Globaler Klimawandel - Universität Augsburg

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Klimawandel
Globale Herausforderung des 21. Jahrhunderts
Landesmuseum Natur und Mensch
Oldenburg
1
Klimawandel –
Globale Herausforderung des 21. Jahrhunderts
Schriftenreihe des Landesmuseums Natur und Mensch, Heft 67
Herausgegeben von Mamoun Fansa, Landesmuseum Natur und Mensch,
Damm 38-44, D-26135 Oldenburg
Klimawandel –
globale Herausforderung des 21. Jahrhunderts
Herausgegeben von
Mamoun Fansa und Carsten Ritzau
Vorträge anlässlich der wissenschaftlichen Tagung in Osnabrück
vom 29. und 30.05.2008 sowie der
Tagung von und für Kinder und Jugendliche in Oldenburg
vom 04. und 05.07.2008
Primus Verlag GmbH Darmstadt
2009
Die Tagung und der Tagungsband wurden finanziert mit Mitteln
des Landes Niedersachsen
sowie:
Redaktion: Carola Lüdtke, Carsten Ritzau
Satz und Layout: Ute Eckstein
Bildbearbeitung: Jens Schwanke
Umschlaggestaltung: Elvira Spiller
Umschlagbilder: Gletscher im Zillertal 1905 (oben) bzw. 2009 (unten)
(Sammlung Gesellschaft für ökologische Forschung)
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie, detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
<http://dnb.ddb.de> abrufbar.
© Landesmuseum Natur und Mensch, Damm 38-44, D-26135 Oldenburg
ISBN 978-3-89678-988-4
www.primusverlag.de
Gedruckt bei: Druckhaus Thomas Müntzer GmbH, D-99947 Bad Langensalza/Thüringen –
ein Unternehmen der Beltz-Gruppe
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 7
Mamoun Fansa, Carsten Ritzau
Grußwort 9
Stefanie Heiden
Grußwort 13
Niels Kämpny
Die Struktur der Herausforderung durch den menschengemachten Klimawandel
15
Hans-Jochen Luhmann
Das letzte Jahrtausend – ein historisch-ökologischer Rückblick 21
Josef H. Reichholf
Mögliche Auswirkungen des Klimawandels auf Deutschland 33
Stefan Hagemann, Daniela Jacob
Globaler Klimawandel: Auswirkungen auf den Mittelmeerraum
45
Elke Hertig
Der Klimawandel in Afrika: Beobachtete Indizien und Klimamodellsimulationen
57
Heiko Paeth
Tiere und Klima: Folgen und Prioritäten 69
Ragnar K. Kinzelbach
Der Klimawandel und seine Auswirkungen auf die Vogelwelt 85
Franz Bairlein
Regionale Klimafolgen und Klimaanpassung im Nordwesten Das Projekt NordWest 2050
97
Bernd Siebenhüner
Generalplan Küstenschutz Niedersachsen/Bremen – Planungen zum Küstenschutz in Niedersachsen
103
Frank Thorenz
Klimawandel – die Folgen für die Unterweser 117
Michael Schirmer
Im Schraubstock zwischen Meer und Deich – Die ungewisse Zukunft des Wattenmeeres
Burghard W. Flemming
131
Sylt braucht mehr Sand 139
Karsten Reise
Gesellschaftliche Herausforderungen durch den Klimawandel – Zur Verletzbarkeit und der Anpassungskapazität unserer Gesellschaft
149
Harald Klimenta
Geo-Engineering – Maßnahmen gegen den Klimawandel 165
Valerie Doan Phi van (Kaiserin-Auguste-Viktoria-Gymnasium, Celle)
Wie kann man an Schulen etwas zum Klimawandelstopp beitragen? 169
Diederike Lindrum, Lisa Marie Lewandrowski (Jade-Gymnasium, Jaderberg)
Projekt zur Energieeinsparung an der Waldschule Schwanewede 173
Benjamin Abdel-Karim, Jan-Henrik Schöne (Waldschule Schwanewede)
Die Folgen von Überflutungen bei unterschiedlichen Bodenverhältnissen durch zunehmenden Starkregen
179
Marijke Siemens (Wilhelm-Gymnasium, Braunschweig)
Untersuchung zu erosionsverringernden Maßnahmen an
einem Unterrichtsmodell
187
Hendrik-Maximilian Schmitt (Gymnasium Ritterhude)
Die Kohlenstoffdioxidemission trockengelegter Hochmoore – ein unbekannter Klimakiller?!
