CHE 151.1: Organische Chemie fŁr die Biologie

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15. Aminosäuren, Peptide und Proteine
Proteine (Polypeptide) erfüllen in biologischen Systemen die unterschiedlichsten Funktionen. So wirken sie
z.B. bei vielen chemischen Reaktionen in der Natur als Katalysatoren (Enzyme). Proteine dienen auch als
Transport- und Speichersysteme.
Die Monomereinheit der Polypeptide ist eine α-Aminosäure. Das Polymer entsteht dadurch, dass immer
jeweils eine Carbonsäurefunktion der einen Aminosäure mit der Aminogruppe einer anderen reagiert, deren
Carboxygruppe dann wiederum mit der Aminfunktion der nächsten reagieren kann:
So entsteht eine Kette von Amiden. Die Amidbindung, durch die zwei Aminosäuren verknüpft werden,
bezeichnet man auch als Peptidbindung :
Die Peptidbindung besteht aus einem Amid und ist deshalb planar.
15.1 Struktur und Säure-Base-Eigenschaften der Aminosäuren
Obwohl es mehr als 500 natürlich vorkommende Aminosäuren gibt, bestehen die Proteine aller
Organismen, von den Bakterien bis zum Menschen, zum überwiegenden Teil aus nur 20 verschiedenen
Aminosäuren :
Glycin (G)
Alanin (A)
Valin (V)
Leucin (L)
Isoleucin (I)
Prolin (P)
Phenylalanin (F)
Tyrosin (Y)
Tryptophan (W)
Histidin (H)
Lysin (K)
Arginin (R)
Methionin (M)
Serin (S)
Threonin (T)
Glutaminsäure
(E)
Asparaginsäure
(D)
Cystein (C)
Glutamin (Q)
Asparagin (N)
In allen Aminosäuren ausser Glycin befindet sich an C2 ein Chiralitätszentrum, das normalerweise eine SKonfiguration besitzt. Genau wie bei den Zuckern verwendet die ältere Nomenklatur die Vorsätze D- und Lwodurch alle (2S)-Aminosäuren vom L-Glycerinaldehyd abgeleitet werden:
Da sie Carboxy- und Aminogruppen enthalten, ist es nicht überraschend, dass Aminosäuren sauer und
basisch reagieren können :
Aminosäuren liegen als zwitterionische Ammoniumcarboxylate vor. Die Aminosäuren bilden besonders
stabile Kristallgitter aus, schmelzen nicht sondern zersetzten sich beim Erhitzen, und sind in organischen
Lösungsmitteln fast unlöslich.
In wässeriger Lösung bilden sich unterschiedliche Säure-Base-Gleichgewichte unter Beteiligung der
funktionellen Gruppen aus.
z.B.
Die pKa-Werte für die entsprechenden Gleichgewichte sind :
Die Situation wird etwas komplizierter, wenn die Seitenkette der Aminosäure eine weitere saure oder
basische Funktion enthält
Z.B.:
Es ist wichtig zu wissen, bei welchem pH-Wert die Konzentration der neutralen zwitterionischen Form am
grössten ist. Diesen Punkt bezeichnet man auch als isoelektrischen Punkt (pI), da die Zahl der positiv
geladenen Aminosäuremoleküle gleich der Zahl der negativ geladenen ist, und daher keine Wanderung der
Aminosäure in einem von aussen angelegten elektrischen Feld beobachtet wird:
In der Elektrophorese misst man die Beweglichkeit eines Moleküls im elektrischen Feld. Die
unterschiedlichen pI-Werte der verschiedenen Aminosäuren (oder Peptide) können ausgenützt werden, um
einzelne Moleküle aus einem Gemisch in reiner Form zu erhalten:
15.2 Peptide
Beim Zeichnen einer Polypeptidkette schreibt man das Amino-Ende an die linke, das Carboxy-Ende an die
rechte Seite der Kette. Die absolute Konfiguration an allen Chiralitätszentren (ausser Cys) ist
vereinbarungsgemäss S
Die einzelnen Aminosäure-Einheiten, aus denen das Peptid aufgebaut ist, sind die sogenannten Reste.
Die Namensgebung bei den Peptiden ist ganz einfach. Man beginnt an dem Ende mit der freien
Aminosäure und hängt dann die Bezeichnung für die einzelnen Reste einfach aneinander.
Z.B.:
Es gibt über 40,000 mögliche Kombinationen der acht Aminosäuren im Angiotensin II. Angiotensin-II
selbst spielt eine wichtige Rolle bei der Regulation des Blutdrucks.
Eine zweite Art von Kovalenz-Bindungen kommt oftmals in Peptiden und Proteinen vor,
Disulphidbrücken:
Eine Disulphidbindung kann reversibel aus zwei Thiolgruppen gebildet werden.
Die Aminosäuresequenz der Kette legt die sogenannte Primärstruktur eines Peptids fest :
Insulin ist aus zwei Peptidketten A und B aufgebaut, die über zwei Disulphidbrücken miteinander
verbunden sind. Die zwei Ketten sind zusammengefaltet und bilden dadurch eine relativ stabile 3DStruktur .
