1. Vorlesung. Die Theorie der schwarzen Ketten.

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1. Vorlesung. Die Theorie der schwarzen Ketten.
Die klassische Mathematik begann mit den Griechen. Sie hatten entdeckt, dass es Spaß
macht mit Steinchen zu spielen. Man konnte z.B. Steinchen in verschieden lange Ketten
legen
•, •, • • •, . . .
usw. Vielleicht kann man sich eigentlich nicht vorstellen worin hier der Spaß bestehen
sollte. Aber die Genialität der griechischen Naturphilosophen bestand eben darin, doch
in dem Spiel mit Steinen etwas Wichtiges zu sehen. In der Geometrie Vorlesung wird z.B.
gezeigt wie die Griechen aus dem Spiel mit Steinen eine ganze wissenschaftliche Geometrie
entwickelt haben, nämlich die Euklidische Geometrie.
Die griechische Mathematik wurde dann historisch lange Zeit vergessen. Die Römer kannten ja keine wissenschaftliche Mathematik oder waren nicht interessiert. Erst in der Rennaissance hatte man damit ernsthaft begonnen, erneut eine vergleichbare Mathematik zu
entwickeln. Aber die Rennaissance Mathematik hatte eine neue Mathematik entdeckt, die
direkt zur heutigen, modernen Mathematik geführt hat. Die neue Mathematik der Rennaissance führte nicht - obwohl sie zunächst von der damals wiederentdeckten griechischen
Geometrie ausging - zu einer Weiterentwicklung der Geometrie, sondern zuerst zu einer
Arithmetik und dann zu einer Algebra. Die Grundidee war wieder fundamental einfach und
in ihrer Einfachheit auch wieder genial. Die Entdeckung war, dass es noch viel mehr Spaß
macht nicht nur mit Steinchen einer Farbe sondern mit Steinchen von zwei verschiedenen
Farben zu Spielen und also Ketten der Form
• ◦ •,
• ◦ ◦ • • • •,
• • ◦ • • • ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ • ◦ • ◦ • ••,
...
usw. zu bilden. In dieser Vorlesung will ich andeuten wie sich hieraus auch eine lineare
Algebra und Algebra entwickelt hat.lich spielte kein Rennaissance Mathematiker wirklich
mit Steinen. Ich will nur andeuten, dass dies im Kern - und von heute aus gesehen - einer
der fundamentalen Unterschiede zwischen klassischer und moderner Mathematik ist.
Ein weitere geniale Idee wurde dadurch vorbereit. Man lernte nämlich, statt nur mit
endlich langen auch mit unendlich langen Ketten von Steinchen zu spielen. Das Resultat
Klaus Johannson, Lineare Algebra (L2/L5)
2
. Lineare Algebra (L2/L5)
war dann - nach einigen Jahrhunderten Arbeit - die heutige Analysis. Aber nun zunächst
einmal zurück zu den Anfängen.
1. Ein griechischer Beweis.
Kurz noch einmal die griechische Mathematik und ihre fundamental wichtige Entdeckung.
Sie begann mit der Idee, dass man Steinchen nicht nur in Ketten, sondern auch zu Flächen
legen kann. Insbesondere stellten die Griechen fest, dass man dann grundsätzlich zwei
Typen von Flächen legen kann:
•••••
und
•••••
• • • • ••
•••••
Diese beiden Typen nannten sie Gerade und Ungerade. Sie stellten fest
+
G
U
G
U
G
U
U
G
und
·
G U
G
U
G G
G U
wobei G = Gerade, U = Ungerade.
Dies ist die griechische Lehre vom Geraden und Ungeraden. So primitiv diese Lehre
vielleicht erscheint, so zog sie doch eine für die griechischen Naturphilosophen fatale, aber
folgenreiche Entdeckung nach sich. Diese Entdeckung war die Tatsache, dass sich Quadrate
nicht verdoppeln lassen.