Justin Müller (Gymnasium Westerstede)
193
Globaler Klimawandel:
Auswirkungen auf den Mittelmeerraum
Elke Hertig
Für viele Regionen der Erde liegen inzwischen verbesserte Abschätzungen des regionalen Klimawandels im 21. Jahrhundert
vor. Hauptsächlich Regionen mit einer hohen klimatischen Sensitivität werden von
der zu erwartenden Klimaänderung betroffen sein. Hierzu zählen insbesondere auch
klimatische Übergangsbereiche wie der
Mittelmeerraum, welcher zwischen subtropisch vollariden und außertropisch immerfeuchten Verhältnissen gelegen ist.
Zunächst stellt sich die Frage, welche Region unter dem Begriff Mittelmeerraum überhaupt zu verstehen ist. Der Mittelmeerraum
lässt sich durch verschiedene Kriterien abgrenzen. Eine Möglichkeit ist durch die politischen Grenzziehungen gegeben, in dem
Sinn, dass die Länder, die unmittelbar an
das Mittelmeer angrenzen, zum Mittelmeerraum gezählt werden. So ist das Mittelmeer
durch 21 afrikanische, asiatische und europäische Länder umschlossen. Eine weitere
Abgrenzungsmöglichkeit kann durch klimatologische Charakteristika vorgenommen
werden. Diese bietet sich im Folgenden an,
da hier die Auswirkungen des Klimawandels auf den Mittelmeerraum von klimatologischer Seite her betrachtet werden.
Der Mittelmeerraum ist in der solaren Klimazone der niedrigen Mittelbreiten verortet, gelegen zwischen dem nördlichen
Wendekreis (23.5°) und 45°N. Er zeichnet
sich im Allgemeinen durch milde, feuchte
Winter und heiße, trockene Sommer aus.
Es wird oft von einem mediterranen Winterregenklimat gesprochen, da das jährliche
Niederschlagsmaximum im Winterhalbjahr
zu liegen kommt. Wie später zu sehen sein
wird, stellt diese spezifische ungleiche Ver-
teilung der Niederschläge über das Jahr einen wesentlichen Problemkreis dar, sowohl
im Rahmen der rezenten als auch unter veränderten Klimabedingungen. Doch nicht
nur die ungleiche intraannuelle Verteilung
der Niederschläge, sondern auch die große
klimatische Variabilität, vor allem bei den
Jahr-zu-Jahr-Schwankungen des Niederschlags, spielt eine große Rolle. Daneben
ist noch auf ein weiteres spezifisches Charakteristikum des Mittelmeerraumes hinzuweisen. Es handelt sich um die komplexe
Morphologie in diesem Raum, aufgrund
des Vorhandenseins vieler Gebirge, Golfe,
Inseln und Halbinseln. Daraus ergeben sich
viele kleinräumige Besonderheiten bei der
regionalen Ausgestaltung des Klimas.
Das besondere Interesse am Mittelmeerraum der europäischen Länder und auch
darüber hinaus kommt in verschiedenen
Bereichen, wie dem Tourismus, der spezialisierten Landwirtschaft, aber auch in der
geschichtlichen und kulturellen Bedeutung
zum Ausdruck. Über 150 Kulturdenkmäler
sind in der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen. Eine Schätzung der
World Tourism Organization geht von einem
Touristenaufkommen im Jahr 2025 von 655
Millionen Touristen pro Jahr aus (UNWTO
2007, 193f.). Dies entspricht mindestens
einer Verdoppelung des heutigen Aufkommens. Schon heute beträgt der Wasserverbrauch eines Touristen zwischen 300 und
850 Liter pro Tag und Person. Auch der
Landwirtschaft, vor allem dem Weinbau,
dem Olivenanbau sowie dem spezialisierten Obst- und Gemüseanbau kommt eine
besondere Bedeutung zu. Über 80 % des
gesamten Wasserverbrauchs wird durch die
45
Abb. 1: Jahresmittel der globalen Lufttemperatur. Anomalien für den Zeitraum 1856-2005 bezogen
auf das Mittel 1961-1990 (nach Gerstengarbe, Werner 2007, 34).
