Thüringer Kataster- und Vermessungsverwaltung

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TKVV
Thüringer Katasterund Vermessungsverwaltung
Mitteilungsheft Nr. 35 (2013)
Impressum
Herausgeber
Thüringer Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Verkehr (TMBLV)
Abteilung Strategische Landesentwicklung, Kataster- und Vermessungswesen
Druck
Landesamt für Vermessung und Geoinformation (TLVermGeo)
Schriftleitung
Andreas Minschke, Ulrich Püß, Uwe Köhler
Redaktion
Anke Timmermann, Wolfgang Conrad
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Vorwort
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
diese Ausgabe des Mitteilungsheftes der Thüringer Kataster- und Vermessungsverwaltung erscheint nach der Sommerpause. Hoffentlich sind Sie gestärkt aus dem Urlaub
zurück an Ihren Arbeitsplatz gekehrt.
Unsere Geobasisinformationssysteme werden nach und nach auf das AAA-Datenmodell umgestellt. Am 25. Juni 2013 wurde im Katasterbereich Zeulenroda-Triebes für die
Gemarkung Lessen der letzte Einrichtungsauftrag in die Datenhaltungskomponente des
Amtlichen Liegenschaftskataster-Informationssystems (ALKIS®) geschrieben. Damit ist
für diesen Katasterbereich die technische Umstellung der Altsysteme (ALK, ALB und
Punktdatei) in das neue – bundeseinheitliche – Informationssystem abgeschlossen.
Für die notwendige Umstellung der Arbeitsabläufe und die neue Technologie im ATKIS®
wurden bereits alle Mitarbeiterinnen geschult. Auf AFIS® wurde ebenfalls bereits umgestellt.
Von den derzeit vier Auszubildenden des Landesamtes für Vermessung und Geoinformation (TLVermGeo) können diesmal erforderlicherweise drei übernommen werden. Ein
Absolvent wird ein Studium aufnehmen. Das freut uns sehr! Wir wünschen den neuen
Kolleginnen und dem neuen Kollegen einen guten Einstieg!
Was es zu den Spekulationen hinsichtlich möglicher Veränderungen im Zuge einer derzeit in Rede stehender Verwaltungsreform zu sagen gibt, wurde bereits von Frau Staatssekretärin Klaan und Herrn Präsident Köhler auf der Personalversammlung im Mai angesprochen: Für die meisten von Ihnen würde sich durch eine Reform nichts ändern.
Was die Landesregierung plant, wird Ihnen in geeigneter Weise und zeitgerecht bekannt
gegeben. Herr Minister Carius MdL ist Mitglied der zuständigen Regierungskommission
und es besteht kein Anlass zur Sorge, dass sich unsere Arbeitsbedingungen verschlechtern könnten.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Minschke
Thüringer Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Verkehr
Abteilungsleiter Strategische Landesentwicklung, Kataster- und Vermessungswesen
TKVV Mitteilungsheft Nr. 35
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Inhaltsverzeichnis
Fachartikel
Dr. Andreas Richter
Kai Schlosser
Susanne Schmitt
Felix Hampel
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Bericht zur bisherigen Tätigkeit von Ulrich Püß als AdV-Vorsitzender
Kontinentaldrift – Ursachen und Wirkungen
NAD83 – Die Entstehung des Nordamerikanischen Datums
Straßenrecht - Eigentum, Eigentumsübergang und Straßenbaulast
Seite5
Seite8
Seite15
Seite19
Rückblicke & Ausblicke
Seite21
Nachgefragt
Seite35
Rezension
Seite36
Personalien
Seite 37
Gefunden & erfunden
Seite38
Bericht zur bisherigen Tätigkeit von Ulrich Püß als AdV-Vorsitzender
Dr. Andreas Richter, Dezernatsleiter D14
Nach zwei Jahren als Stellvertreter an der Seite seines Vorgängers, Wolfgang Draken aus Niedersachsen, war es offiziell am
1. Januar 2012 soweit. Es begann die zweijährige Amtszeit von
Ulrich Püß aus Thüringen als AdV-Vorsitzender. In einem Brief
an die Vermessungsverwaltungen der Länder und des Bundes
schrieb er voller Optimismus: »Ich freue mich auf eine vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit mit Ihnen, um die
anstehenden Herausforderungen im Amtlichen Deutschen Vermessungswesen gemeinsam zu meistern.« Dass der Weg zu abgestimmten Entscheidungen nicht immer einfach werden würde,
war ihm allerdings schon durch die reichlich gesammelte Erfahrung als stellvertretender AdV-Vorsitzender, einem Amt, das er
seit dem 1. Januar 2010 inne hatte, bewusst.
