TKVV Thüringer Katasterund Vermessungsverwaltung Mitteilungsheft Nr. 35 (2013) Impressum Herausgeber Thüringer Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Verkehr (TMBLV) Abteilung Strategische Landesentwicklung, Kataster- und Vermessungswesen Druck Landesamt für Vermessung und Geoinformation (TLVermGeo) Schriftleitung Andreas Minschke, Ulrich Püß, Uwe Köhler Redaktion Anke Timmermann, Wolfgang Conrad 2 Vorwort Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Ausgabe des Mitteilungsheftes der Thüringer Kataster- und Vermessungsverwaltung erscheint nach der Sommerpause. Hoffentlich sind Sie gestärkt aus dem Urlaub zurück an Ihren Arbeitsplatz gekehrt. Unsere Geobasisinformationssysteme werden nach und nach auf das AAA-Datenmodell umgestellt. Am 25. Juni 2013 wurde im Katasterbereich Zeulenroda-Triebes für die Gemarkung Lessen der letzte Einrichtungsauftrag in die Datenhaltungskomponente des Amtlichen Liegenschaftskataster-Informationssystems (ALKIS®) geschrieben. Damit ist für diesen Katasterbereich die technische Umstellung der Altsysteme (ALK, ALB und Punktdatei) in das neue – bundeseinheitliche – Informationssystem abgeschlossen. Für die notwendige Umstellung der Arbeitsabläufe und die neue Technologie im ATKIS® wurden bereits alle Mitarbeiterinnen geschult. Auf AFIS® wurde ebenfalls bereits umgestellt. Von den derzeit vier Auszubildenden des Landesamtes für Vermessung und Geoinformation (TLVermGeo) können diesmal erforderlicherweise drei übernommen werden. Ein Absolvent wird ein Studium aufnehmen. Das freut uns sehr! Wir wünschen den neuen Kolleginnen und dem neuen Kollegen einen guten Einstieg! Was es zu den Spekulationen hinsichtlich möglicher Veränderungen im Zuge einer derzeit in Rede stehender Verwaltungsreform zu sagen gibt, wurde bereits von Frau Staatssekretärin Klaan und Herrn Präsident Köhler auf der Personalversammlung im Mai angesprochen: Für die meisten von Ihnen würde sich durch eine Reform nichts ändern. Was die Landesregierung plant, wird Ihnen in geeigneter Weise und zeitgerecht bekannt gegeben. Herr Minister Carius MdL ist Mitglied der zuständigen Regierungskommission und es besteht kein Anlass zur Sorge, dass sich unsere Arbeitsbedingungen verschlechtern könnten. Mit freundlichen Grüßen Andreas Minschke Thüringer Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Verkehr Abteilungsleiter Strategische Landesentwicklung, Kataster- und Vermessungswesen TKVV Mitteilungsheft Nr. 35 3 Inhaltsverzeichnis Fachartikel Dr. Andreas Richter Kai Schlosser Susanne Schmitt Felix Hampel 4 Bericht zur bisherigen Tätigkeit von Ulrich Püß als AdV-Vorsitzender Kontinentaldrift – Ursachen und Wirkungen NAD83 – Die Entstehung des Nordamerikanischen Datums Straßenrecht - Eigentum, Eigentumsübergang und Straßenbaulast Seite5 Seite8 Seite15 Seite19 Rückblicke & Ausblicke Seite21 Nachgefragt Seite35 Rezension Seite36 Personalien Seite 37 Gefunden & erfunden Seite38 Bericht zur bisherigen Tätigkeit von Ulrich Püß als AdV-Vorsitzender Dr. Andreas Richter, Dezernatsleiter D14 Nach zwei Jahren als Stellvertreter an der Seite seines Vorgängers, Wolfgang Draken aus Niedersachsen, war es offiziell am 1. Januar 2012 soweit. Es begann die zweijährige Amtszeit von Ulrich Püß aus Thüringen als AdV-Vorsitzender. In einem Brief an die Vermessungsverwaltungen der Länder und des Bundes schrieb er voller Optimismus: »Ich freue mich auf eine vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit mit Ihnen, um die anstehenden Herausforderungen im Amtlichen Deutschen Vermessungswesen gemeinsam zu meistern.« Dass der Weg zu abgestimmten Entscheidungen nicht immer einfach werden würde, war ihm allerdings schon durch die reichlich gesammelte Erfahrung als stellvertretender AdV-Vorsitzender, einem Amt, das er seit dem 1. Januar 2010 inne hatte, bewusst. Zu den zeitintensivsten Aufgaben der aktuellen Amtszeit gehörten zweifellos die Vorbereitung und Leitung von • einer Plenumstagung (18.-20. September 2012 in Chemnitz), • zwei Klausurtagungen des Plenums (7.-8. Mai 2012 und 6.-7. Mai 2013 in Fulda), • zwei erweiterten Arbeitskreisleiter-Tagungen (6.-7. März 2012 und 26.-27. Februar 2013 in Fulda), • drei Arbeitskreisleiter-Tagungen (19.-20. Juni 2012, 12.-13. Dezember 2012 und 19.-20. Juni 2013) • Sondertagungen von Vertretern der Länder und/oder des Bundes zu aktuellen Themenstellungen. Am 29. November 2011 übernimmt Ulrich Püß die Amtsgeschäfte von Wolfgang Draken mit einer symbolischen Staffelstabübergabe. Anlässlich der Klausurtagung 2013 wird Thomas Lenhardt aus dem Saarland von Ulrich Püß aus dem Kreis der Plenumsmitglieder verabschiedet. 1. Aufgaben nach der AdV-Geschäftsordnung Eingangs dieses Zwischenberichts stellt sich automatisch die Frage, warum es denn einen AdV-Vorsitzenden gibt, welchen Regularien er bzw. sie unterliegt und für welche Aufgaben er bzw. sie in seiner/ihrer Amtszeit zuständig ist. Zu diesem Zweck lohnt sich ein Blick in die Geschäftsordnung der Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen der Länder der Bundesrepublik Deutschland (AdV) vom 28. April 2005. Dort heißt es u. a.: Für den Vorsitz und die Vertretung wird vom Plenum jeweils ein Ländervertreter gewählt. Der oder die Vorsitzende schlägt dem Plenum die Kandidaten für die folgende Amtszeit vor. Die Amtszeit beträgt zwei Jahre. Der Vorsitz soll im regelmäßigen Turnus zwischen den Plenumsmitgliedern der Länder wechseln. Hierbei soll grundsätzlich die vertretende Person den Vorsitz übernehmen. Der oder die Vorsitzende • sorgt dafür, dass die Ziele der AdV kontinuierlich verfolgt und ihre Aufgaben erledigt werden, • beruft die Plenumstagungen ein und leitet sie, • vertritt die AdV nach außen und • erfüllt Aufträge des Plenums. TKVV Mitteilungsheft Nr. 35 Aktuell läuft die Vorbereitung der 125. Plenumstagung der AdV, die vom 17.-19. September 2013 in Bonn stattfinden wird, auf Hochtouren. Zur Abstimmung der Tagesordnung wird noch im Juli 2013 eine Beratung in den Räumen der AdV-Geschäftsstelle in München durchgeführt, wo auch die umfangreichen Termine zur Abgabe von Vorberichten, Beschlussvorlagen, fachlichen Zusammenstellungen und Konzepten festgelegt werden. Um die anfallende Terminflut und den pünktlichen Eingang der Unterlagen im Griff zu behalten, wird Ulrich Püß durch die beiden Mitarbeiter der AdV-Geschäftsstelle, Geschäftsführer Marcus Wandinger und Irena Jazenko, tatkräftig unterstützt. 2. Herausragende laufende Arbeiten Spannend für jeden AdV-Vorsitzenden ist sicherlich die Frage, welche Themen während der Amtszeit in das Zentrum des fachlichen bzw. fachlich politischen Interesses treten. Ohne eine Reihenfolge oder Gewichtung vornehmen zu wollen, gehören die folgenden Punkte zu den Schwerpunkten der momentanen Arbeit: Strategie zu Geodatendiensten, Produktstrategie der AdV Seit jeher wird in der Fachwelt viel über Geodaten, Geodatendienste und Produkte diskutiert. Aber nicht jede Entwicklungsrichtung ist für die AdV interessant. Hier gilt es, zu beobachten, 5 zu analysieren und festzulegen, welche Geodaten, Geodatendienste und Produkte durch die AdV-Mitgliedsverwaltungen im Rahmen ihrer hoheitlichen Aufgaben und zur Befriedigung eines real existierenden Bedarfs in den verschiedenen gesellschaftlichen und fachlichen Sparten bundesweit einheitlich bereitgestellt werden sollen. Schwerpunktmäßig beschäftigt sich eine vom AdV-Vorsitzenden eingerichtete Arbeitsgruppe mit der Frage, welche Geodaten über welche Dienste (WMS, WFS, WFS-G, INSPIRE-Dienste) zur Verfügung stehen sollen. Ein erster Bericht wird auf dem Plenum im September 2013 erwartet. Open Government Data Hier hat es in den letzten Jahren eine turbulente Entwicklung gegeben. Mit Hamburg und ab Oktober 2013 auch in Berlin werden die Geobasisdaten auf der Grundlage von Transparenzgesetzen frei verfügbar sein. Der Bund bietet seine Georeferenzdaten »geldleistungsfrei« an. Mehrere Länder, darunter auch Thüringen, haben Teile ihrer Geobasisdatenbestände »verwaltungskostenfrei« oder »gebührenfrei« gestellt. Andere Vermessungsverwaltungen wiederum sind verpflichtet, einen definierten Teil der Ausgaben über Einnahmen zu refinanzieren. In diesem Spannungsfeld und flankiert vom politischen Druck nach Open Government Data müssen sich die AdV-Mitgliedverwaltungen positionieren. WebAtlasDE Anlässlich der INTERGEO 2012 in Hannover wurde die 2. Stufe des gemeinsamen webbasierten Kartendienstes des Bundes und der Länder, welcher vom Bund im Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) betrieben wird, freigeschaltet. Auf dem Weg zu diesem Erfolg galt es auf der Grundlage von zwei umfangreichen Plenumsbeschlüssen eine Vielzahl von rechtlichen, technischen und organisatorischen Teilaufgaben zu erledigen. Hier musste der AdV-Vorsitzende eine Vielzahl vermittelnder Gespräche führen, aber auch vorübergehende Festlegungen treffen, um Termine nicht zu gefährden. Geokodierung Zurzeit richtet der AdV-Vorsitzende eine Arbeitsgruppe ein, welche neben der Definition auch einen Realisierungsvorschlag für einen Geokodierungsdienst ausarbeiten soll. Grundsätzliche Überlegungen hierzu sind auf einem vom AdV-Vorsitzenden initiierten Workshop bereits im Juli 2012 angestellt worden. Nutzer haben starkes Interesse an einem Dienst, der in der Lage ist, für verschiedene Sachverhalte (u. a. postalische Anschriften, geografische Namen, Flurstücke) auf der Grundlage amtlicher Hauskoordinaten häufig benötigte Suchen zu unterstützen (Einzel- und Massenverarbeitung, reverse Suche). Webfähige Gebühren- und Lizenzmodelle für Geodaten und Geodatendienste Die Erfahrungen in der Praxis haben gezeigt, dass sowohl die bisherigen Gebührenmodelle als auch die Lizenzmodelle nicht durchgängig für den zunehmenden Internetvertrieb geeignet sind. Hier steht der AdV noch ein steiniger Weg bevor, weil die Sichtweisen der Länder bezüglich der Grundsätze der Gebührenberechnung, aber auch bezüglich der Nutzungsbedingungen sehr unterschiedlich ausgeprägt sind und sich teilweise diametral gegenüber stehen. Dies haben die Gespräche der Mitgliedsverwaltungen zum Gebühren- und Lizenzmodell für den WebAtlasDE deutlich unter Beweis gestellt. 6 Außerdem wird unter der Federführung des AdV-Vorsitzenden die Verwaltungsvereinbarung zur kontinuierlichen Datenlieferung an den Bund, die am 31. Dezember 2013 ausläuft, weiterentwickelt. Auch hier gilt es, die Änderungen der Rahmenbedingungen aus den letzten fünf Jahren sowie gewandelte Interessenlagen angemessen zu berücksichtigen. Die AdV beteiligt sich über ihre Mitgliedsverwaltungen aber auch durch Stellungnahmen des AdV-Vorsitzenden an nationalen Gesetzgebungsverfahren (BGeoRG einschließlich TR, GeoZG Bund, GeoNutzV des Bundes, E-Government-Gesetz) sowie bei der Richtlinienerstellung der EU (PSI). Ebenso hat er in einem iterativen Verfahren am dritten Geofortschrittsbericht der Bundesregierung in ständiger Abstimmung mit den Mitgliedsverwaltungen mitgewirkt. Eine der Daueraufgaben ist die Schaffung der Rahmenbedingungen zum Betrieb zentraler Ansprech- und Vertriebsstellen für die Geotopographie, die Hauskoordinaten und Hausumringe sowie SAPOS® einerseits, aber auch zur aktuell von den Nutzern geforderten Einrichtung einer zentralen Ansprechstelle für die Daten des Liegenschaftskatasters andererseits. Fachlich stehen die Arbeiten zur Weiterentwicklung des Datenmodells AFIS®-ALKIS®-ATKIS® mit dem Schwerpunkt der 3D-Erweiterungen hin zur Version 7.0 der GeoInfoDok im Mittelpunkt des Interesses. 