JÄNNER/FEBRUAR 2010 39 MEDIZIN IN SALZBURG Perkutane Gallenwegsinterventionen VON UNIV.-PROF. DR. FRIEDER BERR (VORSTAND) UND PRIV.-DOZ. DR. GERNOT W. WOLKERSDÖRFER, UNIVERSITÄTSKLINIK FÜR INNERE MEDIZIN I Von Frieder Berr und Gernot W. Wolkersdörfer MEDIZIN IN SALZBURG Zu mechanischer Cholestase führen eine Vielzahl von Erkrankungen, nicht immer besteht der offensichtliche Ikterus. Benigne Gallenwegsobstruktionen werden verursacht durch Choledocholithiasis, Strikturen, sklerosierende Cholangitis, iatrogene Läsionen, inflammatorische Prozesse (Pankreatitis) oder Infektionen (HIV, Parasiten), aber auch durch seltenere Ursachen wie das Caroli Syndrom, das Mirizzi Syndrom, oder die retroperitoneale Fibrose. Maligne Gallenwegsobstruktionen können beim Pankreaskarzinom, dem cholangiozellulären Karzinom einschließlich dem Gallenblasenkarzinom und bei Metastasen auftreten. Bild: fotolia Indikationen zu perkutaner Diagnostik und Therapie bestehen insbesondere bei veränderter Anatomie nach Operationen (Antrektomie mit Gastrojejunostomie, Zustand nach Lebertransplantation, Zustand nach Hemihepatektomie, Pankreatoduoden ektomie), wenn andere diagnostische Verfahren keine Klärung erbrachten, bei Versagen der endoskopischen retrograden Cholangiographie beziehungsweise Drainage und bei postoperativen oder posttraumatischen Gallefisteln. Gute Ergebnisse werden ebenfalls bei Abszess-drainagen oder auch der Drainage bei akuter Cholezystitis in palliativer Situation, wenn andererseits eine Operation ein zu großes Risiko für den Gesamtverlauf darstellt, erzielt. Primar Univ.-Prof. Dr. Frieder Berr (Vorstand) Priv.-Doz. Dr. Gernot W. Wolkersdörfer MEDIZIN IN SALZBURG Bild: fotolia 40 Perkutane Drainagen erlauben das Spülen infizierter Gallenwege oder Abszesse, was das Ausheilen begünstigt und durch alleinige interne Drainagen nicht suffizient erreicht werden kann. PERKUTANE TRANSHEPATISCHE CHOLANGIOGRAPHIE (PTC) UND CHOLANGIODRAINAGE (PTCD) Während sonographischer Führung oder unter Röntgenkontrolle kann die sterile Punktion eines Gallenwegsastes mit Kontrastmitteldarstellung und Kanülierung sowie anschließend die Drainageeinlage über einen Führungsdraht erfolgen. Die PTCD ermöglicht weitere therapeutische Interventionen an den Gallenwegen, welche häufig in mehreren Schritten durchgeführt werden müssen. Durch die sonografische Führung wird Punktion nahezu eines jeden Segmentastes möglich, die anatomischen Gegebenheiten erlauben nicht immer das leichte Einbringen einer Drainage bis in den Dünndarm. Hier kann dann eine endoskopische Unterstützung erforderlich sein (Rendezvous Manöver). PERKUTANE STEINEXTRAKTION, STENTAPPLIKATION UND CHOLANGIOSKOPIE Über einen bestehenden PTCDTrakt können weitere diagnosti- sche und therapeutische Interventionen erfolgen. Dieses erfordert jedoch eine entsprechende Weite und mithin Reife des Trakts, die erst nach einiger Zeit erreicht werden kann. Die Cholangioskopie erlaubt, das makroskopische Bild des Gallenwegsepithels direkt zu untersuchen, und im Idealfall besteht auch die Möglichkeit zu optisch gezielten Biopsienahme. Abb. 1: Abszess-PTCD im linken Leberlappen. Die Implantation von Metallstents bleibt zu 95 % malignen Stenosen vorbehalten, denn im Langzeitverlauf nur 25 % der Metallstents nach 36 Monaten bei gutartigen Stenosen noch funktionstüchtig sind und in einer weiteren Studie 2/3 der Patienten mit gutartigen Stenosen einen schlechten klinischen Verlauf haben. ERFOLGSRATE Die perkutane transhepatische Cholangiographie gelingt bei dilatierten und nicht dilatierten Gallenwegen (1) in nahezu allen Fällen, wobei teilweise mehr als 10 Nadelpassagen benötigt werden. Ähnlich gute Ergebnisse werden bei transhepatischer Cholangiodrainage erreicht. Auch die perkutane Stenteinlage gelingt in 90 – 100 % der Patienten (2). Bei Einlage von Plastik-Stents betrug die mittlere Funktionsdauer zwischen 120 und 242 Tagen (3). Auch bei palliativer Metallstentimplantation waren 92 % der Stents nach 30 Tage voll funktionstüchtig (5). Wegen der hohen Okklusionsrate bei Cholangitis und den damit einhergehenden Komplikationen der Infektion sind diese gerade in palliativer Situation ungeeignet, da hier das Behandlungsziel im suffizienten Galleabfluss und mithin der Beherrschung der Cholangitis besteht. Abb. 2a: Sonografisch gezielte Abszesspunktion vor Draineinlage (Pfeil-Abszessformation, Doppelpfeil-Punktionsnadel). Abb. 2b: Kontrastmitteldarstellung nach Draineinlage. JÄNNER/FEBRUAR 2010 41 MEDIZIN IN SALZBURG „Die Cholangioskopie erlaubt, das makroskopische Bild des Gallenwegsepithels direkt zu untersuchen und im Idealfall besteht auch die Möglichkeit zu optisch gezielten Biopsienahme.