Zu den zeitintensivsten Aufgaben der aktuellen Amtszeit gehörten zweifellos die Vorbereitung und Leitung von
• einer Plenumstagung
(18.-20. September 2012 in Chemnitz),
• zwei Klausurtagungen des Plenums
(7.-8. Mai 2012 und 6.-7. Mai 2013 in Fulda),
• zwei erweiterten Arbeitskreisleiter-Tagungen
(6.-7. März 2012 und 26.-27. Februar 2013 in Fulda),
• drei Arbeitskreisleiter-Tagungen
(19.-20. Juni 2012, 12.-13. Dezember 2012
und 19.-20. Juni 2013)
• Sondertagungen von Vertretern der Länder und/oder des
Bundes zu aktuellen Themenstellungen.
Am 29. November 2011 übernimmt Ulrich Püß die Amtsgeschäfte von
Wolfgang Draken mit einer symbolischen Staffelstabübergabe.
Anlässlich der Klausurtagung 2013 wird Thomas Lenhardt aus dem Saarland
von Ulrich Püß aus dem Kreis der Plenumsmitglieder verabschiedet.
1. Aufgaben nach der AdV-Geschäftsordnung
Eingangs dieses Zwischenberichts stellt sich automatisch die
Frage, warum es denn einen AdV-Vorsitzenden gibt, welchen Regularien er bzw. sie unterliegt und für welche Aufgaben er bzw.
sie in seiner/ihrer Amtszeit zuständig ist. Zu diesem Zweck lohnt
sich ein Blick in die Geschäftsordnung der Arbeitsgemeinschaft
der Vermessungsverwaltungen der Länder der Bundesrepublik
Deutschland (AdV) vom 28. April 2005. Dort heißt es u. a.:
Für den Vorsitz und die Vertretung wird vom Plenum jeweils ein
Ländervertreter gewählt. Der oder die Vorsitzende schlägt dem
Plenum die Kandidaten für die folgende Amtszeit vor. Die Amtszeit beträgt zwei Jahre. Der Vorsitz soll im regelmäßigen Turnus
zwischen den Plenumsmitgliedern der Länder wechseln. Hierbei
soll grundsätzlich die vertretende Person den Vorsitz übernehmen.
Der oder die Vorsitzende
• sorgt dafür, dass die Ziele der AdV kontinuierlich verfolgt und
ihre Aufgaben erledigt werden,
• beruft die Plenumstagungen ein und leitet sie,
• vertritt die AdV nach außen und
• erfüllt Aufträge des Plenums.
TKVV Mitteilungsheft Nr. 35
Aktuell läuft die Vorbereitung der 125. Plenumstagung der AdV,
die vom 17.-19. September 2013 in Bonn stattfinden wird, auf
Hochtouren. Zur Abstimmung der Tagesordnung wird noch im
Juli 2013 eine Beratung in den Räumen der AdV-Geschäftsstelle
in München durchgeführt, wo auch die umfangreichen Termine
zur Abgabe von Vorberichten, Beschlussvorlagen, fachlichen
Zusammenstellungen und Konzepten festgelegt werden. Um die
anfallende Terminflut und den pünktlichen Eingang der Unterlagen im Griff zu behalten, wird Ulrich Püß durch die beiden Mitarbeiter der AdV-Geschäftsstelle, Geschäftsführer Marcus Wandinger und Irena Jazenko, tatkräftig unterstützt.
