Skriptum zu - Reinhold Kainhofer

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Einführung in die
Finanzmathematik: Diskrete Modelle
Skriptum zur Vorlesung (Teile Kainhofer)
Reinhold Kainhofer
FAM, TU Wien
Mai 2007
Inhaltsverzeichnis
1 Das Ein-Perioden-Modell
1.1 Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Arbitrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.1 dominierende Handelsstrategien . . . . . . . . . .
1.2.2 Lineare Preismaße . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.3 Gesetz des eindeutigen Preises . . . . . . . . . .
1.2.4 Arbitrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3 Risikoneutrales Wahrscheinlichkeitsmaß (Martingalmaß)
1.4 Bewertung von Contingent Claims . . . . . . . . . . . .
1.4.1 Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.5 Vollständige Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.5.1 Unvollständige Märkte . . . . . . . . . . . . . . .
1.6 Risiko und Ertrag (Return) . . . . . . . . . . . . . . . .
1.7 Optimale Portfolios, Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . .
1.7.1 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1
1
4
4
5
5
6
7
9
12
12
15
16
16
19
2 Wh. Wahrscheinlichkeitstheorie
21
3 Mehr-Perioden-Modell in diskreter Zeit
22
4 Wh. Martingaltheorie
23
5 Capital Asset Pricing Model (CAPM)
24
6 Das Binomialmodell
6.1 Beschreibung des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.1.1 Das Cox-Ross-Rubinstein (CRR) Modell als Spezialfall . . . .
6.2 Arbitrage-Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.3 Bepreisung im Binomialmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.4 Europäische Call-Option im Binomialmodell . . . . . . . . . . . . . .
6.5 Verteilung des Maximums im Binomialmodell (Reflection Principle)
6.5.1 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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25
25
26
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29
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32
7 Markov Modelle
7.1 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
36
8 Grenzübergang im Binomialmodell: Das Black-Scholes Modell
8.1 Schwache Konvergenz, zentraler Grenzwertsatz in schwacher Formulierung
8.2 Reskalierung des Binomialmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.3 Die Black-Scholes-Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.3.1 Ableitung der Black-Scholes-Formel . . . . . . . . . . . . . . . . .
9 Amerikanische Optionen im diskreten Modell
9.1 Die Snell-Envelope (Snell’sche Einhüllende) . . . . . . . . . . . .
9.2 Zerlegung von Supermartingalen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.3 Anwendung auf Amerikanische Optionen . . . . . . . . . . . . . .
9.4 Zusammenhang der Preise von Amerikanischen und Europäischen
i
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37
37
38
40
40
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Optionen
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42
43
44
46
46
INHALTSVERZEICHNIS
9.4.1
ii
Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
10 Optimale Portfolios und Martingalmethoden
10.1 Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
48
Stichworte zum Inhalt der Lehrveranstaltung
50
Anhang
52
Kapitel 1
Das Ein-Perioden-Modell
1.1
Definitionen
(Dieses Kapitel hält sich zu einem großen Teil an Kapitel 1 des Buches [Pli97])
Das Ein-Perioden-Modell ist ein simples Modell, das aber trotzdem die meisten Begriffe, Effekte und
grundlegenden Gedanken der Finanzmathematik gut darstellen lässt.
Definition 1.1. Das Ein-Perioden-Modell besteht aus
1. Start- und Endzeitpunkt t0 und t1 , üblicherweise t0 = 0 und t1 = 1. Handel ist nur zu t0 und
t1 möglich
2. Endlicher Ereignisraum Ω, |Ω| = k < ∞
Ω = {ω1 , . . . , ωk }
ω ∈ Ω beschreibt den allgemeinen Marktzustand zu t1
3. Wahrscheinlichkeitsmaß P mit P(ωi ) > 0∀ωi ∈ Ω
4. Bankkonto-Prozess B = (Bt )t=0,1 , B0 = 1, B1 ist Zufallsvariable ( risikolose Anlage“), B1 > 0
”
(1)
(N )
5. Preisprozess S = (St )t=0,1 mit St = St , . . . , St
, N < ∞. Es existieren N risikobehaftete
(n)
Anlagen ( Assets“), St ist der Preis der n-ten Anlage zur Zeit t. Zu t = 0 sind die Preise
”
(n)
(n)
(n)
S0 bekannt, die Preise S1 jedoch nicht-negative Zufallsvariablen (S1 (ω))
Preisentwicklung Asset n t1 =1
Preisentwicklung Bankkontot1 =1
SHnL
1 HΩ1 L
B1 =1+r
t0 =0
r
t0 =0
1
B0 =1
SHnL
0
Ω1
Ω2
Ω3
Ω4
PHΩ1 L
PHΩ2 L
SHnL
1 HΩ2 L
DSHnL
1 HΩ2 L
PHΩ3 L
SHnL
1 HΩ3 L
PHΩ4 L
SHnL
1 HΩ4 L
Immer positiv ­
0
Abbildung 1.1: Entwicklung des Bankkontos und eines Assets n im Einperiodenmodell.
1
2
KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL
Bemerkung 1.1. Bt ist meist fest-verzinst gewählt, typischerweise positiv: r = B1 − B0 = B1 − 1.
Definition 1.2 (Handelsstrategie). Eine Handelsstrategie H = (H0 , . . . , HN ) beschreibt ein Portfolio, das von t0 bis t1 gehalten wird. H ist durch die zu t = 0 bekannten Daten bestimmt (d.h. auch
zu t = 0 ist H keine Zufallsvariable ). H0 ist der Investitionsbetrag ins risikolose Asset, Hn die
(n)
Anzahl der Anteile an Wertpapier n (zum Preis St ).
Bemerkung 1.2. Alle Hi können positiv oder negativ sein1
Definition 1.3 (Wertprozess). Der Wertprozess V = (Vt )t=0,1 beschreibt den Wert des Portfolios
H zu jedem Zeitpunkt:
N
X
(n)
Vt = H0 Bt +
Hn St , t = 0, 1
n=1
Definition 1.4 (Gewinnprozess). Der Gewinnprozess G beschreibt die Wertänderung des Portfolios H für jeden Zeitschritt (d.h. im Ein-Perioden-Modell von t0 bis t1 ):
G = H0 · r +
h
i
(n)
(n)
Hn St1 − St0
{z
}
|
n=1
N
X
∆Sn
Bemerkung 1.3. Es gilt V1 = V0 + G, d.h. Wertänderungen geschehen nur durch Änderung der Kurse der
Wertpapiere, nicht durch Kapital von außen.
Preisänderungen werden oft nur relativ zum Bankkonto betrachtet ( Um wie viel ist das Wertpapier
”
besser als das Bankkonto?“), d.h. man kann auch den Wert des Bankkontos als Geldeinheit benutzen.
Dies führt zu den diskontierten Prozessen:
Definition 1.5 (diskontierte Prozesse).
e = Set
• diskontierter Preisprozess S
t=0,1
mit
(n)
(n)
Set = St /Bt , n = 1, . . . , N, t = 0, 1
• diskontierter Wertprozess Ve = Vet
mit
t=0,1
Vet = Vt /Bt = H0 +
e= G
et
• diskontierter Gewinnprozess G
e t = Gt /Bt =
G
N
X
(n)
Hn Set ,
t = 0, 1
n=1
t=0,1
N
X
mit
h
i
(n)
(n)
Hn Set1 − Set0 ,
t = 0, 1
n=1
e
Damit gilt auch Ve1 = Ve0 + G.
1 Das bedeutet, dass Short-selling bzw. Schulden bei der Bank zulässig sind. Short-selling ist der Verkauf von Wertpapieren, die man noch gar nicht hat. Vergleichbar ist dies mit der Aufnahme eines Kredits bei der Bank.
3
KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL
Beispiel 1.1. k = 2 Marktzustände, N = 1 risikobehaftetes Asset, Zins r =
verhält sich:
B0 = 1
B1 (ω) = 1 +
S0 = 5
S1 (ω1 ) =
10
1
=
9
9
20
3
20 10
e
S1 (ω1 ) =
/
=6
3 9
Se0 = 5
1
9.
Die Kursentwicklung
40
9
40 10
e
S1 (ω2 ) =
/
=4
9 9
S1 (ω2 ) =
Damit ergeben sich für eine Handelsstrategie H = (H0 , H1 ) die Werte zu t0 = 0 und t1 = 1 sowie der
Gewinn als
V0 = Ve0 = 1 · H0 + 5H1
10
H0 + H1 S1 (ω)
V1 (ω) =
9
1
G(ω) = H1 + (S1 (ω) − S0 )H1
9
Ve1 = H0 + H1 Se1 (ω)
e
G(ω)
= H1 (Se1 (ω) − S0 )
Dies definiert uns also für jeden Marktzustand ω ∈ Ω eine Gleichung.
Bemerkung 1.4. ω sind die möglichen Marktzustände zu t = 1. Deren tatsächliche Wahrscheinlichkeiten
sind nicht näher gegeben (werden aber – wie wir später sehen werden – auch gar nicht zur Preisfestlegung
eines Derivats benötigt)!
Bemerkung 1.5. Unser erstes Ziel ist nun, für eine gegebene Verpflichtung Ve1 (ωi ) (z.B. ein abgeschlossener
Vertrag oder ein sonstiges Derivat, das abhängig vom Marktzustand Leistungen bietet) eine Handelsstrategie H = (H0 , H1 , . . . , HN ) zu finden, die zum Zeitpunkt t = 1 in jedem Marktzustand ωi genau den
Wert V1 (ωi ) hat. Wenn wir nun zu t = 0 den Betrag V0 in dieses Portfolio investieren, können wir exakt
die nötigen Zahlungen tätigen. Insofern ist also V0 ein fairer Preis bzw. der momentane Wert von V zum
Zeitpunkt t = 0.
Bemerkung 1.6. Wenn man obiges Beispiel betrachtet, sieht man, dass wir für die Bestimmung von H0
und H1 für die beiden Assets aus den Ve1 genau zwei mögliche Zustände haben, wobei jeder Zustand ωi
eine Gleichung definiert. Insbesondere haben wir zwei Gleichungen für zwei Variablen und können i.A.
ein eindeutiges derartiges Portfolio bestimmen:
(1)
Ve1 (ω1 ) = H0 + H1 S1 (ω1 )
(1)
Ve1 (ω2 ) = H0 + H1 S1 (ω2 )
Die Lösung kann daher als eine Linearkombination der Portfoliowerte zu t = 1 dargestellt werden kann:
1
H0 =
(1)
S1 (ω1 )
|
H1 =
1
(1)
S1 (ω2 )
|
1−
−
{z
(1)
S1 (ω2 )
a0,1
1
(1)
S1 (ω1 )
{z
a1,1
−
(1)
S1 (ω2 )
Ve1 (ω1 )
+
}
(−1)
(1)
S1 (ω1 )
|
!
Ve1 (ω1 )
}
+
Ve1 (ω2 )
(1)
− S1 (ω2 )
{z
}
a0,2
(−1)
(1)
(S1 (ω1 )
|
Ve1 (ω2 )
(1)
(1)
− S1 (ω2 ))S1 (ω1 )
{z
}
a1,2
Damit berechnet sich der momentane Wert dieses Portfolios, das genau Ve1 generiert, durch:
(1)
V0 = H0 + H1 S0
(1)
(1)
= a0,1 Ve1 (ω1 ) + a0,1 Ve1 (ω2 ) + S0 a1,1 Ve1 (ω1 ) + S0 a1,2 Ve1 (ω2 )
(1)
(1)
= a0,1 + S0 a1,1 Ve1 (ω1 ) + a1,1 + S0 a1,2 Ve1 (ω2 ) = EQ [Ve ]
|
{z
}
|
{z
}
=:q1
=:q2
Naı̈v würde man erwarten, dass der faire Preis einfach E[Ve ] beträgt, wobei die tatsächlichen Wahrscheinlichkeiten für die Marktzustände ωi benutzt werden. Obige Gleichung zeigt allerdings, dass der
4
KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL
momentane Preis zwar auch als Erwartungswert der diskontierten Preise zu t = 1 bestimmt werden
kann, allerdings bezüglich einer anderen Wahrscheinlichkeitsverteilung, die lediglich von den Kursen der
(n)
am Markt verfügbaren Assets St für t = 0, 1 abhängen, nicht aber von den Wahrscheinlichkeiten der
Marktzustände!
Die grundlegende Idee der Finanzmathematik ist jene, dass ein gegebener Claim durch geeignete Kombinationen von vorhandenen Assets dargestellt werden kann – die replizierende Handelsstrategie – und
dadurch der Preis bereits bestimmt ist. Damit ist in jedem Fall genau das nötige Kapital zu t = 1
vorhanden und es besteht kein Risiko, unabhängig davon, ob und mit welcher Wahrscheinlichkeit ein
Marktzustand angenommen wird. Daher wird dieses durch den Markt (und durch die Annahme, dass
keine risikolosen Gewinne möglich sein sollen) bestimmte Wahrscheinlichkeitsmaß auch risikoneutrales
”
Maß‘ genannt. Mehr dazu jedoch später.
Beispiel 1.2. Betrachte nun den Markt aus Beispiel 1.1 mit k = 3 Zuständen, wobei im zusätzlichen
Zustand der Preisverlauf S1 (ω3 ) = 30/9 und Se1 (ω3 ) = 3 lautet. Alle Definitionen und Gleichungen sind
gleich wir oben, lediglich eine neue dritte Gleichung für ω3 kommt hinzu:
30
10
H0 + H1
9
9
5
1
G(ω3 ) = H0 − H1
9
3
ω3 : V1 (ω3 ) =
Ve1 (ω3 ) = H0 + 3H1
e 3 ) = H0 − 2H1
G(ω
e
Damit haben wir 3 Gleichungen (von ω1 , ω2 , ω3 ) für 2 Variablen (H0 , H1 ) bei vorgegebenem G oder G.
Übungsbeispiel 1.1. N = 2 risikobehaftete Assets, k = 3 Zustände. Stelle Gleichungen für V , Ve , G und
e auf!
G
1.2
Arbitrage
Idee. Der Markt soll keine Gelegenheit für einen risikolosen Gewinn bieten.
1.2.1
dominierende Handelsstrategien
b ist dominierend, wenn es eine Handelsstrategie H̄ gibt mit
Definition 1.6. Eine Handelsstrategie H
Vb0 = V̄0 , aber Vb1 (ω) > V̄1 (ω)∀ω ∈ Ω.
Lemma 1.1. Eine dominierende Handelsstrategie existiert dann und nur dann, wenn eine Handelsstrategie H existiert mit V0 = 0 und V1 (ω) > 0∀ω ∈ Ω.
b dominierend. Die Handelsstrategie H = H
b − H̄ erfüllt V0 = 0 und V1 (ω) > 0∀ω ∈ Ω.
Beweis. =⇒ Sei H
⇐= Die HS H dominiert die HS H̄ = (0, 0) für alle ω ∈ Ω.
Lemma 1.2. Eine dominierende Handelsstrategie existiert dann und nur dann, wenn eine Handelsstrategie existiert mit V0 < 0 und V1 (ω) ≥ 0∀ω ∈ Ω.
Beweisskizze. Betrachte die Handelsstrategie H, die das vorige Lemma erfüllt. Konstruiere eine neue
PN
(n)
e
Handelsstrategie H̄n = Hn , n = 1, . . . , N und H̄0 = − n=1 Hn S0 − δ mit δ = minω G(ω)
> 0. Diese
erfüllt die Behauptung des Lemmas. Für die andere Richtung verschiebt man H0 um V0 und hat damit
die dominierende Handelsstrategie.
5
KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL
Interpretation. Zwei Investitionen (Portfolios) haben denselben Anfangspreis V0 , die eine hat aber in
jedem Fall einen höheren Endwert. Damit könnte man einen Anteil des niedrigeren Portfolios verkaufen
und das Kapital in das bessere Portfolio investieren. In jedem Fall bleibt ein risikoloser Gewinn übrig.
1.2.2
Lineare Preismaße
Definition 1.7 (lineares Preismaß). Ein lineares Preismaß ist ein nicht-negativer Vektor π =
(π(ω1 ), π(ω2 ), . . . , π(ωN )) mit
Ve0 = Eπ [Ve1 ] =
X
π(ω)Ve1 (ω) =
ω∈Ω
X
π(ω)
ω∈Ω
V1 (ω)
∀Handelsstrategien
B1 (ω)
Korollar 1.3. Wenn ein lineares Preismaß existiert, gibt es keine dominierende Handelsstrategie.
b d.h. Vb0 = V̄0 und Vb1 (ω) >
Beweis. Angenommen, es existiert eine dominierende Handelsstrategie H,
e
V̄1 (ω)∀ω ∈ Ω, woraus Vb 1 (ω) > Vē 1 (ω) folgt. Damit erhalten wir den Widerspruch
X
X
e
e
e
e
Vb 0 =
π(ω)Vb 1 (ω) >
π(ω)Vb 1 (ω) = Vb 0 = Vē 0 .
ω
ω
Die strikte Ungleichung im Beweis gilt allerdings nur, da wir an eine dominierende Handelsstrategie die
relativ starke Forderung gestellt haben, dass sie in jedem Marktzustand strikt mehr als die dominierte
Handelsstrategie liefert. Der Fall, dass π = (0, 0, . . . , 0) gilt, ist trivial, da dann nach Definition immer
V0 = 0 gelten würde und zum anderen gar nicht möglich, wenn man z.B. die Handelsstrategie H = (H0 >
0, 0, . . . , 0) betrachtet, die nur in das risikolose Asset investiert.
Bemerkung 1.7. π ist ein Wahrscheinlichkeitsmaß.
Beweis. Dies ist einfach zu sehen, indem man ein Portfolio H = (1, 0, . . . , 0) mit H0 6= 0 betrachtet,
welches zu t0 den Wert V0 = 1 und unabhängig vom Marktzustand zu t = 1 immer den Wert Ve1 (ω) = 1
hat. Damit folgt
X
X
1 = Ve0 =
π(ω) · 1 =
π(ω)
ω
ω
Zusammen mit der Nicht-Negativität folgt die Behauptung.
Lemma 1.4. Ein Vektor π ist ein lineares Preismaß dann und nur dann, wenn π ein WahrscheinP
(n)
(n)
(n)
lichkeitsmaß auf Ω ist mit Se0 = Eπ [Se1 ] = ω π(ω)Se1 (ω) für n = 1, . . . , N .
Es genügt also, dass (1.7) nur für alle N Assets erfüllt ist, um zu garantieren, dass die Gleichung für jedes
beliebige Portfolio erfüllt ist. Dies ist relativ klar, da ein beliebiges Portfolio als Vektor betrachtet ja nur
eine Linearkombination der Portfolios (0, . . . , 0, 1, 0, . . . , 0) ist, die jeweils nur das i-te Asset beschreiben.
Interpretation (Definition des linearen Preismaßes). Der Wert Ve0 zum Zeitpunkt t = 0 entspricht genau
dem Erwartungswert des Preises zu t = 1 unter dem Wahrscheinlichkeitsmaß π. Das heißt, wir benutzen
nicht die tatsächlichen Wahrscheinlichkeiten, sondern andere, die risikolosen Gewinn ausschließen.
1.2.3
Gesetz des eindeutigen Preises
6
KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL
b
Definition 1.8. Das Gesetz des eindeutigen Preises gilt, wenn es keine zwei Handelsstrategien H
b
b
und H̄ gibt, sodass V1 (ω) = V̄1 (ω)∀ω ∈ Ω gilt, aber V0 6= V̄0 .
Anschaulich bedeutet dies, dass zwei Anlagen / Portfolios, die zu t = 1 in jedem Zustand dasselbe
auszahlen, auch gleich viel Wert sein sollen zum Zeitpunkt t = 0.
Bemerkung 1.8. Wenn es keine zwei verschiedenen Handelsstrategien gibt, die dieselben Auszahlungen
leisten (etwa weil die durch Ve1 (ωi ) bestimmte Handelsstrategie immer eindeutig ist wie im Beispiel 1.1),
ist das Gesetz des eindeutigen Preises trivialerweise automatisch erfüllt!
Lemma 1.5. Wenn keine dominierenden Handelsstrategien existieren, gilt das Gesetz des eindeutigen Preises. Die Umkehrung gilt i.A. nicht.
Beispiel 1.3 (Gesetz des eindeutigen Preises nicht erfüllt). Betrachte einen Markt mit k = 2 Zuständen
und N = 1 risikobehaftetem Asset, sowie r = 1. Es sei
S0 = 10
S1 (ω1 ) = S1 (ω1 ) = 12
In diesem Fall ist S1 und damit auch V1 (ω) = 2H0 + 12H1 konstant auf Ω, also quasi risikolos.
⇒ beliebig viele HS (H0 , H1 ), um V1 = λ (λ fix gewählt) zu erzeugen, jede hat unterschieden Preis V0 .
⇒ kein eindeutiger Preis
Beispiel 1.4 (Gesetz des eindeutigen Preises, aber dominierende Handelsstrategie existiert).
Betrachte einen Markt mit k = 2 Zuständen und N = 1 risikobehaftetem Asset, sowie r = 1. Es sei
S0 = 10
S1 (ω1 ) = 12
S1 (ω1 ) = 8
Das GS für die HS H lautet
V1 (ω1 ) = 2H0 +12H1
V1 (ω2 ) = 2H0 + 8H1
und besitzt eine eindeutige Lösung für jedes X = (V1 (ω1 ), V1 (ω2 )). Damit ist die Handelsstrategie H
eindeutig und auch der Preis V0 eindeutig.
Betrachte nun allerdings die Handelsstrategie H = (10, −1), also 10 Geldeinheiten am Bankkonto, ein
Asset short:
V0 = 10 · 1 − 1 · 10 = 0
V1 (ω1 ) = 2 · 10 − 12 · 1 = 8
V1 (ω2 ) = 2 · 10 − 8 · 1 = 12
