Fisch des Jahres 2010: Die Karausche Die Karausche Carassius carassius (LINNAEUS, 1758): Fisch des Jahres 2010 von Dr. Axel Zarske Obwohl die Icarausche - Carassius carassius (LINNAEUS, 1758) - einer der genügsamsten einheimischen Süßwasserfische ist, haben sich ihre Bestände in den letzten Jahren in einigen Regionen unseres Landes deutlich verringert. Durch die Wahl der Icarausche zum Fisch des Jahres 2010 will man die Aufmerksamkeit auf diese Tatsache lenken, die in der Öffentlichkeit bislang völlig unbemerkt geblieben ist. Außerdem ist es sicher ratsam, die im (Ernährung oder als Laichsubstrat) benötigt. Aber auch die I<onlturrenz des Giebels scheint hier nicht unerheblich zu sein. Genauere Untersuchungen sind jedoch nötig, um diese Frage eindeutig zu klären. Die Icarausche gehört zu der mit gegenwärtig etwa 2.800 bekannten Vertretern artenreichsten Süf3wasserfischfamilie, den Icarpfenfischen oder Cyprinidae. Zur Gattung Carassius gehören neben den heute ebenfalls in Europa vorkommenden Arten Giebel (Carassius gibelio) und Goldfisch (Ca- Die Karausche - Carassius carassius (LINNAEUS, 1758) - Fisch des Jahres 2010 Allgemeinen recht unauffällige Icarausche einmal etwas genauer zu beachten, sind doch bei näherer Betrachtung viele ihrer biologischen Daten in der Regel weitgehend unbekannt. Die I<arausche wird eben meist als Allerweltsfisch angesehen, um den man sich ja eigentlich nicht bemühen muss. Vermutlich sind diese Bestandsrückgänge, wie sie auch in anderen Regionen ihres natürlichen Verbreitungsgebietes beobachtet wurden, auf eine fast vollständige Vernichtung der Unterwasservegetation zurückzuführen, die die Icarausche für ihre Lebensweise 004 Fischer &Angler in Sachsen. Fruhjahr 2010 Foto: D. Florian rassius auratus) noch mehrere weitere Formen in Asien. Giebel und Goldfisch werden heute als eigenständige Arten betrachtet. Sie zählen allerdings nicht zu den ursprünglich in Mitteleuropa beheimateten Frischarten. Früher betrachtete man den Giebel als die Ausgangsform aus der der Goldfisch gezüchtet wurde, was aber durch genauere Untersuchungen nicht bestätigt werden konnte. Die natürliche Verbreitung der Karausche in Europa reichte offenbar nördlich der Alpen vom südlichen Sltandinavien bis nach Westfrankreich. Heute findet man sie auch in Südengland sowie südlich der Alpen in Norditalien, auf der Iberischen Halbinsel und auf Sizilien. Aber auch in Nordamerika, Australien, Nordindien und Südafrika wurden Icarauschen durch Auswilderungen heimisch. Die Icörperform und Färbung der Icarausche ist sehr variabel. Aufgrund des großen Formenreichtums in der Körperform hat man früher mehrere Arten (z.B. C. humilis HECICEL, 1837 und C. oblongus HECICEL & ICNER, 1857) unterschieden, die sich jedoch alle als unberechtigt herausstellten. In den ersten Lebensjahren sind die Fische schlanker, werden aber mit zunehmendem Alter deutlich hochrückiger. Männliche Icarauschen unterscheiden sich im Grunde morphologisch nicht wesentlich von weiblichen Tieren. Die Männchen können jedoch im Gegensatz zu den Weibchen eine größere Icörperhöhe erreichen. Sie erscheinen dann fast tellerförmig. Dies ist aber nicht immer der Fall. Durch diese Eigenheit unterscheidet sich die Icarausche von den meisten anderen Karpfenfischen: In der Regel sind die Männchen bei den Karpfenfischen schlanker als die Weibchen. Unter ungünstigen Lebensbedingungen bildet die Icarausche regelrechte Kümmerformen aus, die dann häufig mit dem Giebel (Carassius gibelio) verwechselt wurden und auch heute noch werden. Der deutlichste Unterschied zwischen beiden Arten ist die Form der Rücltenflosse. Bei der Icarausche ist der äußere Rand der Rückenflosse nach außen gewölbt, bei dem meist schlankeren Giebel dagegen nach innen. In der Färbung unterscheiden sich beide dadurch, dass die Icarausche häufig golden schimmert, während der Giebel hauptsächlich silberfarben glänzt. Zudem besitzt die ICarausche in der Jugend meist einen dunklen Fleck auf dem Schwanzstiel, der jedoch mit Fortsetzung auf Seite 005 » F* Fisch des Jahres 2010: Die Karausche Fortsetzung von Seite 004 » zunehmendem Alter verschwindet und dem Giebel stets fehlt. Alle diese Merkmale können aber