Beispiel. Betrachten sie ein Quadrat mit 4 Steinchen. Natürlich ist klar, dass sie kein
Quadrat imit 8 Steinchen, also der doppelten Zahl, legen können. Man versuche etwa
• •
• •
Und das Doppelte ist:
• •
• •
• •
•
•
Man sieht, dass ein Steinchen fehlt.
Ein Problem an einem Quadrat allein ist natürlich noch keine umwerfende Entdeckung.
Aber die Griechen stellten fest, dass die Verdopplung für viele Quadrate nicht aufging. Sie
warfen für sich die Frage auf, ob es möglich sein könnte, dass man wirklich niemals ein
Quadrat von Steinchen verdoppeln kann. Es geht also nicht nur um ein einzelnes Quadrat,
sondern es geht um eine Aussage über alle Quadrate!
Wie kann man einsehen, dass etwas für alle Quadrate nicht geht? Und hier kam die zweite
Entdeckung der Griechen: dies geht nur mit einem logischen Beweis. Eine Idee, die es
zuvor noch niemals gegeben hat. Keine Kultur vor den Griechen konnte beweisen. Und
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§1 Logic, Computer und Theorien
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diese zweite Idee war ebenso fundamental: man sehr gut inderekt Beweisen. Sehen wir
uns daruafhin den Beweis der Griechen einmal an.
Satz. Es gibt kein Quadrat von Steinchen, so dass das Doppelte wieder ein Quadrat von
Steinchen ist.
Beweis. (indirekter Beweis und Lehre vom Geraden und Ungeraden)
Annahme. Der Satz ist falsch.
Dann gibt es eine Zahl m von Steinchen so dass
2 · m2 = n2
für mindestens eine Zahl n von Steinchen. Sei m die kleinste Zahl mit dieser Eigenschaft.
⇒ Es gibt keine Zahlen u, v so dass
2(2u)2 = (2v)2 ,
denn sonst wäre 22 (2u2 ) = 22 v 2 und so 2u2 = v 2 mit u < m.
⇒ m und n sind nicht beide Gerade.
Nach Annahme ist 2m2 = n2 .
⇒ n ist Gerade (Lehre vom Geraden und Ungeraden).
⇒ es gibt eine Zahl u mit 2m2 = n2 = (2u)2 = 4u2 .
⇒ m2 = 2u2 .
⇒ m ist Gerade (Lehre vom Geraden und Ungeraden).
⇒ m und n sind beide Gerade
⇒ Widerspruch. ♦
Bemerkung. In moderner Notation haben wir, dass x2 = 2 nicht in rationalen Zahlen
zu lösen ist. Daraus wird dann oft geschlossen, dass
√
2
eine irrationale Zahl ist. Also haben die Griechen die irrationalen Zahlen entdeckt. Aber
genau das haben sie eben nicht gemacht. Sie sprachen zwar von rationalen und irrationalen
Verhältnissen, aber nie von irrationalen Zahlen - ein kleiner aber wesentlicher Unterschied.
2. Was ist ein Beweis?
Der obige Beweis findet sich so sinngemäß im Euklidischen Lehrbuch (als Anhängsel zum
Zehnten Buch, §115a - woraus übrigens die Historiker den Schluss gezogen haben, dass es
sich hier um ein sehr altes Bruchstück von früherer Zeit handeln muß). Der Beweis selbst
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. Lineare Algebra (L2/L5)
√
enthält keine Begriffe wie 2 usw., einfach deshalb nicht, weil solche exotischen Zeichen
den Griechen ganz unbekannt waren.
Wir wollen hier den griechischen Beweis zum Anlass nehmen, um zunächst einmal der
Frage kritsch nachzugehen, was überhaupt ein Beweis ist, und ob man den griechischen
Beweis als Beweis akzeptieren muss. Konkret wollen wir in dieser 1. Vorlesung der Frage
nachgehen, ob und inwieweit ein indirekter Beweis zulässig ist. Dazu müssen wir einige
grundsätzliche Frage stellen und ein paar Begriffe klären. Am Ende der Diskussion wird
eine Entdeckung über den Umgang mit Steinchen stehn, die man erst im 20. Jahrhundert
formulieren konnte, die dann aber für die moderne Mathematik eine ähnlich schockierende
Wirkung hatte wie seinerzeit die obige Entdeckung der griechischen Mathematik.