Damit gilt für die HS H = (10, −1), dass V0 = 0, aber V1 (ω) > 0∀ω. Damit dominiert H die Handelsstrategie (0, 0) und der Markt lässt dominierende Handelsstrategien zu.
1.2.4
Arbitrage
Definition 1.9. Eine Arbitrage-Möglichkeit ist eine Handelsstrategie H mit
• V0 = 0
• V1 (ω) ≥ 0∀ω ∈ Ω
• ∃ω ∈ Ω : V1 (ω) > 0 (oder alternativ E[V1 ] > 0, da π(ω) > 0∀ω ∈ Ω)
KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL
7
Definition 1.10 (Alternative Definition von Arbitrage). Eine Arbitrage-Möglichkeit ist eine
b existiert mit
Handelsstrategie H, sodass eine weitere Handelsstrategie H
• V0 = Vb0
• V1 (ω) ≥ Vb1 (ω)∀ω ∈ Ω
• ∃ω ∈ Ω : V1 (ω) > Vb1 (ω) (oder alternativ E[V1 ] > E[Vb1 ], da π(ω) > 0∀ω ∈ Ω)
Bemerkung 1.9. Die Existenz von Arbitrage ist nach beiden Definitionen äquivalent, da Definition 1.9
b = 0 von Definition 1.10 ist, und andererseits die HS H − H
b die Bedingungen von
nur der Spezialfall H
Definition 1.9 erfüllt. Wenn es also eine Arbitrage-Möglichkeit im Sinn von Definition 1.9 gibt, dann auch
im Sinn von Definition 1.10 und umgekehrt.
Interpretation. Arbitrage bedeutet einen risikolosen Gewinn. Insbesondere besteht ohne Kapitel (V0 = 0)
eine Chance auf einen Gewinn in zumindest einem möglichen Marktzustand, aber es ist kein Verlust
möglich. In eine derartige Investitionsmöglichkeit würden alle am Markt (beliebig viel, da kein Kapital nötig ist) investieren. Daher ist die Nicht-Existenz der Möglichkeit eines risikolosen Gewinnes das
Grundprinzip der Finanzmathematik. Außerdem würde aufgrund der starken Nachfrage nach den Marktprinzipien der Preis steigen und die Arbitrage doch wieder verschwinden.
Lemma 1.6. Wenn es eine dominierende Handelsstrategie gibt, existiert eine Arbitrage-Möglichkeit.
Die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht.
b Dann erfüllt H = H̄ − H
b alle Bedingungen für eine
Beweis. Die Handelsstrategie H̄ dominiere H.
Arbitrage-Möglichkeit.
Beispiel 1.5 (Arbitrage, aber keine dominierende Handelsstrategie). k = 2 Zustände, N = 1 risikobehaftetes Asset, r = 0, S0 = 10, S1 (ω1 ) = 12, S1 (ω2 ) = 10.
• H = (−10, 1) ist eine Arbitrage-Möglichkeit, weil V0 = −10 + 1 · 10 = 0, aber V1 (ω1 ) = −10 + 12 = 2
und V1 (ω2 ) = −10 + 10 = 0.
• π = (0, 1) ist ein lineares Preismaß, daher existiert keine dominierende Handelsstrategie.
Bemerkung 1.10. Der Zustand ω2 , der im letzten Beispiel die Arbitrage liefert, wird durch π(ω2 ) = 0
wieder kompensiert und wirkt sich daher nicht auf V0 aus.
e ≥ 0, (b) E[G]
e >0
Korollar 1.7. H ist eine Arbitrage-Möglichkeit dann und nur dann, wenn (a) G
und (c) V0 = 0.
Beweis. Simples Übungsbeispiel.
1.3
Risikoneutrales Wahrscheinlichkeitsmaß (Martingalmaß)
Frage. Wann gibt es keine Arbitrage-Möglichkeit?
Wie wir in Beispiel 1.5 gesehen haben, verhindert die Existenz eines linearen Preismaßes zwar die Existenz
von dominierenden Handelsstrategien, nicht jedoch die Existenz von Arbitrage. Die Analyse des Beispiels
zeigte uns, dass π(ω2 ) = 0 zur Folge hatte, dass der Arbitrage erlaubende Zustand ω2 sich nicht auf die
Martingaleigenschaft auswirkt. Um diesen Fall also zu verhindern, werden wir nun zusätzlich fordern,
dass jeder Zustand wirklich positive Wahrscheinlichkeit besitzt.
KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL
8
Märkte ohne Arbitrage
Märkte ohne dominierende Handelsstrategien
Märkte, in denen Gesetz des eindeutigen Preises gilt
Abbildung 1.2: Klassifikation und Hierarchie von Marktmodellen
Definition 1.11. Ein Wahrscheinlichkeitsmaß Q auf Ω heißt risikoneutrales Maß (RNM), wenn
(a) Q(ω) > 0∀ω ∈ Ω
(n)
(n)
(b) EQ [∆S (n) ] = 0 (bzw. EQ [S1 ] = S0 ) für n = 1, . . . , N ( Martingaleigenschaft“)
”
(n)
Interpretation. Der momentane Preis S0 ist – wie auch schon bei linearen Preismaßen – der beste
(Momenten-)Schätzer für den Preis zu t = 1. Außerdem hat ein risikoneutrales Maß dieselben Nullmengen
(nämlich keine in unserem Fall) wie die ursprünglichen Wahrscheinlichkeiten, d.h. P ∼ Q.
Die entscheidende Eigenschaft ist, dass Q(ω) > 0∀ω ∈ Ω bzw. Q ∼ P.
Theorem 1.8. Es existiert keine Arbitrage-Möglichkeit dann und nur dann, wenn ein risikoneutrales
Maß Q existiert.
Der Beweis dieses Satzes läuft z.B. über lineare Programmierung, würde aber den Rahmen hier sprengen.
Bemerkung 1.11. Ein risikoneutrales Maß ist i.A. nicht eindeutig, wichtig ist nur die Existenz mindestens
eines RNM. Ist das RNM eindeutig, ist der Markt vollständig und jeder beliebige Claim kann durch ein
Portfolio erreicht werden, wie später gezeigt werden wird.
(1)
(1)
Beispiel 1.6 (Fs. von Beispiel 1.1; eindeutiges RNM). S0 = 5, Se1 (ω1 ) = 6, Se1 (ω2 ) = 4. Das RNM Q
wird definiert durch die Martingalbedingung einerseits und die Tatsache, dass Q ein Wahrscheinlichkeitsmaß ist. Das entsprechende Gleichungssystem lautet also
5 =6Q(ω1 )+4Q(ω2 )
1 = Q(ω1 )+ Q(ω2 )
Dessen Lösung ist Q(ω1 ) = Q(ω2 ) = 21 , wodurch Q = 12 , 12 ein RNM ist und daher keine Arbitrage in
diesem einfachen Markt möglich ist.
Beispiel 1.7 (Fs. von Beispiel 1.2; RNM nicht eindeutig). Der Markt besteht wie im letzten Beispiel aus
(1)
einem Asset, jedoch wird noch ein dritter Marktzustand ω3 beobachtet mit Se1 (ω3 ) = 3. Das Gleichungssystem lautet nun
5 =6Q(ω1 )+4Q(ω2 )+3Q(ω3 )
1 = Q(ω1 )+ Q(ω2 )+ Q(ω3 )
9
KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL
Dessen Lösungist Q(ω
2 ) = 2−3Q(ω1 ) und Q(ω3 ) = −1+2Q(ω1 ). Damit ist also Q = (λ, 2 − 3λ, −1 + 2λ)
für jedes λ ∈ 12 , 32 ein RNM (Die Werte λ = 12 und λ = 23 müssen ausgeschlossen werden, da sonst
Q(ω2 ) = 0 oder Q(ω3 ) = 0 gilt und Q dann kein RNM mehr ist!). Damit haben wir ein (nicht eindeutiges)
RNM gefunden und der Markt lässt keine Arbitrage zu.
Beispiel 1.8 (kein RNM, obwohl N = 2 und k = 3 und LPM). Betrachte einen Markt mit N = 2 risikobehafteten Assets und k = 3 Marktzuständen, sowie einen Zins von r = 19 . Die Kurse entwickeln sich
nach folgender Tabelle:
(n)
n
1
2
S0
(n)
= Se0
5
10
(n)
ω1
20/3
40/3
S1
ω2
20/3
80/9
ω3
40/9
80/9
(n)
Se1
ω1 ω2 ω3
6
6
4
12
8
8
Das Gleichungssystem für ein risikoneutrales Maß lautet also
5 = 6Q(ω1 )+6Q(ω2 )+4Q(ω3 )
10 =12Q(ω1 )+8Q(ω2 )+8Q(ω3 )
1 = Q(ω1 )+ Q(ω2 )+ Q(ω3 )
und besitzt die Lösung Q = 21 , 0, 12 . Dies ist zwar ein lineares Preismaß, aber nicht echt positiv, also
kein risikoneutrales Maß. Damit ist in diesem Markt Arbitrage möglich, z.B. durch H = (0, 2, −1) im
Zustand ω2 .
Beispiel 1.9 (kein RNM, kein LPM). Der Markt sei wie im letzten Beispiel 1.8, jedoch soll der Zustand
ω3 nicht existieren. Das GS ist damit
5 = 6Q(ω1 )+6Q(ω2 )
10 =12Q(ω1 )+8Q(ω2 )
1 = Q(ω1 )+ Q(ω2 )
Damit haben wir drei (nicht linear abhängige) Gleichungen für 2 Variablen, weshalb keine Lösung existiert.
Damit gibt es kein RNM in diesem Markt und es ist Arbitrage möglich. Es gibt nicht mal ein LPM, da
auch dieses obiges Gleichungssystem erfüllen müsste!
1.4
Bewertung von Contingent Claims
Definition 1.12 (Contingent Claim). Ein Contingent Claim (CC, bedingte Forderung“) X ist
”
eine Zahlung zu t1 = 1, deren Höhe vom Marktzustand ωi abhängt. Zum Zeitpunkt t = 0 betrachtet
ist X eine Zufallsvariable.
Definition 1.13 (erreichbarer CC). Ein CC ist erreichbar (attainable, marketable), wenn eine
Handelsstrategie H existiert (das replizierende Portfolio“) mit V1 (ωi ) = X(ωi )∀ωi ∈ Ω. Man sagt
”
dann, dass H den CC X erzeugt.
Beispiel 1.10. Betrachte einen Markt mit N = 2 Assets und k = 3 Zuständen sowie einen Zins von r = 0.
Die Preisentwicklung sei
(1)
Se0 = 5
(1)
Se1 (ω1 ) = 3
(2)
Se0 = 5
(2)
Se1 (ω1 ) = 7
(1)
Se1 (ω2 ) = 5
(2)
Se1 (ω2 ) = 5
(1)
Se1 (ω3 ) = 7
(2)
Se1 (ω3 ) = 3
10
KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL
Betrachte nun einen CC X(ω1 ) = X(ω2 ) = X(ω3 ) = 5. Gesucht ist damit die Handelsstrategie H =
(H0 , H1 , H2 ) mit
5 =H0 B0 +H1 Se1 (ω1 )+H2 Se1 (ω1 ) =1H0 +3H1 +7H2
(1)
(2)
5=
=1H0 +5H1 +5H2
5=
=1H0 +7H1 +3H2
Die Lösung ist H0 = 5 − 10H2 und H1 = H2 , insbesondere also H = (5 − 10λ, λ, λ). Mögliche Portfolios
zur Replizierung sind z.B. H = (5, 0, 0) (nur Investition ins Bankkonto) oder H = (0, 21 , 12 ) (nur in
risikobehaftete Assets). Das replizierende Portfolio ist also i.A. nicht eindeutig (der Preis jedoch schon,
auch in diesem Fall!)
(2)
e 3 ) = 7. Das GS lautet nun
Beispiel 1.11. Ändere im letzten Beispiel nun Se1 (ω3 ) = 5 und X(ω
ω1 :
5 =5H0 +3H1 +7H2
ω2 :
5 =5H0 +5H1 +5H2
ω3 :
7 =5H0 +7H1 +5H2
und besitzt die Lösung H0 = −1, H1 = H2 = 1. Die Handelsstrategie H = (−1, 1, 1) ist insbesondere in
diesem Fall eindeutig, da die Koeffizientenmatrix vollen Rang besitzt.
Frage. Was ist der (faire) Preis p eines erreichbaren CC X zum Zeitpunkt t = 0?
Man sieht leicht, dass es eine Arbitrage-Möglichkeit gibt, wenn p 6= V0 gilt:
p > V0 : Verkaufe einen Claim zum Zeitpunkt t0 = um p, investiere V0 ins replizierende Portfolio, welches
genau die nötige Auszahlung abdeckt. Die Differenz p − V0 kann als risikoloser Gewinn eingestreift
werden.
p < V0 : Verfahre genau umgekehrt (Investiere in Claim und gehe einmal das replizierende Portfolio short).
Wenn p = V0 , existiert keine Arbitrage mit der replizierenden Handelsstrategie H. Die Frage ist jedoch,
ob eine solche replizierende Handelsstrategie überhaupt existiert. Mehr dazu im Abschnitt 1.5.
Lemma 1.9. Sei Q ein risikoneutrales Maß. Dann gilt für jede Handelsstrategie H:
V0 = EQ [Ve1 ]
Beweis. V0
Def. G
=
h
i
e = EQ [Ve1 ] − EQ PN Hn ∆Sen = EQ [Ve1 ] − PN Hn EQ [∆Sen ] = EQ [Ve1 ]
EQ [Ve1 − G]
n=1
n=1
| {z }
=0
Das Gesetz des eindeutigen Preises ist also für alle Claims sicher erfüllt, für die eine replizierende Handelsstrategie existiert. Mit anderen Worten: Jede Handelsstrategie, die den Claim erzeugt, hat denselben
Preis, vorausgesetzt es existiert ein risikoneutrales Maß.
Bemerkung 1.12. Aus V0 = EQ [Ve1 ] folgt nun die Arbitrage-Freiheit: Wenn es nun einen Zustand ω ∈ Ω
gibt mit Ve1 (ω) > V0 , dann muss es auch einen Zustand ω̄ ∈ Ω geben, sodass Ve1 (ω̄) < V0 . Wenn also die
Möglichkeit auf einen Gewinn besteht, muss es ebenso die Möglichkeit eines Verlustes geben.
Lemma 1.10. Wenn das Gesetz des eindeutigen Preises erfüllt ist, dann ist der faire Preis des
Contingent Claims X mit replizierendem Portfolio H zum Zeitpunkt t = 0 genau der Wert des
replizierenden Portfolios zu t = 0:
V 0 = H0 B 0 +
N
X
n=1
(n)
Hn S0
11
KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL
Theorem 1.11 (Risikoneutrales Bewertungsprinzip). Ist das Ein-Perioden-Modell arbitragefrei, dann ist der Wert eines Contingent Claims X zu t = 0 gegeben durch EQ [X/B1 ], wobei Q ein
beliebiges risikoneutrales Wahrscheinlichkeitsmaß ist.
Beweis. Folgt sofort aus Lemma 1.9.
40
e
Beispiel 1.12 (von früher). Es sei r = 19 , S0 = 5, S1 (ω1 ) = 20
3 , S1 (ω2 ) = 9 . Also S1 (ω1 ) = 6 und
1
e
S1 (ω4 ) = 4. Als risikoneutrales Maß haben wir bereits Q(ω1 ) = Q(ω2 ) = 2 bestimmt.
Betrachte einen Claim X mit X(ω1 ) = 7 und X(ω2 ) = 2. Nach obigem Theorem ist der Preis dieses
Claims
X
1 2
81
1 7
V0 = EQ [ ] = · 10 + · 10 =
= 4.05
B1
2 9
2 9
20
e benutzt wird:
Die replizierende Handelsstrategie H bestimmt sich folgendermaßen, indem Ve1 = V0 + G
e i ) = 4.05 + H1 ∆Se1 (ωi ) für i = 1, 2.
X(ωi )/B1 (ωi ) = Ve1 (ωi ) = V0 + G(ω
Wir haben also 2 Gleichungen, die beide denselben Wert für H1 liefern:
9
81
45
ω1 :7 ·
=
+ H1 · 1
⇒ H1 =
= 2.25
10
20
20
9
81
81 36
45
ω2 :2 ·
=
+ H1 · (−1)
⇒ H1 =
−
=
= 2.25
10
20
20 20
20
Die Tatsache, dass beide Gleichungen denselben Wert für H1 liefern ist nicht weiter verwunderlich, immerhin wurde V0 so bestimmt. Insofern war die Benutzung der zweiten Gleichung nur als Kontrolle
notwendig. H0 ergibt sich nun als
81 225
−144
−
=
= −7.2
20
20
20
Der Claim X ist also durch die Handelsstrategie H = (−7.2, 2.25) erreichbar.
Als Kontrolle können wir den Wert dieser Handelsstrategie zu t = 0 und zu t = 1 berechnen:
4.05 = V0 = H0 + H1 S0 = H0 + 2.25 · 5
t=0:
V0
⇒ H0 =
=
−7.2+ 2.25 · 5 =4.05
10
20
t = 1 : ω1 : V1 (ω1 ) =−7.2 · +2.25 ·
=7
9
3
10
40
ω2 : V1 (ω2 ) =−7.2 · +2.25 ·
=2
9
9
Der faire Preis dieses Claims X muss nun nach obigem Theorem genau V0 sein, ansonsten wäre ein
risikoloser Gewinn möglich.
Definition 1.14 (Zustands Claim, Zustandspreis). Für ω
b ∈ Ω wird der Contingent Claim X,
der nur im Zustand ω
b genau 1 Geldeinheit auszahlt, in allen anderen Zuständen jedoch nichts, also
(
1 für ω = ω
b
X(ω) =
0 sonst,
als Elementar-Claim“ bzw. Zustands-Claim“ des Zustandes ω
b bezeichnet. Sein Preis (wenn er
”
”
erreichbar ist) ist
X
EQ [X/B1 ] =
Q(ω)X(ω)/B1 (ω) = Q(b
ω )/B1 (b
ω)
ω∈Ω
und wird als Zustandspreis für ω
b ∈ Ω bezeichnet.
Der Preis V0 jedes Contingent Claims kann als Linearkombination der Payoffs X(ω) mit den Zustandspreisen als Gewichten dargestellt werden (da die Zustandspreise genau die risikoneutralen Wahrscheinlichkeiten beinhalten).
12
KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL
1.4.1
Optionen
• Call-Optionen: Eine Call-Option gibt dem Käufer das Recht (aber nicht die Pflicht), das Asset
zum festgelegten Preis K zum Zeitpunkt t1 zu kaufen. Ist der Aktienkurs höher, wird er dies tun, das
Asset sofort wieder verkaufen und die Differenz als Gewinn einstreifen, ansonsten wird er die Option
nicht ausüben und sie ist wertlos. Der Payoff ist also für N = 1 genau X(ω) = (S1 (ω) − K)+ =
max(0, S1 (ω) − K) für gegebene Konstante K (Ausübungspreis, exercise price“, strike price“),
”
”
teilweise auch mit e bezeichnet.
Wenn X erreichbar ist, gilt
EQ [X/B1 ] =
X
Q(ω)[S1 (ω) − K]/B1 (ω)
ω∈Ω0
wobei Ω0 = {ω ∈ Ω : S1 (ω) ≥ K} nur jene Zustände beinhaltet, in denen die Option einen Gewinn
abwirft.
Beispiel 1.13. Betrachte eine Option auf das Asset von Beispiel 1.1: r = 91 , K = 5.
(
5/3, ω = ω1
9
und damit gilt EQ [X/B1 ] = 12 · 35 · 10
Der Payoff ist also X(ω) =
=
0,
ω = ω2
den Wert der Option, falls sie erreichbar ist.
3
4
= 0.75 für
Ist X nun durch ein Portfolio erreichbar? Die Handelsstrategie wird wieder bestimmt durch X(ω) =
V1 (ω) = H1 B1 +H1 S1 (ω), wobei die Lösung genau H0 = −3 und H1 = 0.75 beträgt. H = (−3, 0.75)
erzeugt also X und daher ist X erreichbar und man kann das Kapital von 0.75 so investieren, dass
in jedem Zustand exakt das nötige Kapital zur Verfügung steht.
• Put-Option: : Eine Put-Option gibt dem Käufer das Recht (aber nicht die Pflicht), das Asset
zum festgelegten Preis K zum Zeitpunkt t1 zu verkaufen. Ist der Aktienkurs niedriger als K, wird
er dies tun, die nötige Aktie am Markt um den billigeren Aktienkurs kaufen und die Differenz als
Gewinn einstreifen, ansonsten wird er die Option nicht ausüben und sie ist wertlos. Der Payoff ist
also für N = 1 genau X(ω) = (K − S1 (ω))+ = max(0, K − S1 (ω)) für gegebene Konstante K. Die
Put-Option kann exakt gleich behandelt werden wie die Call-Option.
Beispiel 1.14 (Fortsetzung von Beispiel 1.2; nicht jeder Claim ist erzeugbar). Betrachte einen allgemeinen CC mit X = (X1 , X2 , X3 ) ∈ R3 . Existiert hierfür immer eine Handelsstrategie, die diesen Claim
erzeugt? Dafür haben wir ein Gleichungssystem mit 3 Gleichungen, je eine pro Zustand ωi :
(1)
ωi : H0 B1 (ωi ) + H1 S1 (ωi ) = X(ωi ) = Xi
Dieses Gleichungssystem aus drei Gleichungen für zwei Variablen hat i.A. keine Lösung. Eine Lösung
existiert insbesondere nur dann, wenn die Gleichungen linear abhängig sind, was der Fall ist für X1 −
3X2 + 2X3 = 0. Derartige Claims sind erreichbar, alle anderen sind nicht erreichbar. Insbesondere heißt
dies, dass nicht jeder Claim erreichbar ist in diesem Modell (wo wir mehr als ein risikoneutrales Wahrscheinlichkeitsmaß haben).
Bisher hatten wir immer vorausgesetzt, dass eine replizierende Handelsstrategie existiert, damit wir den
Preis festlegen können.
1.5
Vollständige Märkte
Wenn ein risikoneutrales Maß existiert (was gleichbedeutend ist mit der Absenz von Arbitrage), können
wir den Preis V0 eines CC bestimmen als Erwartungswert bezüglich eines risikoneutralen Maßes Q.
Wenn ein Claim erreichbar ist, so muss insbesondere für jede replizierende Handelsstrategie derselbe
Preis herauskommen, also alle Erwartungswerte bezüglich aller risikoneutralen Maße übereinstimmen.
Die Frage ist nun, wann ein CC überhaupt erreichbar ist, bzw. in welchen Fällen es ohnehin nur ein
eindeutiges risikoneutrales Maß gibt.
13
KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL
Definition 1.15 (Vollständigkeit von Märkten). Ein Markt ist vollständig, wenn jeder CC erreichbar ist durch eine Handelsstrategie. Sonst heißt er unvollständig.
Sei X nun ein Contingent Claim in einem Marktmodell mit N Assets und k Zuständen in Ω. Das Problem
der Bestimmung einer replizierenden Handelsstrategie H ist ein lineares Gleichungssystem X = A · H mit