3. Sonstige Tätigkeiten Bevor den Mitgliedsverwaltungen zu den Plenumstagungen oder für ein Umlaufverfahren ein zustimmungsfähiger Beschluss vorgelegt werden kann, ist regelmäßig ein langer, diskussionsreicher Weg zu beschreiten. Hier muss der AdV-Vorsitzende die nötigen Abläufe rechtzeitig in Gang setzen, Termine vereinbaren und den Meinungsfindungsprozess im Vorfeld von Plenumsoder Umlaufbeschlüssen steuern. Hier wechseln sich Abfragen eines Meinungsbildes und Vorabstimmungen munter miteinander ab. Im positiven Fall steht am Ende ein zustimmungsfähiges Ergebnis, aber auch die Einrichtung einer Ad-hoc Arbeitsgruppe oder eine Sondertagung zur Weiterbehandlung kommen als Ergebnis in Frage. Der AdV-Vorsitzende übernimmt die Koordination in Strategiefragen (Entwicklungsvorgaben, Konzepte), für das Monitoring von AdV-Beschlüssen sowie für die Arbeit in den vier Facharbeitskreisen (Arbeitskreis Raumbezug, Liegenschaftskataster, Geotopographie, Informations- und Kommunikationstechnik) und der Taskforce Public Relations and Marketing. Außerdem koordiniert er die Zusammenarbeit mit anderen Verwaltungen (z. B. Grundbuch- und Finanzverwaltung, Landentwicklung). Einen nicht zu vernachlässigenden Teil der Arbeit nehmen der Entwurf und die Abstimmung von Texten bei Schreiben an Einrichtungen außerhalb der AdV ein. Dabei handelt es sich sowohl um die Beantwortung von Anliegen, die an den AdV-Vorsitzenden herangetragen werden als auch um Sachverhalte, bei denen der AdV-Vorsitzende von sich aus aktiv wird. Besonders ausgeprägt muss die Fähigkeit des Moderierens sein. Der AdV-Vorsitzende muss in der Lage sein, geduldig, aber zielorientiert Gespräche bei Beratungen und Telefonaten zu führen. Bei Fragestellungen, für die nur schwer eine einvernehmliche Lösung in der zur Verfügung stehenden Zeit erreicht werden kann, kann und muss der AdV-Vorsitzende Interimslösungen gestalten und freigeben. Dass dabei nicht immer die Vorstellungen aller Mitgliedsverwaltungen erfüllt werden können, versteht sich von selbst. Ulrich Püß als damals stellvertretender AdV-Vorsitzender auf der INTERGEO 2011 in Nürnberg mit den Thüringer Vertretern, Ina Schicktanz und Frank Engel, am GDI-DE-Stand … Ein immer wieder auftretendes Problem ist das Erkennen, welche Themenstellungen zum strategischen (Plenum) bzw. operativen Bereich (LA Geobasis) der AdV-Arbeit gehören oder gar nicht in den Aufgabenbereich der AdV, sondern z. B. der Arbeit der GDI-DE zuzuordnen sind. Im Ergebnis dieser Betrachtungen müssen der weitere Weg fachlich und rechtlich korrekt festgelegt und die nötigen Beteiligten hinzugezogen werden. 5. Fazit Die Zeit als AdV-Vorsitzender bereichert das Berufsleben des Betroffenen ungemein. Es ist eine Zeit der Doppelbelastung durch AdV-Tätigkeit und die Arbeit in der Mitgliedsverwaltung, die selbstverständlich parallel weiter erledigt werden muss. Daher ist die verlässliche Unterstützung in der »normalen« Verwaltungsstruktureinheit unbedingt erforderlich, um überhaupt eine reale Chance zu besitzen, das sehr unterschiedliche, aber durchgängig hohe Arbeitspensum für die AdV zu bewältigen. Dass sich bei der AdV-Arbeit Ernüchterung und Freude regelmäßig abwechseln, soll nicht unerwähnt bleiben. ... und gemeinsam mit dem AdV-Geschäftsführer, Marcus Wandinger aus Bayern sowie dem AdV-Altvorsitzenden, Wolfgang Draken, im Gespräch am Stand der AdV. Eine größtenteils angenehme Pflicht ist die Präsenz bei Fachveranstaltungen und Fachmessen (Grußworte, Podiumsdiskussionen). Dies sollen die beiden Fotos belegen. Sehr zeitaufwendig sind die Vor- und Nachbereitungen der regelmäßigen Beratungen bzw. die Kommunikation mit nationalen (BMI, BKG, GDI-DE, DGfP, DGK, DDGI, BDVI, IHK, GIW, IMAGI, DIN) und internationalen Institutionen (OGC, ISO, EuroGeographics). Ohne Unterstützung von Experten aus den Mitgliedsverwaltungen, die in den verschiedenen Gremien das amtliche Vermessungswesen vertreten, wären diese Aufgaben nicht zu meistern. Die Amtszeit hilft, die im fachlichen Umfeld in der Bundesrepublik Deutschland sowie in Europa existierenden Abläufe und Zusammenhänge noch besser zu erkennen, die Rahmenbedingungen aller Beteiligten zu verstehen und die Tragweite von Handlungen sowie Entscheidungen abschätzen zu können. Für den Betroffenen selbst führt die Amtszeit zur einer stärkeren Einbeziehung in fachlich-politische Entscheidungsprozesse und in der Folge zu einer intensiveren Vernetzung. Bleiben sollten abschließend immer der Stolz auf die geleistete Arbeit und das Gefühl (wie eingangs beschrieben), »die anstehenden Herausforderungen im Amtlichen Deutschen Vermessungswesen« gemeinsam gemeistert zu haben. 4. Hauptfähigkeiten als AdV-Vorsitzender Die Darlegungen in den vorherigen Abschnitten zeigen, wie breit gefächert die Arbeit des AdV-Vorsitzenden wirklich ist. Neben der rein fachlichen Kompetenz und der Kompetenz als fachlicher Leiter sind ein hohes Maß an Menschenkenntnis, die Fähigkeit zum Erkennen von Befindlichkeiten und die Beachtung der real gegebenen Rahmenbedingungen in den Mitgliedsverwaltungen unbedingt nötig, um in teils kleinen Schritten vorwärts kommen zu können. Er muss häufig Bundes- und Länderinteressen gegeneinander abwägen. Und dies gelingt nur, wenn man sich als Vertreter aller Mitgliedsverwaltungen begreift und den AdV-Maßstab anhält. TKVV Mitteilungsheft Nr. 35 7 Kontinentaldrift – Ursachen und Wirkungen Kai Schlosser, Mitarbeiter im Katasterbereich Erfurt Am 6. Januar 1912 löste der 31-jährige Meteorologe und Dozent für kosmische Physik an der Universität zu Marburg, Alfred Wegener, auf der Hauptversammlung der Geologischen Vereinigung in Frankfurt am Main mit seinen Thesen eine Revolution unter den Naturwissenschaftlern aus. Der Kern seiner revolutionären Theorien lautete: Die Großform der Erdoberfläche bzw. die Verteilung der Kontinente und Ozeane würde sich stetig ändern, weil die Kontinente wandern. Wegener nahm weiterhin an, dass die Erdoberfläche, wie wir sie heute kennen, aus einem Urkontinent hervorgegangen sei. Dessen Schollen sind im Laufe der Erdgeschichte auseinandergedriftet und so haben sich Kontinente und Ozeane gebildet. Die uns so vertraute Lage der Kontinente ist also nur eine Momentaufnahme und die Bewegung der nunmehr ins Spiel gebrachten Erdplatten geht unaufhörlich weiter. Erst in den jüngst vergangenen 1960er Jahren bewiesen Untersuchungen der Mittelozeanischen Rücken, dass die Erdplatten tatsächlich in ständiger Bewegung sind. Die Erde unterliegt also einem ständigen Wandel, was sich uns am eindrucksvollsten in vulkanischen Ereignissen und Erdbeben oder in der Existenz großer Gebirge zeigt. Während an den Mittelozeanischen Rücken neue Plattenteile entstehen, verschwinden ältere Plattenteile in den sogenannten Subduktionszonen, und Gebirge werden durch Plattenkollisionen herausgehoben. Diese dynamischen Umwälzungen werden getrieben von der Wärme, die vom Inneren der Erde nach außen abgeführt wird und den Motor Erde am Laufen hält. Kontinentaldrift, Gebirgsbildung, Vulkanismus, Erdbeben – und in deren Folge auch Flutwellen wie der verheerende Tsunami vom Dezember 2004 im Indischen Ozean – all das ist Ausdruck dieser Dynamik unseres Planeten. Kontinentaldrift - Plattentektonik Lithosphärenplatten der Erde Quelle: Wikipedia Ein wesentlicher Unterschied der Plattentektonik zu Wegeners Konzept besteht darin, dass die Kontinente nicht als isolierte Schollen wandern, sondern Teile von Platten sind, die auch ozeanische Kruste und einen Anteil des Erdmantels umfassen. Die Erdkruste kann in Form kontinentaler Kruste mit einer durchschnittlichen Mächtigkeit von 30-40 km – unter Gebirgen und Hochplateaus wie den Anden oder dem Tibetplateau bis ca. 75 km – vorliegen. Aus ihr sind die Kontinente mitsamt ihren Schelfgebieten und dem Kontinenthang, der in die Tiefsee führt, aufgebaut. Die ozeanische Kruste hingegen bildet mit einer Mächtigkeit von typischerweise 5-8 km die Ozeanböden. Ihre Oberfläche liegt im Durchschnitt 4-5 km tiefer als die der kontinentalen Kruste. Im oberen Teil der kontinentalen Kruste befinden sich saure, kieselsäurereiche, granitische und metamorphe Gesteine überwiegen (mehr als 65 % SiO), während in größeren Tiefen zunehmend basische Gesteine hinzukommen. Die ozeanische Kruste besteht hingegen aus basischen Gesteinen, Basalten etc. Die Dichteverhältnisse liegen hier höher als in der kontinentalen Kruste. Die Plattentektonik ist eine geotektonische Theorie und Teil der Theorien über die endogene Dynamik der Erde, die die dynamischen Vorgänge in der Lithosphäre (Erdkruste und oberster Erdmantel) wie die Kontinentalverschiebung, die Bewegungen der Ozeanböden, die Entstehung von Gebirgen, die Erdbeben- und Vulkanzonen zu erklären versucht. Die Plattentektonik hat von den weitgehend starren Lithosphärenplatten, die erdumspannend die äußere Schale der Erde ausmachen, ihren Namen. Die Platten besitzen sehr unterschiedliche Größen. Die Lithosphäre (griech. Gesteinsschale) ist in der Regel zwischen 80 km und 160 km dick, unter den Kontinenten dicker als unter den Ozeanen. Die Lithosphärenplatten bewegen sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und in unterschiedliche Richtungen. Damit ergibt sich aber auch die Frage, wie dies bei einem geschlossenen Plattenmuster möglich ist. Nach dem Eulerschen Satz erfolgt die Bewegung eines Körpers auf einer Kugeloberfläche durch Rotation um eine Achse, die durch den Kugelmittelpunkt geht. Alle Plattenbewegungen werden daher durch Rotation um eine solche Achse und eine sogenannte Winkelgeschwindigkeit definiert. Durch die Plattendrift ergeben sich drei Arten von Plattengrenzen: konstruktive, destruktive und konservative. Unter Gebirgen kann sie bis über 200 km mächtig sein. Sie besteht aus der Erdkruste und dem darunter liegenden lithosphärischen Anteil des Mantels. Dieser ist der oberste Teil des Erdmantels und besitzt eine größere Starre als die darunter liegende, in geringen Teilen geschmolzene Schicht der Asthenosphäre (griech. schwache Schale). Die konstruktiven bzw. divergenten Plattengrenzen sind dadurch gekennzeichnet, dass die Bewegung der beiden Platten auseinander geht. Die entstehende Lücke wird durch aufdringendes Mantelmaterial zu basaltischer Schmelze und erstarrt zu ozeanischer Kruste. Der Ozeanboden breitet sich von diesen Plattengrenzen aus (»Ozeanboden-Spreizung«). 8 Konstruktive / divergente Plattengrenzen Destruktive / konvergente Plattengrenzen An destruktiven bzw. konvergenten Plattengrenzen wird die schwerere Platte unter die andere hinabgebogen und in den sogenannten Subduktionszonen in den tieferen, sublithosphärischen Mantel gezogen. Diese subduzierten Plattenteile werden dabei verändert und letztlich somit zerstört und wieder in den Mantel eingegliedert. Die tektonischen Platten werden also an destruktiven Grenzen gegeneinander geführt. In größerem Maßstab kann nur ozeanische Lithosphäre aufgrund ihrer höheren Dichte in den sublithosphärischen Erdmantel abgeführt werden. An der Erdoberfläche drücken sich die Subduktionszonen durch tiefe Rinnen, die Tiefseerinnen, wie sie vor allem rund um den Pazifik bestehen, aus. Bei den hier beschriebenen Vorgängen ist unter anderem ein Fakt in den Fokus wissenschaftlicher Betrachtungen gerückt: nämlich dass Seewasser, welches in die abtauchenden Platten eindringt, eine bedeutende Rolle spielt. Dabei wurde insbesondere von Geologen des Kieler GEOMAR entdeckt, dass die Serpentinisierung (Gesteinsbildung mit hoher Wasserbindung) des oberen Erdmantels offenbar mit Erdbebenzonen in Verbindung steht. Viele Subduktionszonen zeigen Bänder von erhöhter Erdbebenaktivität in einer Tiefe von 50-200 km. Erdbeben scheinen laut diesen jüngsten Forschungen genau dort aufzutreten, wo die Modelle den höchsten Wassergehalt im subduzierten Erdmantel vorhersagten. Wasser ist somit grundsätzlich und elementar an vielen dieser Abläufe beteiligt und quasi ein Katalysator in globaleren geologischen Abläufen. Es scheint auch so zu sein, dass Wasser der Schlüssel zum globalen Vulkanismus und Vulkanismus wiederum einer der Schlüssel zum Wasserkreislauf der Erde ist, so auch weitergehende Schlussfolgerungen der Kieler Geologen. Konservative Plattengrenzen (Transformverwerfung / -störung) An konservativen Plattenrändern wird Kruste bzw. Lithosphäre weder neu gebildet noch abgeführt, die Platten gleiten vielmehr aneinander vorbei. Diese Grenzen werden auch als Transformstörungen bzw. Transformverwerfungen bezeichnet. Im kontinentalen Bereich sind Transformstörungen selten. Die Mittelozeanischen Rücken werden hingegen von zahlreichen, meist relativ kurzen Transformverwerfungen durchschnitten. Diese Störungen verbinden zwei – nur scheinbar gegeneinander verschobene – Rückenabschnitte. Mit Hilfe der drei Arten von Grenzen ist die individuelle Bewegung der Lithosphärenplatten erklärbar. Dabei ergeben sich aber geometrische Zwänge, da sich die Platten Arten tektonischer Plattengrenzen Quelle: US-Geological Survey TKVV Mitteilungsheft Nr. 35 Brücke zwischen den Kontinenten in Reykjanes (Island) Quelle: Wikimedia Commons/Chris73 nicht völlig beliebig bewegen können und die Addition aller Bewegungen die Summe Null ergeben muss. Global gesehen wird die Auseinanderdrift der tektonischen Platten an den konstruktiven Rändern von der »Aufeinanderzubewegung« an den destruktiven Rändern kompensiert. Grabenbruch (Riftzone) Ein kontinentaler Grabenbruch, auch Rift (engl. Spalte, Riss) genannt, ist eine schmale und lang gestreckte Struktur in der Erdkruste, die sich an der Erdoberfläche in einer zentralen Einsenkung entlang einer Grabenachse zeigt. Beispiel dazu ist das Ostafrikanische Grabenbruchsystem. Einige Grabenbrüche werden von Transformverwerfungen abgeschnitten und setzen sich an anderer Stelle fort. Beispiel hierfür ist der Oberrheingraben, der sich in südliche Richtung im Bresse- und Rhonegraben fortsetzt. Grabenbruchsysteme sind im eigentlichen Sinne Dehnungszonen im lithosphärischen Mantel und der Erdkruste – die Lithosphäre und Erdkruste