2. Herausragende laufende Arbeiten
Spannend für jeden AdV-Vorsitzenden ist sicherlich die Frage,
welche Themen während der Amtszeit in das Zentrum des fachlichen bzw. fachlich politischen Interesses treten. Ohne eine
Reihenfolge oder Gewichtung vornehmen zu wollen, gehören
die folgenden Punkte zu den Schwerpunkten der momentanen
Arbeit:
Strategie zu Geodatendiensten, Produktstrategie der AdV
Seit jeher wird in der Fachwelt viel über Geodaten, Geodatendienste und Produkte diskutiert. Aber nicht jede Entwicklungsrichtung ist für die AdV interessant. Hier gilt es, zu beobachten,
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zu analysieren und festzulegen, welche Geodaten, Geodatendienste und Produkte durch die AdV-Mitgliedsverwaltungen im
Rahmen ihrer hoheitlichen Aufgaben und zur Befriedigung eines
real existierenden Bedarfs in den verschiedenen gesellschaftlichen und fachlichen Sparten bundesweit einheitlich bereitgestellt werden sollen. Schwerpunktmäßig beschäftigt sich eine
vom AdV-Vorsitzenden eingerichtete Arbeitsgruppe mit der Frage, welche Geodaten über welche Dienste (WMS, WFS, WFS-G,
INSPIRE-Dienste) zur Verfügung stehen sollen. Ein erster Bericht
wird auf dem Plenum im September 2013 erwartet.
Open Government Data
Hier hat es in den letzten Jahren eine turbulente Entwicklung gegeben. Mit Hamburg und ab Oktober 2013 auch in Berlin werden
die Geobasisdaten auf der Grundlage von Transparenzgesetzen
frei verfügbar sein. Der Bund bietet seine Georeferenzdaten
»geldleistungsfrei« an. Mehrere Länder, darunter auch Thüringen, haben Teile ihrer Geobasisdatenbestände »verwaltungskostenfrei« oder »gebührenfrei« gestellt. Andere Vermessungsverwaltungen wiederum sind verpflichtet, einen definierten
Teil der Ausgaben über Einnahmen zu refinanzieren. In diesem
Spannungsfeld und flankiert vom politischen Druck nach Open
Government Data müssen sich die AdV-Mitgliedverwaltungen
positionieren.
WebAtlasDE
Anlässlich der INTERGEO 2012 in Hannover wurde die 2. Stufe
des gemeinsamen webbasierten Kartendienstes des Bundes und
der Länder, welcher vom Bund im Bundesamt für Kartographie
und Geodäsie (BKG) betrieben wird, freigeschaltet. Auf dem Weg
zu diesem Erfolg galt es auf der Grundlage von zwei umfangreichen Plenumsbeschlüssen eine Vielzahl von rechtlichen, technischen und organisatorischen Teilaufgaben zu erledigen. Hier
musste der AdV-Vorsitzende eine Vielzahl vermittelnder Gespräche führen, aber auch vorübergehende Festlegungen treffen, um
Termine nicht zu gefährden.
Geokodierung
Zurzeit richtet der AdV-Vorsitzende eine Arbeitsgruppe ein, welche neben der Definition auch einen Realisierungsvorschlag für
einen Geokodierungsdienst ausarbeiten soll. Grundsätzliche
Überlegungen hierzu sind auf einem vom AdV-Vorsitzenden initiierten Workshop bereits im Juli 2012 angestellt worden. Nutzer haben starkes Interesse an einem Dienst, der in der Lage ist,
für verschiedene Sachverhalte (u. a. postalische Anschriften,
geografische Namen, Flurstücke) auf der Grundlage amtlicher
Hauskoordinaten häufig benötigte Suchen zu unterstützen (Einzel- und Massenverarbeitung, reverse Suche).
Webfähige Gebühren- und Lizenzmodelle für Geodaten
und Geodatendienste
Die Erfahrungen in der Praxis haben gezeigt, dass sowohl die
bisherigen Gebührenmodelle als auch die Lizenzmodelle nicht
durchgängig für den zunehmenden Internetvertrieb geeignet
sind. Hier steht der AdV noch ein steiniger Weg bevor, weil die
Sichtweisen der Länder bezüglich der Grundsätze der Gebührenberechnung, aber auch bezüglich der Nutzungsbedingungen
sehr unterschiedlich ausgeprägt sind und sich teilweise diametral gegenüber stehen. Dies haben die Gespräche der Mitgliedsverwaltungen zum Gebühren- und Lizenzmodell für den
WebAtlasDE deutlich unter Beweis gestellt.
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Außerdem wird unter der Federführung des AdV-Vorsitzenden die
Verwaltungsvereinbarung zur kontinuierlichen Datenlieferung an
den Bund, die am 31. Dezember 2013 ausläuft, weiterentwickelt.
Auch hier gilt es, die Änderungen der Rahmenbedingungen aus
den letzten fünf Jahren sowie gewandelte Interessenlagen angemessen zu berücksichtigen.