(1)
(2)
(N )
B1 (ω1 ) S1 (ω1 ) S1 (ω1 ) . . . S1 (ω1 )


(1)
(2)
(N )
B1 (ω2 ) S1 (ω2 ) S1 (ω2 ) . . . S1 (ω2 )
.

A= .
..
..
..
..

.

 ..
.
.
.
(1)
(k)
(N )
B1 (ωk ) S1 (ωk ) S1 (ωk ) . . . S1 (ωk )
Der Contingent Claim X ist erreichbar, wenn X = A · H zumindest eine Lösung besitzt. Der Markt ist
vollständig, wenn X = A · H für jedes X eine Lösung besitzt, wozu k̃ ≤ N nötig ist mit k̃ ≤ k der Anzahl
der linear unabhängigen Zeilen von A. Andererseits ist das Modell nur dann arbitragefrei, wenn k̃ ≥ N .
Folgendes Lemma ist also aus dieser Argumentation heraus sofort ersichtlich.
Lemma 1.12. Ist das Marktmodell arbitragefrei, so ist es genau dann vollständig, wenn die Anzahl
(1)
(n)
der Zustände ωi der Anzahl k̃ der linear unabhängigen Vektoren (B, S1 , . . . , S1 ) entspricht.
Beispiel 1.15 (Fs. Beispiel 1.1). Die Matrix A =
 10
Beispiel 1.16 (Fs. Beispiel 1.2). A =
9
 10
9
10
9