sind entlang dieser Zonen ausgedünnt. Die Mittelozeanische Rücken hingegen sind ein Beispiel für ein sehr langgestrecktes Grabenbruchsystem ozeanischer Kruste. Bei den kontinetalen Grabenbrüchen geht die Dehnung in der Oberkruste bis in etwa 15 km Tiefe durch Bruchbildung vor sich, was sich durch Erdbeben auch bemerkbar macht. Man unterscheidet in der Geologie zwischen aktiven und passiven Grabenbrüchen: Aktive Grabenbrüche entstehen durch sogenannte Aufdomung der Asthenosphäre über Aufströmungen heißen Gesteinmaterials (Manteldiapire) aus Richtung des tieferen Erdmantels. In der sich darüber befindlichen Lithosphäre zeigen sich dadurch Dehnungserscheinungen, ausgehend von der darunter auseinanderstrebenden Asthenosphäre. Die Aufwölbungen und Dehnungen in diesen Tiefen – des Grenzbereiches lithosphärischer Mantel und Asthenosphäre – erfolgen dort in einem breiteren Bereich und schlagen sich in der spröderen Oberkruste abgemildert nieder. Die Aufwölbung der Erdoberfläche ist bei aktiven Rifts entsprechend der weit gespannten Asthenosphären-Aufwölbung ebenfalls breit und kann sogar mehrere hundert Kilometer betragen. Bei passiven Grabenbrüchen ist die Dehnung auch in der tieferen Kruste und im lithosphärischen Mantel zuerst einmal auf das relativ schmale Areal des Rifts begrenzt. Dies kann aber bis zum Durchreißen des lithosphärischen Mantels führen, so dass Asthenosphärenmaterial bis an die Untergrenze der Kruste aufdringt und dort ein Mantelkissen bilden kann, das die Kruste 9 aufwölbt. Die oberflächliche Aufwölbung beschränkt sich somit auf die unmittelbare Grabenzone. Letztlich kann die Zerrung der Lithosphäre aber auch hier zu einer breiteren Aufdomung der Asthenosphäre und der darüber liegenden Lithosphäre führen. So kann sich ein passives in ein aktives Rift fortentwickeln, ohne dass das passive Stadium noch nachweisbar wäre. Die meisten heutigen Grabenbruchsysteme scheinen aber aktive Rifts darzustellen. Beide Prozesse – Aufdomung und Krustendehnung – greifen vermutlich ineinander über, so dass die primäre Ursache einer Grabenbildung oft auch nicht mehr erkennbar ist. Dennoch gilt, dass starke Aufwölbungen der Asthenosphäre starke magmatische Aktivitäten und sogenannte breite Grabenschultern bewirken. Passive Grabenbrüche hingegen sind arm an Magmatismus und die Grabenschultern sind weniger bis gar nicht ausgeweitet. Luftbildaufnahme einer tektonischen Verwerfung im Umland von Christchurch Quelle: Canterbury museum, Christchurch (Repro) Plattenbewegungen – Erdbeben - Vulkanismus Mit der Plattenbewegung stehen Konvektionsströme im sublithosphärischen Erdmantel in Wechselbeziehung. Wie man aus dem Ausbreitungsverhalten von Erdbebenwellen weiß, liegt der Erdmantel im Wesentlichen in festem Zustand vor. Dennoch ist er zu Fließbewegungen in der Größenordnung von mehreren Zentimetern pro Jahr – dies sind jedenfalls die Geschwindigkeiten, mit denen sich die Platten bewegen – fähig. Die Fließbewegung wird durch Gleitvorgänge an den sogenannten Mineralkorngrenzen ermöglicht, die unter den hohen Temperaturen des Erdmantels ablaufen. Teile des Erdmantels besitzen zudem geringe Schmelzanteile, die sich unter dem herrschenden hohen Druck als dünner Film um die festen Mineralkörner legen und sie trennen. Für die unmittelbar unter der Lithosphäre folgende Asthenosphäre – eine Schicht innerhalb des Oberen Mantels mit relativ hoher Beweglichkeit – wird ein Schmelzanteil von wenigen Prozent angenommen. Das Muster der Konvektionszellen im Erdmantel ist sehr komplex, wie aus detaillierten Untersuchungen mit Hilfe der Methode der seismischen Tomographie hervorgeht. Vermutlich ist ein System von Konvektionszellen im Oberen Erdmantel (bis knapp 700 km Tiefe) von einem zweiten System im Unteren Erdmantel getrennt, doch stehen beide Systeme in Wechselwirkung und induzieren sich gegenseitig. Aus diesem Grund fallen auf- und absteigende Ströme in beiden Teilen des Mantels oft räumlich zusammen. Der Einfluss des Erdkerns – der vor allem aus Eisen 10 und Nickel besteht und dessen äußere Schale in flüssigem Zustand vorliegt – auf das Geschehen im Erdmantel wird noch diskutiert. Von thermischen und möglicherweise auch stofflichen Wechselwirkungen ist aber auszugehen. Durch die Relativbewegungen der Platten werden an den Plattengrenzen Erdbeben ausgelöst. Der Gleitvorgang zwischen den Platten verläuft nicht spannungsfrei und kontinuierlich: In den bis zu einem gewissen Grad elastisch verformbaren Gesteinskörpern bauen sich Spannungen auf, die sich, wenn ein Grenzwert erreicht ist, in einem Bruch ruckartig entladen. Ein Blick auf eine Karte mit der Verteilung der Erdbeben-Epizentren zeigt eindrucksvoll, dass die Erdbeben auf schmale, erdumspannende Zonen konzentriert sind. Sie zeichnen die heutigen Plattengrenzen nach. Die Verteilung der Erdbebenzentren ist bei den verschiedenen Arten von Plattengrenzen aber unterschiedlich. Tief liegende Erdbebenherde treten nur entlang der Subduktionszonen auf, flach liegende hingegen an allen Plattengrenzen. Darüber hinaus finden sich verstreute Zentren innerhalb der Platten. Sie zeigen, dass die Platten auch in ihrem Inneren nicht frei von Deformationen sind und von großen Störungszonen durchzogen werden können. Die Bewegungsbeträge an Störungszonen innerhalb der Platten sind aber – über geologische Zeiträume gemittelt – wie zu erwarten, meist eine Größenordnung kleiner und liegen im Bereich von nicht mehr als wenigen Millimetern pro Jahr. Man spricht hier von Intraplatten-Tektonik. Die stärksten Konzentrationen von Erdbebenzentren finden sich an destruktiven Plattenrändern, wie sie vor allem rund um den Pazifik zu finden sind. Die Subduktionszonen lassen sich anhand der Beben bis in eine Tiefe von fast 700 km nachweisen. Bebenherde in geringerer Tiefe, deren Epizentren meist nahe der Plattengrenze liegen, können verheerende Auswirkungen haben. Entlang von Transformverwerfungen sind die Epizentren der Beben schärfer auf die Plattengrenze konzentriert, da die Störungszonen vertikal stehen. Wenn Transformverwerfungen kontinentale Kruste durchschneiden, können auch sie katastrophale Erdbeben auslösen. Dies ist auf das Aneinanderreiben der mächtigen starren Platten zurückzuführen und unter anderem von der Bewegungsgeschwindigkeit abhängig. Beispiele sind die SanAndreas-Störung in Kalifornien und die Nord-Anatolische Störung in der Türkei. Die Mittelozeanischen Rücken weisen eine viel schwächere Bebentätigkeit auf. Aufwärts gerichtete Ströme bringen geschmolzenes Gesteinsmaterial bis an die Erdoberfläche. Dementsprechend ist die feste Schale, in der sich Spannungen aufbauen und entladen können, sehr dünn. Das heiße, gerade erstarrte Gestein ist noch zu plastischen Verformungen fähig. Es treten deshalb nur schwache Beben auf. Junge, tektonisch noch aktive Gebirgsgürtel sind ebenfalls durch eine rege Bebentätigkeit gekennzeichnet. Durch die Kollision kontinentaler Massen entstehen breite Verformungszonen mit zahlreichen Bruchflächen. Man findet daher hier besonders breite Gürtel flacher Erdbeben. Einzelne tiefere Beben zeugen von vorangegangener Subduktionstätigkeit. Kontinentränder können mit der ozeanischen Kruste im angrenzenden Tiefseebecken fest verbunden sein - Kontinent und Ozeanbecken gehören derselben Platte an. Solche Kontinentränder sind zum Beispiel rund um den Atlantik vorhanden. An ihnen finden nur geringe, eher vertikale, Bewegungen statt, weshalb man sie auch als passive Kontinentränder bezeichnet. Diese stellen keine Plattengrenzen dar. Hingegen sind aktive Kontinentränder solche, bei denen zwischen Kontinent und Ozean eine Plattengrenze verläuft. Hier wird ein Plattenteil mit ozeanischer Kruste unter eine Platte mit kontinentaler Kruste subduziert. An der Plattengrenze bildet sich eine Tiefseerinne. Dieser Typ von Kontinenträndern tritt vor allem entlang der Anden auf. Viele Subduktionszonen rund um den Pazifik sind aber durch sogenannte Inselbogensysteme gekennzeichnet. Der Rand der Oberplatte ist in diesen Fällen durch vulkanische Inselketten geprägt. und deren Subduktion und Wiedereingliederung in den Erdmantel an anderer Stelle kontrolliert. Die ozeanische Lithosphäre ist somit der Motor für die Plattentektonik, während sich die Kontinentschollen eher passiv verhalten. Der Plattenantrieb an und für sich wird hauptsächlich vom Aufstieg von Magma an den Mittelozeanischen Rücken und vom Absinken schwerer Lithosphäre in den Subduktionszonen gesteuert. Nicht nur Bebentätigkeit, auch die Förderung magmatischer Schmelzen ist weitestgehend an die Plattengrenzen gebunden. Durch einen komplizierten Vorgang der Wechselwirkung zwischen der Asthenosphäre und der in sie abtauchenden subduzierenden Platte kommt es zur Bildung von Gesteinsschmelzen. Sie dringen in die darüber liegende Platte ein und speisen Vulkanketten über der Subduktionszone. Die ostasiatischen Inselbögen (Japan) sowie die Anden sind Beispiele hierfür. Man spricht hier von Inselbogenmagmatismus oder von subduktionsgebundenem Magmatismus. An Tranformstörungen kommt es im Regelfall nicht zu nennenswerten Aufschmelzungen von Gestein. Hingegen sind die Mittelozeanischen Rücken Hauptproduzenten von »basischen Magmatiten«. Konstruktive und destruktive Plattengrenzen sind somit für die Bil»Wanderung Indiens« dung des weitaus größQuelle: Wikipedia ten Anteils magmatischer Gesteine verantwortlich. Magmatische Tätigkeit gibt es aber auch innerhalb der Platten. Dieser Intraplatten-Magmatismus ist im allgemeinen jedoch an »Heiße Flecken«(»hot spots«) gebunden. Sie treten an konstruktiven Plattengrenzen auf, häufiger aber innerhalb der Platten und verursachen dort weiträumige Aufdomungen der Erdkruste (Anhebung dieser um bis zu 3 km über einem im Erdmantel aufsteigenden Magmastrom). Subduktionszonen bilden sich bevorzugt an Stellen mit gealterter, abgekühlter und daher spezifisch schwerer Lithosphäre, also am Rand großer ozeanischer Becken, wie rund um den heutigen Pazifik. Solange ein Ozeanbecken mit einem Mittelozeanischen Rücken an den Rändern nicht von Subduktionszonen begrenzt ist, verbreitert es sich, wie dies beim heutigen Atlantik der Fall ist. Die Ausbreitungsraten der Mittelozeanischen Rücken liegen zwischen 1 cm und etwa 15 cm im Jahr. Die Subduktionsrate (im Einzelfall bis zu 9 cm/Jahr - in der Vergangenheit auch höher) kann, vor allem wenn sie an gegenüberliegenden Rändern addiert wird, höher als die Ausbreitungsrate (Stichwort: Ozeanboden-Spreizung) am Rücken sein. In diesem Fall verkleinert sich das Ozeanbecken und die angrenzenden Kontinentmassen nähern sich an. Die anhaltende Annäherung führt irgendwann sogar zur Subduktion des Rückens und schließlich auch zur Kollision der kontinentalen Massen, wobei der passive Kontinentrand der subduzierenden Platte unter den Rand der Oberplatte gezogen wird. Beispiele für kontinentale Heiße Flecken hier in Europa sind das Französische Zentralmassiv und die Vulkaneifel. Diese Gebiete zeichnen sich durch jungen Vulkanismus aus. Im ozeanischen Bereich ist der heute aktive Teil des Hawaiianischen Archipels das wohl bekannteste Beispiel. Wenn Platten über einen Heißen Fleck hinweggleiten, entstehen lange Vulkanketten, an deren aktiven Ende der Heiße Fleck »sitzt«. Oft sind Heiße Flecken, wie bereits erwähnt, an Grabenbrüche gebunden, die tief greifende, ganze Kontinente durchschneidende Störungssysteme, darstellen. Das bekannteste Beispiel hierfür ist das ostafrikanische Grabenbruchsystem mit seinen Vulkanen. Der Bewegungsablauf der hier nun mehrfach zitierten Platten wird hauptsächlich von der Bildung ozeanischer Lithosphäre an den ozeanischen Rücken TKVV Mitteilungsheft Nr. 35 Kollision – Gebirgsbildung Durch das geringe spezifische Gewicht des subduzierten Kontinentteils kann dieser nicht beliebig tief nach unten gezogen werden. Er erfährt vielmehr einen Auftrieb in dem ihn umgebenden dichteren Mantelgestein und drängt nach dem Prinzip der Isostasie (griech. Gleichstand) nach oben. Auftrieb und starke Reibungskräfte nach einer Kollision zweier solcher Massen lassen die Subduktion der kontinentalen Kruste schließlich zum Stillstand kommen. Dies geschieht unter Bildung komplizierter tektonischer Strukturen wie Falten und Decken und unter Aufheizung der in die Tiefe verfrachteten Gesteine, die dabei metamorph verändert werden und teilweise aufschmelzen können. Nach dem quasi Totlaufen der Konvergenzbewegung reißt die noch anhängende subduzierte ozeanische Lithosphäre unter ihrem eigenen Gewicht ab. Durch Wegfall dieses nach unten ziehenden Gegengewichts kann der isostatische Aufstieg der kontinentalen Kruste effizient einsetzen. Damit beginnt die Entstehung eines hohen alpinotypen (mit noch elastisch reagierenden, abgelagerten Sedimenten) Gebirges