Die AdV beteiligt sich über ihre Mitgliedsverwaltungen aber auch
durch Stellungnahmen des AdV-Vorsitzenden an nationalen Gesetzgebungsverfahren (BGeoRG einschließlich TR, GeoZG Bund,
GeoNutzV des Bundes, E-Government-Gesetz) sowie bei der
Richtlinienerstellung der EU (PSI). Ebenso hat er in einem iterativen Verfahren am dritten Geofortschrittsbericht der Bundesregierung in ständiger Abstimmung mit den Mitgliedsverwaltungen
mitgewirkt.
Eine der Daueraufgaben ist die Schaffung der Rahmenbedingungen zum Betrieb zentraler Ansprech- und Vertriebsstellen für die
Geotopographie, die Hauskoordinaten und Hausumringe sowie
SAPOS® einerseits, aber auch zur aktuell von den Nutzern geforderten Einrichtung einer zentralen Ansprechstelle für die Daten
des Liegenschaftskatasters andererseits.
Fachlich stehen die Arbeiten zur Weiterentwicklung des Datenmodells AFIS®-ALKIS®-ATKIS® mit dem Schwerpunkt der 3D-Erweiterungen hin zur Version 7.0 der GeoInfoDok im Mittelpunkt
des Interesses.
3. Sonstige Tätigkeiten
Bevor den Mitgliedsverwaltungen zu den Plenumstagungen
oder für ein Umlaufverfahren ein zustimmungsfähiger Beschluss
vorgelegt werden kann, ist regelmäßig ein langer, diskussionsreicher Weg zu beschreiten. Hier muss der AdV-Vorsitzende die
nötigen Abläufe rechtzeitig in Gang setzen, Termine vereinbaren
und den Meinungsfindungsprozess im Vorfeld von Plenumsoder Umlaufbeschlüssen steuern. Hier wechseln sich Abfragen
eines Meinungsbildes und Vorabstimmungen munter miteinander ab. Im positiven Fall steht am Ende ein zustimmungsfähiges
Ergebnis, aber auch die Einrichtung einer Ad-hoc Arbeitsgruppe
oder eine Sondertagung zur Weiterbehandlung kommen als Ergebnis in Frage.
Der AdV-Vorsitzende übernimmt die Koordination in Strategiefragen (Entwicklungsvorgaben, Konzepte), für das Monitoring von
AdV-Beschlüssen sowie für die Arbeit in den vier Facharbeitskreisen (Arbeitskreis Raumbezug, Liegenschaftskataster, Geotopographie, Informations- und Kommunikationstechnik) und der
Taskforce Public Relations and Marketing. Außerdem koordiniert
er die Zusammenarbeit mit anderen Verwaltungen (z. B. Grundbuch- und Finanzverwaltung, Landentwicklung).
Einen nicht zu vernachlässigenden Teil der Arbeit nehmen der
Entwurf und die Abstimmung von Texten bei Schreiben an Einrichtungen außerhalb der AdV ein. Dabei handelt es sich sowohl
um die Beantwortung von Anliegen, die an den AdV-Vorsitzenden
herangetragen werden als auch um Sachverhalte, bei denen der
AdV-Vorsitzende von sich aus aktiv wird.
Besonders ausgeprägt muss die Fähigkeit des Moderierens sein.
Der AdV-Vorsitzende muss in der Lage sein, geduldig, aber zielorientiert Gespräche bei Beratungen und Telefonaten zu führen.
Bei Fragestellungen, für die nur schwer eine einvernehmliche Lösung in der zur Verfügung stehenden Zeit erreicht werden kann,
kann und muss der AdV-Vorsitzende Interimslösungen gestalten
und freigeben. Dass dabei nicht immer die Vorstellungen aller
Mitgliedsverwaltungen erfüllt werden können, versteht sich von
selbst.
Ulrich Püß als damals stellvertretender AdV-Vorsitzender auf der
INTERGEO 2011 in Nürnberg mit den Thüringer Vertretern, Ina Schicktanz
und Frank Engel, am GDI-DE-Stand …
Ein immer wieder auftretendes Problem ist das Erkennen, welche Themenstellungen zum strategischen (Plenum) bzw. operativen Bereich (LA Geobasis) der AdV-Arbeit gehören oder gar
nicht in den Aufgabenbereich der AdV, sondern z. B. der Arbeit
der GDI-DE zuzuordnen sind. Im Ergebnis dieser Betrachtungen
müssen der weitere Weg fachlich und rechtlich korrekt festgelegt
und die nötigen Beteiligten hinzugezogen werden.