20
3
40 
9
10
3
10
9
10
9
20
3
40
9
hat vollen Rang, der Markt ist vollständig.
hat Rang 2, aber k = 3. Der Markt ist nicht vollständig.
Das RNM in diesem Beispiel war Q = (λ, 2 − 3λ, −1 + 2λ) mit λ ∈] 21 , 23 [. Insbesondere ergibt sich für
9
9
9
9
alle RNM Q(λ) derselbe Preis EQ [X/B1 ] = λ 10
X1 + (2 − 3λ) 10
X2 + (−1 + 2λ) 10
X3 = 10
(2X2 − X3 ) +
9
λ(X
−
3X
+
2X
)
genau
dann
unabhängig
vom
Wert
von
λ,
wenn
X
−
3X
+
2X
1
2
3
1
2
3 = 0, also der
10
Claim überhaupt erreichbar ist, wie wir im letzten Abschnitt gesehen haben. Alle nicht erreichbaren
Claims haben keinen eindeutigen Preis!
(2)
(2)
Beispiel 1.17. Betrachte nun Beispiel 1.1 mit einem zusätzlichen Asset: S0 = 54, S1 (ω1 ) = 70 und
(2)
9
9
S1 (ω2 ) = 50. Das Maß Q = 12 , 12 ist noch immer ein RNM (54 = 12 · 10
· 70 + 12 · 10
· 50). Die
10
20
70
9
3
Koeffizientenmatrix A = 10
erfüllt nun RgA = 2 = k. Damit ist der Markt vollständig.
40
50
9
9
Allerdings ist das replizierende Portfolio nicht eindeutig (jedes replizierende Portfolio hat aber denselben
Anfangswert!).
Definition 1.16 (Menge alle risikoneutralen Maße). Die Menge aller risikoneutralen Maße
wird mit M bezeichnet.
Bemerkung 1.13. Nach unserer Grundvoraussetzung der Absenz von Arbitrage gilt auf alle Fälle M 6= ∅.
Theorem 1.13. Die folgenden Aussagen sind äquivalent:
1. Das Modell ist vollständig.
2. Für jeden CC X gilt: EQ [X/B1 ] hat für alle Q ∈ M denselben Wert.
3. M enthält genau ein risikoneutrales Maß (|M| = 1).
14
KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL
Beweis.
1.⇒2. Nach Voraussetzung enthält M mindestens ein RNM. Nach der Argumentation des letzten Abschnittes muss für jeden erreichbaren Claim der Anfangswert V0 = EQ [X/B1 ] aller erzeugenden
Handelsstrategie übereinstimmen, sonst ist Arbitrage möglich.
b ∈ M. Wir werden uns nun ein RNM Q
2.⇒1. Betrachte einen nicht erreichbaren CC X und ein RNM Q
konstruieren, sodass QQb [X/B1 ] 6= EQ [X/B1 ] gilt.
Dass X nicht erreichbar ist, bedeutet, dass A · H = X keine Lösung besitzt. Das Farkas-Lemma
[Far02] aus der linearen Optimierung (siehe Anhang) sagt für diesen Fall jedoch aus, dass
∃π : π · A = 0, δ = π · X > 0 .
b k )+λπk B1 (ωk ), so gilt für genügend kleines λ > 0, dass Q(ωk ) > 0.
Definieren wir nun Q(ωk ) = Q(ω
Es ist nun nicht mehr sehr schwer zu zeigen, dass Q ein RNM ist:
1. Q(ωi ) > 0
P b
P
P b
2.
k Q(ωk ) = 1.
k Q(ωk ) =
k Q(ωk ) + λπ · B1 (ωk ) =
{z
}
|
=0, da B1 die
1. Spalte von A
b und dem
3. Die Martingalbedingung ist ebenfalls erfüllt, wie aus der Martingalbedingung für Q
Farkas-Lemma sofort folgt:
(n)
EQ Se1 =
X
(n)
Q(ωk )Se1 (ωk ) =
k
=
X
(n)
Q(ωk )S1 (ωk )/B1 (ωk )
k
X
X
b k )Se(n) (ωk ) + λ
Q(ω
1
k
|
(n)
S1 (ωk )
B1 (ωk )
{z
}
k
=0, da
=
πk B1 (ωk )
(n)
S1
X
b k )Se(n) (ωk ) = Se(n)
Q(ω
1
0
k
die n. Spalte von A
Es muss nun nur noch gezeigt werden, dass EQ [X/B1 ] 6= EQb [X/B1 ] gilt:
EQ [X/B1 ] =
X
k
Q(ωk )X(ωk )/B1 (ωk ) =
X
k
b k )X(ωk ) + λ
Q(ω
X
|
k
πk X(ωk )
{z
=δ
}
= EQb [X/B1 ] + |{z}
λδ > EQb [X/B1 ]
>0
3.⇒2. Diese Implikation ist trivial, da nur ein einziges RNM in M existiert.
b zwei RNM mit Q 6= Q,
b d.h. ∃ωk ∈ Ω : Q(ωk ) 6= Q(ω
b k ). Betrachte nun den
2.⇒3. Seien Q und Q
Contingent Claim X(ω) = 1{ω=ωk } B1 (ωk )
X
B1 (ωk )
B1 (ωk ) b
X
b
=
Q(ωk ) = Q(ωk ) 6= Q(ωk ) =
Q = EQb
.
EQ
B1
B1 (ωk )
B1 (ωk )
B1
Damit (und weil Q keine Nullmengen besitzt) kann es also nur ein eindeutiges Martingalmaß Q
geben: |M| = 1
Aus dem Beweis der Äquivalenz des ersten und zweiten Punktes des Theorems sieht man außerdem sofort
folgendes Lemma:
Lemma 1.14. Ein CC X ist dann und nur dann erreichbar, wenn für jedes RNM Q der Erwartungswert EQ [X/B1 ] denselben Wert annimmt.
15
KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL
Bemerkung 1.14. In einem vollständigen Markt ist also jeder CC X bepreisbar mit einem eindeutigen
RNM, und jeder CC X ist durch eine HS H erreichbar, deren Wert zu t = 0 genau dem Preis des
CC entspricht. In einem unvollständigen Markt gibt es jedoch mehrere RNM, die aufgrund des letzten
Lemmas für die nicht erreichbare CCs X auch unterschiedliche Preise liefern! Wenn also keine replizierende
e für
Handelsstrategie mehr existiert, ist auch der Preis nicht mehr eindeutig. Alle Preise, die als EQ [X]
ein Q ∈ M bestimmt wurden, sind jedoch faire Preise in dem Sinn, dass dann Arbitrage ausgeschlossen
ist, wenn konsistent dasselbe Maß Q benutzt wird.
1.5.1
Unvollständige Märkte
In einem unvollständigen Markt existieren also i.A. keine eindeutigen Preise mehr. Allerdings können wir
Schranken für faire Preise auf zwei verschiedene Arten angeben:
1. Auch wenn wir einen CC nicht exakt erzeugen können, können wir Handelsstrategien betrachten,
die in jedem Marktzustand mehr oder gleichviel ( Superhedging“) bzw. immer weniger oder gleich
”
viel ( Subhedging“) wert sind. Der eindeutige Preis jeder dieser Handelsstrategien ist eine obere
”
(untere) Schranke für den Preis des CC, da es ansonsten Arbitragemöglichkeiten gibt.
e für Q ∈ M ist die Menge aller fairen Preise (in dem Sinn, dass keine Arbitrage
2. Die Menge aller EQ [X]
möglich ist).
Aus dem ersten Zugang ergibt sich folgende Definition
Definition 1.17 (Schranken für den faire Preise in unvollständigen Märkten).
n
o
Obere Schranke für Preis:
V+ (X) = inf EQ [Ye ] : Y ≥ X, Y erreichbar
n
o
Untere Schranke für Preis:
V+ (X) = inf EQ [Ye ] : Y ≥ X, Y erreichbar
Die Schranken für die fairen Preise von nicht erreichbaren Claims werden also durch Vergleich mit allen erreichbaren Claims bestimmt. Wie folgendes Lemma zeigt, liefert dieser Zugang tatsächlich scharfe
e
Schranken für die Preise und führt zu denselben Schranken wie der zweite Zugang über EQ [X]:
Lemma 1.15 (o.B.). Ist M 6= ∅, so gilt für jeden Contingent Claim X:
n
o
e :Q∈M
V+ (X) = sup EQ [X]
n
o
e :Q∈M
V− (X) = inf EQ [X]
Ein erreichbarer Claim Y ≥ X, der nie weniger liefert, hat also jedenfalls keinen geringeren Preis als er
durch das risikoneutrale Bewertungsprinzip für den nicht erreichbaren Claim X bestimmt ist.
Beispiel 1.18 (Fs. Beispiel 1.2). Die Menge der RNM war M = (λ, 2 − 3λ, −1 + 2λ)|λ ∈ 12 , 23 . Der
Claim X = (30, 20, 10) ist nicht erreichbar, da X1 − 3X2 + 2X3 = −1 6= 0 gilt.
9
9
e
Aus dem risikoneutralen Bewertungsprinzip ergeben sich Preise
1 2E
Q [X] = λ 10 · 30 + (2 − 3λ) 10 · 20 + (−1 +
9
2λ) 10 · 10 = −9λ + 27. Insbesondere ergibt sich wegen λ ∈ 2 , 3 für die fairen Preise p ein Intervall von
p ∈ ]21, 22.5[. Obiges Lemma sagt nun, dass
e = 21
V− (X) = inf EQ [X]
λ
e = 22.5
V+ (X) = sup EQ [X]
λ
Diese beiden Schranken werden tatsächlich von erreichbaren Sub- und Superhedging-Strategien angenommen:
• Y = (30, 50
3 , 10) erfüllt Y ≥ X und hat einen Wert von V (Y ) = 21 = V− (X).
• Y = (30, 20, 15) erfüllt Y ≤ X und hat einen Wert von V (Y ) = 22.5 = V+ (X).
16
KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL
1.6
Risiko und Ertrag (Return)
e = Q(ω)/B1 (ω) für X(b
Definition 1.18. Für ω ∈ Ω und Q ∈ M wird EQ [X]
ω ) = 1{ω=bω} als
Zustandspreis des Zustands ω bezeichnet.
Definition 1.19. Der Return eines Assets ist definiert als die ZV, die den relative Wertzuwachs
beschreibt
(n)
Rn =
S1
(n)
− S0
(n)
S0
, n = 1, . . . , N
R0 := r =
B1 − B0
B0
Lemma 1.16. Ein Wahrscheinlichkeitsmaß Q mit Q(ω) > 0∀ω ∈ Ω ist genau dann ein RNM, wenn
Rn − R0
EQ
= 0, n = 1, . . . , N
1 + R0
Beweis.
(n)
S
(n)
(n)
Se1 − Se0 = 1
(n)
(n)
(n)
− B1 S0
(1 + Rn )S0 − (1 + R0 )S0
=
B1
1 + R0
h
i
Rn − R0
(n)
⇒ EQ ∆Se(n) = S0 EQ
1 + R0
(n) Rn
= S0
− R0
1 + R0
Bemerkung 1.15. Bei deterministischer Zinsrate R0 (ω) = r folgt sofort, dass EQ [Rn ] = EQ [R0 ] = r
äquivalent ist zur Tatsache, das Q ein RNM ist.
1.7
Optimale Portfolios, Zulässigkeit
Problem: Bestimmung der optimalen Handelsstrategie nach subjektiven Kriterien.
Definition 1.20 (Nutzenfunktion). Eine Nutzenfunktion U : R × Ω → R ist eine Funktion, die
für alle ω ∈ Ω
1. für w 7→ U (w, ω) differenzierbar,
2. konkav ( risikoavers“) und
”
3. streng monoton steigend ist.
U (w, ω) bezeichnet den subjektiv empfundenen Nutzen des Betrages w im Zustand ω, wobei nicht absolute
Werte Bedeutung haben, sondern nur der Vergleich zweier oder mehrerer möglicher Werte relevant ist.
U beschreibt also, wie ich subjektiv den Betrag w bewerte. Die Konkavität von U bedeutet, dass die
Steigung – also die Nutzenänderung desselben Betrages – bei geringen Beträgen höher ist als bei hohen
Beträgen (Für jemanden, der bereits 10 Mio. e besitzt, ist 1 e keine so große Verbesserung wie für
jemanden, der nur sehr wenig Kapital besitzt). Die strenge Monotonie hat die nahe liegende Bedeutung,
dass ein höherer Betrag immer mehr Nutzen hat als ein geringerer Betrag.
17
KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL
Die Kenngröße, um die Auswahl eines Portfolios zu optimieren ist nun der erwartete Nutzen des Endwertes:
X
EU (V1 ) =
P(ω)U (V1 (ω), ω)
ω∈Ω
Bemerkung 1.16. Oft wird angenommen, dass der Nutzen eines Betrages w nicht vom Marktzustand ω
abhängig ist, also U (w, ω) = U (w).
Bemerkung 1.17. Der erwartete Nutzen muss bezüglich der tatsächlich eintretenden Wahrscheinlichkeiten
bestimmt werden! Als Daumenregel kann man sich merken:
• Geht es um die Bestimmung des Preises (der sich ja aufgrund der No-Arbitrage Bedingung aus den
Preisen der am Markt verfügbaren Assets ergibt), ist ein risikoneutrales Wahrscheinlichkeitsmaß Q
für den Erwartungswert zu benutzen. Hierfür werden die tatsächlichen Wahrscheinlichkeiten P der
einzelnen Marktzustände gar nicht benötigt!
• Geht es jedoch um tatsächliche Auszahlungen, ist sehr wohl das tatsächliche Wahrscheinlichkeitsmaß
P zu benutzen.
Definition 1.21. H bezeichne die Menge aller Handelsstrategien.
Problem 1 (Optimales Portfolio-Problem). Sei ν ∈ R das Anfangskapital. Gesucht ist die Handelsstrategie H ∈ H mit
max EU (V1 )
(1.1)
unter V0 = ν
(1.2)
H∈H
Problem 2 (Alternative Formulierung
des Optimalen Portfolio-Problems). Mit den Defi
e
e
e
nitionen V1 = B1 V1 = B1 · V0 + G sowie durch Einsetzen der Nebenbedingung in die Hauptbedingung ergibt sich eine alternative Formulierung
"
!#
N
X
(n)
max E U B1 · (ν +
Hi ∆Se )
(1.3)
H∈H
i=1
Lemma 1.17. Wenn (1.1) oder (1.3) eine Lösung besitzt, gibt es keine Arbitrage-Möglichkeit (und
damit ein RNM). Äquivalent dazu ist die Aussage: Existiert eine Arbitrage-Möglichkeit, hat (1.1)
keine Lösung und der Nutzen kann beliebig erhöht werden.
b optimal und H eine Arbitrage-Möglichkeit.
Beweis. Wir werden die zweite Formulierung beweisen. Sei H
b + H:
Betrachte die Handelsstrategie H̄ = H
ν+
N
X
n=1
H̄n ∆Se(n) = ν +
N
X
n=1
b n ∆Se(n) +
H
N
X
n=1
|
Hn ∆Se(n) ≥ ν +
{z
}
N
X
b n ∆Se(n)
H
n=1
≥0
Die Ungleichung ist wegen der Definition einer Arbitrage-Möglichkeit H für mindestens ein ω ∈ Ω strikt,
b darstellt.
was einen Widerspruch zur Optimalität von H
18
KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL
Betrachten wir nun zum Abschluss noch den Zusammenhang zwischen Optimaler Handelsstrategie und
einem risikoneutralen Maß.
Lemma 1.18. Ist H mit Wert Vt eine Lösung von (1.1) oder (1.3), so ist
Q(ω) =
P(ω)B1 (ω)U 0 (V1 (ω), ω)
E [B1 U 0 (V1 )]
ein risikoneutrales Maß.
Beweis. Aus der Extremalbedingung 1. Ordnung erhalten wir
"
∂
0=
E U
∂Hn
!
! !
N
X
∂ X
(n)
P(ω)U B1 (ω) · ν +
B1 · ν +
Hi ∆S
Hi ∆Se (ω) , ω
=
∂Hn
i=1
i=1
ω∈Ω
! !
N
i
h
X
X
0
(n)
=
P(ω)U B1 (ω) · ν +
Hi ∆Se (ω) , ω B1 (ω)∆Se(n) (ω) = E U 0 (V1 )B1 ∆Se(n) .
ω∈Ω
N
X
!!#
e(n)
i=1
Andererseits folgt aus der Martingalbedingung für ein risikoneutrales Maß:
h
i X
0 = EQ ∆Se(n) =
Q(ω)∆Se(n) (ω)
(1.4)
ω∈Ω
Durch Koeffizientenvergleich können wir wir also die Beziehung
Q(ω) = a · P(ω)U 0 (V1 (ω))B1 (ω)
isolieren, wobei wir die Normierungkonstante a noch bestimmen müssen. Insgesamt ergibt sich damit in
Abhängigkeit von der Wahl von U für das risikoneutrale Maß:
Q(ω) =
P(ω)U 0 (V1 (ω))B1 (ω)
E [U 0 (V1 )B1 ]
Definition 1.22 (zulässiges Marktmodell). Ein Marktmodell ist zulässig, wenn ∃U : R × Ω → R
und ein Startkapital ν, sodass
1. w 7→ U (w, ω) für alle ω konkav und streng monoton steigend ist und
2. das Portfolio-Problem (1.1) eine Lösung besitzt.
Theorem 1.19 (Zusammenhang von Zulässigkeit und RNM). Ein Marktmodell ist zulässig
dann und nur dann, wenn ein risikoneutrales Maß existiert.
Beweis.
⇒ Wurde schon durch obiges Lemma 1.18 gezeigt.
⇐ Sei Q ∈ M ein risikoneutrales Maß. Wir konstruieren uns nun eine Nutzenfunktion U (w, ω) und ein
Startkapital ν, sodass (1.1) eine Lösung besitzt. Wähle ν beliebig und setze
U (w, ω) = w ·
Q(ω)
.
P(ω)B1 (ω)
19
KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL
Diese Funktion ist für jede Wahl von ω linear in w und damit sowohl differenzierbar in w, streng
monoton steigend in w (Q > 0), als auch konkav in w und somit eine Nutzenfunktion.
Wir werden nun zeigen, dass der erwartete Nutzen unabhängig von der Wahl der Handelsstrategie
immer ν ist und somit diese Konstante auch die Lösung des Optimierungsproblems (1.1) darstellt.
Nimm dazu eine beliebige Handelsstrategie H ∈ RN .
"
E U
B1 · (ν +
N
X
!#
e(n)
Hi ∆S
)
=
i=1
X
P(ω)B1 (ω) ·
ν+
N
X
!
e(n)
Hi ∆S
(ω)
i=1
ω∈Ω
=ν+
Q(ω)
P(ω)B1 (ω)
N
X
Hn EQ [∆Se(n) ] = ν
| {z }
n=1
=0, weil Q RNM
Beispiel 1.19. Betrachte ein (vollständiges) Marktmodell mit N = 2, k = 3 und r = 19 . Die Assets haben
folgende Entwicklung:
n
1
2
(n)
Se0
6
10
(n)
Se1 (ω1 )
6
13
(n)
Se1 (ω2 )
8
9
(n)
Se1 (ω3 )
4
8
(n)
(n)
Das RNM ergibt sich aus Se0 = EQ [Se1 ]:
6=
6Q(ω1 )+
8Q(ω2 )+
4Q(ω3 )
10 =
13Q(ω1 )+
9Q(ω2 )+
8Q(ω3 )
1=
Q(ω1 )+
Q(ω2 )+
Q(ω3 )
Dieses Gleichungssystem hat die Lösung Q = 31 , 13 , 13 .
Als Beispiel sehen wir uns nun die exponentielle Nutzenfunktion U (w) = − exp(−w) an mit U 0 (w) =
exp(−w). Das optimale Portfolio für diese Wahl der Nutzenfunktion ergibt sich aus der Bedingung 0 =
E[U 0 (V1 )B1 ∆Se(n) ], bzw. dem Gleichungssystem
n=1:
n=2:
10
·0
9
10
10
0 = P(ω1 )e− 9 (ν+3H2 )
·3
9
0 = P(ω1 )e− 9 (ν+3H2 )
10
10
·2
9
10
10
− P(ω2 )e− 9 (ν+2H1 −H2 )
·1
9
+ P(ω2 )e− 9 (ν+2H1 −H2 )
10
−
−
10
·2
9
10
10
P(ω3 )e− 9 (ν−2H1 −2H2 )
·2
9
P(ω3 )e− 9 (ν−2H1 −2H2 )
10
Dieses Gleichungssystem ist nun nicht mehr linear und kann nicht analytisch, sondern nur nummerisch
gelöst werden.
1.7.1
Übungsaufgaben
Bsp. 1.1) Betrachte ein Ein-Perioden-Modell mit zwei risikobehafteten Wertpapieren und drei möglichen
Marktzuständen (N = 2, K = 3, Zins r = 19 ):
S0 = 5,
20
,
3
40
S1 (ω2 ) =
,
9
30
S1 (ω3 ) =
,
9
70
9
40
S2 (ω2 ) =
9
20
S2 (ω3 ) =
9
S1 (ω1 ) =
S2 (ω1 ) =
Betrachte eine Call-Option auf Wertpapier 1:
+
Vt=1 (ωi ) = (S1 (ωi ) − K) ,
K=
35
9
Finde die Handelsstrategie H = (H0 , H1 , H2 ), die diesen Claim erzeugt. Was ist der momentane
Wert dieser Option?
Führe selbiges auch mit Aktie 2 durch!
Wenn konstant Vt=1 (ωi ) = 10 ausbezahlt werden sollen, wie viel ist dieser Vertrag wert?
20
KAPITEL 1. DAS EIN-PERIODEN-MODELL
Bsp. 1.2) Zeige: H ist eine Arbitrage-Möglichkeit ⇐⇒ a) G∗ (ω) ≥ 0 ∀ ω ∈ Ω und b) E[G∗ ] > 0.
Bsp. 1.3) Sei r konstant und P0 und C0 die Preise der Put- und Call-Option mit demselben Strike-Preis
K.
Zeige, dass entweder beide erreichbar sind oder beide nicht. Zeige in ersterem Fall (mittels
risikoneutraler Bewertung), dass die Put-Call-Parität gilt:
C0 − P0 = S0 −
K
1+r
Kapitel 2
Wh. Wahrscheinlichkeitstheorie
• W-Raum, σ-Algebra, W-Maß, ZV, Ereignis, Messbarkeit, endliche σ-Algebren
• absolut stetige Maße, äquivalente Maße, Radon-Nikodym
• Stochastische Prozesse: Filtrierungen, adaptierte Prozesse
21
Kapitel 3
Mehr-Perioden-Modell in diskreter
Zeit
• Marktmodell: Bankkonto (Numéraire), Asset-Preise, Annahmen
• Handelsstrategien: Wert des Portfolios, selbst-finanzierend
• Diskontierung
• Bewertungsfunktionale: erreichbare Gewinne, Gesetz des eindeutigen Preises
• Dualität Bewertungsfunktionale und Preis (Hahn-Banach, Trennungssatz für Beweis)
• Arbitrage-Freiheit
• Satz von Dalang, Morton, Willinger: äquivalente Bedingungen zu Arbitrage-Freiheit
• vollständige Märkte
22
Kapitel 4
Wh. Martingaltheorie
• Bedingte Erwartungen, Eigenschaften
• stochastischer Kern
• Martingale, Doob’sche Zerlegung, Bayes’sche Formel
• Stoppzeiten, Optimal Stopping Theorem, gestoppte Prozesse
23
Kapitel 5
Capital Asset Pricing Model
(CAPM)
• Sharpe-Ratio
• Portfolio-Optimierungsproblem, Varianz-Optimierung, Mean-variance Effizienz
• Nutzen-Optimierung, duales Optimierungsproblem, Nutzen-indifferente Preise
24
Kapitel 6
Das Binomialmodell
6.1
Beschreibung des Modells
Definition 6.1 (Assets im Binomialmodell).
1. Bankkonto (risikolos): B0 = 1, Bt = ert Bt−1 mit rt ∈ R für t = 1, . . . , T
2. risikobehaftete(s) Asset(s) (Stock/Aktie): S0 > 0 (konstant) und für t = 1, . . . , T :
(
ut · St−1 , wenn Xt = 1 ( up“)
”
St =
dt · St−1 , wenn Xt = 0 ( down“)
”
mit Konstanten 0 < dt < ut und Bernoulli-Zufallsvariablen X1 , . . . , XT .
Zu den Zeitpunkten 0, 1, . . . , T teilen sich alle bisher gleich verlaufenden Pfade in je zwei Klassen auf, die
einen, die nun nach oben springen, während die anderen nach unten springen. Damit erhält man jeweils
eine Information mehr zu 1, . . . , T , beschrieben durch die Filtration F0 = {∅, Ω} ⊂ F1 ⊂ F2 ⊂ · · · ⊂ FT .
Jedes Atom der Filtration Ft wird dabei jeweils in zwei Atome von Ft+1 geteilt. Folgendes Bild kann das
schön verdeutlichen:
b
u2
b
b
b
u1
d2
b
b
u0
S0
u2
d1
F1
d2
u2
u1
d0
F3
b
b
b
d2
b
d1
b
b
F2
u2
b
b
b
d2
u 0 u 1 u 2 u 3 S0
b
b
b
u0 u1 d2 d3 S0
b
b
b
b
b
b
b
b
b
b
b
b
d0 d1 d2 d3 S0
Die Beschreibung der Pfade erfolgt durch {0, 1}-wertige Zufallsvariablen: Seien X1 , . . . , XT {0, 1}-wertige
Zufallsvariablen mit P(X1 = x1 , . . . , XT = xT ) > 0 für alle (x1 , . . . , xT ) ∈ {0, 1}T . Der Vektor ω =
25
26
KAPITEL 6. DAS BINOMIALMODELL
(x1 , . . . , xT ) beschreibt dann einen Pfad im Baum, wobei xi = 1 ein Schritt nach oben und xi = 0 ein
Schritt nach unten bedeutet. Insgesamt gibt es daher |Ω| = 2T Pfade.
6.1.1
Das Cox-Ross-Rubinstein (CRR) Modell als Spezialfall
Definition 6.2 (Cox-Ross-Rubinstein Binomialmodell). Das Binomialmodell von Cox, Ross
und Rubinstein ist der Zeit-homogene Spezialfall des Binomialmodells, in dem ut = u∀t und dt = d∀t,
sowie rt = r mit ert = (1 + R)∀t gewählt wird.
Aus dem Binomialbaum mit 2T verschiedenen Endwerten zum Zeitpunkt T wird damit ein Gitter ( Bi”
nomial lattice“, manchmal auch als Recombining binomial tree“ bezeichnet) mit T + 1 verschiedenen
”
Endwerten zum Zeitpunkt T . Ein Pfad kann nun beschrieben werden durch einen modifizierten BernoulliProzess ( T -facher Münzwurf“): {Xt , t = 1, . . . , T } ist ein stochastischer Prozess, wobei die X1 , . . . , XT
”
unabhängige Bernoulli-Zufallsvariablen auf {0, 1} mit P(X1 = 1) = P(X2 = 1) = · · · = 1−P(X1 = 0) = p.
u
u
S0
Suu
Su
u
d
Sud
Sd
u
d
d
Sdd
Suuud = u3 dS0
N4 = 3
Suudd = u2 d2 S0
N4 = 2
Suddd = ud3 S0
N4 = 1
Sdddd = d4 S0
N4 = 0
Suud
d
u
N4 = 4
Suuu
d
u