als topographisch herausragende Oberflächenform. Der eigentliche Prozess der Gebirgsbildung (Orogonese) ist die Kollision der kontientalen Plattenteile, bei der Teile der Erdkruste über- und untereinander geschoben, gestapelt, verformt und umgewandelt werden. Diese Prozesse laufen in der Tiefe ab und müssen sich nicht unmittelbar in der Bildung eines hohen Gebirges bemerkbar machen. Oft erfolgt solche Heraushebung auch mit erheblicher Verzögerung von Millionen Jahren auf die Gebirgsbildung in der Tiefe. Die Alpen entstanden durch die Kollision der Adriatischen Platte mit Europa. Dabei wurde Europa entlang einer nach Süden abtauchenden Subduktionszone unter die Adriatische Platte ge- 11 schoben. Der Himalaja und das sich anschließende Hochland von Tibet entstanden durch die Kollision von Indien, das sich als eigene Platte von Afrika löste, mit Zentralasien. Hier tauchte die Subduktionszone nach Norden ab, womit Indien unter Asien geschoben wurde. In beiden Fällen erfolgte die Kollision in der frühen Tertiärzeit vor rund 40-50 Millionen Jahren. Die Hebung zu einem Hochgebirge begann jeweils etliche Millionen Jahre später. Was ist also das Besondere an der Kollision Indiens bzw. der Indo-Australischen Platte mit Eurasien? Westlich der Anden zum Beispiel stößt die ausschließlich aus ozeanischer Erdkruste bestehende pazifische Platte mit der im Wesentlichen aus kontinentalem Gestein aufgebauten südamerikanischen Platte zusammen. Kontinentale Platten haben eine geringere Dichte als ihre ozeanischen Geschwister. Sie sind daher leichter und schwimmen, während die dichtere ozeanische Platte in einer Subduktionszone in den Erdmantel taucht und dort versinkt. In dem Zusammenstoß Indiens mit Eurasien sind hingegen zwei kontinentale Platten verwickelt, daher gibt es unter dem Himalaja-Gebirge – anders als in den Anden – keine klar definierte Subduktionszone, in der eine der Platten verschwinden könnte. Zwar treffen auch an der Grenze zwischen Afrika und Europa zwei kontinentale Platten aufeinander. Der Zusammenstoß in Südeuropa ist aber keineswegs so heftig wie in Zentralasien, denn Italien wirkt lediglich wie ein Sporn, der sich in Europa hineinbohrt. In Zentralasien ereignet sich dagegen ein Frontalzusammenstoß auf einer mehr als 2500 km breiten Linie. Nunmehr haben Forscher im Jahre 2011 jedoch an dieser Stelle eine neue Krustenplatte entdeckt: Die rund 100 km dicke »Gesteinsscholle« liegt im Zentrum Tibets und bewegt sich mit fünf Zentimetern pro Jahr nach Nordosten. Bisher nahm man an, dass in dieser Region der Eurasische und der Indische Kontinent direkt aufeinanderstoßen und durch ihre Bewegung den Himalaya und in Folge davon das Hochland von Tibet aufwölben. Seit 2011 ergibt sich ein ganz neues Bild der plattentektonischen Kollision von Indien und Eurasien. Im Süden schiebt sich nun die indische Kontinentalplatte nach Norden und wird dabei unter die neu entdeckte Tibetische Platte gedrückt. In Zentral- und Nord-Tibet befindet sich in Folge jene Plattengrenze, in der sich die Tibetplatte über die im Norden liegende Eurasische Platte schiebt. Der endgültige Nachweis darüber gelang einem Forscherteam vom Potsdamer Geoforschungszentrum (GFZ) im Rahmen eines internationalen seismologischen Projekts. Hierbei zeichneten zahleiche, in Nord-Tibet verteilte Messgeräte die Wellen mehrerer, weit entfernter Erdbeben auf. Diese Erschütterungen werden bei ihrer Ausbreitung durch den Untergrund, je nach Gesteinsbeschaffenheit, bekanntlich leicht verändert. Die Wellenmuster offenbaren daher letztlich ein Bild der Struktur des Untergrunds. Im Gegensatz zu bisherigen seismischen Methoden war das für diese Messungen verwendete Verfahren genauer. Es lieferte hochauflösende Abbildungen sogar noch bis in mehrere hundert Kilometer Tiefe. Die jetzt entdeckte Tibetanische Platte erscheine in den Ergebnissen als deutlich abgegrenzter, eigener Bereich in diesem Teil der Lithosphäre zwischen Indien und Eurasien.1 An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Indische Platte in vielen Veröffentlichungen gern mit der Australischen Platte zur Indo-Australischen Platte zusammengefasst wird. Man möge sich also nicht wundern, mal diese oder jene Bezeichnung in weiterführender Literatur zu Gesicht zu bekommen. Plattenbruch - Erdbeben Quelle: Deutsches Geoforschungszentrum Potsdam Weil es keine Subduktion gibt, die eine der am Zusammenstoß beteiligten Platten verzehren könnte, muss die gewaltige bei der Kollision zusammengestauchte Gesteinsmasse der indischen Platte irgendwo anders geblieben sein. Neben dem Auftürmen des Himalaja-Gebirges hat das, so schreibt Royden in der Zeitschrift »Science« (Bd. 321, S. 1054), zu einer erheblichen Verdickung der Erdkruste geführt. Unter der asiatischen Kollisionszone ist die Erdkruste mehr als 80 km dick und damit mehr als doppelt so mächtig wie im Durchschnitt. Eine weitere Folge ist die Heraushebung der Landschaft nördlich des Himalaja-Gebirges zum Hochplateau von Tibet. Am 11. April 2012 bebte die Erde vor der Küste Sumatras mit einer Stärke von bis zur Magnitude (M) 8,7. Das Erdbeben war eines der schwersten der vergangenen hundert Jahre, schreibt ein internationales Wissenschaftlerteam im Fachmagazin »Nature« im vergangenen Jahr. Im Vergleich dazu erreichte beispielsweise das zerstörerische Beben vom März 2011 in Japan nur eine geringfügig höhere Magnitude von 9,0. Beim Beben vor Sumatra sei die unter dem Indischen Ozean liegende Indo-Australische Platte an vier Stellen über mehrere Kilometer hinweg eingerissen. Dabei verschoben sich die Erdmassen südwestlich der indonesischen Insel Sumatra horizontal gegeneinander. Hätten sie sich im Übrigen vertikal bewegt, wäre es vermutlich zu ähnlichen Tsunamis wie nach dem sogenannten Sumatra-Andamanen-Beben vom 26. Dezember 2004 (M 9,1) gekommen. Ausgewertet wurden Daten von lokalen Messstationen, die die Erschütterungen rund um das Erdbebenzentrum aufgezeichnet hatten. Weiterhin bezog man aber auch die Ausbreitungsgeschwindigkeit und Stärke der seismischen Wellen weltweit in die Untersuchungen mit ein. Die Erdbeben im Indischen Ozean zeigten allerdings andere »Verhaltensmuster« in den Aufzeichnungen als üblich. Grundlegendester Unterschied: Die meisten 1 12 Natur Geocience, 2011; DOI (Digital Object Identifier): 10.101038/NGEO 1309 »Plattenbruch« Quelle: Keith Koper, University of Utah anderen Beben mit einer Magnitude über 8,0 entstehen durch Kollision zweier Kontinentalplatten, wobei sich eine Platte unter die andere schiebt. Bei jenem April-Erdbeben hatten sich jedoch ganz offensichtlich die Erdmassen innerhalb der Indo-Australischen Platte eben horizontal »aneinander gerieben«. Auch kann man aus den bisherigen Daten folgern, dass die Indo-Australische Platte vermutlich in zwei bis drei Teile letztendlich zerbrechen wird und es sich hierbei um einen Prozess handelt, der vermutlich auch schon vor etwa 50 Millionen Jahren in dieser speziellen Region so begonnen hat. Dies sei nicht nur die größte jemals beobachtete horizontale Verschiebung in der Erdkruste, sondern mit zwei Epizentren auch das stärkste bisher gemessene Erdbeben im Inneren einer Platte, betonten die Forscher. Sie errechneten, dass innerhalb von 160 Sekunden vier bis zu 180 km lange und 90 km tiefe Risse entstanden waren. Entlang dieser hätte sich der Meeresboden zwischen 6 m und 30 m gegeneinander verschoben. Ursache dieser Beben sind Spannungen innerhalb der Erdkruste. Die Indo-Australische Kontinentalplatte drifte als Ganzes nach Norden, kollidiere dabei aber im Nordwesten mit Eurasien – und dies bremse den westlichen Teil der Platte aus, meinen die Wissenschaftler.2 Erläuterungstafeln im Canterbury Museum, Christchurch (Repro) Ich selbst verpasste zu meinem persönlichen Bedauern jenes Sumatra-Beben quasi vor Ort um lediglich acht Tage, da ich am 11. April 2012 bereits in der nächsten Erdbebenregion Christchurch weilte, welche in den Jahren 2010 und 2011 von einer starken Erdbebenserie heimgesucht wurde. Hintergrund ist hier, dass sich die pazifische Platte unter die Indo-Australische Platte schiebt. Die Subduktionsgeschwindigkeit entlang der südöstlichen Seite der Nordinsel beträgt ca. 7 cm im Jahr. Die Plattengrenze selbst erstreckt sich aber sowohl über die Nord- als auch Südinsel. Die (damals noch) zweitgrößte Stadt Neuseelands sollte insbesondere nach den Zerstörungen vom Februar 2011 in Teilen ganz aufgegeben werden. Ein bisher nicht näher erwähnter Fakt zeigte sich bei den Erdbeben hier sehr eklatant: obwohl das Beben vom 4. September 2010 von größerer Intensität war mit M 7,1, richtete das Erdbeben vom 22. Februar 2011 mit M 6,3 die weitaus größeren Schäden an und forderte leider somit auch die größere Anzahl von 185 Todesopfern, da das Epizentrum viel näher am Stadtgebiet lag – vor allem tiefenbezüglich. Stabile Aufwärtsströmungen Ergänzend zu dieser hier doch eher grob und bruchstückhaft umrissenen Thematik, noch eine weitere Entdeckung jüngster Forschungen, welche in der renommierten Fachzeitschrift »Nature« Ende Juni dieses Jahres ihre weltweite Publikation fand: Zwei Aufstiegszonen im Erdmantel, an denen stabil seit mindestens 250 Millionen Jahren heißes Material nach oben steigt, wurden unter Afrika und unter dem Zentralpazifik entdeckt. Doch diese geologischen Hitzeherde brannten sich dem Anschein nach auch schon durch die prähistorische Kruste des Urkontinents Pangäa, wie Forscher von der University of Hawaii im Fachmagazin »Nature« diesjährig berichteten. »Der Superkontinent Pangäa bildete sich und brach dann allmählich wieder auseinander – aber trotz dieser dramatischen Umwandlungen an der Oberfläche blieben die beiden Aufwärtsströmungen im Erdmantel die ganze Zeit konstant«, erklärt Clinton Conrad von der University of Hawaii. Solche Umwälzströmungen im Erdmantel sind somit auch der Motor für die Plattentektonik und damit die Drift der Kontinente: Dort, wo heißes halbflüssiges Gestein aufsteigt und seitlich unter der Kruste entlang fließt, zieht es auch die darüber liegenden Platten mit sich. Entdeckt haben die Forscher die beiden stabilen Mantelströmungen durch genaue Vermessung und Beobachtung der Plattenbewegungen. »Ich war neugierig, ob es einen Punkt gibt, auf den sich alle tektonischen Platten auf der Nordhalbkugel zubewegen«, erklärte Conrad. Tatsächlich gibt es den, wie die Messungen zeigten: Er liegt in Ostasien. Ausgehend von dieser Feststellung entwickelten die Wissenschaftler ein mathematisches Modell, das zwei Punkte des Auseinanderweichens und zwei Punkte des Zusammenlaufens identifizierte. Als sie dieses Modell auf frühere und die heutigen Positionen und Bewegungen der Erdplatten übertrugen, zeigten sich zwei Punkte, die über mehr als 250 Mio. Jahre hinweg stabil geblieben sind. »Ich war erstaunt, dass sich diese Stellen in geologischen Zeiträumen absolut nicht bewegt haben«, so Conrad. Sie liegen im zentralen Pazifik und unter Afrika und gehören zu den Bereichen, in denen heißes Mantelmaterial nach oben steigt. Es stellt sich nun die Frage, warum ausgerechnet diese beiden Stellen in einem so komplexen und dynamischen System wie dem Erdmantel sta- 2http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-15172-2012-09-27.html TKVV Mitteilungsheft Nr. 35 13 bil geblieben sind. Ein Hinweis könnte die Zusammensetzung des Mantels liefern, wie die Forscher erklären. Denn unter Afrika und dem Zentralpazifik weicht er chemisch von dem Gestein an anderen Stellen des Mantels ab. Unklar ist auch, ob und wie diese beiden Strömungspunkte die Bewegungen des restlichen Mantelmaterials beeinflussen. »Diese Fragen zu beantworten ist wichtig, denn geologische Phänomene wie Ozeanbecken, Gebirgszüge, Erdbeben und Vulkane gehen letztlich auf diese interne Dynamik der Erde zurück«, erklärt Conrad.3 Seismologie Erdbeben bestehen in der Regel nicht aus einer einzelnen Erschütterung, sondern ziehen meist weitere nach sich. Man spricht in diesem Zusammenhang von Vorbeben und Nachbeben in Bezug auf ein stärkeres Hauptbeben. Treten Erdbeben über einen längeren, begrenzten Zeitraum gehäuft auf, so spricht man von einem Erdbebenschwarm oder Schwarmbeben. Solche treten vor allem in vulkanisch aktiven Regionen auf. Ein Beispiel unserer Region ist dafür das Vogtland. Die Seismologie ist die Wissenschaft, die sich mit der Erforschung von Erdbeben befasst. Die zehn stärksten seit 1900 gemessenen Erdbeben fanden mit einer Ausnahme alle an Subduktionszonen rund um den Pazifik, dem Pazifischen Feuerring, statt. Seismologen nutzen verschiedene Skalen, um die Stärke von Erdbeben zu ermitteln und zu vergleichen. Diese Skalen werden Magnitudenskalen genannt. Die Magnitudeneinheiten geben an, wie viel Energie bei einem Erdbeben freigesetzt wird. Am