5. Fazit
Die Zeit als AdV-Vorsitzender bereichert das Berufsleben des
Betroffenen ungemein. Es ist eine Zeit der Doppelbelastung
durch AdV-Tätigkeit und die Arbeit in der Mitgliedsverwaltung,
die selbstverständlich parallel weiter erledigt werden muss. Daher ist die verlässliche Unterstützung in der »normalen« Verwaltungsstruktureinheit unbedingt erforderlich, um überhaupt eine
reale Chance zu besitzen, das sehr unterschiedliche, aber durchgängig hohe Arbeitspensum für die AdV zu bewältigen. Dass sich
bei der AdV-Arbeit Ernüchterung und Freude regelmäßig abwechseln, soll nicht unerwähnt bleiben.
... und gemeinsam mit dem AdV-Geschäftsführer, Marcus Wandinger aus Bayern
sowie dem AdV-Altvorsitzenden, Wolfgang Draken, im Gespräch am Stand der AdV.
Eine größtenteils angenehme Pflicht ist die Präsenz bei Fachveranstaltungen und Fachmessen (Grußworte, Podiumsdiskussionen). Dies sollen die beiden Fotos belegen.
Sehr zeitaufwendig sind die Vor- und Nachbereitungen der regelmäßigen Beratungen bzw. die Kommunikation mit nationalen
(BMI, BKG, GDI-DE, DGfP, DGK, DDGI, BDVI, IHK, GIW, IMAGI, DIN)
und internationalen Institutionen (OGC, ISO, EuroGeographics).
Ohne Unterstützung von Experten aus den Mitgliedsverwaltungen, die in den verschiedenen Gremien das amtliche Vermessungswesen vertreten, wären diese Aufgaben nicht zu meistern.
Die Amtszeit hilft, die im fachlichen Umfeld in der Bundesrepublik Deutschland sowie in Europa existierenden Abläufe und
Zusammenhänge noch besser zu erkennen, die Rahmenbedingungen aller Beteiligten zu verstehen und die Tragweite von
Handlungen sowie Entscheidungen abschätzen zu können. Für
den Betroffenen selbst führt die Amtszeit zur einer stärkeren
Einbeziehung in fachlich-politische Entscheidungsprozesse und
in der Folge zu einer intensiveren Vernetzung. Bleiben sollten
abschließend immer der Stolz auf die geleistete Arbeit und das
Gefühl (wie eingangs beschrieben), »die anstehenden Herausforderungen im Amtlichen Deutschen Vermessungswesen« gemeinsam gemeistert zu haben.
4. Hauptfähigkeiten als AdV-Vorsitzender
Die Darlegungen in den vorherigen Abschnitten zeigen, wie breit
gefächert die Arbeit des AdV-Vorsitzenden wirklich ist. Neben
der rein fachlichen Kompetenz und der Kompetenz als fachlicher
Leiter sind ein hohes Maß an Menschenkenntnis, die Fähigkeit
zum Erkennen von Befindlichkeiten und die Beachtung der real
gegebenen Rahmenbedingungen in den Mitgliedsverwaltungen
unbedingt nötig, um in teils kleinen Schritten vorwärts kommen
zu können. Er muss häufig Bundes- und Länderinteressen gegeneinander abwägen. Und dies gelingt nur, wenn man sich als Vertreter aller Mitgliedsverwaltungen begreift und den AdV-Maßstab
anhält.
TKVV Mitteilungsheft Nr. 35
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Kontinentaldrift – Ursachen und Wirkungen
Kai Schlosser, Mitarbeiter im Katasterbereich Erfurt
Am 6. Januar 1912 löste der 31-jährige Meteorologe und Dozent
für kosmische Physik an der Universität zu Marburg, Alfred Wegener, auf der Hauptversammlung der Geologischen Vereinigung in
Frankfurt am Main mit seinen Thesen eine Revolution unter den
Naturwissenschaftlern aus.
Der Kern seiner revolutionären Theorien lautete: Die Großform
der Erdoberfläche bzw. die Verteilung der Kontinente und Ozeane würde sich stetig ändern, weil die Kontinente wandern. Wegener nahm weiterhin an, dass die Erdoberfläche, wie wir sie heute kennen, aus einem Urkontinent hervorgegangen sei. Dessen
Schollen sind im Laufe der Erdgeschichte auseinandergedriftet
und so haben sich Kontinente und Ozeane gebildet. Die uns so
vertraute Lage der Kontinente ist also nur eine Momentaufnahme und die Bewegung der nunmehr ins Spiel gebrachten Erdplatten geht unaufhörlich weiter.