Landwirtschaft verursacht. Sowohl der Tourismus als auch die Landwirtschaft sind also
sensible Bereiche in Bezug auf die Wasserverfügbarkeit.
Um die abgeschätzten zukünftigen Veränderungen besser einordnen zu können, wird
zunächst ein Blick auf die Klimaentwicklung
der jüngeren Vergangenheit geworfen. Für
das 20. Jahrhundert lässt sich eine globale
Temperaturerhöhung von 0,6 °C (± 0,2 °C)
feststellen (Houghton et al. 2001, 56). Aus
Abb. 1 wird deutlich, dass dieser Zeitraum
durch zwei Zeitabschnitte starker Erwärmung
gekennzeichnet ist, zum einen zwischen
1910 und 1940, zum anderen ungefähr ab
dem Jahr 1976 bis heute. Betrachtet man
die räumliche Verteilung der Erwärmung,
kann man feststellen, dass in den meisten
Regionen der Erde eine Erwärmung auftrat,
die deutlich stärker ausfällt als die wesentlich geringeren Temperaturabnahmen in den
wenigen Abkühlungsgebieten (Gerstengarbe, Werner 2007). Zieht man die jüngsten
Temperaturtrends für den Mittelmeerraum
46
in jahreszeitlicher Auflösung zu Rate, so wird
deutlich, dass der östliche Mittelmeerraum in
der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im
Winter von einem Abkühlungstrend betroffen war (Abb. 2). Dem steht ein winterlicher
Erwärmungstrend im westlichen Mittelmeerraum gegenüber. Dieses gegensätzliche
Temperaturverhalten zwischen östlichem
und westlichem Mittelmeerraum wird häufig
mit dem Konzept der „mediterranen Oszillation“, einer Druckschaukel zwischen westlichzentralem und östlichem Mittelmeergebiet,
in Verbindung gebracht.
Es stellt sich die grundlegende Frage, ob,
wie hoch und in welcher Form der Mensch
Anteil an der beobachteten Erwärmung hat.
In den letzten 1.000 Jahren sind die astronomischen Randbedingungen, welche die
großen eiszeitlichen Klimaschwankungen
maßgeblich steuern, als relativ konstant
anzusehen, so dass dies ein guter Zeitraum ist, um die Klimaänderungen im 20.
Jahrhundert in Bezug zur natürlichen Variabilität zu setzen. Im Allgemeinen werden
Abb. 2: Winterliche Temperaturtrends im Mittelmeerraum im Zeitraum 1951-2000 auf der Basis des
CRU/PIK Datensatzes. Die schwarzen Symbole bezeichnen Signifikanz mit 95 % Sicherheitswahrscheinlichkeit, bei hellen Symbolen liegt das Vertrauensniveau bei rund 68 % (nach Jacobeit 2008, 126).
eine mittelalterliche Warmphase zwischen
ca. dem 11. und dem 14. Jahrhundert und
die „Kleine Eiszeit“ zwischen etwa 1560
und 1850 ausgeschieden. Es handelt sich
dabei aber um räumlich und zeitlich stark
variierende Phänomene, die im Vergleich
zur Erwärmung im 20. Jahrhundert keine
derart eindeutige globale Signatur besitzen. Als primäre Ursache für die beobachtete Erwärmung im 20. Jahrhundert wird
der Anstieg des Strahlungsantriebes durch
anthropogen eingebrachte Treib-hausgase
gesehen. Welche Reaktionen des Klimasystems diesem Anstieg beizumessen
sind, wird im Allgemeinen mit Hilfe dynamischer und statistischer Simulationen ermittelt. Aus diesen Studien zeigt sich, dass
der Einbezug menschlicher Einflüsse in die
Modelle zu mit den Beobachtungen übereinstimmenden Ergebnissen führt. Natürliche Signale und interne Variabilität alleine
scheinen die Messdaten nicht erklären zu
können, sondern es bedarf zusätzlich einer
anthropogenen Komponente zur Erklärung
der jüngsten Veränderungen.
Mit welchen Veränderungen ist nun im
21. Jahrhundert zu rechnen? In Bezug auf
die globale Temperaturentwicklung wird
ein fortgesetzter Erwärmungstrend im 21.