bekanntesten ist die Richterskala. Sie wurde im Jahre 1935 von Charles F. Richter vom California Institute of Technology entwickelt, um die Stärke lokaler Beben ermitteln und vergleichen zu können. Die Richterskala basiert auf Seismogrammaufzeichnungen, die in der Distanz von lediglich wenigen hundert Kilometern erstellt wurden. Darum wird sie auch Lokalbebenmagnitude genannt. Die Richterskala (ML) kann nur Erdstöße bis zu einer Stärke der Hinweistafeln in Christchurch (Neuseeland) im April 2012 Die ermittelten Werte an sich sind aber kompatibel. Seismologen nutzen die Richterskala noch heute, um die Stärke heutiger Erdstöße mit älteren Beben zu vergleichen und sie der breiten Bevölkerung als Begriff bekannt ist. Das DFZ Potsdam wendet zur Berechnung von Erdbebenstärken zehn verschiedene Magnitudentypen an. Die jeweils ermittelten Werte, sind aber untereinander vergleichbar. Jeder Punkt mehr auf der Magnitudenskala bedeutet eine zehnmal stärkere Bodenbewegung. Ein Beben der Stärke 9,0, wie es im März 2011 in Japan gemessen wurde, fühlt sich also zehnmal heftiger an als ein Beben der Stärke 8,0. Die größte, bisher je ermittelte Erdbebenstärke betrug 9,5 auf der Richter-Skala, gemessen beim Beben am 22. Mai 1960 im Pazifischen Ozean in der Nähe der südchilenischen Hafenstadt Valdivia. Rund 5.700 Menschen wurden getötet. Das Seebeben wurde anfänglich mit 8,6 bewertet, später aber auf 9,5 hochgesetzt. Und Erdbeben sind kein seltenes Ereignis, vielmehr bebt die Erde mehrmals täglich, meist jedoch unter der Schwelle der Wahrnehmbarkeit. Im Durchschnitt gibt es weit über 60.000 Erdbeben mit einer Magnitude von ≥ 3 pro Jahr, über 1.000 Erdbeben haben eine Magnitude von ≥ 5. Quellen Lars Rüpke (GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel) in: Peter Linke, Sarah Zierul, Birte Friedländer, Bernd Grundmann (Hrsg.): Am Puls der Zeit, Neumünster, 2012 Hans-Ulrich Schminke: Vulkanismus, Darmstadt, 2000 mobiles Erdbebenmessgerät einheimischer Produktion Canterbury Museum, Christchurch Magnitude 7,0 erfassen (Wert des Haitii-Bebens 2010). Heftigere Beben können mit der Richterskala nicht gemessen werden. In solchen Fällen kommen meist die Mercalliskala mit einer zwölfteiligen Skala zum Einsatz bzw. die Momenten-Magnituden-Skala (Mw), bei der mit dem Wert 10,6 das Skalenende erreicht ist. 3 14 Clinton P. Conrad, Bernhard Steinberger and Trond H. Torsvik: Stability of active mantle upwelling revealed by net characteristics of plate tectonics, Nature, 498, 27 June 2013, DOI: 10.1038/nature12203 Claus-Dieter Reuther: Grundlagen der Tektonik, Berlin 2012 http://www.nature.com/nature/journal/v498/n7455/full/nature12203.html http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-16329-2013-06-27.html Fotos aus Christchurch: Kai Schlosser NAD83 – Die Entstehung des Nordamerikanischen Datums Susanne Schmitt, Vermessungsoberinspektoranwärterin Im Zuge der Umstellung der amtlichen Bezugssysteme der Länder zum bundeseinheitlichen Bezugssystem ETRS89 soll dieser Artikel einen Exkurs in die Entwicklung der Bezugssysteme in einem anderen Teil der Erde darstellen. Dieser Artikel befasst sich mit der Entstehung des nordamerikanischen Datums von 1983 und wird u.a. klären, was »Buttermilch« mit der Amerikanischen Landesvermessung zu tun hat. Die Geschichte der Landesvermessung in den USA Wie in Deutschland gibt es auch in den USA eine zuständige Behörde für die Durchführung der Landesvermessung - den National Geodetic Survey mit Sitz in Silver Spring, Maryland. Die Behörde wurde 1807 durch Präsident Thomas Jefferson als Survey of the Coast gegründet und war dem Finanzministerium zugeordnet. Die Behörde hatte zunächst die Aufgabe, die Vermessung der U.S.-Küste durchzuführen und Seekarten zu produzieren, welche für mehr Sicherheit in der Seefahrt sorgen sollten. So entstand langsam die Idee einer Landesvermessung. Mit der Leitung der Küstenvermessung wurde der Schweizer Geodät Ferdinand Rudolph Hassler betraut. Dieser half bereits Abb. 1 Ferdinand R. Hassler während seiner Studienzeit bei der Vermessung verschiedener Kantone der Schweiz und wurde danach mit der Vermessung der gesamten Schweiz beauftragt. Durch seine Arbeiten während der Landesvermessung wurde Hassler zu Amerikas erstem Vollzeit-Wissenschaftler. 1811 begann Hassler mit den organisatorischen Vorarbeiten für die Vermessung der Ostküste. 1816 bis 1817 war der erste Teil der Vermessung abgeschlossen. Die Triangulation umfasste das gesamte Gebiet um New York City. Aufgrund von Verwaltungsreformen (zwischen 1818 und 1832 war der Survey of the Coast der Navy angegliedert, danach wieder dem Finanzministerium) lagen die Arbeiten vorerst auf Eis, wurden aber 1832 fortgesetzt und die Triangulation entlang der amerikanischen Ostküste ausgebaut. Nach der Umbenennung der Behörde in U.S. Coast Survey wurde 1839 dann die erste Seekarte erstellt, welcher bis zum Jahre 1863 noch 66.000 weitere Karten folgten. Abb. 3 ab 1832 Ausbau der Triangulation entlang der Ostküste Nach dem Tod Hasslers 1843 übernahm Alexander Dallas Bache, ein Enkel von Benjamin Franklin, die Leitung der Landesvermessung. 1871 unterschrieb Präsident Ulysses S. Grant ein Gesetz, das den U.S. Coast Survey ermächtigte, die Vermessungsarbeiten auf das Inland der Vereinigten Staaten auszuweiten1. So war der Weg für die Transkontinentale Landesvermessung geebnet. Diese wurde 1871–1899 entlang des 39. Breitengrades durchgeführt, um die bereits weit ausgebauten Vermessungsnetze der östlichen Bundesstaaten mit denen der pazifischen Westküste zu verbinden2. Die Transkontinentale Vermessung der Vereinigten Staaten war in vielerlei Hinsicht eine Vermessung der Superlative. Mit ca. 4.224 km Länge war sie eine der längsten Triangulationen, die jemals gemessen wurde, mit enorm langen Beobachtungsstrecken. Die längste Triangulationslinie wurde zwischen dem Mount Shasta und dem Mount Helena mit ca. 309 km gemessen. Auf1http://www.ngs.noaa.gov/web/about_ngs/history Abb. 2 Skizze der ersten Triangulation 1816-1817 TKVV Mitteilungsheft Nr. 35 2http://de.wikipedia.org/wiki/North_American_Datum 15 Abb. 7 »Buttermilk« – der älteste erhaltene Vermessungspunkt der USA (rechtes Bild, oberhalb der 1932 neu geschaffenen silbernen Marke) Abb. 4 1871-1899 Transkontinentale Vermessung der USA grund der langen Strecken waren auch dementsprechend hohe Beobachtungstürme notwendig. Der höchste Turm hatte eine Höhe von ca. 83 m3. Danach wurde das Triangulationsnetz bis 1931 über die gesamten Vereinigten Staaten ausgeweitet. Ferdinand R. Hassler geschaffen. Er ist ein Punkt erster Ordnung und befindet sich nördlich von New York City auf dem »Buttermilk-Hill«, von dem er auch seinen kuriosen Namen hat. Eine besondere Würdigung erfuhr der »Buttermilk« im Jahre 1976. Damals wurde ihm sowie der gesamten Landesvermessung zu Ehren durch den National Geodetic Survey und die Familie Rockefeller eine bronzene Gedenktafel angebracht4. Die Entstehung des Nordamerikanischen Datums von 1983 Ein geodätisches Datum ist die Grundlage der Landesvermessung und wird benötigt, um ein Koordinatensystem festzulegen. Es umfasst die Parameter der Größe, Form und Lagerung eines Referenzellipsoides im Bezug zum Erdkörper (Referenzsystem)5. Weltweit gibt es viele verschiedene Datumsangaben wie das Potsdam-Datum von 1983 (PD83, Thüringen) oder das Rauenberg-Datum 1983 (RD83, Sachsen), das Schweizer Datum 1903 (CH1903), das Datum Austria in Österreich oder das bundeseinheitliche Datum ETRS89. Aufgrund der Vielzahl an Referenzsystemen ist es bei der Koordinatenangabe immer wichtig, das verwendete geodätische Datum anzugeben, sonst ist die Koordinatenangabe unbrauchbar. Abb. 5 Beobachtungsturm der Amerikanischen Landesvermessung Abb. 8 Lage des Fundamentalpunktes »Meades Ranch« Abb. 6 Ausbau des Triangulationsnetzes über das gesamte Landesgebiet der USA »Buttermilk« Ein historisches Überbleibsel der amerikanischen Landesvermessung ist der Vermessungspunkt »Buttermilk«. Er ist der älteste erhaltene Vermessungspunkt der USA und wurde 1833 durch Das erste in den USA verwendete geodätische Datum war das New England Datum von 1879. Damals erfolgte die Datumsfestlegung nach der klassischen »Fundamentalpunktmethode«. Dafür benötigte man einen fest vermarkten Punkt auf der Erdoberfläche, welcher möglichst im Zentrum des Geltungsbereichs lag. In diesem Punkt erfolgte die Beschreibung der Parameter der Ausrichtung des Referenzellipsoides zum Erdkörper. Der Fundamentalpunkt des New England Datum von 1879 wurde in Principio bei Perryville in Maryland festgelegt. Dieser Ort wurde 4http://celebrating200years.noaa.gov/transformations/spatial/welcome.html 3http://www.holoscenes.com/cgi-bin/moin.cgi/TranscontinentalTriangulation 16 5 Skript Koordinatenreferenzsysteme, R. Lehmann, HTW Dresden, Version 2005 deshalb gewählt, da er sich zur damaligen Zeit im Zentrum des geografischen Interesses der USA befand6. Durch die Transkontinentale Vermessungs-Kampagne und die Erweiterung der Netze über das gesamte Gebiet der Vereinigten Staaten musste der ursprüngliche Fundamentalpunkt in Principio in die Mitte des Kontinents verlegt werden. Als neuer Fundamentalpunkt wurde Meades Ranch festgelegt. Der Punkt befindet sich zwischen den Städten Lucas und Tipton in Kansas und somit im Zentrum der USA. Aufgrund dessen wurde das New England Datum in U.S. Standard Datum umbenannt. an die Nordamerikanische Platte gebunden. So bleiben gemessene Koordinaten, welche sich auf diese Festpunkte beziehen, von den Effekten der globalen Plattenverschiebungen weitestgehend unbeeinträchtigt. Für die Umstellung des NAD27 auf das NAD83 war eine Entzerrung und Neuberechnung des kompletten Referenzrahmens notwendig. Dadurch treten landesweit unterschiedlich große Abweichungen zwischen beiden Systemen auf: • kontinentale USA 10-100 m • Alaska und Puerto Rico > 200 m • Hawaii > 400 m. Da so eine Umrechnung von Koordinaten aus NAD27 nach NAD83 nicht über eine einheitliche Formel möglich ist, hat der National Geodetic Survey ein Transformationsprogramm herausgebracht. Abb. 9 Fundamentalpunkt für das NAD27 bei Meades Ranch in Kansas Abb. 10 Darstellung der Abweichungen zwischen NAD27 und NAD83 1913 beschlossen Kanada und Mexiko ebenfalls ihre Vermessungsnetze auf Grundlage des U.S. Standard Datum aufzubauen. Da das Datum nun für den gesamten nordamerikamischen Kontinent verwendet wurde, erfolgte die Umbenennung in North American Datum. Das Nordamerikanische Datum basiert wie seine Vorläufer auf dem Clarke-Ellipsoid von 1866. Als Fundamentalpunkt wurde Meades Ranch in Kansas beibehalten. Zur Bildung des Referenzrahmens erfolgte 1927 eine Neuberechnung der Positionen von 25.000 Festpunkten durch Ausgleichungsrechnung. Daraus geht die Bezeichnung NAD27 hervor. Die Abweichungen können mit diesen Transformationen auf dem Festland der Vereinigten Staaten auf etwa 15 cm und in Alaska, Puerto Rico und Hawaii auf etwa 50 cm reduziert werden. In den 1970er Jahren kam es immer häufiger zu Widersprüchen zwischen dem Bezugssystem NAD27 und den Ergebnissen lokaler Messungen. Dies lag zum einen an der Einführung elektronischer Vermessungsmethoden, zum anderen jedoch an der Verwendung des Clarke-Ellipsoides, welches jetzt einfach nicht mehr zeitgemäß und zu ungenau war. So entschied man sich, in Zusammenarbeit mit Kanada, Mexiko und Grönland ein neues Bezugssystem aufzubauen. Als Erdmodell wurde das geodätische Referenzsystem 1980 (GRS80) mit einem geozentrischen Ursprung gewählt. Durch die zwischenzeitliche Einführung der Satellitengeodäsie wurde die klassische Fundamentalpunktmethode durch Satellitenbeobachtungen abgelöst. So brauchte man keinen Fundamentalpunkt mehr, sondern bestimmte das Bezugssystem durch Satellitenbeobachtungen auf einigen hundert Stationen. Das National Spatial Reference System (NSRS) Das sogenannte National Spatial Reference System (NSRS) ist ein Service des National Geodetic Survey und das Raumbezugssystem der USA. Bestandteil des NSRS sind zum einen über 1,5 Millionen Festpunkte (Kirchtürme, Wassertürme, vermarkte Festpunkte) und zum anderen das National Continuously Operating Reference Station (CORS) network. Ab 1994 wurde dieses Netzwerk ständiger GPS-Beobachtungsstationen aufgebaut und ist ein Bestandteil des International Terrestrial Reference Frame (ITRF) mit über 1800 permanent messenden Referenzstationen für GPS-Messungen (Stand 2011). Zusätzlich zu diesen 1800 Stationen werden vereinzelt auch CORS-Stationen außerhalb 1986 wurde das North American Datum von 1983 (NAD83) erstmals veröffentlicht. Bis dahin arbeiteten 300 Personen sieben Jahre lang an diesem Projekt. Die Kosten betrugen insgesamt 37 Mio. US-Dollar. NAD83 ist ein Referenzsystem für Nordamerika, deshalb ist