Suuuu = u4 S0
Sudd
d
Sddd
Bemerkung 6.1. Die Reihenfolge, in der die up- und down-Bewegungen vor sich gehen, ist für den Wert
des Prozesses irrelevant. Insbesondere ist Sud = Sdu .
Wahrscheinlichkeitsmaß für Pfad ω = (x1 , . . . , xT )
Definiere den Zählprozess Nt (ω) = X1 (ω) + · · · + Xt (ω), der die Anzahl der Sprünge nach oben zählt.
Insbesondere charakterisiert er auch den Wert des Pfades zum Zeitpunkt t und damit die Position im
Gitter, unabhängig vom Verlauf des Pfades bis zum entsprechenden Punkt. Es gilt:
X
X
unabh.
E[Nt ] =
E[Xi ] = tp
V ar[Nt ] =
V arXi = tp(1 − p)
Man sieht nun, dass für t = 1, . . . die Verteilung von Nt gegeben ist durch:
t
P(Nt = n) =
pn (1 − p)t−n , n = 0, 1, . . . , t
|
{z
}
n
| {z }
n mal nach oben,
#Pfade (t − n) mal nach unten
mit Nt = n
Lemma 6.1. Die Verteilung von Nt , die auch die Verteilung der Werte St des Assets zu t beschreibt,
ist die Binomialverteilung:
t n
P(Nt = n) = P(Xt = S0 un dt−n ) =
p (1 − p)t−n
n
27
KAPITEL 6. DAS BINOMIALMODELL
Bemerkung 6.2. Der Prozess kann zum Zeitpunkt t nur t + 1 verschiedene Werte annehmen!
6.2
Arbitrage-Überlegungen
Lemma 6.2. Aus der No-Arbitrage“-Bedingung ergibt sich:
”
dt < ert < ut
∀t = 1, . . . , T .
(6.1)
Das risikoneutrale Maß im Binomialmodell ist eindeutig und besitzt die Form
qt =
ert − dt
ut − dt
(6.2)
Übungsbeispiel 6.1. Wenn (6.1) nicht erfüllt ist, gib eine Arbitrage-Strategie an!
Betrachte nun den diskontierten risikobehafteten Preisprozess
(
Set−1 ut e−rt wenn Xt = 1,
St
e
St =
=
Bt
Set−1 dt e−rt wenn Xt = 0,
Beweis. Wenn ein Martingalmaß Q existiert für Se0 , . . . , SeT (und damit keine Arbitrage möglich ist), dann
gilt für t = 1, . . . , T
Set−1 = EQ [Set |Ft−1 ]
und nach Division durch das Ft−1 -messbare Set−1 weiter
"
#
Set 1 = EQ
Ft−1 = ut e−rt Q(Xt = 1|Ft−1 ) +dt e−rt Q(Xt = 0|Ft−1 ) = ut e−rt qt + dt e−rt (1 − qt ) .
{z
}
|
{z
}
|
Set−1 =qt
=1−qt
Aufgelöst nach qt ergibt dies das eindeutig bestimmte risikoneutrale Maß
qt =
ert − dt
ut − dt
Dies ist nur ein RNM mit qt ∈ ]0, 1[, wenn obige Ungleichungen dt < ert < ut erfüllt sind.
Bemerkung 6.3. Im CRR Modell ergibt sich für die risikoneutrale Wahrscheinlichkeit eines Sprungs nach
oben
(1 + R) − d
q=
.
u−d
Das Martingalmaß für einen Pfad ω mit n Sprüngen nach oben ist Q(ω) = q n (1−q)t−n , das Martingalmaß
für den Wert St ist
t n
Q(St = S0 un dt−n ) =
q (1 − q)t−n , n = 0, 1, . . . , t
n
Bemerkung 6.4. Da qt = Q(Xt = 1|Ft−1 ) = Q(Xt = 1) unabhängig vom bisherigen Verlauf und dem
Wert Xt−1 – insbesondere also unabhängig von Ft−1 – ist, folgt
Q(X1 = x1 , . . . , XT = xT ) = Q(X1 = x1 ) · . . . · Q(XT = xT )∀x1 , . . . , xT ∈ {0, 1}
durch iteriertes Bedingen. D.h. die X1 , . . . , XT sind unabhängige Bernoulli-Zufallsvariablen (nicht notwendigerweise identisch verteilt) unter Q!
Bemerkung 6.5. Wenn (6.1) gilt, ist das Martingalmaß eindeutig und das Marktmodell daher vollständig.
Es gibt also kein arbitragefreies unvollständiges Binomialmodell.
28
KAPITEL 6. DAS BINOMIALMODELL
6.3
Bepreisung im Binomialmodell
Idee. Sei h : Ω → R ein Contingent Claim zur Zeit T , der FT = σ(X1 , . . . , XT )-messbar ist. Dann sind
die arbitragefreien diskontierten Preise gegeben durch EQ [h/BT |Ft ] und die nicht diskontierten Preise
durch
i
h
h Ft = EQ e−(rt+1 +···+rT ) h Ft für t = 0, 1, . . . , T .
Bt EQ
BT
Bemerkung 6.6. Das Modell könnte erweitert werden auf stochastische Ft−1 -messbare dt , ut und rt , die
(6.1) erfüllen. Die Unabhängigkeit der X1 , . . . , XT unter Q geht dabei aber eventuell verloren.
Beispiel 6.1 (CRR Modell, Preisdynamik im Binomialbaum). Sei T = 3, S0 = 80, u = 1.5, d = 0.5,
pu = 0.6, pd = 0.4 und R = 0.
Betrachte eine Europäische Call-Option mit Ausübungszeitpunkt T = 3 und Ausübungspreis K = 80.
Der Payoff ist also
+
hT = max(ST − K, 0) = (ST − K) .
Der Binomialbaum für den Preisverlauf St der Aktie sieht folgendermaßen aus:
270
hT = 190
90
hT = 10
30
hT = 0
10
hT = 0
180
120
80
60
40
20
Die Bestimmung des Preises Π(t) zu Zeitpunkten t < T erfolgt durch Rückwärtsinduktion aus Π(T |FT ) =
hT mittels risikoneutralen Maßes Q, qu = qd = 12 :
1
1
· 190 + · 10 = 100
2
2
Damit ergibt sich die Preisstruktur der Option als Replizierendes Portfolio durch Vorwärtsinduktion:
z.B.Π(t = 2|S2 = 180) =
180
120
80
60
40
90
hT = 10
30
hT = 0
10
hT = 0
5
2.5
20
hT = 190
100
52.5
27.5
270
0
Beginne bei t = 0. Gesucht ist (x1 , y1 ), sodass
x1 + 80y1 =27.5
(Preis zu t = 0)
x1 +120y1 =52.5
(Preis zu t = 1, X1 = 1 (up) )
x1 + 40y1 = 2.5
(Preis zu t = 1, X1 = 0 (down) )
29
KAPITEL 6. DAS BINOMIALMODELL
Dieses redundante Gleichungssystem von drei Gleichungen für (x1 , y1 ) besitzt die eindeutige Lösung
x1 = −22.5, y1 = 0.625. Der Preis (rechte Seite des GS) wurde genau so bestimmt, dass diese Gleichungen
eine Lösung besitzen.
Analog kann nun zu jedem Zeitpunkt t − 1 das Portfolio (xt , yt ) ausgehend von der momentanen Position
im Gitter bestimmt werden:
190
(−80, 1)
95
− 85
2 , 120
5
− 45
2 , 8
100
10
52.5
−5, 16
27.5
5
1
− 25 , 8
0
2.5
(0, 0)
0
0
Proposition 6.3. Betrachte einen Claim X = Φ(ST ). Dieser kann durch ein selbstfinanzierendes
Portfolio erreicht werden. Bezeichne Vt (k) den Wert am Knoten (t, Nt = k). Dann kann Vt (k)
rekursiv bestimmt werden
!
T
Y
Xt 1−Xt
VT (k) = Φ S0
ut dt
t=1
Vt (k) = e
−rt
[qu,t Vt+1 (k + 1) + qd,t Vt+1 (k)]
mit dem Martingalmaß Q aus (6.2). Das replizierende Portfolio (xt , yt ) ist gegeben durch
xt (k) = e−rt [ut Vt (k) − dt Vt (k + 1)] /(ut − dt )
1
yt (k) =
[Vt (k + 1) − Vt (k)] /(ut − dt )
St−1
6.4
Europäische Call-Option im Binomialmodell
Betrachte ein Wertpapier
Ptim CRR Modell, d.h. seien rt = r, ut = u und dt = d konstant (unabhängig von
t) und bezeichne Nt = n=1 Xt die Anzahl der up“-Bewegungen bis zum Zeitpunkt t. Der Aktienkurs
”
beträgt damit St = S0 uNt dt−Nt , der diskontierte Aktienkurs ist Set = St /Bt = e−rt S0 uNt dt−Nt .
Unter Q hat Nt (und damit auch St bzw. Set ) eine Binomial-Verteilung
Q St = S0 uk dt−k =
t k
q (1 − q)t−k , k ∈ {0, . . . , t} , t = 1, . . . , T .
k
Der betrachtete Claim sei eine europäische Call-Option mit Ausübungspreis K zum Zeitpunkt T , der
+
Payoff lautet also h = (ST − K) . Nach der bisherigen Theorie ist der arbitragefreie Preis C0 von h zum
Zeitpunkt t = 0 gegeben durch
h
i
+ +
C0 = EQ e−rT (ST − K) = EQ SeT − e−rT K
.
30
KAPITEL 6. DAS BINOMIALMODELL
Die Option ist in the money“ genau dann, wenn
”
u NT
K
log(K/S0 dT )
≥
⇔
N
≥
n
=
ST ≥ K ⇔ S0 uNT dT −NT ≥ K ⇔
T
k
d
S0 dT
log(u/d)
Der Wert der Option beträgt damit
C0 = e
−rT
T
X
n T −n
S0 u d
n=nk
T n
−K
q (1 − q)T −n
n
Bemerkung 6.7. Die rekursive Berechnung wie im letzten Abschnitt und die direkte Berechnung über den
gesamten Erwartungswert sind aufgrund der Linearität des Erwartungswerts äquivalent.
6.5
Verteilung des Maximums im Binomialmodell (Reflection
Principle)
Betrachte den Spezialfall u · d = 1, d.h. up“ und down“ heben sich genau auf, womit der Aktienkurs
”
”
sich vereinfacht zu
St = S0 u2Nt −t .
Definiere YT = max {St : t = 0, 1, . . . , T } mit Werten aus S0 , S0 u, . . . , S0 uT als das Maximum des
Kurses bis zum Zeitpunkt T .
Ziel. Unser Ziel ist nun die Bestimmung der Verteilung von YT , also P(YT ≥ S0 ui ) = P(2Nt − t ≥
i für ein i) für i = 0, 1, . . . , T .
Bei der Bestimmung dieser Wahrscheinlichkeitsverteilung werden wir einen sehr nützlichen Trick, das
Reflection Principle“ anwenden, welches uns eine Bijektion zwischen Pfaden liefert, die an einem be”
stimmten Level gespiegelt sind. Dasselbe Prinzip kann auch z.B. für die Bestimmung des Maximums der
Brown’schen Bewegung benutzt werden.
Lemma 6.4 (Verteilung des Maximums im Binomialgitter). Das Maximum Yt eines Pfades
im Binomialgitter besitzt die Verteilung
i
P(Yt ≥ S0 U ) =
|
T
T +i
2
p
T +i
2
(1 − p)
{z
T −i
2
}
T X
T n
+
p (1 − p)T −n + pT +i−n (1 − p)n−i
n
n=n∗
=0, wenn T + i ungerade
mit n∗ = min i ∈ R, i >
T +i
2
.
Beweis. Betrachte alle Pfade, die S0 ui erreichen und definiere τi = min {t : 2Nt − t = i} als den ersten
Zeitpunkt, zu dem S0 ui erreicht wird. Nach Voraussetzung gilt τi ≤ T . Wähle i = 0, . . . T fix und betrachte
drei disjunkte Fälle für den Endzeitpunkt:
1. 2NT − T = i (nur möglich, wenn i = T, T − 2, T − 4, . . . )
2. 2NT − T > i
3. 2NT − T < i, aber Yt ≥ S0 ui
Bei Fall 1 und 2 erreicht der Pfad automatisch S0 ui . Die Verteilung des Maximums kann daher zerlegt
werden in
P(2Nt − t ≥ i für ein i) = P(2NT − T = i) + P(2NT − T > i) + P((2NT − T < i) ∧ (τi ≤ T ))
Die Wahrscheinlichkeiten der einzelnen Terme lassen sich getrennt bestimmen:
31
KAPITEL 6. DAS BINOMIALMODELL
T +i
T −i
1. P(2NT − T = i) = P NT = 12 (i + T ) = TT+i p 2 (1 − p) 2 , wenn i = T, T − 2, T − 4, . . . ,
2
ansonsten 0
PT
2. P(2NT − T > i) = n=n∗ Tn pn (1 − p)T −n mit n∗ = min i ∈ R, i > T 2+i
3. Dieser Fall ist komplizierter, da aus der Bedingung für T nicht auf das Maximum geschlossen
werden kann. Allerdings werden wir feststellen, dass eine Dualität mit den Pfaden aus Fall 2 besteht,
insbesondere eine Bijektion zwischen den Pfaden in 2 und 3:
Betrachte also einen beliebigen Pfad P ∗ in 3. Er erreicht nach Definition den Wert S0 ui , weshalb
τi < T gilt. Der Pfad Pe, der bis zu τi mit P ∗ übereinstimmt und ab dann an S0 ui gespiegelt ist
(siehe Grafik 6.1), erfüllt 2NT − T > i und liegt daher in 2. Außerdem ist er eindeutig (also die
Abbildung injektiv). Auf dieselbe Art können wir jedem Pfad aus Fall 2 einen Pfad aus Fall 3
zuweisen, womit wir eine Bijektion zwischen Fall 2 und 3 haben. Insbesondere hat Fall 2 gleich viele
Pfade wie 3.
Τi
1
2
3
4
5
Abbildung 6.1: Das Reflektionsprinzip: Ab der Stoppzeit τi wird der Pfad am Level S0 ui gespiegelt. Damit
erhalten wir eine Bijektion zwischen Pfaden in 2 und 3.
Betrachte nun einen Pfad aus 2 mit NT = n ≥ n∗ . Seine Wahrscheinlichkeit ist pn (1 − p)T −n und
es gibt Tn derartige Pfade, die bei n enden. Sein Partnerpfad aus 3 endet bei NT = T + i − n
(symmetrisch unter der Schranke
(T +i)/2) und hat daher die Wahrscheinlichkeit pT +i−n (1−p)n−i .
T
Auch hier gibt es genau n verschiedene derartige Pfade wegen der Dualität.
Damit erhalten wir die Wahrscheinlichkeiten
T T +i−n
P((2NT − T < i) ∧ (NT = T + i − n) ∧ (τi < T )) =
p
(1 − p)n−i
n
T X
T T +i−n
P((2NT − T < i) ∧ (τi < T )) =
p
(1 − p)n−i
n
∗
n=n
Insgesamt erhalten wir also genau den Ausdruck im Lemma.
Die Wahrscheinlichkeitsverteilung des Maximums wird z.B. benötigt für
• Knock-Out/-In Optionen: Dieser Typ von Optionen zahlt nichts (oder nur dann) aus, wenn der
Kurs irgendwann eine bestimmte Schranke über- oder unterschreitet.
• Lookback-Optionen: Payoff h ist abhängig vom Maximum (oder Minimum) des Kurses in einem
Zeitintervall. Z.B. das Recht, zu T die Aktie zum höchsten Kurs YT bis zu diesem Zeitpunkt zu
verkaufen. Für die Bewertung wird damit die genau Verteilung des Maximums sowie des Kurses
benötigt.
KAPITEL 6. DAS BINOMIALMODELL
6.5.1
32
Übungsaufgaben
Bsp. 6.1) Lookback-Option im CRR-Modell mit Payoff X = (YT − K)+ (Call) mit YT = max0≤t≤T St .
Benutze u · d = 1 und bepreise diese Option.
Hinweis: Die Verteilung unter dem risikoneutralen Maß hat dieselbe Verteilung wie die tatsächlichen Wahrscheinlichkeiten, lediglich mit q statt p.
Bsp. 6.2) Knockout-Option im CRR-Modell: Bepreise eine Option mit Strike K und Knockout-Barriere
H, K < H, S0 < H, mit Payoff
(
(St − K)+ wenn YT < H
X=
0
sonst
Kapitel 7
Markov Modelle
Dieser Abschnitt hält sich in groben Zügen an [Pli97] und [Sch02], für tiefer gehende Theorie zu MarkovKetten, siehe [Wil91].
Sei (E, E) der Zustandsraum (messbar) und (Ω, F, {Ft }t∈I , P) mit I ⊆ R ein filtrierter Wahrscheinlichkeitsraum.
Definition 7.1. Ein adaptierter stochastischer Prozess {Xt }, Xt : Ω → E, ist ein Markov-Prozess
bezüglich der Filtration {Ft }t∈I , wenn
P (Xt+1 = j|Ft = σ(X1 , . . . , Xt )) = P (Xt+1 = j|Xt ) ∀j ∈ E, ∀t ∈ I .
(⇔ P (Xt+s = j|Ft ) = P (Xt+s = j|Xt ) ∀s
(⇔ ∀s, t ∈ I, s < t : P (Xt ∈ F |Fs ) = P (Xt ∈ F |Xs ) P-f.s.∀F ∈ E)
(7.1)
Bemerkung 7.1. Die Relation (7.1) wird Markov-Eigenschaft genannt.
Interpretation. Die Zukunft Xt hängt von der Vergangenheit (Fs )s≤t nur durch den momentanen Zustand
Xs ab, nicht durch den gesamten bisherigen Verlauf σ(X1 , . . . , Xs ).
Definition 7.2 (homogener bzw. stationärer Markovprozess). Ein Markov-Prozess heißt homogen oder stationär, wenn
P (Xt+u ∈ F |Xt ) = P (Xs+u ∈ F |Xs ) ∀s, t ∈ I∀u .
Die Übergangswahrscheinlichkeiten für einen Zeitschritt können dann als Matrix P dargestellt werden
mit Einträgen
P(i, j) = P(Xt+1 = j|Xt = i), i, j ∈ E .
Die Übergangswahrscheinlichkeiten für n Zeitschritte ergeben sich als die Einträge der n-ten Matrixpotenz
von P: Pi,j (n) = (Pn )i,j .
Beispiel 7.1. Der Random Walk Sn = Y1 + Y2 + · · · + Yn = Sn−1 + Yn mit (Yi )i∈R unabhängige identisch
verteilte Zufallsvariablen ist ein (homogener) Markovprozess.
Lemma 7.1. Die Markoveigenschaft (7.1) ist äquivalent zu EP [g(Xt )|Fs ] = EP [g(Xt )|Xs ] P-f.s. für
alle E-messbaren Funktionen g : E → R, die beschränkt oder nicht-negativ sind.
33
34
KAPITEL 7. MARKOV MODELLE
Beweisskizze.
⇐ Trivial: g = 1F ∀F ∈ E
⇒ Standard-Methode: für charakteristische Funktionen nach Vor. erfüllt ⇒ für einfache Funktionen
(Treppenfunktionen) durch Linearität des Erwartungswerts erfüllt.
Für beschränkte, messbare g : E → R existiert eine Folge von einfachen Funktionen (gn )n∈R mit
kgn k∞ ≤ kgk und gn → g punktweise. Wegen der dominierten Konvergenz folgt dann
dom.
= lim EP [gn (Xt )|Fs ]
EP [g(Xt )|Fs ] Konv.
Markov
n→∞
=
dom.
= EP [g(Xt )|Xs )] P-f.s.
lim EP [gn (Xt )|Xs ] Konv.
n→∞
Bei nicht-negativem g benutze stattdessen monotone Konvergenz, allgemeine g lassen sich schließlich
als Differenz zweier nicht-negativer Funktionen darstellen.
Bemerkung 7.2. Die Markov-Eigenschaft für Rd -wertige Prozesse ist komponentenweise definiert.
Lemma 7.2. Sei Xt : Ω → R, t ∈ I ⊂ R, ein Markov-Prozess. Dann gilt für alle E ⊗ E-messbaren
h : E × E → R, die beschränkt oder nicht-negativ sind, für s, t ∈ I, s < t:
EP [h(Xs , Xt )|Fs ] = EP [h(Xs , Xt )|Xs ] P-f.s.
(7.2)
(vergleiche (3.35) in Pliska [Pli97])
Beweis. Sei zuerst h(x, y) = f (x)g(y) mit f, g : E → R beschränkt und E-messbar:
EP [h(Xs , Xt )|Fs ] = EP [f (Xs )g(Xt )|Fs ] = f (Xs )EP [g(Xt )|Fs ] = f (Xs )EP [g(Xt )|Xs ] = E[f (Xs )g(Xt )|Xs ]
Sei nun H = {h : E × E → R|h ist E ⊗ E-messbar, beschränkt und erfüllt (7.2)}. H erfüllt:
1. H ist ein Vektorraum.
2. H enthält alle h(x, y) = f (x)g(y) mit f, g : E → R beschränkt und E-messbar (insbesondere
h = 1F ×G mit F, G ∈ E)
3. Wenn {hn }n∈R ⊂ h beschränkt und nicht-negativ mit hn % h, dann gilt h ∈ H (über monotone
Konvergenz).
Wegen dem Theorem über monotone Klassen (siehe Anhang) enthält H daher alle beschränkten, E ⊗ Emessbaren h : E × E → R. Daher wegen 3 auch alle nicht-negativen h, die E ⊗ E-messbar sind.
Bemerkung 7.3. Die Verallgemeinerung auf d Dimensionen erfolgt durch komponentenweise Betrachtung.
Theorem 7.3. Sei der Preisprozess Se0 , . . . , SeT ein Markov-Prozess unter P (mit E = Rd ) und
arbitragefrei. Dann existiert ein äquivalentes Maß Q ∼ P, sodass Se0 , . . . , SeT ein Q-Martingal ist,
sowie ein Markov-Prozess unter Q.
Bemerkung 7.4. Die Existenz eines äquivalenten Martingalmaßes folgt aus der Arbitragefreiheit. Dieser
Satz sagt aus, das die Markov-Eigenschaft auch unter einem äquivalenten Martingalmaß erhalten bleibt.
Beweis. Die Existenz eines Q0 ∈ M∞
t folgt nach Dalang-Morton-Willinger.
Definiere ZT = dQ0 /dP und Zt = EP [ZT |Ft ]. Für jedes A ∈ Ft gilt
EW
Q0 (A) = EP [1A ZT ] bed.=
EP [1A E[ZT |Ft ]] = EP [1A Zt ]
Dies bedeutet, dass Zt eine Dichte von Q0 |F t bezüglich P|Ft ist.
h
i
Da Q0 ∼ P, gilt ZT > 0 P-f.s. und EP ZZt+1
F
= Z1t EP [Zt+1 |Ft ].
t
t
h
i
t e
Konstruktion von Q ∼ P: Definiere dt = EP ZZt−1
St , Set−1 für t = 1, . . . , T .
Betrachte Y0 = Z0 und Yt = Z0 d1 · · · · · dt für t = 1, . . . , T . Dann:
35
KAPITEL 7. MARKOV MODELLE
1. dt > 0 f.s., daher auch Yt > 0 f.s. ∀t = 1, . . . , T
2. dt ist Ft -messbar, daher auch Yt ∀t = 1, . . . , T
Zt+1 e
Def
e
St+1 , St Ft
3. EP [dt+1 |Ft ] = EP EP
Zt
|
{z
}
EP
Lem. 7.2
=
EP [h(Set , Set+1 )|Set ]=1 EP [Zt+1 /Zt |Set ]
bed.EW
=
et ,S
et+1 )
=h(S
Set = 1. Daher gilt
EP [ Zt+1 /Zt | Ft ]
|
{z
}
Mart. 1
Zt
= Z1 EP [Zt+1 |Ft ] =
t
Zt =1
Yt+1 Ft = 1 ,
Y | {zt }
EP
dt+1
weshalb Yt ein P-Martingal ist und daher EP [YT ] = EP [Y0 ] = EP [Z0 ] = 1 erfüllt.
Insgesamt wird also durch dQ
dP = YT ein Wahrscheinlichkeitsmaß Q mit Q ∼ P definiert.
e
Martingaleigenschaft von (S0 , . . . , SeT ) bezüglich Q:
et+1 |Ft ]
Yt+1
Bayes EP [Yt+1 S
EQ [Set+1 |Ft ] =
= EP
Set+1 Ft
EP [Yt+1 |Ft ]
Y
| {zt }
|
{z
}
=
EP EP
=
h
i
EP dt+1 Set+1 |Set
dt+1
=Yt
et+1 ist
S
et+1 -mb
S
Lemma mit
et ,S
et+1 )=
h(S
et+r
dt+1 S
Zt+1 e e
Zt+1 e e
1
e
S
,
S
S
S
S
EP [Zt+1 Set+1 |Ft ]
=
E
=
E
t
t+1
t
t+1
t
P
P
Zt
Zt
Zt
{z
}
|
Bayes
Set
0
et+1 |Ft ]Q -Mart.
et
= EQ0 [S
= S
= EP [Set |Set ] = Set .
Markov-Eigenschaft von (Se0 , . . . , SeT ) bezüglich Q: Sei g : Rd → R beschränkt und messbar.
et+1 )|Ft ]
Bayes EP [Yt+1 g(S
Lemma
EQ [g(Set+1 |Ft ] =
= EP [dt+1 g(Set+1 ) |Ft ] = EP [dt+1 g(Set+1 )|Set ] = . . .
|
{z
}
EP [Yt+1 |Ft ]
{z
}
|
e ,S
e
=:h(S
)
t
Yt
t+1
· · · = EQ [g(Set+1 )|Set ]
Korollar 7.4. Der Preis im Zustand F ∈ E hängt nicht von der Vergangenheit ab, sondern nur vom
momentanen Zustand:
ME
Def. MM
Set
=
EQ Set+s Ft
= EQ Set+1 Set
∀t, s
|{z}
|{z}
gesamter
bish. Verlauf
Knoten im
Baum/Gitter
Beispiel 7.2. Das Binomialmodell ist ein Spezialfall des Markov-Modells.
Bemerkung 7.5 (Faktormodell). Obige Eigenschaften gelten nur für deterministischen Zins rm . Ist das
Bankkonto nicht deterministisch, sondern stochastisch, ist Set i.A. keine Markovkette mehr (auch wenn
Bt ein Markov-Prozess ist!).
Mögliche Lösung in diesem Fall: Marktmodell mit zugrunde liegendem Faktorprozess X (Markov-Prozess),
von dem das Bankkonto abhängt (z.B. Preise aller relevanten Wertpapiere).
1 Da
et ) ⊂ σ(S
et , S
et+1 )
σ(S
KAPITEL 7. MARKOV MODELLE
36
Das Bankkonto ist dann definiert durch ft : Rk → R, ft (Xt ) = Bt , wobei Xt ein entsprechender Sample(n)
Pfad aus Ω ist. Ebenso sind die Wertpapiere in Abhängigkeit vom Markov-Prozess X definiert: St =
(n)
(n)
St (Xt ), wobei St nun nicht unbedingt ein Markov-Prozess sein muss.
Se(n) ist nun der Quotient zweier Funktionen des Markov-Prozesses Xt , aber nicht unbedingt selbst ein
e ist ein MarkovMarkov-Prozess. Nun kann analog wie im Satz vorgegangen werden: X (und nicht S)
Prozess unter Q und damit
h
i
(n)
(n)
(n)
Set = EQ Set+s |Ft = EQ [Set+s |Xt ] ∀n, t, s .
Beispiel 7.3. Sei gt (x) = S0 ux dt−x , dann ist im Binomialmodell St = gt (Nt ), wobei Nt ein MarkovProzess ist. St ist stationär, weil die Übergangswahrscheinlichkeiten konstant sind (mit X1 , . . . , XT i.i.d.):