Wir beginnen mit der ganz allgemeinen Beobachtung, dass der griechische Beweis offenbar
aus einer Kette von Aussagen besteht, wie etwa
”die Kette
••••••
ist Gerade.”
die nach irgendwelchen Regeln miteinder verbunden sind. Was sind diese ”Aussagen” und
was sind die ”Regeln” die hier zulässig sind?
Der Grundbegriff der Aussagenlogik ist der Begriff ”Aussage”.
Definition. Eine Aussage ist ein Satz, der entweder wahr oder falsch ist.
Bemerkung. Bei dem Wort ”Satz” denken wir im Augenblick noch bloiß an ”Satz über
Steinchen”, später wird sich das verallgemeinern.
Mit dieser einfachen Definition ist festgelegt was eine Aussage ist. Wir kennen damit aber
noch keine Methode, um zu entscheiden welche Aussagen wirklich wahr sind und welche
nicht. Es gibt hier also eine Diskrepanz. Wir unterscheiden hier die Methode überhaupt
(umgangssprachliche) Sätze zu bilden von einer Methode zu herauszufinden, welche dieser
Sätze wahr sind.
Es gibt aber eine Methode Sätze zu bilden, die zu Aussagen führen und das sind die
”logischen Sätze”.
Definitition. Ein ”logischer Satz” ist eine Kette logischer Verknüpfungen von Aussagen.
Verknüpfungsregeln. Aussagen können zu neuen Aussagen verknüpft werden durch
folgende Verknüpfungen (oder deren Iterationen):
nicht p,
p und q,
p oder q,
p ⇒ q,
p ⇔ q
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§1 Logic, Computer und Theorien
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Es gibt nun eine ganz gute Methode um die Wahrheit oder Falschheit wenigsten von
logischen Sätzen zu prüfen. Dies ist die ”Methode der Wahrheitstafeln”. Diese Methode
ist eine Funktion, die jeder logischen Aussage den Wert
W oder F
zuordnet. Diese Wahrheitsfunktion legt zunächst die Wahrheitsbelegungen für logische
Verknüpfungen fest:
p
q
p und q
p oder q
p⇒q
p⇔q
nicht p
W
W
F
F
W
F
W
F
W
F
F
F
W
W
W
F
W
F
W
W
W
F
F
W
F
F
W
W
Hier enthält etwa die Spalte von ”p und q” die Werte der Funktion ”w(p und q)”.
Definition. Ein logischer Satz in den Aussagen p, q, . . . ist wahr (oder genauer: ist
”immer wahr”), wenn er unter allen Wahrheitsbelegungen von p, q, r, . . . wahr ist.
Immer wahre logische Sätze heißen auch Tautologien.
Es ist nun eine der wichtigen Erkenntnisse der Logik, dass es solche Tautologien wirklich
gibt. Es gibt damit also Sätze von denen man wirklich sagen kann, ob sie wahr oder falsch
sind.
Satz. (p ⇒ q) ⇔ ((nicht p) oder q). ist eine Tautologie.
Beweis.
p
q
p⇒q
W
W
F
F
W
F
W
F
W
F
W
W
nicht p (nicht p) oder q
F
F
W
W
W
F
W
W
(p ⇒ q) ⇔ ((nicht p) oder q)
W
W
W
W
Da in der letzten Spalte nur W ’s stehen, ist der Satz als richtig bewiesen. ♦
Hier sind noch ein paar andere Tautologien:
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. Lineare Algebra (L2/L5)
Satz. Die folgenden Aussagen sind Tautologien:
nicht (nicht p) ⇔ p
(p und q) ⇔ (q und p)
(p oder q) ⇔ (q oder p)
nicht (p und q) ⇔ (nicht p) oder (nicht q)
nicht (p oder q) ⇔ (nicht p) und (nicht q)
p und (q oder r) ⇔ (p und q) oder (p und r)
Beweis. Der Beweis geht wie oben wieder mit Wahrheitstafeln. ♦
3. Was ist ein formaler Beweis?
Wahrheitstafeln sind schon ganz gut um Tautologien zu finden, aber noch nicht adäquat
um den griechischen Beweis zu verstehen, denn der beinhaltet Sätze vom Typ
Für alle Ketten mit Eigenschaft A gilt Eigenschaft B.