seine Realisierung (in Form von Festpunkten) 6http://de.wikipedia.org/wiki/North_American_Datum TKVV Mitteilungsheft Nr. 35 Abb. 11 Übersicht der weltweiten CORS-Stationen 17 Nordamerikas betrieben. Sie dienen u. a. militärischen Zwecken und befinden sich z. B. in Benin, Äthiopien oder dem Irak, wo die US Army in Zusammenarbeit mit dem National Geodetic Survey seit 2004 ein irakisches Bezugssystem, das Iraqi Geospatial Reference System (IGRS) aufbaut. Fazit Vergleicht man die Entwicklung des Bezugssystems Nordamerikas mit Europa, lassen sich viele Parallelen herstellen. Die Tabelle stellt die Systeme der beiden Kontinente gegenüber: USA Europa NAD83 ETRS89 National Continuously Operating Reference Station (CORS) network EUREF Permanent GPS Network 1800 CORS-Stationen 250 EUREF-Stationen Der größte Unterschied zwischen beiden Netzwerken ist die Ausdehnung des Referenznetzes und die damit verbundene Anzahl an Referenzstationen. Aufgrund dessen ist die Betreuung der Stationen nicht durch eine einzelne Behörde zu bewältigen. Die Betreuung der 1800 Stationen erfolgt durch über 200 verschiedene Betreiberorganisationen. Ziel des National Geodetic Survey ist es, das Netzwerk noch weiter auszubauen. Quellen Abbildung 1 http://en.wikipedia.org/wiki/Ferdinand_Rudolph_Hassler Abbildung 2 http://www.ngs.noaa.gov/web/about_ngs/history/Hassler_1816_Sketch.jpg Abbildung 3 http://images.summitpost.org/medium/613841.jpg Abbildung 4 http://images.summitpost.org/medium/613563.jpg (verändert) Abbildung 5 http://www.ngs.noaa.gov/web/about_ngs/history (verändert) Abbildung 6 http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Horizontal_Control_Network_of_the_United_States_June_1931.jpg Abbildung 7 http://celebrating200years.noaa.gov/foundations/spatial/ side1_spatial.html Abbildung 8 http://en.wikipedia.org/wiki/File:Meades_ranch.png Abbildung 9 http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:NOAA_Theb1560.jpg Abbildung 10 http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Datum_Shift_Between_ NAD27_and_NAD83.png Abbildung 11 http://www.ngs.noaa.gov/CORS/ Abbildung 12 http://celebrating200years.noaa.gov/visions/spatial_ref_system/cors_map.html http://www.epncb.oma.be 18 Abb. 12 oben: National CORS network Referenzstationen, Stand Oktober 2006 unten: EUREF Permanent Network Referenzstationen Straßenrecht - Eigentum, Eigentumsübergang und Straßenbaulast Felix Hampel, Vermessungsoberinspektoranwärter Das Straßenrecht ist der Teil des Rechts, der sich mit dem Bau, der Unterhaltung und insbesondere auch der Nutzung von Straßen beschäftigt. Es umfasst die Gesamtheit aller Rechtsnormen, die die Rechtsverhältnisse an öffentlich gewidmeten Straßen, Wegen und Plätzen beinhalten. Ein Großteil der vermessungstechnischen Arbeiten umfasst die Straßenschlussvermermessungen unter anderem für die einzelnen Straßenbauämter des Freistaates Thüringen. Diese sind nach dem Anwendungserlass zur Thüringer Verwaltungskostenordnung für das amtliche Vermessungswesen (ThürVwKostOVerm) Liegenschaftsvermessungen zur Bestimmung von Flurstücksgrenzen aus Anlass des Neubaus oder von Veränderungen an Straßen, Wegen, Bahnen oder Gewässern. Daher ist es auch dringend erforderlich, sich mit dem Rechtsgebiet des Straßenrechts auseinanderzusetzen. Gesetzliche Grundlagen des Rechtsgebietes bilden unter anderem das Grundgesetz, das Bundesfernstraßengesetz (FStrG), das Eisenbahnkreuzungsgesetz sowie das Thüringer Straßengesetz (ThürStrG). Das Hauptaugenmerk des Artikels liegt nun auf dem Thüringer Straßengesetz. Das ThürStrG regelt die Rechtsverhältnisse der öffentlichen Straßen (§ 1 ThürStrG). Öffentliche Straßen sind nach § 2 des ThürStrG diejenigen Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind. Diese werden folgendermaßen eingeteilt: 1. Bundesautobahnen und Bundesstraßen mit den Ortsdurchfahrten; dienen dem weiträumigen Verkehr und bilden ein zusammenhängendes Verkehrsnetz (nach § 1 FStrG) 2. Landesstraßen bilden innerhalb des Landesgebietes untereinander oder zusammen mit Bundesfernstraßen ein Verkehrsnetz und dienen dem Durchgangsverkehr (nach §3 ThürStrG) 3. Kreisstraßen dienen dem Verkehr zwischen benachbarten Kreisen und kreisfreien Städten, dem überörtlichen Verkehr innerhalb eines Kreises oder dem unentbehrlichen Anschluss von Gemeinden oder räumlich getrennten Ortsteilen an überörtliche Verkehrswege (nach § 3 ThürStrG) 4. Gemeindestraßen dienen dem Verkehr innerhalb des Gemeindegebietes oder dem nachbarlichen Verkehr zwischen Gemeinden oder dem weiteren Anschluss von Gemeinden oder räumlich getrennten Ortsteilen (nach § 3 ThürStrG) 5. Sonstige öffentliche Straßen dienen einem auf bestimmte Benutzungsarten oder bestimmte Benutzungszwecke beschränkten Verkehr (nach § 3 ThürStrG). Eine Widmung (§ 6 ThürStrG) ist eine Allgemeinverfügung, durch die Straßen, Wege und Plätze die Eigenschaft einer öffentlichen Straße bekommen. Dabei werden die öffentlichen Straßen auch in die verschiedenen Straßenklassen eingestuft und eventuelle Benutzungsbeschränkungen festgelegt. Voraussetzung für die Widmung ist, dass der Träger der Straßenbaulast Eigentümer des der Straße dienenden Grundstücks ist. Des Weiteren gibt es noch Allgemeinverfügungen wie die Umstufung (§ 7 ThürStrG), Einziehung (§ 8 ThürStrG) und Teileinziehung (§ 8 ThürStrG), die die durch Widmung erlangte Rechtswirkung verändern können. Bei einer Umstufung werden öffentliche Straßen bei Änderung TKVV Mitteilungsheft Nr. 35 ihrer Verkehrsbedeutung einer anderen entsprechenden Straßengruppe zugeordnet. Eine Einziehung, bei der eine gewidmete Straße die Eigenschaft einer öffentlichen Straße verliert, kann erfolgen, wenn sie keine Verkehrsbedeutung mehr hat oder überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen. Außerdem kann die Widmung einer Straße nachträglich auf bestimmte Benutzungsarten oder Benutzerkreise durch eine Teileinziehung beschränkt werden. Nach § 9 des Thüringer Straßengesetzes umfasst die Straßenbaulast alle mit dem Bau und der Unterhaltung der Straßen zusammenhängenden Aufgaben, wie zum Beispiel die Planung, Herstellung und Finanzierung. Die Straßen sind von den Trägern der Straßenbaulast nach ihrer Leistungsfähigkeit und unter der Berücksichtigung der öffentlichen Belange und des Umweltschutzes in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand zu bauen, zu unterhalten, zu erweitern oder sonst zu verbessern. Wenn aufgrund mangelnder Leistungsfähigkeit ein nicht verkehrssicherer Zustand nicht sofort behoben werden kann, dann haben die Straßenbaubehörden auf einen nicht verkehrssicheren Zustand vorbehaltlich anderweitiger Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörden durch Verkehrszeichen darauf hinzuweisen. Wer der Träger der Straßenbaulast ist, ist in den § 1 des FStrG und § 43 des ThürStrG folgendermaßen festgelegt: • Bund ist Träger der Straßenbaulast für Bundesautobahnen und Bundesstraßen • Land ist Träger der Straßenbaulast für Landstraßen • Landkreise sind Träger der Straßenbaulast für die Kreisstraßen • Gemeinden sind Träger der Baulast der Gemeindestraßen • Träger der Straßenbaulast für sonstige öffentliche Straßen wird in der Widmungsverfügung durch das Landesamt für Bau und Verkehr bestimmt. Dabei ist noch zu erwähnen, dass für Bundesautobahnen und Bundesstraßen der Bund die finanzielle Straßenbaulaust (GG Art. 104a Abs. 2) und die Länder im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung die externe Straßenbaulast tragen (GG Art. 90 Abs. 2). Sonderregelungen, wer Träger der Straßenbaulast ist, gibt es bei den Ortsdurchfahrten. Diese sind nach § 5 des Thüringer Straßengesetzes die Teile der Landes- oder Kreisstraßen, die innerhalb der geschlossenen Ortslagen liegen und auch zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmt sind. Die Grenzen der Ortsdurchfahrt setzt bei Landes- und Kreisstraßen die obere Straßenbaubehörde nach Anhörung der Gemeinde und bei Kreisstraßen auch mit Zustimmung des Trägers der Straßenbaulast fest. Träger der Straßenbaulast bei Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen (§ 5 FStrG) ist die Gemeinde, wenn sie mehr als 80.000 Einwohner hat. Falls ihre Einwohnerzahl zwischen 50.000 und 80.000 liegt, dann ist die Gemeinde ebenfalls der Träger, wenn sie es mit Zustimmung der obersten Kommunalaufsichtsbehörde 19 (Thüringer Innenministerium) gegenüber der obersten Landesstraßenbaubehörde (Thüringer Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Verkehr) verlangt. Ansonsten ist die Gemeinde der Träger der Straßenbaulast für Gehwege und Parkplätze. Bei Landes- und Kreisstraßen (§ 43 ThürStrG) ist die Gemeinde nur ab einer Einwohnerzahl von mehr als 30.000 der Träger der Straßenbaulast. Hat die Gemeinde eine geringere Einwohnerzahl, dann ist sie für die Gehwege und Parkplätze Träger der Straßenbaulast. Abschließend ist nun noch zu klären, was alles zum Bestand der öffentlichen Straßen gehört und wie der Eigentumsübergang erfolgen kann. Öffentliche Straßen bestehen aus dem Straßenkörper, dem Luftraum über dem Straßenkörper, Zubehör und aus Nebenanlagen, die überwiegend den Aufgaben der Straßenbauverwaltung dienen (§ 2 Abs. 2 ThürStrG). Zu dem Straßenkörper gehören: Straßengrund, Straßenunterbau und Straßenoberbau, Brücken, Tunnel, Durchlässe, Dämme, Gräben, Entwässerungsanlagen, Böschungen, Stützmauern, Lärmschutzanlagen, Trenn-, Seiten-, Rand- und Sicherheitsstreifen, Haltestellenbuchten für den Linienverkehr und Rad- und Gehwege. Das Zubehör sind Verkehrszeichen, Verkehrseinrichtungen, Anlagen aller Art, die der Sicherheit oder Leichtigkeit des Straßenverkehrs oder dem Schutz der Anlieger dienen und die Bepflanzung. Nach § 13 ThürStrG soll der Träger der Straßenbaulast das Eigentum an den der Straße dienenden Grundstücken erwerben. Jedoch ist zu beachten, dass auf Antrag des Eigentümers oder eines sonst zur Nutzung dinglich Berechtigten der Träger der Straßenbaulast die in Anspruch genommenen Grundstücke oder dingliche Rechte daran erwerben muss. Der Anspruch des Eigentümers entfällt, wenn dem Träger der Straßenbaulast eine Dienstbarkeit oder ein sonstiges dingliches Recht eingeräumt wurde, sodass der Bestand der Straße gesichert ist. Der Übergang des Eigentums kann durch verschiedene Maßnahmen erfolgen, wie z. B. Kauf, Auflassung und Eintragung in das Grundbuch, durch Enteignungsverfahren, durch Bodenordnungsverfahren (Unternehmensflurbereinigung) oder bei Grundstücken im Eigentum von Gebietskörperschaften per Gesetz. Wechselt die Straßenbaulast (§11 ThürStrG) von einer Gebietskörperschaft auf eine andere, dann gehen das Eigentum des bisherigen Trägers der Straßenbaulast an der Straße sowie alle Rechte und Pflichten, die mit der Straße in Zusammenhang stehen, entschädigungslos auf den neuen Träger der Straßenbaulast über. Allerdings gilt dies nicht bei Eigentum an Nebenanlagen, bei Eigentum an Leitungen, die der bisherige Träger der Straßenbaulast für Zwecke der öffentlichen Versorgung in die Straße verlegt hat, bei Rechten und Pflichten aus Gebietsversorgungsverträgen und auch nicht bei Verbindlichkeiten aus der Durchführung früherer Bau- und Unterhaltungsmaßnahmen. Des Weiteren hat der neue Träger der Straßenbaulast unverzüglich den Antrag auf Berichtigung des Grundbuches zu stellen (§ 12 ThürStrG). Dabei genügt zum Nachweis eine Erklärung, dass das Grundstück dem neuen Träger der Straßenbaulast gehört. Kosten, die für eine Vermessung und Abmarkung des übergegangenen Grundstücks oder Grundstücksteils entstehen, sind vom bisherigen Träger der Straßenbaulast zu tragen oder zu erstatten. Quellenangaben - Thüringer Straßengesetz §§ 7, 43, 48 und 52, geändert durch Art. 18 des Gesetzes vom 10. März 2005 (GVBl. S. 58) -Bundesfernstraßengesetz i. d. F. der Bekanntmachung vom 28. Juni 2007 (BGBl. I S. 1206), geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 31. Mai 2013 (BGBl. I S. 1388) - Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichte bereinigte Fassung durch Art. 1 des Gesetzes vom 11. Juli 2012 (BGBl. I S. 1478) - Schulung für Anwärter Sonderrechtsgebiete, Vortrag Herr S. Bauschke, Dez. 20.1 Ausschnitt der Straßennetzkarte Thüringen 1:200 000 20 Rückblicke & Ausblicke Referenzpunkt am Grenzadler der Presse vorgestellt Am 9. November 2012 wurden der erste Referenzpunkt zur Überprüfung von GPS-Geräten und ein hierfür erstellter Flyer an die Ortsteil-Bürgermeisterin von Oberschönau, Claudia Scheerschmidt, übergeben. Bei dieser Gelegenheit führte Stefan Blaufuß vom Landesamt für Vermessung und Geoinformation vor, wie man seinen GPS-Empfänger am Referenzpunkt Grenzadler überprüfen kann. Der neue Service des TLVermGeo beschränkt sich natürlich nicht nur auf Wanderer und Radfahrer, sondern ist auch für Geocacher von Interesse. Schließlich hat sich das »Schatzsuchen« mittlerweile als gängiges Hobby etabliert. Das Projekt wurde von jungen Ingenieuren im Rahmen der Ausbildung vom August bis Oktober 2012 konzipiert und durchgeführt. In der letzten Ausgabe der Mitteilungshefte wurde dieses Projekt bereits vorgestellt. Luftbildausstellung »Stadt, Land, Fluss ...