wenn j = su
p,
P(St+1 = j|St = s) = 1 − p, wenn j = sd


0,
sonst
Wenn u = d1 (anderenfalls liefert eine up und eine down-Bewegung nicht wieder denselben Wert und die
Anzahl der möglichen Zustände ist zeitabhängig), dann gibt es 2T + 1 mögliche Zustände.
Martingalbedingungen für Q: Es ist Set = S0 uNt dt−Nt /(1 + R)t .
EQ [Set+1 |Set ] = EQ [S0 uNt+1 dt+1−Nt+1 /(1 + R)t+1 |Set ] = EQ [S0 uNt +Xt+1 dt−Nt +1−Xt+1 /(1 + R)t+1 |Set ]
Nt ist
et -mb.
S
uNt dt−Nt
iid.
EQ [uXt+1 d1−Xt+1 /(1 + R)|Set ] = Set /(1 + R)EQ [uXt+1 d1−Xt+1 ]
(1 + R)t
Set
u − (1 + R)
(1 + r) − d
=
+d
u
= Set
1+R
u−d
u−d
=
S0
Das Binomialmodell ist also ein Markov-Modell.
Alternativ kann das Binomialmodell auch als ein Faktormodell mit dem Faktorprozess Nt angesehen
werden:
EQ [Set+1 |Nt ] = Set
7.1
Übungsaufgaben
Bsp. 7.1) Betrachte das Binomialmodell als Spezialfall eines Faktormodells und zeige, dass E[Set+1 |Nt ] =
Set .
Kapitel 8
Grenzübergang im Binomialmodell:
Das Black-Scholes Modell
8.1
Schwache Konvergenz, zentraler Grenzwertsatz in schwacher Formulierung
Sei (S, d) ein metrischer Raum und S seine Borel-σ-Algebra.
Definition 8.1 (schwache Konvergenz). Eine Folge (µn )n∈R von Wahrscheinlichkeitsmaßen auf
(S, S) konvergiert schwach gegen ein Wahrscheinlichkeitsmaß µ, wenn
Z
Z
lim
f dµn =
f dµ für alle beschränkten, stetigen f : S → R.
n→∞
S
S
w
Notation. µn −
→µ
Theorem 8.1 (zentraler Grenzwertsatz, o.B.). Seien {Xn }n∈R ⊂ L2 (Ω, F, P) unabhängige,
identisch verteilte Zufallsvariablen. Definiere Sn = X1 + . . . Xn . Die Verteilung von
SN − E[Sn ]
Gn = √
,n ∈ R
V arSn
konvergiert schwach gegen die Standard-Normalverteilung auf (R, B). D.h. für alle beschränkten,
stetigen Funktionen f : R → R gilt
Z
1 2
1
lim E[f (Gn )] =
f (x) √ e− 2 x dx .
n→∞
2π
R
w
Lemma 8.2. Sei (S, d) ein metrischer Raum, µn −
→ µ und f : S → R stetig (aber nicht unbedingt
beschränkt).
1. Wenn ∀ε > 0∃Mε > 0 mit
Z
sup
n∈R
dann gilt f ∈ L1 (S, S, µ) und limn→∞
|f |>Mε
R
S
|f |dµn ≤ ε ,
f dµn =
37
R
S
f dµ.
KAPITEL 8. GRENZÜBERGANG IM BINOMIALMODELL: DAS BLACK-SCHOLES MODELL 38
2. Wenn ein messbares ϕ : [0, ∞) → [0, ∞) existiert mit
ϕ(x)
lim
=∞
x→∞ x
Z
sup
und
n∈R
S
ϕ(|f |)dµn < ∞ ,
dann gilt 1 auch für f .
Definition 8.2. Sei (S, d) ein metrischer Raum mit Borel-σ-Algebra S. Eine Folge von Zufallsvariablen Xn : Ω → S, n ∈ R ist schwach konvergent gegen die Zufallsvariable X : Ω0 → S, wenn
die Verteilungen µn = PXn−1 , n ∈ R, schwach gegen µ = P0 X −1 konvergieren, wobei (Ω0 , F 0 , P0 ) ein
anderer Wahrscheinlichkeitsraum sein kann.
8.2
Reskalierung des Binomialmodells
Ziel. Skalierung des Binomialmodells auf m Schritte der Länge T /m, T > 0, und Grenzübergang m → ∞,
was zu einem stetigen Modell führt.
Betrachte ein Binomialmodell mit:
m
⇒ rm = rT
m
q p
rT
T
2. Schritt nach oben: um = e m 1 + α m
mit geeignetem α > 0. Die Größe des Schrittes α T /m
√
ist also proportional zur Wurzel aus dem Zeitschritt, ∆t.
q p rT
T
m
3. Schritt nach unten: Wähle β ∈ 0, m
und
d
=
e
1
−
β
m
T
m .
1. Zinsrate rm : erT = (erm )
Das Martingalmaß Q dieses Binomialmodells mit m Schritten, in dem die X1 , . . . , Xm unabhängige,
identisch verteilte Bernoulli-Variablen sind, lautet
q
T
rm
rm
β
e
e − dm
β
m
q =
Q(Xi = 1) = q =
=
für i = 1, . . . , m
um − dm
α
+
β
T
r
e m (α + β)
m
Notation. σ =
√
αβ wird Volatilität genannt.
Insgesamt haben wir also 4 Parameter α, β, q und σ, von denen 2 frei wählbar sind.
Wenden wir nun eine Taylor-Approximation auf log um und log dm an:
r
rT
T
1 2T
1
log um =
+α
− α
+O
m
m
2 m
m3/2
r
rT
T
1 T
1
log dm =
−β
− β2
+O
m
m
2 m
m3/2
r
um
T
1 2
1
2 T
log
= log um − log dm = (α + β)
−
α −β
+O
dm
m 2
m
m3/2
KAPITEL 8. GRENZÜBERGANG IM BINOMIALMODELL: DAS BLACK-SCHOLES MODELL 39
T
Betrachte den diskontierten Aktienpreis nach m Schritten der Größe m
:
um
Nm m−Nm
−rT
u
d
=
S
e
exp
N
log
Sem = S0 e|−rT
+
m
log
d
0
m
m
{z } m m
|{z}
dm
P
m
(e−rm )
=
einfügen
=
E[Nm ]
S0 e−rT
Xi
z}|{
um
Nm − mq √ p
um
+ mq log
+ m log dm
exp p
m q(1 − q) log
dm
dm
mq(1 − q) |
{z
}
|
{z
}
|
{z
}
√
|
Var Nm
{z
∗ ... ZV
=:Nm
(4)
}
()
Die einzelnen Terme berechnen sich durch Einsetzen der Definitionen und der Taylor-Approximation zu
s
"
r
#
√
β
T
α
1
T
1
(4) = m
(α + β)
− (α + β)(α − β) + O
α+β α+β
m 2
m
m3/2
p
√
1
T
1
= αβ
T − (α − β) √ + O
| {z }
2
m
m
σ
um
+ m log dm = mq log um + m(1 − q) log dm
dm
√
1
α2
qT + O √
= rT q + qα T m −
2
m
√
1
1
= rT (1 − q) − β(1 − q) T m − β 2 (1 − q)T + O √
2
m
() = mq log
mq log um
m(1 − q) log dm
Insgesamt also
√
√
T
1
1
∗
e
+ rT + T m (qα − β(1 − q))
Sm = S0 exp(−rT ) exp Nm σ
T − (α − β) √ + O
2
m
m
1
T
α2 q + β 2 (1 − q) + O √
−
2
m
2
√
√
βα
β2α
1
αβ
T
α β
1
∗
−
+
= S0 exp Nm σ T 1 + O √
−
+O √
+ Tm
α+β
α+β
2 α+β
α+β
m
m
|
{z
}
|
{z
}
√
∗
= S0 exp Nm
σ T
1+O
1
√
m
−
T 2
σ +O
2
=0
1
√
m
2
=αβ α+β
α+β =σ
w
∗
Nach dem zentralen Grenzwertsatz gilt Nm
−−−−→ W1 ∼ N (0, 1). Daher
√
m→∞
w
∗
T Nm
−−−−→ WT ∼ N (0, T ) .
m→∞
L2 ,P
√
∗
Außerdem gilt Nm
σ T O √1m + O √1m −−−−→ 0 und daher
√
∗
Nm
σ T
Insgesamt
1+O
m→∞
1
√
m
+O
1
√
m
w
−−−−→ σWT
m→∞
1
w
Sem −−−−→ S0 exp σWt − σ 2 T
m→∞
2
(8.1)
Korollar 8.3. Der diskontierte Preis zur Zeit t im skalierten Binomialmodell mit m Zeitschritten der
T
Größe m
konvergiert schwach (bzw. in der Verteilung) gegen die geometrische Brown’sche Bewegung
S0 exp σWt − 12 σ 2 T zur Zeit T .
KAPITEL 8. GRENZÜBERGANG IM BINOMIALMODELL: DAS BLACK-SCHOLES MODELL 40
8.3
Die Black-Scholes-Formel
Konvergenzsätze auf Europäische Call-Option angewendet:
−1
w
−1
haben wir gerade µm −
→ µ gezeigt für m → ∞.
Mit µm = QSem
und µ = P0 S0 exp σWT − 21 σ 2 T
+
Wenn f (x) = x − e−rT K
(Payoff des Calls), x ∈ R, die Bedingungen des Punktes 2 des Lemmas 8.2
erfüllt, dann ist:
+ Z
+
−rT
e
C(m) = EQ Sm − e
K
=
x − e−rT K dµm
R
{z
}
|
Preis im Binomialmodell
"
+ #
Z
+
1 2
w
−rT
−rT
K
−−−−−−−→
x−e
K dµ = EP0
S0 exp σWT − σ T − e
Lemma 8.2
2
R
|
{z
}
Call-Optionspreis im Modell mit geom. BB
f ist stetig, aber unbeschränkt. Allerdings erfüllt es die Bedingungen des Punktes 2 von Lemma 8.2 mit
messbarem ϕ(x) = x2 , welches auch ϕ(x)
x = x → ∞ erfüllt.
Z
Z
2
m 2m−2Nm
ϕ(|f |)dµm =
f 2 dµm ≤ EQ Sm
= EQ S02 e−2rT u2N
m dm
|{z}
R
R
≤x2
= S02 e−2rT
m
X
2m−2n
u2n
m dm
n=0
m n
q (1 − q)m−n
n
{z
}
|
Binomialvert. unter Q
|
{z
}
=(qu2m +(1−q)d2m )m wegen Binomialformel