Eigenschaften sind nun aber keine Ausagen, sondern im Prinzip Prädikate, d.h. Sätze vom
Typ
Für alle x gilt die Eigenschaft A(x).
Für jedes bestimmtes x soll A(x) eine Aussage sein. Also Prädikate sind Aussagen
mit einer oder mehreren Variablen. Schreibweise: A(x1 , x2 , . . .).
Problem. Sätze die Prädikate kann man nicht mit Wahrheitstafeln beweisen.
Bemerkung. Für solche Aussagen müsste man ja, per Wahrheitstafeln, unendlich viele
Aussagen über Zahlen prüfen und das ist natürlich unmöglich. Zum Beispiel weiß man bis
heute nicht die Antwort auf die Goldbachsche Vermutung: Jede Zahl (> 2) ist Summe
von zwei Primzahlen.
Mit den Prädikaten betreten wir eine neue, höhere Stufe der Logik für die wir bis jetzt
noch kein Beweisverfahren haben. Damit also auch noch kein Mittel um zu sagen, ob der
griechische Beweis richtig oder falsch ist. Um hier weiterzukommen muss man die Logik
formalisieren und statt der bisherigen Logik die formale Logik lernen.
Die formale Logik ist eine Technologie, die einen wichtigen Aspekt der heutigen Mathematik darstellt. Sie heißt formal weill sie nichts wirklich mehr mit wahren oder falschen
Aussagen zu tun. Sie beschäftigt sich mit ”wohlgeformten Zeichenketten” und deren Umformungen. Sie ist formal in dem Sinne, dass sie keine inhaltliche Bedeutung mehr hat.
Allerdings gibt es inhaltliche Interpretationen. Solche inhaltlichen Interpretationen sind
aber nicht Sache der formalen Logik. An diesen modernen Standpunkt muss man sich erst
gewöhnen. Er ist aber erzwungen.
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§1 Logic, Computer und Theorien
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Definition. Eine formale Aussagenlogik besteht aus
(1) Konstanten: a, b, c, . . ..
(2) Logische Zeichen: ¬, →, (, ).
(3) zulässigen Zeichenketten, wobei
(3a) alle Konstanten sind zulässige Zeichenketten
(3b) ¬ A und A → B sind zulässige Zeichenketten, falls A, B zulässige Zeichenketten
sind.
(4) Axiomen, wobei die folgenden Zeichenketten Axiome sind
(4a) (A → (B → A)),
(4b) ((A → (B → C)) → ((A → B) → (A → C))),
(4c) ((¬B → ¬A) → ((¬B → A) → B)),
und der folgenden Schlussregel:
(5) B ist eine direkte Konsequenz aus A und A → B.
für alle zulässigen Zeichenketten A, B, C.
Definition. Ein formaler Beweis ist eine endliche Folge
A1 ,
A2 ,
...,
An
von zulässigen Zeichenketten Ai , wobei
(1) Ai ein Axiom ist oder
(2) Ai eine direkte Konsequenz aus einer der vorstehenden zulässigen Zeichenketten
A1 , . . . , Ai−1 ist.
Definition. Eine zulässige Zeichenkette A heißt ein Theorem, wenn es einen Beweis
A1 , A2 , . . . , An
gibt mit A = An .
Als Beispiel hier ein typischer Beweis in der formalen Logik.
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. Lineare Algebra (L2/L5)
Theorem. A → A.
Beweis.