Jahrhundert prognostiziert. Für das mittlere
Emissionsszenario A1B, das global orientiert
ist und von einem starken ökonomischen
Wachstum, einer geringen Bevölkerungszunahme, einem hohen technologischen
Fortschritt und einer ausgeglichenen Mischung bei der Verwendung verschiedener
Energieträger im 21. Jahrhundert ausgeht
(Naki enovi et al. 2000, 93), liegt die mit
dynamischen Modellen abgeschätzte globale Temperaturerhöhung bei 2,8 °C im Zeitabschnitt 2080-2099 im Vergleich zu den
Jahren 1980-1999, der Unsicherheitsbereich umfasst dabei 1,7 °C bis 4,4 °C (Meehl
et al. 2007, 749). Die aus dem neuesten
IPCC-Bericht (Assessment Report 4 des Intergovernmental Panel on Climate Change)
entnommene Abb. 3 zeigt, dass die modellierte Temperaturerhöhung generell über den
Landflächen wesentlich stärker ausfällt als
über den Ozeanen, und dass die Erwärmung
besonders stark im Winter in den nördlichen
geographischen Breiten ist. Geringere Erwärmungsraten zeigen sich hingegen über
den südlichen Ozeanen und über dem Nordatlantik. Das abgeschätzte räumliche Erwärmungsmuster für das 21. Jahrhundert setzt
im Wesentlichen die beobachteten Trends
des 20. Jahrhunderts fort. Für den mittleren
47
Abb. 3: Über verschiedene dynamische Globalmodelle gemittelte Temperaturänderung (°C) für Winter
(DJF, obere Abb.) und Sommer (JJA, untere Abb.). Änderungen für das mittlere Szenario A1B für den
Zeitraum 2080-2099 gegenüber dem Zeitraum 1980-1999. Punktsignatur gibt Gebiete an, in denen
der Mittelwert des Multimodellensembles die von Modell-zu-Modell-Standardabweichung übersteigt
(nach IPCC, Meehl et al. 2007, 767).
48
Abb. 4: Über verschiedene dynamische Globalmodelle gemittelte Niederschlagsänderung (mm pro
Tag) für Winter (DJF, obere Abb.) und Sommer (JJA, untere Abb.). Änderungen für das mittlere Szenario
A1B für den Zeitraum 2080-2099 gegenüber dem Zeitraum 1980-1999. Punktsignatur gibt Gebiete an,
in denen der Mittelwert des Multimodellensembles die von Modell-zu-Modell-Standardabweichung
übersteigt (nach IPCC, Meehl et al. 2007, 767).
49
Abb. 5: Regional climate change index (RCCI), berechnet aus den regionalen Änderungen des mittleren Niederschlags, Änderungen der mittleren Temperatur und Änderungen der interannuellen Niederschlags- und Temperaturvariabilität. Der Index stellt den Mittelwert aus 21 globalen Modellen für
die Emissionsszenarien A1B, A2 und B1 dar (nach Giorgi 2006).
Niederschlag kann aus Abb. 4 entnommen
werden, dass es unter einem wärmeren Klima der Zukunft zu Niederschlagszunahmen
in tropischen Regionen kommt, vor allem
über dem tropischen Pazifik. In den subtropischen Bereichen werden hingegen Niederschlagsrückgänge modelliert, während es in
den hohen geographischen Breiten zu Zunahmen kommt, aufgrund der Intensivierung
des globalen Wasserkreislaufes. In Bezug
auf die Niederschlagsintensität kommt es
auch in Gebieten, in denen Niederschlagsrückgänge modelliert werden (vor allem in
den subtropischen Bereichen und in Teilen
der Mittelbreiten) zu einer Erhöhung der Niederschlagsintensität, mit gleichzeitiger Verlängerung der regenfreien Periode zwischen
den Niederschlagsereignissen (Meehl et al.
2007, 750).
