Friedreich`sche Ataxie - Dr. Robert Maiwald / Mönchengladbach

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Friedreich’sche Ataxie
(MIM 229300)
Klinik
Die Friedreichsche Ataxie (FA) gehört zu der
Gruppe der spinocerebellären Atrophien. Die
ersten Symptome der Erkrankung treten in der
Regel vor dem 20. Lebensjahr auf. Der Krankheitsverlauf ist durch eine fortschreitende
Gangataxie (gefolgt von Extremitätenataxie),
Dysarthrie, beinbetonte Paresen, Areflexie und
Störungen der Tiefensensibilität gekennzeichnet. Häufig, aber nicht obligat, sind Pyramidenbahnzeichen, ein Hohlfuß, eine Skoliose
und eine Kardiomyopathie. Weitere Symptome
wie z.B. eine Opticusatrophie (bei ca. 50 % der
Patienten), Nystagmus oder Schwerhörigkeit
können sich mit unterschiedlichem Schweregrad manifestieren. In ca. 10 bis 30 % der
Fälle tritt ein Diabetes mellitus auf.
.......AAAAAGAAGAAGAA...GAAAATAAAGAA......
Abb. 1: GAA-Repeats im Intron 1 des X25-Gens
Bei einem kleineren Teil der Patienten wurden
auch Punktmutationen im X25-Gen festgestellt.
6
Genetik
Die FA kommt mit einer Häufigkeit von ein bis
zwei auf 100.000 Neugeborene vor und ist
damit die häufigste hereditäre Ataxie. Der Erkrankung liegt der autosomal rezessive Erbgang zugrunde, d. h. daß beide Eltern eines
Betroffenen in der Regel obligate Träger des
veränderten Gens sind. Das Wiederholungsrisiko für Geschwister eines Erkrankten beträgt
damit 25%. 1988 konnte ein Locus für die FA
auf Chromosom 9 kartiert werden. Im März
1996 wurden dann das Gen X25 und die Mutationen, die die FA verursachen, beschrieben.
Die molekulargenetische Untersuchung hat bei
der Mehrheit der Patienten mit FA eine Repeatvermehrung eines im Intron 1 des X25Gens gelegenen GAA-Motifs ergeben. Bei
normalen Personen werden in der Regel 7-22
GAA-Repeats, bei Betroffenen 200-900 solcher Repeats gefunden. Generell kann gesagt
werden, je länger die bei einem Patienten vorhandenen GAA-Repeats, desto früher liegt der
Erkrankungsbeginn (ohne daß allerdings eine
genaue Prognose über den Zeitpunkt gestellt
werden kann).
Repeatgröße (kb)
5
4
3
2
1
0
0
5
10
15
20
25
30
35
Erkrank ungsbe ginn (Jahre)
Abb. 2: Erkrankungsbeginn der Friedreich’schen Ataxie in
Abhängigkeit von der durchschnittlichen Größe der beiden
GAA-Repeats der Patienten. Nach Lamont et al. (1997).
Pathophysiologie
Die beobachteten GAA-Expansionen haben
zwar keinen Einfluß auf die AminosäureSequenz, sie verhindern oder reduzieren jedoch die Synthese des Proteins, des sog. Frataxins. Dieses weist keine ausgeprägten Ähnlichkeiten zu bisher bekannten Proteinen auf.
Es wird in Mitochondrien gefunden und ist
evolutionär hochgradig konserviert. Hefestämme, die kein Frataxin exprimieren, akku-
mulieren Eisen in den Mitochondrien und zeigen eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber
oxidativen Stress. Daher wird vermutet, daß
die Friedreich’sche Ataxie über eine mitochondriale Störung bzw. über Toxizität durch
freie Radikale entsteht.
Indikationen
Die molekulargenetische Diagnostik kann zum
Zweck der Differentialdiagnostik neurologischer Erkrankungen und zum Zweck der pränatalen Diagnostik aus Fruchtwasserzellen
oder aus Chorionzotten durchgeführt werden.
Außerdem kann in Familien, in denen die
Friedreich‘sche Ataxie vorkommt, festgestellt
werden, ob die Mitglieder der Familie Träger
der Mutation sind (Heterozygotentest). Somit
kann die Wahrscheinlichkeit für die Geburt
eines Kindes mit Friedreichscher Ataxie präzisiert werden.
Vor einer pränatalen Diagnostik sollten die
Eltern und vor einem Heterozygotentest sollten
die Risikopersonen eine genetische Beratung
erhalten.
Diagnostik
Der Mutationsnachweis im X25-Gen erfolgt
mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR)
und anschließender Größenbestimmung durch
Gelelektrophorese. Die PCR erlaubt es, den
GAA-Repeat enthaltenden Genabschnitt zu
amplifizieren und dadurch die Repeat-Anzahl
direkt zu bestimmen.
Untersuchungsmaterial
•
5 ml EDTA-Vollblut (Versand durch Post
oder Boten)
Dauer der Untersuchung
2 Wochen
Literatur
Campuzano V., Montermini, L., Molto, M., D.
et al. „Friedreich’s Ataxia: Autosomal Recessive Disease Caused by an Intronic GAA Triplet Repeat Expansion“ Science 271:1423-1427
(1996)
Epplen, C., Epplen, J., T., Frank, G. et al.
„Differential stability of the (GAA)n tract in the
Friedreich ataxia (STM7) gene“ Hum Genet
99:834-836 (1997)
Lamont, P., J., Davis, M.B., Wood, N., W.
„Identification and sizing of the GAA trinucleo-
tide repeat expansion of Friedreich’s ataxia in
56 patients – Clinical and genetic correlates“
Brain 120:673-680 (1997)
Pandolfo, M. „Molecular Genetics and pathogenesis of Friedreich ataxia“ Neuromuscul
Disord 8:409-415 (1998)
Pandolfo, M., Montermini, L. „Prenatal Diagnosis of Friedreich ataxia“ Prenat Diagn
18:831-833 (1998)
Wood, N., W., „Diagnosing Friedreich’s ataxia“
Arch Dis Child 78:204-207 (1998)
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