“ Die PTD bei nicht dilatierten Gallenwegen gilt allgemein als schwieriger, hier liegen die Komplikationssraten bei 21 % (7). Komplikationen treten in Abhängigkeit zur Reife des Trakts und insbesondere infolge von Dilatationen in bis zu 44 % der Prozeduren auf (8), solange keine ausreichende Reifungszeit des Traktes gegeben war. Abb. 3: Drainage eines durch Tumor verschlossenen Gallensegments. Ein Bilirubinwert > 4 mg /dl, hohes Lebensalter oder Klatskintumore Typ Bismuth IV oder ein HbWert < 10,9 g/dl und eine Harnstoffkonzentration > 4 mmol/l nach Drainageanlage wurden dabei als ungünstige Prediktoren der Gesamtprognose wie beziehungsweise des 30-Tage-Überlebens nach palliativer Stenteinlage gefunden (6). Beim eigenen Patientengut gelang die PTCD-Anlage in 93 % der Eingriffe. KOMPLIKATIONEN UND RISIKEN Die Komplikationen und Risiken sind auch bei der PTC/D vom Ausmaß des Eingriffs abhängig. Prinzipiell wird in der Literatur von einer Vielzahl von Komplikationen berichtet, die über Blutungen bis hin zu subfrenischen Abszessen, Sepsis und Tod reichen. In einer Serie mit 364 Patienten, die eine PTC/D mit Cholangioskopie erhielten, war die Komplikationsrate 12.9 % für die PTCDAnlage, 12.8 % für die Trakt-Dilatation und 6.9 % während der Trakt-Reifung. Cholangitis und Bakteriämie traten bei PTB/D und Trakt-Dilatation auf und Katheterdislokation während der Trakt-Reifung. Milde Komplikationen ereigneten sich bei 22.2 % der Patienten während der Anlage, wohingegen ernste Komplikationen bei 8.2 % (30/364 Patienten) auftraten (9). In einer Serie mit 333 Patienten trat bei 4 % eine Hämobilie auf (10). Wir beobachten beim eigenen Patientengut in 29 % der Eingriffe Komplikationen, die Hautirritationen, Wundschmerz, Hämatome, Drainagedislokation, aber auch Pleuraverletzungen, Blutung, Hämobilie, Wundinfektionen und eine Impfmetastase einschließen. Komplikationen, die nachfolgende Drainagewechsel erforderten, waren frühe Dislokationen der Drainage (binnen 3 Tagen) infolge weiter Atemexkursion bei an sich beschwerdefreien Patienten in 16 %. Schwere Komplikationen waren konservativ zu beherrschende Wundinfektion (Abszess) an der Trakteintrittsstelle in einem Fall, Elektrolytstörung bei unkontrollierter Fördermenge im häuslichen Bereich bei einer bis in den Dünndarm eingebrachten Drainage in einem weiteren Fall. In einem Fall bildete sich eine behandlungsbedürftige portobiliäre Fistel. ZUSAMMENFASSUNG + Perkutane Gallenwegsinterventionen sind relativ schonende Verfahren, die auch in palliativer Situation und bei reduziertem Allgemeinzustand noch eingesetzt werden können. + Die Erfolgsraten liegen zwischen 90 und 100 %. + Durch perkute Drainagen kann bei Infektion die für die Heilung nötige Spülung erfolgen, was durch alleinige interne Drainagen nicht möglich ist. + Wegen der hohen Okklusionsrate bei Cholangitis bergen Metallstents das Risiko der Infektionskomplikationen. + Eine häufige und leicht beherrschbare Komplikation der perkutanen Intervention ist die frühe Dislokation der PTCD. + Nach PTCD-Anlage ist eine spezielle Pflege mit täglichem Spülen erforderlich, der Wechsel erfolgt in Abhängigkeit von Funktionieren der Drainage und dem Patientenzustand spätestens alle 3 Monate. + Universitätsklinik für Innere Medizin I, mit Gastroenterologie, Hepatologie, Nephrologie, Stoffwechsel und Diabetologie Landeskrankenhaus, Universitätsklinikum der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität, Müllner Hauptstraße 48, A-5020 Salzburg, Telefon +43 662 4482-2802, Fax DW -881, [email protected]