Betrachtet man die verschiedenen Regionen der Erde, fällt auf, dass es bei dem
zu erwartenden Klimawandel zu regionalen
Unterschieden kommt. In Abb. 5 lassen sich
sogenannte „Climate Change Hot-Spots“
50
erkennen, also Regionen, in denen der anthropogene Klimawandel besonders ausgeprägt sein wird. Die Größe der Kreise zeigt
dabei die Höhe des Index des regionalen
Klimawandels (Regional Climate Change
Index, RCCI) an, welcher sich aus den regionalen Änderungen des mittleren Niederschlags, aus den Änderungen der mittleren
Temperatur und aus den Veränderungen der
interannuellen Niederschlags- und Temperaturvariabilität berechnet. Der Index stellt
den Mittelwert aus 21 globalen Modellen
für die Emissionsszenarien A1B, A2 und
B1 dar. Der große Kreis für die mediterrane
Region zeigt an, dass der Mittelmeerraum
besonders stark auf den globalen Klimawandel reagiert, bedingt vor allem durch die
abgeschätzte negative Niederschlagsentwicklung und die Erhöhung der interannuellen Niederschlagsvariabilität.
Die Abbildungen 6 und 7, aus dem jüngsten
IPCC- Bericht stammend, zeigen nun ein
regionales Bild der zu erwartenden Veränderungen für Europa und den Mittelmeer-
Abb. 6: Über 21 dynamische Modelle gemittelte Temperaturänderungen für Europa für das mittlere
A1B- Szenario. Änderungen für den Zeitraum 2080-2099, bezogen auf das Mittel 1980-1999. Von links
nach rechts: Änderung des Jahresmittelwertes, Änderungen für den Winter (Dezember bis Februar),
Änderungen für den Sommer (Juni bis August) (nach IPCC, Christensen et al. 2007, 875).
raum, basierend auf Ergebnissen aus 21 dynamischen Modellen, für das mittlere A1BSzenario und für den Zeitraum 2080-2099
im Vergleich zu dem Zeitabschnitt 19801999. Betrachtet man die Veränderung der
mittleren Temperatur im Jahresmittel (linker
Abschnitt der Abb. 6), zeigt sich eine Temperaturerhöhung in allen Regionen Europas
und des Mittelmeerraums, welche über den
Landflächen stärker ausfällt als über dem
Atlantischen Ozean, dem Mittelmeer und
dem Schwarzen Meer. Im Winter (Dezember
bis Februar, mittlerer Abschnitt der Abb. 6)
zeigt sich ein nordost-/südwestgerichteter
Gradient mit stärksten Erwärmungsraten
über Nordosteuropa. Im Sommer (Juni bis
August, rechter Abschnitt der Abb. 6) liegen
hingegen die stärksten Erwärmungsraten
mit teilweise mehr als 4 °C über den Landflächen des Mittelmeerraums vor. Betrachtet
man die Veränderung des mittleren Niederschlags für Europa und den Mittelmeerraum
in Abb. 7, fällt auf, dass im Jahresmittel für
das 21. Jahrhundert Niederschlagszunahmen für das nördliche Europa und Niederschlagsabnahmen für das südliche Europa
modelliert werden (linker Abschnitt der Abb.
7). In den Wintermonaten Dezember bis Februar zeichnet sich im mittleren Abschnitt
der Abb. 7 ebenfalls diese Zweiteilung, mit
Zunahmen in den nördlichen Regionen und
Abnahmen in den südlichen Regionen, ab.
Während weite Teile des Mittelmeerraums
also durch winterliche Niederschlagsabnahmen gekennzeichnet sind, liegt der nördliche
Mittelmeerraum in einem Bereich, in dem es
Abb. 7: Über 21 dynamische Modelle gemittelte prozentuale Niederschlagsänderungen für Europa für
das mittlere A1B- Szenario. Änderungen für den Zeitraum 2080-2099, bezogen auf das Mittel 1980-1999.
Von links nach rechts: Änderung des Jahresmittelwertes, Änderungen für den Winter (Dezember bis
Februar), Änderungen für den Sommer (Juni bis August) (nach IPCC, Christensen et al. 2007, 875).
51
im Mittel zu geringen Niederschlagszunahmen im Winter kommen kann. Da die Abschätzung der Variable Niederschlag jedoch
mit teils erheblichen Modellunsicherheiten
behaftet ist, ist der genaue Verlauf des Übergangsbereiches zwischen Niederschlagszunahmen und Niederschlagsabnahmen ungewiss. Aus diesem Grund ist für die Regionen
des nördlichen Mittelmeerraums sowohl
eine positive als auch eine negative Niederschlagsentwicklung denkbar, abhängig von
der zukünftigen Breitenlage der Zugbahnen
der Regen bringenden Tiefdruckgebiete.