« im Landratsamt Sömmerda Am 26. November 2012 eröffneten Landesentwicklungsminister Christian Carius, Landrat Harald Henning und Präsident Uwe Köhler eine Luftbildausstellung mit Motiven der Luftbildaktion »Stadt, Land, Fluss…«, über die in der TA Sömmerda ausführlich berichtet wurde. Lizenzvereinbarung mit der ThLG Anfang Dezember 2012 konnten Präsident Uwe Köhler und Dr. Alexander Schmidtke, Geschäftsführer der Thüringer Landgesellschaft mbH (ThLG), eine Lizenzvereinbarung über die Nutzung von Geobasis- und Geofachdaten sowie die Geodienste des TLVermGeo in Schloßvippach unterzeichnen. TKVV Mitteilungsheft Nr. 35 21 5. Thüringer SAPOS®-Anwenderforum in Weimar Nach den bisherigen vier erfolgreichen Vorgängerveranstaltungen fand am 21. März 2013 das 5. SAPOS®-Anwenderforum als wiederum gemeinschaftliche Tagung des Landesamtes für Vermessung und Geoinformation (TLVermGeo), der Bauhaus-Universität in Weimar als Gastgeber und des DVW-Landesvereins Thüringen statt. Die erneut große Zahl von fast 70 Teilnehmern aus den Bereichen der Verwaltung, von ÖbVI und aus Ingenieurbüros zeigte das große Interesse an den neuesten technischen Entwicklungen an diesem Angebot der Landesvermessungsverwaltungen und der dazu im GNSS-Bereich verfügbaren Technik. Nach den einleitenden Grußworten von Michael Osterhold in der Doppelfunktion als zuständigem Abteilungsleiter des TLVermGeo und Vorsitzenden des DVW Thüringen folgte unter der Moderation von Prof. Dr.-Ing Willfried Schwarz (Bauhaus-Universität) der erste Fachvortrag von Christian Trautvetter (TLVermGeo) zum »Aktuellen Entwicklungsstand von SAPOS® in Thüringen«. Er zeigte auf, dass sich das Verfahren auch zukünftig, insbesondere durch die verstärkte Einbindung der neuen Galileo-Satelliten, weiterentwickeln wird, um den Nutzern einen anwendungsorientierten und zeitgemäßen Positionierungsdienst zur Verfügung stellen zu können. sern des Hörsaalgebäudes ihre Produkte aufgebaut und standen den Teilnehmern für ihre Fragen Rede und Antwort. Dies wurde im Vortragsteil noch vertieft durch die Vorstellung der jeweiligen Produktpalette. Markus Geiß (Fa. Topcon), Torsten Volkland (Geo Systeme für Produkte der Fa. Trimble), Jochen Engmann (Fa. Josef Attenberger) und Harald Burkhardt (Fa. Leica Geosystems) konnten in ihren Beiträgen eindrucksvoll den immer noch anhaltenden technischen und technologischen Fortschritt in der Geräteentwicklung aufzeigen. Insbesondere die weitere Miniaturisierung der Instrumente verspricht für die nächsten Jahre noch erhebliches Potenzial. Im zweiten Vortrag des SAPOS®-Anbieters TLVermGeo griff Wolfgang Oschatz das Thema des Vormittags nochmals auf und zeigte die neuen Entwicklungen des Amtes beim Berechnungsdienst BaLiBo (Basislinienberechnung Online) sowie die Veränderungen für den Nutzer, die sich durch die Umstellung des bisherigen Auskunftsverfahrens geofp auf AFIS®, das Amtliche Festpunktinformationssystem, ergeben. Auch diese Auflage des Anwenderforums war wiederum geprägt durch die gelungene Mischung aus Vorträgen und Technik-Präsentation. Fünf Fachaussteller hatten in den beiden Treppenhäu- Die Veranstaltung zeigte deutlich, dass sich in den Bereichen GNSS und SAPOS® im Laufe von zwei bis drei Jahren so viele Änderungen und Informationen ansammeln, dass ein Anwenderforum in dieser Form für einen großen Nutzerkreis weiterhin sinnvoll und notwendig ist. Bei dem nächsten Treffen kann dann hoffentlich die volle Operationalität des Galileo-Systems bekanntgegeben werden. www.thueringen.de www.geoportal-th.de Ab Anfang April 2013 ist auch das Landesamt für Vermessung und Geoinformation (TLVermGeo) in die Homepage des Freistaats Thüringen integriert. Man erreicht das TLVermGeo aber immer noch über www.thueringen.de/vermessung. In der Geo-Info Nr. 3/2013 wurden die wesentlichen Neuerungen/Änderungen/ Funktionalitäten bereits beschrieben. In diesem Zusammenhang wurde auch die Internetseite des »Geoportal-Th.de« optisch und funtional auf das Corporate Design umgestellt. 22 Landesweite Bereitstellung von 3D-Gebäudedaten im LoD1 Im Laufe des Jahres 2012 wurde im TLVermGeo ein Verfahren zur Erfassung und Fortführung von Gebäuden auf der Grundlage von Daten des Liegenschaftskatasters, des Digitalen Geländemodells, der Digitalen Orthophotos und Laser-Messdaten eingeführt. Mit diesem Verfahren ist es möglich, den Gebäudenachweis im Liegenschaftskataster entsprechend den gesetzlichen Grundlagen auch ohne Vor-Ort-Messungen fortzuführen und gleichzeitig ein 3D-Gebäudemodell zu erstellen. Seit Mai 2012 werden für einen ersten, noch räumlich begrenzten Bereich, die 3D-Gebäudedaten mit Dachformen (»Level of Detail 2« - LoD2) erfasst. Die Präsentation des Geländemodells im Landesamt für Vermessung und Geoinformation auf der Medienkonferenz am 27. März 2013 stieß auf großes Interesse. GNSS-Beobachtungskampagne der Vermessungsverwaltungen Vom 3.-28. Juni 2013 fand eine länderübergreifende GNSS-Beobachtungskampagne der Vermessungsverwaltungen des Freistaates Sachsen, des Landes Sachsen-Anhalts und des Freistaats Thüringen statt. Gegenstand dieser Beobachtungskampagne ist die Einschaltung von zusätzlichen Geodätischen Grundnetz-Punkten (GGP) in das Geodätische Grund-Netz (GGN). Für Thüringen wurden 10 neue GGP auf der Grundlage der GNSS-Feldanweisung aus dem Jahre 2008 beobachtet, nach der auch das GGN bundesweit beobachtet wurde und für die damaligen 250 GGP hochgenaue Koordinaten erhalten wurden. Am 27. Juni 2013 fand eine dienstliche Abschlussbesprechung in Pfiffelbach im dortigen Kultur- und Kongresshotel statt. Neben der Rückgabe der jeweiligen ausgeliehenen Ausrüstungsgegenstände und Messgeräte untereinander wurden durch PPT-unterstützte Vorträge die Bedeutung und Einordnung dieser länder- TKVV Mitteilungsheft Nr. 35 übergreifenden Beobachtungskampagne für den bundesweiten, einheitlichen geodätischen Raumbezug in eindrucksvoller Weise dargestellt. Ein erster Kurzbericht über eine durch die thüringischen Kollegen durchgeführte Vorauswertung stellte die Qualität und Vollständigkeit des Beobachtungs- und Datenmaterials dar. Die etwas umfangreichere rechnerische Auswertung des Datenmaterials werden die Vermessungsverwaltungen Sachsens und Sachsen-Anhalts mit einer leistungsfähigen Programmlösung durchführen. Allen Beteiligten an dieser GNSS-Beobachtungskampagne gilt es, ein Dankeswort für die erbrachten Leistungen auszusprechen. Die Beobachtungszeiten waren »rund um die Uhr« und auch durch unterschiedliche Witterungsverhältnisse geprägt und lassen sich nicht mit einem regulären Büroalltag vergleichen. 23 Der »Tag der Berufe« am 20. März 2013 in Gotha Wie bereits in den letzten Jahren fand auch dieses Jahr der »Tag der Berufe« in Thüringen statt. Bereits zum 6. Mal wurde den Schülern der 7.-9. Klasse die Möglichkeit geboten, sich in verschiedenen Unternehmen und Einrichtungen über Lehrberufe und Ausbildungsmöglichkeiten zu informieren. Ein Ziel für die Schüler war dieses Jahr erstmalig der Katasterbereich Gotha. Nach der Ankündigung im Radio und in der Zeitung war die Resonanz groß und so fanden sich ca. 30 neugierige Schüler und ca. 15 Eltern am Schloßberg ein. Nach der Begrüßung stellte der Dezernatsleiter Herr Mesch den Katasterbereich Gotha mit seinen Aufgaben vor und übergab dann das Wort an Herrn Neukamm, welcher innerhalb seines Vortrags den Beruf des Geomatikers präsentierte. Anschließend konnten sich die Schüler an verschiedenen Stationen näher über die Aufgabengebiete eines Geomatikers informieren. So wurde ihnen z. B. die historische Entwicklung der Katasternachweise anhand ausgewählter Unterlagen vorgestellt. Sie konnten sich einen Überblick über die Vielfalt und Herstellung topographischer Karten verschaffen und sich an der Station Bodenmanagement über die Möglichkeiten der Bodenordnung 24 und der Wertermittlung informieren sowie im BORIS-TH nach dem Bodenrichtwert des eigenen Wohngebiets suchen. In einem Vortrag über Geoproxy und Geodaten wurde den Schülern bewusst, wie oft sie im alltäglichen Leben schon mit den Produkten der Landesvermessung oder Koordinaten zu tun haben. Der Deutsche Verein für Vermessungswesen (DVW) präsentierte sich ebenfalls am eigenen Stand und stellte seine Arbeit und Aufgaben anschaulich dar. Den Schülern wurde gezeigt, wie sie sich im Internet über den Beruf des Geomatikers informieren können. Bei bestem verschneitem Außendienstwetter konnten die Teilnehmer einen realistischen Eindruck über bevorstehende außendiensttechnische Aufgaben erlangen und die Instrumente und Feldrechner im Einsatz erleben. Bei dem Gang durch das Verwaltungsgebäude konnten die Schüler außerdem selbstständig eine kleine Wertermittlung durchführen. Das Interesse der Schüler wuchs von Station zu Station und so wurde aus vorgesehenen 1,5 Stunden schnell ein 3-stündiger Rundgang. Am Ende konnten sich einige durchaus vorstellen, diesen vielseitigen Beruf zu erlernen. Pressespiegel TKVV Mitteilungsheft Nr. 35 25 Ausbildungs-Abschluss der Vermessungstechniker Nach der 3-jährigen Ausbildung wurden im TLVermGeo, KB Gotha, die ehemaligen Azubis verabschiedet. Im Rahmen der feierlichen Zeugnisübergabe richtete Ulrich Püß als Vertreter des Thüringer Ministeriums für Bau, Landesentwicklung und Verkehr das Wort an die neuen Vermessungstechniker/innen. Er umriss kurz die Notwendigkeit des Neuordnungsprozesses der klassischen Ausbildungsberufe Vermessungstechniker/in und Kartograph/in hin zu den Ausbildungsberufen in der Geoinformationstechnologie. Außerdem stellte er die Verbindung der Arbeit des Ministeriums mit der Berufsausbildung dar. Wolfgang Barthel (Bund der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure), Heinrich Rotthaus (TLVermGeo) und Klassenlehrer Liese (Berufsschule) hoben in ihren Ansprachen hervor, dass mit dem Abschluss der Berufsausbildung das Lernen nicht aufhöre. Der Wandel im Vermessungswesen könne nur gelingen, wenn wissenshungrige junge Menschen ihn engagiert begleiten. Ausbildungsleiter Hans-Peter Rudolph (re.) gratuliert den vier Vermessungstechnikern des TLVermGeo Larissa Deubner (KB GTH), Steven Fleischhauer (KB SLF), Christin Heimlich (KB GTH) und Ralf Lieball (KB EF) (v.l.n.r.) zur bestandenen Ausbildung. Bodenrichtwerte zum Stichtag 31.12.2012 Im Bodenrichtwert-Informationssystem Thüringen (BORISTH) können nun auch die Bodenrichtwerte zum Stichtag 31.12.2012 abgerufen werden. Der Zugang zu BORIS-TH erfolgt im Internet unter www.bodenrichtwerte-th.de. Über die Suchfunktionen »Gemeinde > Straße > Hausnummer« sowie »Gemarkung > Flur > Flurstück« können sich Käufer und Verkäufer mühelos über die lokalen Bodenrichtwerte für Baugrundstücke und landwirtschaftliche Flächen informieren. Als erstes Bundesland stellt der Freistaat Thüringen bereits seit dem Bodenrichtwert-Stichtag 31.12.2008 die Informationen zu Bodenrichtwerten flächendeckend, online und kostenfrei zur Verfügung. 26 Nachlass eines Vermessers Wolfgang Conrad, Bereich Öffentlichkeitsarbeit »Mein Stiefvater Eberhard Billich hat Ende der 40er, Anfang der 50er Jahre in Schleusingen Vermessungsingenieur studiert. In seinem Nachlass befinden sich aus der Zeit Bücher, Bilder, persönliche Aufzeichnungen darüber. Besteht Ihrerseits grundsätzlich Interesse? MfG Holitsch« Diese E-Mail erhielten wir im April 2013 aus Bergisch-Gladbach. Per E-Mail vereinbarten Herr Holitsch und ich, dass das TLVermGeo den Nachlass übernimmt. Wie aber aus Bergisch-Gladbach die zwei Umzugskartons voller Dokumente nach Erfurt bringen? Herr Holitsch kam nicht in Betracht, eine Dienstfahrt ebenso nicht. Also übernahm Maximilian Krech, Vermesser und bei der Bundeswehr in Euskirchen tätig, freundlicherweise den Transport am Wochenende von Bergisch-Gladbach nach Thüringen. Vater Krech nahm die Sachen bei der nächsten Dienstfahrt mit nach Erfurt. Herzlichen Dank an beide. Auf den folgenden Seiten werden einige Stücke aus der Sammlung von mehr als 20 persönlichen Aufzeichnungen vorgestellt. Die persönlichen Dokumente sind Zeitgeschichte, zeigen das Leben vier Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg. Betrachtet man z. B. TKVV Mitteilungsheft Nr. 35 die Verwendung alter Formulare aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg(!), so kann man die Situation heute kaum noch nachvollziehen. Gleichfalls ein herzliches Dankeschön an den ehemaligen Kollegen Heinz Löffelholz, der ab 1953 beim Vermessungsdienst Thüringen, danach im VEB Topographischer Dienst Erfurt (später VEB Geodäsie und Kartographie Erfurt) und bis zum Renteneintritt 1993 beim Katasteramt in Worbis tätig war. Als Student nahm er an dieser Ingenieur-Ausbildung in Schleusingen teil und konnte die Namen den Fotos zuordnen. An dieser Stelle alles Gute, vor allem Gesundheit! Lassen wir nun die Fotos und Dokumente sprechen über den Zeitraum 1948-1951, in dem das Geodäsiestudium in Schleusingen stattfand, bevor die Ingenieurschule nach Dresden verlagert wurde und den Namen »Ingenieurschule für Geodäsie und Kartographie (IGK)« erhielt. Wer kennt noch die Instrumente und wer kann sich aus heutiger Zeit ein Schmunzeln verkneifen beim Anblick der Außendienstbekleidung einschl. Schuhwerk? Es hat sich viel verändert. 