r
2rT
= S02 e−2rT qe m
1+α
T
m
!2
+ (1 − q)e
r
2rT
m
1−β
T
m
!2 m

!
!!m
r
T
α
T
T
T
= S02 e−2rT e2rT
1 + 2α
+ α2
+
1 − 2β
+ β2
m
m
α+β
m
m
m
T m
T
+ αβ 2 m
α + β + α2 β m
T
2
%m→∞ S0 exp σ 2 T =: L < ∞
αβ
= S02
=
S
1
+
0
m
|{z}
(α + β)
m
β
α+β
r
σ2
Damit ist also das Lemma 8.2, Punkt 1, anwendbar und das Black-Scholes-Modell ergibt sich tatsächlich
als Grenzwert des Binomialmodells.
8.3.1
Ableitung der Black-Scholes-Formel
Im Modell mit geometrischer Brown’scher Bewegung ist die Option in the money“ ⇔
”
√
1 2
1
S0 exp σWT − σ T ≥ e−rT K ⇔ σWT − σ 2 T ≥ log K/(erT S0 ) ⇔ WT ≥ − T d2
2
2
KAPITEL 8. GRENZÜBERGANG IM BINOMIALMODELL: DAS BLACK-SCHOLES MODELL 41
mit d2 =
1
√
σ T
− log
e−rT K
S0
"
− 12 σ 2 T
=
1
√
σ T
log
S0
e−rT K
− 21 σ 2 T . Daher gilt
+ #
1 2
−rT
C = EP0
S0 exp σWT − σ T − e
K
2
+
Z ∞
1 2
1 y2
1
−rT
√
S0 exp σy − σ T − e
= √
exp −
dy
K
2
2T
2πT
− T d2
{z
}
|
N (0,T )
Z ∞
Z ∞
x = √y √
x2
1
1
1 2
1 2
T √
=
S
Ke−rT √ e− 2 ds
=
exp
σx
T
−
σ
T
−
x
dx
−
0
dy
dx = √T 2{z
2 }
2π
2π
−d2
−d
|
| 2
{z
}
√
2
=− 21 (x−σ T )
Ke−rT (1−Φ(−d2 ))=Ke−rT Φ(d2 )
√
Z d2 +σ√T
z = σ T − x
1
1 2
√ exp − z dz −Ke−rT Φ(d2 )
=
= S0
dz = −dx 2
2π
−∞
|
{z
}
Φ(d1 )
√
mit d1 = d2 + σ T =
1
√
σ T
log
S0
e−rT K
+ 12 σ 2 T .
Ergebnis 1 (Black-Scholes-Formel). Der Preis einer europäischen Call-Option im Black-Scholes Modell ist
C = S0 Φ(d1 ) − Ke−rT Φ(d2 )
mit
1 2
d1 =
log −rT − σ T
e
K
2
σ T
1
S0
1 2
d2 = √
log −rT + σ T .
e
K
2
σ T
1
√
S0
Bei dieser Formel ist nicht so sehr der genaue Wert von d1 und d2 (symmetrisch um log
vielmehr die allgemeine Form interessant.
S0
e−rT K
!), als
Kapitel 9
Amerikanische Optionen im
diskreten Modell
Dieses Kapitel richtet sich zu einem großen Teil nach Lamberton und Lapeyre [LL96].
Definition 9.1 (Amerikanische Optionen). Eine amerikanische Option mit Ausübungszeitpunkt
T ∈ R kann zu jedem Zeitpunkt t ∈ {0, 1, . . . , T } ausgeübt werden. Der Payoff zu t ist Zt , wobei
{Zt }t∈{0,...,T } ein nicht-negativer, (Ft )t∈{0,...,T } -adaptierter Prozess ist.
Beispiel 9.1.
1. Amerikanische Call-Option, Strike K, Payoff Zt = (St − K)
2. Amerikanische Put-Option, Strike K, Payoff Zt = (K − St )
+
+
Ziel. Zusätzlich zur Bestimmung des fairen Preises wie bei Europäischen Optionen (die nur zu einem
fixen Zeitpunkt T ausgeübt werden konnten), stellt sich bei amerikanischen Optionen auch die Frage
nach dem optimalen Zeitpunkt der Ausübung (als Stoppzeit; zu t muss entschieden werden können, ob
die Option jetzt ausgeübt werden soll).
Betrachte den Preis {Ut }0≤t≤T der Option, basierend auf dem Payoff {Zt }0≤t≤T . Zum Zeitpunkt T ist
der Preis trivialerweise gleich dem Payoff:
UT = ZT
Sei Q ∈ M∞
t ein Martingalmaß. Dann ist BT −1 EQ [UT /BT |FT −1 ] ein fairer Preis zum Zeitpunkt T − 1
des Payoffs (zu T ). Allerdings hat man zum Zeitpunkt T − 1 auch die Wahl, die Option gleich auszuüben,
wenn dies zu einem besseren Ergebnis führt. Daher ergibt sich also der Preis zu T − 1 der Option als
UT UT −1 = max
ZT −1
, BT −1 EQ
F
T −1
| {z }
BT {z
}
Ausübung zu T − 1 |
warten
Induktiv erhält man aufgrund derselben Argumentation für jeden Zeitpunkt t = 0, 1, . . . , T − 1 den Preis
Ut+1 Ut = max Zt , Bt EQ
Ft
Bt+1 et = Ut /Bt einer amerikanischen Option mit diskontiertem
Ergebnis 2. Für den diskontierten Preis U
e
Payoff Zt = Zt /Bt gilt
eT = Z
eT
U
io
n
h
et = max Z
et , EQ U
et+1 Ft .
U
42
KAPITEL 9. AMERIKANISCHE OPTIONEN IM DISKRETEN MODELL
9.1
43
Die Snell-Envelope (Snell’sche Einhüllende)
Definition 9.2 (Snell’sche Einhüllende). Sei {Zt }t≤T ein adaptierter Prozess. Die Snell’sche
Einhüllende (Envelope) {Ut }t≤T ist definiert durch
(
Ut =
Zt ,
max {Zt , E [Ut+1 |Ft ]}
wenn t = T
für t ∈ {0, . . . , T − 1}
Lemma 9.1. {Ut }t≤T ist das kleinste P-Supermartingal, das {Zt }t≤T dominiert.
Beweis.
• Da nach Definition Ut ≥ Zt ∀t ≤ T gilt, ist U dominierend.
• Weiters gilt nach Definition Ut ≥ E[Ut+1 |Ft ], womit U ein Supermartingal ist.
• Sei nun {Vt }t≤T ein dominierendes Supermartingal von {Zt }t≤T . Wir werden induktiv zeigen, dass
V das Supermartingal U dominiert. Es ist nach Definition VT ≥ ZT = UT . Wenn Vt+1 ≥ Ut+1 ,
dann gilt

Super
Mart.
Vt ≥ E[Vt+1 |Ft ] ≥ E[Ut+1 |Ft ] f.s. Vt ≥ max (Zt , E[Ut+1 |Ft ]) = Ut