Betrachtet man die Niederschlagssituation
für die Sommermonate Juni bis August im
rechten Abschnitt der Abb. 7, zeigen sich
für den gesamten Mediterranraum Niederschlagsrückgänge, so dass sich die teils
bereits heute schon problematische Wassersituation weiter verschärfen wird.
Ergänzend werden nun im Folgenden Abschätzungen für den Mittelmeerraum, basierend auf statistischen Abschätzungsmethoden und unter Annahme des B2-Szenarios
vorgestellt. Das B2-Emissionsszenario ist
lokal und regional orientiert und geht für das
21. Jahrhundert von einem stetigen Bevölkerungswachstum, einem mittleren Niveau des
ökonomischen Fortschritts und einer Orientierung zum Umweltschutz aus (Nakienovi
et al. 2000, 95). Die mittlere globale Temperaturerhöhung beträgt dabei im Zeitabschnitt
2080-2099 im Vergleich zu den Jahren 19801999 2,4 °C, mit einem Unsicherheitsbereich
zwischen 1,4 °C und 3,8 °C (Meehl et al.
2007, 749). Abb. 8 zeigt die Abschätzungsergebnisse für aufeinanderfolgende Zweimonatswerte der Temperatur im Mittelmeerraum in Form eines Vergleichs der beiden
Zeitabschnitte 2071-2100 und 1990-2019.
Es liegen nur Ergebnisse für die Landflächen
vor. Signifikante Temperaturänderungen
(Vertrauenswahrscheinlichkeit 95 %) sind
dabei mit einer Schrägschraffur gekennzeichnet. Insgesamt zeichnen sich für den
gesamten Mittelmeerraum in allen Monaten
des Jahres Temperaturzunahmen ab. In den
Monaten Dezember/Januar lassen sich relativ geringe Temperaturzunahmen über den
52
Abb. 8: Statistisch abgeschätzte Temperaturänderungen 2071-2100 gegenüber 1990-2019.
Differenz der beiden Zeiträume in Grad Celcius.
Abschätzungsmethode: Statistisches Downscaling mit Kanonischer Korrelation aus großskaligen ECHAM4/OPYC3-Prädiktoren für das
Emissionsszenario B2. Schrägsignatur: signifikante Veränderungen (Vertrauenswahrscheinlichkeit 95 %) (nach Hertig, Jacobeit 2007).
Abb. 9: Statistisch abgeschätzte Niederschlagsänderungen 2071-2100 gegenüber 1990-2019. Differenz der beiden Zeiträume in mm. Abschätzungsmethode: Statistisches Downscaling mit Kanonischer
Korrelation aus großskaligen ECHAM4/OPYC3-Prädiktoren für das Emissionsszenario B2 (nach Hertig, Jacobeit 2008, 1039).
53
westlichen Bereichen Nordafrikas und signifikante Zunahmen über der östlichen Hälfte
des Mittelmeerraums erkennen, vor allem
über den Gebirgsbereichen des nordöstlichen Mittelmeerraums. Die starken Temperaturzunahmen in diesen Gebieten könnten
durch Zirkulationsänderungen sowie durch
eine Abnahme der winterlichen Schneedecke, einer damit verbundenen geringeren
Rückstrahlung und einer daraus folgenden
erhöhten bodennahen Temperatur bedingt
sein. In den Frühjahrs- und Herbstmonaten
zeigt sich ein räumlich relativ einheitliches
Muster der Zunahmen, die im Frühjahr ungefähr 3 °C, im Herbst teilweise mehr als 4 °C
betragen. In den Sommermonaten Juni/
Juli werden stärkere Zunahmen mit teilweise mehr als 4 °C für den westlichen Mittelmeerraum abgeschätzt und in den Monaten
August/September auch für die nördlichen
und östlichen Regionen des Mittelmeerraums. Für die mediterrane Hauptregenzeit von Oktober bis Mai sind in Abb. 9 die
statistischen Abschätzungsergebnisse für
aufeinanderfolgende Zweimonatsmittel des
Niederschlags aufgetragen. Zu Beginn der
Regenzeit im Oktober/November ist nahezu
der gesamte Mittelmeerraum durch Niederschlagsabnahmen im Zeitraum 2071-2100 im
Vergleich zu 1990-2019 gekennzeichnet. Für
die Wintermonate Dezember/Januar werden
in den westlichen und nördlichen Regionen
des Mittelmeerraums teils beträchtliche Niederschlagszunahmen abgeschätzt, während
die südlichen und östlichen Regionen durch
Niederschlagsabnahmen gekennzeichnet
sind. In der statistischen Abschätzung wird
also im Großen und Ganzen das gleiche
räumliche Niederschlagsmuster im Winter
wiedergegeben wie bei den Ergebnissen der
dynamischen Modellierung im mittleren Abschnitt der Abb. 7. In den darauf folgenden
Monaten Februar/März und April/Mai dominieren bei der statistischen Abschätzung in
fast dem gesamten Mittelmeerraum Niederschlagsrückgänge zum Ende des 21. Jahrhunderts.