27 28 TKVV Mitteilungsheft Nr. 35 29 30 TKVV Mitteilungsheft Nr. 35 31 32 TKVV Mitteilungsheft Nr. 35 33 Im Jahr 1997 fand anlässlich des 100-jährigen Gründungsjubiläums der Ingenieurschule Schleusingen ein Treffen der ehemaligen Absolventen statt. 1897 wurde die »Wiesenbauschule« gegründet, danach in »Staatliche Ingenieurschule für Wasserwirtschaft, Kulturtechnik und Vermessungswesen« und anschließend in »Ingenieurschule für Straßenbau« umbenannt. Das Foto zeigt die ehemaligen Studenten vor dem Schleusinger Schloss: hintere Reihe (v.l.n.r.) W. Frei, R. Mitschke, G. Herold, D. Springsguth, G. Landmann, H. Eckstein, H. Erler, H. Löffelholz, B. Twardy vordere Reihe (v.l.n.r.) K. Kille, H. Zippel, G. Heise, R. Bernhardt, H. Kaltwasser, G. Sonntag Ernennungen in das Beamtenverhältnis auf Widerruf Mit Wirkung vom 1. Juli 2013 wurden Kathleen Mesch, Patrick Wagner und René Heuer (v.l.n.r.) vom Präsidenten des TLVermGeo, Uwe Köhler, unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum/zur Vermessungsoberinspektoranwärter/in ernannt. Wir wünschen ihnen für die Ausbildung alles Gute. 34 Nachgefragt Guten Tag Herr Stübner. Ihr Katasterbereich Zeulenroda-Triebes hat zusammen mit dem KB Pößneck die Migration nach ALKIS® begonnen und mittlerweile den kompletten Amtsbezirk umgestellt. Worin bestand der Vorteil oder Nachteil, das neue Liegenschaftskataster-Informationssystem ALKIS® als erstes zu nutzen? In beiden Katasterbereichen waren die vorbereitenden Maßnahmen weit vorangekommen, sodass nach einer Testphase ab März dieses Jahres mit der Datenmigration begonnen werden konnte. Es war für uns eine der größten Herausforderungen. Bis zur erfolgreichen Datenumstellung war ein langer Weg beschritten worden, wenn man bedenkt, was alles in den zurückliegenden Jahren von der ALK-Erstellung bis zur Schaffung der einzelnen Migrationsvoraussetzungen durch die Mitarbeiter zu bewältigen war. Deshalb ist ALKIS® weit mehr als lediglich die Einführung eines neuen Schnittstellenformats. Es ist ein echter Paradigmenwechsel zu einheitlichen Geobasisdaten auf der Grundlage des AAA-Datenmodells, verbunden mit einer umfassenden Änderung unserer bisherigen Vorgehens- und Arbeitsweise. Bei der Frage, ob es ein Vorteil oder Nachteil war, frühzeitig mit der Migration nach ALKIS® zu beginnen, möchte ich besonders die Vorteile hervorheben. Mit Start des Parallelbetriebes als Teststellung der Komponenten für den Übergang nach ALKIS® konnten wir zahlreiche Erfahrungen sammeln und teilweise mit Hinweisen zur Verbesserung der ALKIS®-Produkte beitragen. Besonders möchte ich hierbei die gute Zusammenarbeit zwischen den Katasterbereichen, Dezernat 20.2 und dem Team der Systementwickler vom Dezernat 35 hervorheben. Welche technischen und personellen Voraussetzungen sind notwendig, ALKIS® als »das« Geoinformationssystem zu nutzen? Es bestehen ja nicht nur Forderungen seitens der einheitlichen Datenhaltung, sondern der Nutzer hat gewiss seine Vorstellungen zu Qualität und Flexibilität der Liegenschaftsdaten. Als Voraussetzung für die Einführung von ALKIS® war aus meiner Sicht wichtig, dass man in unserer Verwaltung nicht auf schnelle Lösungen, sondern auf Erfahrungen und Erprobungen setzte. Man brauchte Zeit, um die Systeme fortzuentwickeln. Denn erst ab dem Zeitpunkt, wo die Software- und Verfahrenstests einen gewissen Reifegrad erreicht hatten, war es sinnvoll, die Mitarbeiter für die neuen Arbeitsprozesse und Softwareprodukte durch Schulungen zu qualifizieren. Natürlich muss die Kommunikation auch in Richtung eines Nutzers gehen, der unsere Geobasisdaten für seine Belange benötigt. Er muss über Verfahrensstände, Probleme sowie deren Lösung informiert und letztlich in die Lage versetzt werden, mit unseren ALKIS®-Daten selbstständig und in der entsprechenden Qualität arbeiten zu können. TKVV Mitteilungsheft Nr. 35 Der Mitarbeiter in der Auskunft eines Katasterbereiches muss sicherlich Multitalent sein, denn der Bürger mit Grundeigentum kennt eigentlich nur den Begriff »Katasterauszug«. Gibt es viel Klärungsbedarf, die neuen Möglichkeiten von ALKIS® dem Bürger anzubieten? Oder gibt es genügend Nutzer aus Wirtschaft und Verwaltung, welche das Potenzial der Datenvielfalt kennen? Der Mitarbeiter in der Auskunft ist auch »Aushängeschild« einer Behörde und muss deshalb fachlich sehr breit aufgestellt sein, um die vielfältigen Anliegen und Kundenwünsche erfüllen zu können. Seit der ALKIS®-Einführung verzeichnen wir besonders aus dem Bereich der kleinen Ingenieurbüros einen erhöhten Beratungsbedarf. Für den Nutzer ist es aber zweitrangig, woher die benötigten Daten kommen bzw. welche Verfahrenslösungen dahinter stehen. Mit Beginn der Migration stand uns das Nachfolgesystem ONLIKA 2.0 als Auskunfts- und Präsentationskomponente zur Verfügung. Das neue System für die Erstellung der amtlichen Auszüge aus dem Liegenschaftskataster und zur Bereitstellung der ALKIS®-Standardprodukte ermöglichte uns die entsprechende Produkterzeugung und -aufbereitung. Probleme treten dabei in der Abgabe von digitalen Auszügen auf, weil ausschließlich die Datenbereitstellung in der »Normbasierten Austauschschnittstelle« (NAS) als XML-Datei erfolgt. Die meisten Nutzer sind im Augenblick nicht in der Lage, die Daten im NAS-Format entsprechend zu bearbeiten, was zu verständlichem Unmut führt. Konverterlösungen zur Umsetzung der Daten in ein anderes Format sind mit Zusatzkosten und einem Datenverlust für den Nutzer verbunden. Dies sollte zum Anlass genommen werden, sich über weitere standardisierte Datenabgabeformate Gedanken zu machen. Die Begriffe ALK und ALB wird es noch eine Weile geben. ALKIS® verbindet beides. Aber es gibt noch das ATKIS®, aus dem bestimmte Daten bereits während der Migration genutzt wurden, z. B. Klassifikationen. Sollen im Zuge der Nachmigration die Gebäudefunktionen und Eigennamen öffentlicher Gebäude aus ATKIS® übernommen werden? Im Katasterbereich Zeulenroda-Triebes wurde bereits nach Abschluss der Migration im ersten Grundbuchamtsbezirk mit Arbeiten der Nachmigration begonnen. Zur Zeit erstrecken sich die Arbeiten weitgehend auf die Beseitigung von doppelten Punkt-REO´s (raumbezogene Elementarobjekte). Die Übernahme der Gebäudefunktion und der Eigennamen öffentlicher Gebäude sowie die aus ATKIS® abgeleiteten Klassifizierungen nach Straßen- und Wasserrecht und Flächen für z. B. Denkmalschutz, Bau-, Raum- und Bodenordnungsrecht befinden sich noch in einer Testphase. Herzlichen Dank für das Gespräch und persönlich alles Gute. Das Gespräch führte Wolfgang Conrad. 35 Rezension Geographica und Cartographica aus dem Hause Bertuch Zur Ökonomisierung des Naturwissens um 1800 Wie gelingt es Bertuch, seine Produkte bekannt zu machen? Wie bringt er sie auf den Markt? Zum einen durch Artikel und Rezensionen in Fachzeitschriften, wie z. B. den 30 Jahre im eigenen Verlag herausgegebenen »Allgemeinen Geographischen Ephermeriden«. Ausführlich widmet sich A. Christoph den ökonomischen Fragen und informiert über Vorabverkauf wie z. B. Subskription und Pränumeration (Vorauszahlungen) und weitere Vertriebsmethoden. So umfasste der erste »Sortiments-Catalog des Geographischen Instituts zu Weimar« (1806) fast 180 Seiten. Die Breite der Produktpalette ist heute noch erstaunlich. Friedrich Justin Bertuch (1747-1822) und sein Verlag stehen im Mittelpunkt der Dissertation von Andreas Christoph, die 2012 beim Fink Verlag München veröffentlicht wurde. Friedrich Justin Bertuch war eine ungewöhnliche, kaufmännisch, verlegerisch und wissenschaftlich gleichermaßen begabte Persönlichkeit. 1791 gründete er das Landes-Industrie-Comptoir in Weimar. Er verlegte mehrere Zeitschriften, z. B. die »Allgemeine Literaturzeitschrift«, den »Teutschen Merkur« und das »Journal des Luxus und der Moden«. Nach 22 Jahren im Staatsdienst von Herzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach quittierte er diesen 1795, nachdem sich sein Comptoir etabliert hatte. 1804 gliederte F. J. Bertuch das Geographische Institut aus dem Comptoir heraus, denn er bot dem aufgeklärten Publikum sehr hochwertige geographische und kartographische Erzeugnisse und vertrieb deutschlandweit seine Produkte, z. B. Globen. Zudem expandierte die Firma: Ab 1800 begann Bertuchs kaufmännisch-technische Unternehmung in Weimar den deutschsprachigen kartographischen Wissensmarkt zu dominieren. Hinsichtlich der Vielfalt und der Auflagenzahlen sollte er in den folgenden zwei Jahrzehnten Maßstäbe setzen. (S. 47) Wir befinden uns im Zeitalter der Aufklärung. 1784 formuliert Immanuel Kant den Leitspruch dieser Epoche: »Aufklärung ist der Ausgang der Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.« In dieser Zeit entsteht ein gebildetes Lesepublikum, welches großes Interesse an Themen aus Geographie und Kartographie zeigt. Die Kupferstiche, die in F. J. Bertuchs Unternehmen angefertigt werden, genügen den höchsten Ansprüchen. A. Christoph untersucht die Erfolgsgeschichte Bertuch unter folgender Fragestellung (Seite 20): Aus dem Kontext des Wissensverständnisses der Zeit um 1800 ergibt […] sich die Fragestellung, auf welche Weise der Geschäftsmann und Unternehmer Bertuch die Ökonomisierung des kartographischen Weltbildes betrieb. Es ist zu klären, inwiefern er zu einer wissenschaftlichen Etablierung der Kartographie über ihre Endprodukte Karten, Atlanten und Globen beitragen konnte. 36 Beschließen wir, wie wir begonnen, mit Lebensstationen dieser außergewöhnlichen Persönlichkeit: Mit vier Jahren wird F. J. Bertuch Halbwaise, zehn Jahre später hat er Mutter und Stiefvater verloren. Er besucht in Weimar das Gymnasium und studiert in Jena zunächst Theologie, wechselt dann zur Rechtswissenschaft. Er wird Hauslehrer im Altenburger Land bei Freiherr von Echt und übersetzt dort den Don Quichote von Miguel de Cervantes Saavedra. Seine sechsbändige Ausgabe prägt die Cervates-Rezeption in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts. Schon dieses Beispiel macht deutlich, dass Friedrich Justin Bertuch ein ungewöhnlich begabter junger Mann gewesen sein muss, der den Schicksalsschlägen, die er schon als Kind hinnehmen musste, große Tatkraft entgegensetzte. Kein Wunder, dass es bis heute spannend ist, sich mit seinem Lebenswerk auseinander zu setzten. Die Dissertation von Andreas Christoph wird für die Bibliothek des TLVermGeo neu angeschafft. Anke Timmermann Gefunden & erfunden Wer kennt ihn nicht, den ehemaligen Katasteramtsleiter von Neuhaus/Rw, Ulrich Rüger. Nachdem er in den verdienten Vorruhestand ging, nahmen er und seine Frau über ein halbes Jahr eine Auszeit in Neeseeland. Von dort(!) schickte Uli Rüger eine Mail mit diesem Bild. Wir bedanken uns recht herzlich dafür und wünschen ihm und seiner Frau weiterhin viel Gesundheit und interessante Touren durch die Welt. Es muss ja nicht immer der Rennsteig sein, oder? Und noch eines: Die Redaktion ist auch weiterhin an Fotos mit dem »Dienstbeutel« interessiert. Also bleiben Sie dran! Und auch andere TKVV-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter scheuen keine Mühen und Kosten, sich an der Aktion zu beteiligen. Herzlichen Dank für diese Fotos, zeigen sie doch den »Urknall der modernen Erdvermessung« in Nord-Süd-Richtung. Obwohl: Hier beginnt die Berechnung nach Ost und West. Außenanlage des »Royal Observatory Greenwich« am 05.04.2013 38 Redaktionsmitglied Wolfgang Conrad verabschiedet sich mit dieser Ausgabe in den verdienten Ruhestand. Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute. TKVV Mitteilungsheft Nr. 35 39 www.thueringen.de/tmblv www.thueringen.de/vermessung Herausgeber Thüringer Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Verkehr (TMBLV) Abteilung Strategische Landesentwicklung, Kataster- und Vermessungswesen Druck Landesamt für Vermessung und Geoinformation (TLVermGeo), Erfurt Redaktionsschluss 15. Juli 2013 Für den Inhalt namentlich gekennzeichneter Beiträge übernimmt die Redaktion keine Verantwortung. Das Mitteilungsheft ist für die Beschäftigten der TKVV bestimmt.