1. (A → ((A → A) → A)) → (A → (A → A)) → (A → A)
Axiom (4b)
2. A → ((A → A) → A)
3. (A → (A → A)) → (A → A)
(4a)
1., 2. und Schlussregel
5. A → A
Damit ist das Theorem formal bewiesen. ♦
3., 4. und Schlussregel
4. A → (A → A)
Axiom (4a)
Bemerkung. Um Beweise lesbarer zu machen definiert man nützliche Abkürzungen, wie
etwa:
(A ∧ B) für ¬(A → ¬B)
(A ∨ B) für (¬A) → B
(A ↔ B) für (A → B) ∧ (B → A)
Dies sind Definitionen, die Menschen einführen, Computer führen keine Definitionen ein.
Definitionen machen formale Beweise für Menschen genießbarer. Aber auch damit bleiben
viele formale Beweise immer noch recht unübersichtlich. Als abschreckende Illustration
siehe man z.B. das Buch [Russel-Whitehead, Principia Mathematica].
Gödelscher Vollständigkeitssatz. Unter der Übersetzung
¬ = nicht
→ = ⇒,
gilt:
1. Jedes ”Theorem der formalen Logik” wird zu einer ”Tautologie der gewöhnlichen
Logik”.
2. Jede ”Tautologie der gewöhnlichen Logik” ist ein ”Theorem der formalen Logik”
(welches unter der obigen Übersetzung in die gegebene Tautologie übergeht).
Beweis siehe [E. Mendelson, prop. I.13] ♦
Slogan. Alle Tautologien kann man auch formal beweisen (im Prinzip auch Maschinen).
4. Was ist eine formale Theorie?
Wir kommen nun zu den Prädikaten. Die folgende Definition regelt den Umgang mit
Prädikaten.
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§1 Logic, Computer und Theorien
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Definition. Eine Prädikatenlogik ist eine Aussagenlogik mit der Eigenschaft dass sie
neben den Konstanten der Aussagenlogik noch davon verschiedene Variablen x1 , x2 , . . .
und Prädikate Anj hat, so dass zusätzlich noch die folgenden Axiome
(4) ∀(xi )A(xi ) → A(t), wobei t ein Ausdruck ist, der xi nicht enthält.
(5) ∀(xi )(A → B) → (A → ∀(x)B), wobei A ein Prädikat ist, welches xi nicht enthält.
Weiter gilt noch folgende zusätzliche Schlussregel:
(ii) A impliziert ∀(xi )A.
Bemerkung. Sind A, B Prädikate, dann auch ¬A, A → Bi und ∀(xi )A.
Definition. Eine formale Theorie ist eine Prädikatenlogik mit evtl. zusätzlichen Axiomen.
Eine Prädikatenlogik selbst ist eine formale Theorie. Man kann leicht zeigen:
Satz. Jede Prädikatenlogik ist widerspruchsfrei, d.h. es gibt keinen logischen Satz A in
der Prädikatenlogik so dass sowohl A als auch ¬A bewiesen werden kann.
Beweis. Siehe [Mendelson, S. 81]. ♦
Die Zahlentheorie ist eine formale Theorie, die wie folgt gegeben ist.
Definition. Eine formale Zahlentheorie ist eine Prädikatenlogik mit
Konstanten:
0, 1,
dreistelligen Prädikaten:
A3 (x, y, z) : x + y = z sowie B 3 (x, y, z) : x · y = z und
zusätzlichen Axiomen.
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)
∀(x, y)∃!(z)
∀(x, y)∃!(z)
∀(x)
∀(x, y)
∀(x, y)
∀(x, y)
∀(x)
(x + y = z)
(x · y = z)
(x + 0 = x) ∧ (x · 1 = x)
(x + (y + 1) = (x + y) + 1)
(x · (y + 1) = x · y + x)
(x + 1 = y + 1) → x = y)
¬(x + 1 = 0)
sowie die abzählbar vielen Axiome:
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. Lineare Algebra (L2/L5)
(8n ) für alle zulässigen Prädikate An (x) gilt:
An (0) ∧ ( ∀(x)(An (x) → An (x + 1) ) → ∀(x)(x).