Nicht nur die Veränderung der Mittelwerte,
sondern vor allem die Veränderungen im
54
Bereich der Extremereignisse, wie Dürren,
Hitzewellen und Starkniederschläge, sind
im Rahmen des zu erwartenden globalen
Klimawandels von Bedeutung. Es muss
jedoch darauf aufmerksam gemacht werden, dass Aussagen zu der zukünftigen
Entwicklung dieser seltenen Ereignisse
teils mit noch erheblichen Unsicherheiten
behaftet sind. Für Südeuropa und den Mittelmeerraum wird vom IPCC mit einer sehr
wahrscheinlichen Zunahme der Frequenz,
Intensität und Dauer von Hitzewellen gerechnet (Christensen et al. 2007, 877). Umgekehrt ist eine Abnahme der Anzahl der
Frosttage sehr wahrscheinlich. Im Rahmen
der hygrischen Extremereignisse besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass wärmere
und trockenere Bedingungen zu häufigeren
und längeren Dürren im Mittelmeerraum
führen werden.
Übergreifend ergeben sich Auswirkungen
des Klimawandels im 21. Jahrhundert auf
die verschiedensten Lebensbereiche. Nach
dem IPCC (Alcamo et al. 2007, 543f.) muss
beim Menschen zum Beispiel mit einem
erhöhten Gesundheitsrisiko aufgrund häufigerer Hitzewellen und einem verstärkten
Umgang mit Krankheitserregern gerechnet
werden. Des Weiteren besteht ein erhöhter
Energiebedarf zur Kälteerzeugung. Im Jahr
2050 wird mit einer durchschnittlich 2 bis
5 Wochen längeren Kühlperiode pro Jahr
gerechnet. Für die Landwirtschaft bedeuten
die oben beschriebenen Klimaänderungen
einen Rückgang der Ernteerträge und für
den Tourismus im Mittelmeerraum einen
Rückgang im Sommer und eine Verlagerung in die Frühjahrs- und Herbstmonate.
Allen Bereichen gemein ist, dass es zu einer
verschlechterten Wasserverfügbarkeit kommen wird, dem ein vermehrter Wasserbedarf, vor allem zu Bewässerungszwecken in
der Landwirtschaft, gegenübersteht. Auch
für die Tier- und Pflanzenwelt ergeben sich
weitreichende Folgen. So muss unter veränderten Klimabedingungen zum Beispiel mit
einem Rückzug der Wälder und einem Verschwinden von bestimmten angepassten
Ökosystemen gerechnet werden.
Abschließend soll als Beispiel für den Einfluss nichtklimatischer Faktoren die Bevölkerungsdynamik im Mittelmeerraum angesprochen werden. Vor allem für die Länder des
südlichen und östlichen Mittelmeerraums,
wie die Türkei, Syrien, Ägypten und Algerien,
wird ein relativ starkes Bevölkerungswachstum in den nächsten Jahrzehnten angenommen. Dies könnte einen stärkeren Einfluss
als der Klimawandel haben, so dass bei der
Abschätzung zukünftiger Veränderungen ein
multisektoraler Ansatz nötig ist.
Insgesamt wird aber, trotz Unsicherheiten
im Rahmen der Abschätzungen des zukünftigen Klimawandels, deutlich, dass für die
Länder des Mittelmeerraums Anpassungsstrategien erforderlich sein werden.
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Anschrift der Verfasserin
Dr. Elke Hertig
Universität Augsburg
Lehrstuhl für Physische Geographie und
Quantitative Methoden
Universitätsstraße 10
D-86135 Augsburg
E-Mail: [email protected]
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