täuschen, so dass man im Zweifelsfall den letzten ungeteilten Flossenstrahl der Rückenflosse zu Rate ziehen muss. Dieser besitzt bei der ICarausche an der Rücltseite viele kleine Zähnchen, während beim Giebel weniger, dafür aber deutlich größere Zähnchen zu beobachten sind. Im Gegensatz zum Karpfen besitzen I<arausche und Giebel keine Barteln. Wenn man trotzdem karauschenartig aussehende Fische mit meist kurzen Barteln trifft, so handelt es sich um Bastarde zwischen dem I<arpfen und der Karausche, sogenannte Karpfkarauschen (Cyprinus kollari HECICEL, 1835), die Giebel (Carassius gibelio) bereits im 17. Jahrhundert bekannt und früher häufiger anzutreffen waren. Die Icarausche lebt hauptsächlich in stehenden oder langsam fließenden Gewässern wie Häfen und Altarmen größerer Flüsse (z.B. der Elbe) mit starkem Pflanzenwuchs, wo sie sich in den unteren Wasserschichten aufhält, die zudem häufig noch stark verschlammt sind. Sie besiedelt aber auch die Mündungsgebiete großer Flüsse und ist gelegentlich sogar im Brackwasser anzutreffen. An kräftig entwickelte Pflanzenbestände ist sie allerdings nicht so stark gebunden wie die Schleie. Die Karausche ist sehr genügsam und ausdauernd. Diese Zähigkeit hilft der I<arausche unter ungünstigen Lebensumständen zu überleben, da sich besonders in kleineren Wasserlöchern und Tümpeln die Bedingungen im Sommer unter starker SonneneinStrahlung schnell drastisch verschlechtern können. Geradezu sprichwörtlich ist der geringe Sauerstoffbedarf der Icarausche. So sollen Fische, die man sehr schlecht behandelt hat (längere Zeit außerhalb des Wassers oder im Eis eingefroren), überlebt haben. Derartige „Experimente", über die man früher häufiger berichtet hat, sind jedoch heute aus Tier- und Naturschutzgründen abzulehnen. Häufig ist die Icarausche die einzige Fischart, die un- Foto: D. Florian ter solchen ungünstigen Bedingungen in natürlichen Restgewässern noch zu überleben vermag. In derartigen Gewässern können sich dann zum Teil aufgrund der fehlenden Fressfeinde große Bestände aufbauen, die aufgrund der schlechten Lebensbedingungen regelrechte I<ummerformen ausbilden. Weiterhin ist bekannt, dass die Fische bei der Austrocknung des Gewässers in heißen Sommermonaten kurze Trockenperioden im Schlamm eingegraben überstehen können. Die I<arausche ist ein Allesfresser, der sich hauptsächlich von Wasserin- sekten und deren Larven sowie Icleinkrebsen ernahrt. Fehlen diese, so kann es jedoch vorltommen, dass die Fische zu fast reinen Pflanzenfressern werden. Wird die Situation noch extremer, so können sich die I<arauschen auch zu regelrechten Kannibalen entwickeln. Die Laichzeit der Icarausche erstreckt sich von Mai bis Juni, selten auch bis in den Juli hinein. Die Wassertemperatur liegt dann oberhalb 15 " C. Unterhalb dieser Temperatur schreitet die Karausche nicht zur Fortpflanzung. Die Fische heften ihre Eier an Wasserpflanzen der Uferregionen. Die etwa 1,5 mm großen, stark klebenden Eier werden portionsweise abgesetzt. So kann die I<arausche zwischen drei- bis funfmal pro Vegetationsperiode ablaichen. Die Jungfische schlüpfen nach wenigen Tagen. Sie wachsen auch bei ausreichendem Nahrungsangebot relativ langsam. Die Geschlechtsreife tritt in der Regel etwa im zweiten Lebensjahr ein. Trotzdem konnte man beobachten, dass sich bereits 4 bis 5 cm große Jungfische im ersten Lebensjahr erfolgreich fortpflanzten. Die Fruchtbarkeit der Fische schwankt stark und hängt von den Lebensumständen und dem Alter ab. Große Weibchen können unter optimalen Bedingungen bis zu 300.000 Eier geben, kleinere Fische allerdings deutlich weniger. I<arauschen werden in der Regel bis zu 25 cm groß. Es sind jedoch auch Exemplare von über 50 cm Gesamtlänge bekannt geworden. Diese stammen aber hauptsächlich aus dem Osten ihres Verbreitungsgebietes. Weibliche Icarauschen werden unter den gleichen Bedingungen etwas größer und leben auch etwas länger als mannliche Tiere. Die I<arausche kann ein Höchstalter von etwa neun bis zehn Jahren erreichen. In Sachsen war die I<arausche bereits Icentmann im 16. Jahrhundert bekannt, der sie in seinem Codex Kentmanus mit ihrer artcharalcteristischen Auswölbung der Rückenflosse zeichnete.