Bemerkung. (8n) nennt man auch das Prinzip der vollständigen Induktion
Bemerkung. Hier sind ∀(x) und ∃(x) der sog. ”Allquantor” und der sog. ”Existenzquantor”. Die umgangssprachliche Interpretation des Allquantors ist als Abkürzung
für:
∀(x) : für alle x gilt:
Der Existenzquantor ist formal definiert durch
∃(x) := ¬∀(x)(¬A(x)) und ∃!(x)A(x) := ∃(x)∀(y)(A(y) ↔ x)
Hier kommt die Variable x vor (die die Griechen nicht kannten).
Bemerkung. Es empfiehlt sich übrigens diese Definition des Existenzquantors genau zu
lesen, damit man keinen Fehler bei seiner Verwendung macht. Es wird z.B. oft gesagt,
dass die Griechen die irrationalen Zahlen gefunden haben. Als Grund dafür wird angegen,
dass sie angeblich gezeigt haben, dass die Lösung von x2 = 2 irrational sein muss. Aber
sie haben ledglich gezeigt, dass keine rationale Zahl eine Lösung sein kann. Sie haben also
gezeigt ∀(x)¬x2 = 2 wobei x aus dem Bereich Q der rationalen Zahlen ist. Dies ist
äquivalent zu ¬∃(x)x2 = 2, aber nicht etwa zu ∃(x)x2 = 2. Eine wirkliche Existenz
eines Objekts wird in keiner formalen Logik je behauptet.
Resultat. Mit den obigen Axiomen wird das griechische ”Spiel mit Ketten von schwarzen
Steinchen” beschrieben. Damit haben wir formalisiert was eine ”Theorie der Steinchen”
eigentlich sein soll. Gleichzeitig wurden mit dieser Formalisierung fundamentale Entdeckungen über die Zahlentheorie möglich, die die Griechen noch nicht einmal formulieren
konnten, und die tatsächlich erst im 20. Jahrhundert gemacht wurde.
Satz. [Gentzen] Die Zahlentheorie ist widerspruchsfrei.
Beweis. siehe [Gentzen]. ♦
Bemerkung. Erst mit diesem Satz ist die Beweismethode des indirekten Beweises und
damit der eingangs gegebene Beweis für den griechischen Satz für die Zahlentheorie gerechtfertigt.
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Satz. [Gödel] Die formale Zahlentheorie is unvollständig, d.h. es gibt eine Aussage A
über natürliche Zahlen, so dass weder A noch ¬A aus den Axiomen bewiesen werden
kann.
Beweis. siehe [Cohen] oder [Mendelson]. Genauer hat Gödel bewiesen, dass die Zahlentheorie unvollständig ist, wenn sie widerspruchsfrei ist. Es geht also nicht beides: widerspruchsfrei und vollständig. Der Satz folgt damit aus dem obigen Satz von Gentzen. ♦
Bemerkung. Recht bald nach dieser letzten Entdeckung von Gödel wurde klar, dass
die obige Entdeckung nicht nur auf das System der natürlichen Zahlen beschränkt ist,
sondern vielmehr eine Art Naturprinzip ist. Diese Entdeckung, hat die heutige Philosophie
der Mathematik aufgerüttelt. Die verallgemeinerte Form des Gödel’schen Satzes beagt,
dass sich kein hinreichend umfangreiches System aus einem widerspruchsfreien, endlichen
Axiomensystem herleiten lässt.
Bemerkung. Es folgt hieraus auch, dass es keine Maschine geben kann, die alle wahren
Sätze der Mathematik beweisen oder finden kann. Eine sehr weitreichende und fundamentale Entdeckung unserer Zeit, die an Bedeutung mit der fundamentalen Entdeckung der
Griechen vergleichbar ist.
Literatur.
P. J. Cohen, Set theory and the continuum hypothesis, Dover Publications (1966)
G. Gentzen, Die Widerspruchsfreiheit der reinen Zahlentheorie, Math. Ann. 112 (1936)
493-565
E. Mendelson, Introduction to Mathematical Logic, van Nostrand Reinhold (1964)
Klaus Johannson, Lineare Algebra (L2/L5)
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