, Z, Chen, M. Marquis, K. B. Averyt, M. Tignor, H. L. Miller (Hrsg.), Climate Change 2007: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. Cambridge, New York 2007. Nakienovi, N., Alcamo, J., Davis, G., De Vries, B., Fenhann, J., Gaffin, S., Gregory, K., Grübler, A., Jung, T. Y., Kram, T., La Rovere, E. L., Michaelis, L., Mori, S., Morita, T., Pepper, W., Pitcher, H., Price, L., Riahi, K., Roehrl, A., Rogner, H.-H., Sanankovski, A., Schlesinger, M., Shkukla, P., Smith, S., Swart, R., Van Rooijen, S., Victor, N., Dadi, Z. 2000: Special Report on Emissions Scenarios. Cambridge, New York 2000. World Tourismus Organization. 2007: Tourism Market Trends, 2006 – Edition Europe, Madrid 2007. Anschrift der Verfasserin Dr. Elke Hertig Universität Augsburg Lehrstuhl für Physische Geographie und Quantitative Methoden Universitätsstraße 10 D-86135 Augsburg E-Mail: [email protected] 55