Vt ≥ Zt
Damit dominiert nach Rückwärtsinduktion Vt also Ut und {Ut }t≤T ist das kleinste Supermartingal,
das Z dominiert.
Lemma 9.2. τ0 = inf {t ≥ 0 : Ut = Zt } ist eine Stoppzeit und die gestoppte Folge {Ut∧τ0 }t≤T ist ein
Martingal.
Beweis.
St a) Da UT = ZT gilt, ist τ0 wohldefiniert und τ0 ∈ {0, . . . , T } ∀ω ∈ Ω. Es ist weiters {τ0 ≤ t} =
n=0 {Zn = Un } ∈ Ft ∀t ∈ {0, . . . , T }, womit τ0 eine Stoppzeit ist.
b) Für die Martingaleigenschaft schreibe für t ∈ {0, . . . , T }
τ0
Ut+1
= Ut+1∧τ0 = U0 +
t+1
X
Hj (Uj − Uj−1 ) ,
j=1
wobei Hj = 1{τ0 ≥j} . Beachte, dass {τ0 ≥ j} = Ω/ {τ0 ≤ j − 1} ∈ Ft−1 , d.h. Hj ist vorhersagbar.
Da Ut > Zt auf {τ0 ≥ t + 1}, gilt Ut = E[Ut+1 |Ft ] f.s. zu diesen Zeiten. Daher ist
τ0
Ut+1
− Utτ0 = Ht+1 (Ut+1 − Ut ) = Ht+1 (Ut+1 − E[Ut+1 |Ft ]) .
Da Ht+1 Ft -messbar ist, gilt
τ0
E Ut+1
− Utτ0 Ft = Ht+1 E [ Ut+1 − E[Et+1 |Ft ]| Ft ] = 0
{z
}
|
=0
und Utτ0 ist ein Martingal.
Bemerkung 9.1. Seit τ : Ω → I eine Stoppzeit mit I = {0, . . . , T } oder I = N. Dann gilt:
1. Wenn {Xt }t∈I adaptiert ist, dann ist auch {Xtτ }t∈I adaptiert.
KAPITEL 9. AMERIKANISCHE OPTIONEN IM DISKRETEN MODELL
44
2. Wenn {Xt }t∈I ein Martingal ist, dann ist auch {Xtτ }t∈I ein Martingal.
3. Wenn {Xt }t∈I ein Sub-/Supermartingal ist, dann ist auch {Xtτ }t∈I ein Sub-/Supermartingal.
Definition 9.3. Für T ∈ R, 0 ≤ t ≤ T sei Tt,T die Menge der Stoppzeiten mit Werten aus
{t, . . . , T }.
Definition 9.4. Eine Stoppzeit τ ∈ T0,T heißt optimal für die adaptierte Folge {Zt }t≤T , wenn
E[Zτ0 |F0 ] = supτ ∈T0,T E[Zτ |F0 ] f.s.
Korollar 9.3. Die Stoppzeit τ0 = inf {τ ≥ 0|Uτ = Zτ } ist optimal für {Zt }t≤T und U0 = E[Zτ0 |F0 ]
f.s.
Beweis.
Mart.
τ0
|F0 ]
U0 = U0τ0 = E[UN
Def.
Stoppz.
=
E[Uτ0 |F0 ] = E[Zτ0 |F0 ] f.s.
Seit τ ∈ T0,T eine Stoppzeit. Dann ist U τ ein Supermartingal (Bew: Übung) und daher
τ
U0 ≥ E[UN
|F0 ] = E[Uτ |F0 ] ≥ E[Zτ |F0 ]
⇒
τ0 ist optimal
Bemerkung 9.2. Verallgemeinerung: Für n ∈ {0, . . . , T } ist τn = inf {n ≤ τ ≤ T : Uτ = Zτ } eine optimale
Stoppzeit für {Zt }t≤T mit Un = E[Zτn |Fn ].
Theorem 9.4. Eine Stoppzeit τ ist optimal für die adaptierte Folge {Zt }t≤T mit Snell’scher Envelope {Ut }t≤T dann und nur dann, wenn Zτ = Uτ f.s. und {Utτ }0≤t≤T ein Martingal ist.
Beweis.
Mart.
⇐ U0 = U0τ =
Stoppzeit.
E[UTτ |F0 ] = E[Uτ |F0 ] . Da U0 = E[Zτ0 |F0 ] mit τ0 optimal, ist auch τ eine optimale
⇒ Z.z. Zτ = Uτ : Sei τ optimal. Dann gilt E[Zτ |F0 ]
Zτ ≤ Uτ f.s. folgt Zτ = Uτ f.s.
SuperMart.
≥
U0 . Daher gilt E[Zτ |F0 ] = E[Uτ |F0 ] und wegen
Z.z. Utτ ist ein Martingal: Da Utτ ein Supermartingal ist, gilt
U0 ≥ E[Uτ ∧t |F0 ] ≥ E[Uτ ∧T |F0 ] = E[Uτ |F0 ] = U0 f.s.
Daraus folgt
E[Uτ ∧t |F0 ] = E[Ut |F0 ] = E[E[Uτ |Ft ]|F0 ] f.s.
Da Uτ ∧t ≥ E[Uτ |Ft ] f.s. (Supermartingal), gilt nun insgesamt Uτ ∧t = E[Uτ |Ft ] und Utτ ist ein
Martingal.
9.2
Zerlegung von Supermartingalen
45
KAPITEL 9. AMERIKANISCHE OPTIONEN IM DISKRETEN MODELL
Lemma 9.5 (Doob’sche Zerlegung). Jedes Supermartingal {Ut }t≤T hat die eindeutige Zerlegung
Ut = Mt − At
(9.1)
mit einem Martingal {Mt } und einem nicht-fallenden, vorhersagbaren Prozess {At } mit A0 = 0.
Beweis. Für t = 0 gilt M0 = U0 , A0 = 0. Definiere nun rekursiv
Mt+1 = Mt + Ut+1 − E[Ut+1 |Ft ]
⇒ Mt+1 − At+1 = Mt − At + Ut+1 − Ut = Ut+1
At+1 = At + (Ut − E[Ut+1 |Ft ])
Wie leicht zu sehen ist, ist Mt+1 ein Martingal und At+1 ist nicht fallend, weil {Ut }t≤T ein Supermartingal
ist.
ft − A
et , t ∈ {0, . . . , T } eine andere Zerlegung. Dann ist M
ct = Mt − M
ft = At − A
et ein
Sei nun Ut = M
c
vorhersagbares Martingal mit M0 = 0.
ct vorhers.
ct |Ft−1 ] Mart.
ct−1 , ist M
ct = 0 für alle t und die Zerlegung ist eindeutig.
Da M
= E[M
= M
Theorem 9.6. Die größte optimale Stoppzeit τmax für einen adaptierten Prozess {Zt }t≤T ist
τmax
(
T,
=
inf {t|At+1 6= 0}
wenn AT = 0
sonst
mit der Doob’schen Zerlegung Zt = Mt − At .
Beweis.
1. A ist vorhersagbar ⇒ τmax ist eine Stoppzeit (folgt aus der Definition)
2. Aτmax = 0 ⇒ U τmax = M τmax ⇒ Die gestoppte Schnell’sche Einhüllende ist ein Martingal
3. Optimalität: Zu zeigen ist Uτmax = Zτmax f.s.
Es gilt
Uτmax =
T
−1
X
1{τmax =j} Uj + 1{τmax =T } UT =
j=0
T
−1
X
1{τmax =j} max {Zj , E[Uj+1 |Ft ]} + 1{τmax =T } UT
j=0
Nach der Definition ist Mt − At+1 = Mt − At − Ut + E[Ut+1 |Ft ] = E[Ut+1 |Ft ], sowie Aj+1 > 0 in
der Menge {τmax = j} = {Aj = 0, Aj+1 > 0}. Daher
E[Uj+1 |Fj ] = Mt − At+1 < Mt = Mt − At = Ut
⇒ Uτmax =
T
−1
X
Def. von
=⇒
Snell Env.
Ut = Zt
1{τmax =j} Zj + 1{τmax =T } ZT = Zτmax
j=0
4. τmax ist die größte Stoppzeit: Annahme, es gäbe eine Stoppzeit τ ≥ τmax mit P(τ > τmax ) > 0.
Dann gälte
E[Uτ ] = E[Mτ ] − E[Aτ ] = E[U0 ] − E[Aτ ] < E[U0 ] .
| {z }
>0
Damit wäre {Ut }t≤T kein Martingal und aufgrund dieses Widerspruchs ist τmax die größte Stoppzeit.
46
KAPITEL 9. AMERIKANISCHE OPTIONEN IM DISKRETEN MODELL
9.3
Anwendung auf Amerikanische Optionen
Die diskontierten Preise
n o
n o
et sind die Snell’sche Einhüllende der diskontierten Payoffs Z
et . Nach der
U
et = M
ft − A
et für t = 0, . . . , T .
Doob’schen Zerlegung ist U
Die letzten beiden Abschnitte liefern uns nun Schranken
für die optimale
n
o Ausübungszeit der Amerikaniet = Z
et und τmax = T für A
eT = 0 bzw.
schen Option: Die Option soll zwischen τ0 = min 0 ≤ t ≤ T |U
n
o
et+1 > 0, A
et = 0 ausgeübt werden (optimale Stoppzeit).
τmax = min 0 ≤ t ≤ T |A
Bemerkung 9.3. Wichtig für das Hedgen von Amerikanischen Optionen ist die Tatsache, dass der geet = 0 für t ≤ τ ). Dafür existiert nun eine Handelsstrategie H, die
stoppte Prozess ein Martingal ist (da A
den Payoff erzeugt und damit zum Hedgen benutzt werden kann.
9.4
Zusammenhang der Preise von Amerikanischen und Europäischen Optionen
Da bei Amerikanischen Optionen im Vergleich zu Europäischen Optionen mehr Ausübungszeitpunkte möglich sind, der Zeitpunkt T aber auch immer erlaubt ist, kann der Preis einer Amerikanischen
Option nicht kleiner sein als der Preis einer Europäischen Option mit denselben zugrunde liegenden
Werten. Andererseits werden wir aber gleich sehen, dass es sehr wohl Fälle gibt, wo diese zusätzlichen
Ausübungsmöglichkeiten keine Verbesserung im Vergleich zur Europäischen Option liefern. Dies ist etwa
bei Standard Call-Optionen der Fall.
Lemma 9.7. Seien {Ut }t≤T die Preise einer Amerikanischen Option mit Payoff {Zt }t≤T und {Ct }
die Preise einer Europäischen Option mit Payoff ZT zum Zeitpunkt T .
Dann gilt Ut ≥ Ct f.s. ∀t = 0, . . . , T und aus Ct ≥ Zt ∀t folgt Ut = Ct ∀t f.s.
n o
n o
et ist ein Q-Supermartingal, C
et ist ein Q-Martingal und U
eT =
Beweis. Sei Q ein Martingalmaß. U
eT = ZeT . Daher gilt U
et ≥ E[U
eT |Ft ] = E[C
eT |Ft ] = C
et ∀t f.s.
C
e
e
e
et das kleinste Supermartingal
Wenn Ct ≥ Zt , so auch Ct ≥ Zt , das Martingal Ct dominiert also Zet . Da U
e
e
e
et = C
et .
ist, das Zt dominiert, gilt Ut ≤ Ct , gemeinsam mit der ersten Aussage des Lemmas also U
Lemma 9.8. Sei das Bankkonto {Bt } eine deterministische, nicht fallende Folge. Dann sind die
Preise einer Europäischen und einer Amerikanischen Call-Option äquivalent.
+
Beweis. Sei Q ein Martingalmaß. Der Payoff zur Zeit t ist Zt = (St − K) . Damit
+
Mart.maß e
et = EQ [ SeT − K/BT
C
|Ft ] ≥ EQ [SeT − K/BT |Ft ]
=
St − K/BT
BT determ.
+
Daher ist Ct ≥ St − KBt /BT ≥ St − K sowie Ct ≥ 0, insgesamt also Ct ≥ (St − K) . Der Beweis folgt
nun unmittelbar aus dem vorigen Lemma 9.7
Bemerkung 9.4. Die Äquivalenz der Preise von Europäischen und Amerikanischen Optionen bei deterministischem Zins gilt nur für Call-Optionen, bei Put-Optionen gilt sie z.B. nicht mehr!
9.4.1
Übungsaufgaben
Bsp. 9.1) Sei τ : Ω → I eine Stoppzeit mit I = {0, . . . , T } oder I = N. Zeige:
(a) Ist {Xt }t∈I adaptiert, dann ist auch {Xtτ }t∈I adaptiert.
(b) Ist {Xt }t∈I ein Martingal, dann ist auch {Xtτ }t∈I ein Martingal.
(c) Ist {Xt }t∈I ein Sub-/Supermartingal, dann ist auch {Xtτ }t∈I ein Sub-/Supermartingal.
Kapitel 10
Optimale Portfolios und
Martingalmethoden
Großteils nach Pliska [Pli97, Kap. 5.2 und 5.4]
Betrachte eine Nutzenfunktion u(w, ω) : R × Ω → R (differenzierbar, konkav, streng monoton steigend).
Das Anfangskapital ν sei gegeben.
Problem 3. Finde eine selbstfinanzierende Handelsstrategie H mit Anfangswert V0 = ν mit
X
max E[u(VT )] =
P(ω)u(VT (ω), ω)
ω∈Ω
unter V0 = ν, H ∈ H
Problem 4 (äquivalente Formulierung).
e T ))]
max E[u(BT (ν + G
T
unter H ∈ H−
p (vorhersagbare Handelsstrategie in R )
Definition 10.1. Die Menge aller mit dem Anfangskapital ν erreichbaren Kapitale sei Wν =
W ∈ Rk : ∃H ∈ H mit V0 = ν
Bemerkung 10.1. Ist das Modell vollständig, so gilt Wν = W ∈ Rk |EQ [W/BT ] = ν .
Problem 5 (alternative Formulierung).
max Eu(W )
unter W ∈ Wν
Die Lösung von Problem 5 erfolgt z.B. mittels Lagrange-Multiplikator:
X
W
W Q
W (ω)
max Eu(W ) − λEQ
= max E u(W ) − λ
= max
P(ω) u(W (ω)) − λL(ω)
BT
BT |{z}
P
BT (ω)
=:L
47
ω∈Ω
48
KAPITEL 10. OPTIMALE PORTFOLIOS UND MARTINGALMETHODEN
−1
Die Bedingung erster Ordnung liefert für jedes ω ∈ Ω: u0 (W ) = λL/BT . Sei nun u
e := (u0 )
0
von u . Dann ist das optimale W gegeben durch:
L(ω)
W (ω) = u
e λ
∀ω ∈ Ω .
BT (ω)
die Inverse
Der Wert von λ wird nun so bestimmt, dass EQ [W/BT ] = ν = EQ [e
u(λL/BT )/BT ].
Bemerkung 10.2. Aus W (ω) kann die Handelsstrategie H leicht rückgerechnet werden.
Beispiel 10.1 (Exponentielle Nutzenfunktion). Die Exponentielle Nutzenfunktion ist definiert als u(W ) =
a − bc exp(−W/c) mit a, b, c ∈ R, b, c > 0.
u0 (W ) = b exp(−W/c)
⇒
u
e(x) = −c log
x
b
λL
λL
L
L
λ
ν = EQ u
e
/BT = EQ −c log
/BT = −cEP
log
+ log
BT
BT b
BT
BT
b
L
L
λ
L
= −cE
log
− c log
E
BT
BT
b
BT
optimales Kapital:
h
ν + cE BLT log
L
L
λL
λ
h i
= −c log
W =u
e (λL/BT ) = −c log
− c log = −c log
+
BT b
BT
b
BT
E L
L
BT
i
BT
optimaler erwarteter Nutzen:
E[u(W )] = a − bcE

L
exp −
BT
ν
c
+E
BT
λL
=
νBT
L
L
BT
h
E
Beispiel 10.2 (logarithmische Nutzenfunktion).
1
Nutzenfunktion: u(W ) = log W , u0 (W ) = W
,u
e(x) = x1
1 Q
⇒ λ = ν1 EQ L1 = ν1 E L1
Bedingung für λ: ν = EQ λL
=
P
|{z}
optimales Kapital W = u
e(λL/BT ) =
h
log
i
L
BT
L
BT
i

1
ν
=L
h
optimaler Nutzen E [u(W )] = E [log W ] = E [log ν + log BT − log L] = log ν − E log
10.1
L
BT
i
Übungsaufgaben
Bsp. 10.1) Finde explizite Formeln für das optimale Kapital und den optimalen Nutzen unter der quadratischen Nutzenfunktion u(w) = α + βw − w2 /2, β > 0.
Bsp. 10.2) Betrachte das CRR-Binomialmodell mit konstanten Faktoren u, d und Zins r und den tatsächlichen Wahrscheinlichkeiten p.
Bei Benutzung der logarithmischen Nutzenfunktion u(w) = ln w bestimme:
(a) das optimale erreichbare Kapital W ,
(b) den optimalen Nutzen Eu(w),
(c) die Handelsstrategie (H0 , H1 ), die W erzeugt.
n T −n
q
1−q
Hinweis: L(ω) = Q(ω)
=
wegen der Binomialverteilung.
P (ω)
p
1−p
Bsp. 10.3) Betrachte das CRR-Binomialmodell mit konstanten Faktoren u, d und Zins r und den tatsächlichen Wahrscheinlichkeiten p, sowie die quadratische Nutzenfunktion u(w) = βw − w2 /2.
KAPITEL 10. OPTIMALE PORTFOLIOS UND MARTINGALMETHODEN
(a) Zeige, dass für das optimale Kapital gilt
n T −n
q
1−q
W (ω) = β +
T
p
1−p
[q 2 /p + (1 − q)2 /(1 − p)]
(1 + R)T ν − β
mit n = Nt der Anzahl der Bewegungen nach oben.
(b) Zeige, dass
Eu(w) =
2
(1 + R)T ν − β
β2
−
.
T
2
2 [q 2 /p + (1 − q)2 /(1 − p)]
Hinweis: Benutze die Binomialformel!
49
Stichworte zum Inhalt der
Lehrveranstaltung
Das Ein-Perioden-Modell
1. Definitionen
- Modell, Handelsstrategie, (diskontierter) Wert-, Preisprozess
- Arbitrage, dominierende Handelsstrategie
- lineares Preismaß, Zusammenhang zu dom. HS, Gesetz des eindeutigen Preises
2. Risikoneutrales Wahrscheinlichkeitsmaß (Martingalmaß)
- No-Arbitrage Theorem
3. Bewertung von Contingent Claims - attainable CC, replizierendes Portfolio
- Risikoneutrales Bewertungsprinzip, Beispiele: Optionen
- Elementar-Claims, Zustandspreise, Linearität des Preises
4. Vollständigkeit
- Zusammenhang mit Eindeutigkeit des RNM
- unvollständige Märkte: Schranken für Preis, Sub-/Superhedging
5. Optimale Portfolios, Zulässigkeit
- Nutzenfunktionen
- Zusammenhang mit “No Arbitrage”, explizite Form eines RNM
Wh. Wahrscheinlichkeitstheorie
- W-Raum, σ-Algebra, W-Maß, ZV, Ereignis, Messbarkeit, endliche σ-Algebren
- absolut stetige Maße, äquivalente Maße, Radon-Nikodym
- Stochastische Prozesse: Filtrierungen, adaptierte Prozesse
Mehr-Perioden-Modell in diskreter Zeit
-
Marktmodell: Bankkonto (Numéraire), Asset-Preise, Annahmen
Handelsstrategien: Wert des Portfolios, selbst-finanzierend
Diskontierung
Bewertungsfunktionale: erreichbare Gewinne, Gesetz des eindeutigen Preises
Dualität Bewertungsfunktionale und Preis (Hahn-Banach, Trennungssatz für Beweis)
Arbitrage-Freiheit
Satz von Dalang, Morton, Willinger: äquivalente Bedingungen zu Arbitrage-Freiheit
vollständige Märkte
Wh. Martingaltheorie
- Bedingte Erwartungen, Eigenschaften
- stochastischer Kern
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STICHWORTE ZUM INHALT DER LEHRVERANSTALTUNG
- Martingale, Doob’sche Zerlegung, Bayes’sche Formel
- Stoppzeiten, Optimal Stopping Theorem, gestoppte Prozesse
Capital Asset Pricing Model (CAPM)
- Sharpe-Ratio
- Portfolio-Optimierungsproblem, Varianz-Optimierung, Mean-variance efficient
- Nutzen-Optimierung, duales Optimierungsproblem, nutzen-indifferente Preise
Das Binomialmodell
-
Definition des Modells, Assets, Entwicklung (Baum, Gitter)
Cox-Ross-Rubinstein Modell
No Arbitrage Bedingungen
Bepreisung, Bestimmung des replizierenden Portfolios
Europäische Call-Option
Verteilung des Maximums eines Pfades (Reflection Principle)
Markov Modelle
- Definition Markov-Prozesse, Markov-Eigenschaft
- Erhaltung der Markov-Eigenschaft unter äquiv. Martingalmaßen
- Faktormodell bei stochastischem Zins
Grenzübergang Binomialmodell zu Black-Scholes
- Schwache Konvergenz, zentraler Grenzwertsatz
- Reskalierung des BM: Taylor-Approximation, Grenzübergang
- Black-Scholes Formel für Europäische Calls, Herleitung
Amerikanische Optionen
-
Definition
Snell’sche Einhüllende (Envelope)
optimale Stoppzeit, Zusammenhang mit Snell’scher Envelope
Zerlegung von Supermartingalen (Doob’sche Zerlegung), Anwendung auf Am. Optionen
Zusammenhang der Preise von Europ. und Am. Optionen
Optimale Portfolios und Martingalmethoden
51
Anhang
Das Farkas-Lemma, heutzutage hauptsächlich in der linearen Optimierung benötigt, stammt ursprünglich
aus dem Artikel [Far02].
Lemma 10.1 (Farkas-Lemma, [Far02]). Für jede reelle Matrix A und jeden reellen Vektor b ist
von beiden Systemen
y t A ≥ 0, y t b > 0
Ax = b, x ≥ 0
stets genau eines lösbar.
Theorem 10.2 (Satz über monotone Klassen, [Wil91, Thm. 3.14]). Sei H eine Klasse von
beschränkten Funktionen aus einer Menge S nach R, die folgende Eigenschaften erfüllt:
(i) H ist ein Vektorraum über R,
(ii) die konstante Funktion 1 liegt in H und
(iii) wenn (fn ) eine Folge von nicht-negativen Funktionen in H ist mit fn % f für eine beschränkte
Funktion f auf S, dann gilt auch f ∈ H.
Dann gilt: Wenn H die Indikatorfunktion jeder Menge eines π-Systems I (unter endlicher Durchschnittsbildung abgeschlossene Familie von Teilmengen von S) enthält, dann enthält H jede beschränkte, σ(I)-messbare Funktion in S.
Theorem 10.3 (Monotone Konvergenz, [Wil91, Thm. 5.3]). Sei (fn ) eine Folge von Σ-messbaren Funktionen mit fn % f . Dann gilt
Z
Z
µ(fn ) % µ(f ) ≤ ∞
bzw.
fn (s)µ(ds) %
f (s)µ(ds) .
S
S
Theorem 10.4 (Dominierte Konvergenz, [Wil91, Thm. 5.9]). Sei (fn ) eine Folge von Σmessbaren Funktionen und f Σ-messbar mit fn (s) → f (s) für alle s ∈ §. Wenn die Folge (fn )
durch ein g ∈ L1 (S, Σ, µ)+ mit µ(g) < ∞ dominiert wird,
|fn (s)| ≤ g(s), ∀s ∈ S, ∀n ∈ R,
dann gilt µ (|fn − f |) → 0 bzw.
µ(fn ) → µ(f )
Z
bzw.
S
52
Z
fn (s)µ(ds) →
S
f (s)µ(ds) .
ANHANG
53
Theorem 10.5 (Satz von Bayes). Seien P und Q zwei äquivalente Wahrscheinlichkeitsmaße auf
(Ω, F), G ⊂ F eine sub-σ-Algebra von F, S ∈ L1 (Ω, F, Q) und f := dQ
dP . Dann gilt EP [f |G] > 0 f.s.
und
EP [Xf |G]
EQ [ X| G] =
f.s.
EP [f |G]
Literaturverzeichnis
[Far02] Julius Farkas. Theorie der einfachen Ungleichungen. Journal für die Reine und Angewandte Mathematik, 124(1):1–27, 1902. http://dz-srv1.sub.uni-goettingen.de/contentserver/
contentserver?command=docconvert&docid=D261364.
[FS04] Hans Föllmer and Alexander Schied. Stochastic finance. An introduction in discrete time, volume 27 of de Gruyter Studies in Mathematics. Walter de Gruyter & Co., Berlin, 2004.
[LL96] Damien Lamberton and Bernard Lapeyre. Introduction to stochastic calculus applied to finance.
Chapman & Hall, London, 1996.
[Pli97] Stanley R. Pliska. Introduction to Mathematical Finance: Discrete Time Models. Cambridge
University Press, June 1997.
[Sch02] Uwe Schmock. Mathematical finance, 2002. Vorlesung im Rahmen der Summer School, Perugia.
[Wil91] David Williams. Probability with martingales. Cambridge Mathematical Textbooks. Cambridge
University Press, Cambridge, 1991.
54
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