15.3 Hydrolyse von Polypeptiden
Die Peptidbindung kann hydrolysiert werden. Aber unter welchen Bedingungen läuft die Hydrolysereaktion
schnell ab?
Versuche mit kleinen Peptiden haben gezeigt, dass bei Raumtemperatur und pH 7 die Halbwertszeit ca.
500 Jahre beträgt.
Um die Hydrolysereaktion zu beschleunigen kann man 1) Säure- oder Basekatalyse anwenden, und 2) die
Temperatur erhöhen. Zum Beispiel in 6n HCl bei 100oC werden Peptide und Proteine innerhalb weniger
Stunden vollständig hydrolysiert, z.B.:
15.4 Synthese von Polypeptiden
Obwohl in der Peptidsynthese, ausgehend von den einzelnen Aminosäuren, nur ein einziger Bindungstyp,
die Amidbindung, geknüpft werden muss, wirft das selektive Knüpfen dieser Bindung grosse Probleme auf.
Z.B.:
Es ist fast unmöglich Glu in seine Säurechlorid umzuwandeln und selektiv mit der α-Aminogruppe von Lys
umzusetzten. Man würde ein komplexes Gemisch erhalten.
Heutzutage sind Verfahren entwickelt worden, die die Synthese von Polypeptiden bis zu über 100
Aminosäuren in hoher Ausbeute ermöglichen. Die Methoden sind auch zum grössten Teil automatisiert
worden, so dass man (fast) nur die richtige Sequenz in den Peptide-Synthesiser einprogrammieren muss.
Eine der bekanntesten Methoden ist von Merrifield (Nobelpreis 1984) entwickelt worden.
Um Peptidebindungen selektiv knüpfen zu können, müssen die funktionellen Gruppen der Aminosäuren
geschützt sein:
z.B.
Es gibt Schutzgruppen für die Amino-, Carboxy-, Hydroxyl-, Imidazol-, Thiol- und Guanidin-Gruppen in den
Seitenketten der Aminosäuren und eine separate Schutzgruppe für die α-Aminogruppe. Eine
Schutzgruppe sollte die folgenden Eigenschaften haben:
-- leicht einzuführen
-- die funktionelle Gruppe in eine Form umwandeln, die während der Peptidesynthese stabil ist
-- leicht abzuspalten, wenn es nötig ist um die orginale funktionelle Gruppe wieder freizusetzen.
z.B. Eine wichtige Schutzgruppe für die α-Aminfunktion ist die tert-Butoxycarbonyl-, oder Boc-Gruppe :
Eine Entblockierung erreicht man in diesem Falle durch Behandeln mit Säure (vgl. Kapitel 9.8 ) und so
milden Bedingungen, dass die anderen Peptidbindungen nicht angegriffen werden :
Schutzgruppen für Carboxy-, Hydroxy-, Amino-, Thiol-, und Phenol-Gruppen in den Seitenketten müssen
während der Peptidsynthese intakt erhalten werden und nur am Ende der Synthese entfernt werden. Dafür
werden Benzylether- oder Benzylester- oder Carbobenzyloxy (Cbz) -Gruppen verwendet :
Solche Gruppen können unter Behandlung mit wasserfreiem HF entschützt werden :
Andere Schutzgruppen, z.B. für His, Arg, Asn, Gln werden hier nicht weiter behandelt.
Die Carboxygruppe in jeder Aminosäure muss aktiviert sein. Dafür werden aber keine Säurechloride
verwendet (vgl. Kapitel 11.10 ), sondern die geschützten Aminosäuren werden mit
Dicyclohexylcarbodiimid (DCC) unter praktisch neutralen Bedingungen gekoppelt :
Obwohl wir uns mit dem Mechanismus dieser Reaktion nicht beschäftigen wollen, fungiert DCC, indem es
zuerst die Carboxylgruppe in eine aktivierte Form umsetzt (vgl. Säurechlorid), die dann weiter mit dem
Amin über einen nucleophilen Additions-Eliminierungs-Mechanismus (siehe Kapitel 11.5 ) unter Bildung
einer neuen Amid-Bindung abreagiert.
Schliesslich ist eine Methode entwickelt worden, bei der die Verknüpfung der Aminosäuren an Polystyrol
als festem Träger erfolgt (Merrifield-Festphasen-Peptidsynthese). Funktionalisierte Polystyrol-Kügelchen
werden verwendet, weil sie in bestimmten organischen Lösungsmitteln aufquellen, und dadurch wird es
den Reagenzien erleichtert, sich in die Polymermatrix hinein und hinaus zu bewegen :
Eine typische Peptidsynthese an solchen festen Träger läuft folgendermassen ab:
Die automatisierte Proteinsynthese eröffnet aufregende Möglichkeiten. Erstens lässt sie sich dazu
verwenden, die Struktur von Polypeptiden abzusichern. Zweitens kann man auch "nicht natürlich"
vorkommende Proteine darstellen, die möglicherweise aktiver und spezifischer als die natürlichen sind.
Solche Proteine könnten sich vielleicht als wertvoll bei der Behandlung bestimmter Krankheiten oder zur
Aufklärung des Zusammenhangs zwischen chemischer Struktur und biologischer Wirkung erweisen.
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