Erst in den jüngst vergangenen 1960er Jahren bewiesen Untersuchungen der Mittelozeanischen Rücken, dass die Erdplatten
tatsächlich in ständiger Bewegung sind. Die Erde unterliegt also
einem ständigen Wandel, was sich uns am eindrucksvollsten
in vulkanischen Ereignissen und Erdbeben oder in der Existenz
großer Gebirge zeigt. Während an den Mittelozeanischen Rücken
neue Plattenteile entstehen, verschwinden ältere Plattenteile in
den sogenannten Subduktionszonen, und Gebirge werden durch
Plattenkollisionen herausgehoben. Diese dynamischen Umwälzungen werden getrieben von der Wärme, die vom Inneren der
Erde nach außen abgeführt wird und den Motor Erde am Laufen
hält.
Kontinentaldrift, Gebirgsbildung, Vulkanismus, Erdbeben – und
in deren Folge auch Flutwellen wie der verheerende Tsunami vom
Dezember 2004 im Indischen Ozean – all das ist Ausdruck dieser
Dynamik unseres Planeten.
Kontinentaldrift - Plattentektonik
Lithosphärenplatten der Erde
Quelle: Wikipedia
Ein wesentlicher Unterschied der Plattentektonik zu Wegeners
Konzept besteht darin, dass die Kontinente nicht als isolierte Schollen wandern, sondern Teile von Platten sind, die auch
ozeanische Kruste und einen Anteil des Erdmantels umfassen. Die Erdkruste kann in Form kontinentaler Kruste mit einer
durchschnittlichen Mächtigkeit von 30-40 km – unter Gebirgen
und Hochplateaus wie den Anden oder dem Tibetplateau bis
ca. 75 km – vorliegen. Aus ihr sind die Kontinente mitsamt ihren Schelfgebieten und dem Kontinenthang, der in die Tiefsee
führt, aufgebaut. Die ozeanische Kruste hingegen bildet mit einer Mächtigkeit von typischerweise 5-8 km die Ozeanböden. Ihre
Oberfläche liegt im Durchschnitt 4-5 km tiefer als die der kontinentalen Kruste.
Im oberen Teil der kontinentalen Kruste befinden sich saure, kieselsäurereiche, granitische und metamorphe Gesteine überwiegen (mehr als 65 % SiO), während in größeren Tiefen zunehmend
basische Gesteine hinzukommen. Die ozeanische Kruste besteht
hingegen aus basischen Gesteinen, Basalten etc. Die Dichteverhältnisse liegen hier höher als in der kontinentalen Kruste.
Die Plattentektonik ist eine geotektonische Theorie und Teil der
Theorien über die endogene Dynamik der Erde, die die dynamischen Vorgänge in der Lithosphäre (Erdkruste und oberster Erdmantel) wie die Kontinentalverschiebung, die Bewegungen der
Ozeanböden, die Entstehung von Gebirgen, die Erdbeben- und
Vulkanzonen zu erklären versucht. Die Plattentektonik hat von
den weitgehend starren Lithosphärenplatten, die erdumspannend die äußere Schale der Erde ausmachen, ihren Namen. Die
Platten besitzen sehr unterschiedliche Größen. Die Lithosphäre
(griech. Gesteinsschale) ist in der Regel zwischen 80 km und
160 km dick, unter den Kontinenten dicker als unter den Ozeanen.
Die Lithosphärenplatten bewegen sich mit unterschiedlichen
Geschwindigkeiten und in unterschiedliche Richtungen. Damit
ergibt sich aber auch die Frage, wie dies bei einem geschlossenen Plattenmuster möglich ist. Nach dem Eulerschen Satz erfolgt
die Bewegung eines Körpers auf einer Kugeloberfläche durch
Rotation um eine Achse, die durch den Kugelmittelpunkt geht.
Alle Plattenbewegungen werden daher durch Rotation um eine
solche Achse und eine sogenannte Winkelgeschwindigkeit definiert. Durch die Plattendrift ergeben sich drei Arten von Plattengrenzen: konstruktive, destruktive und konservative.
Unter Gebirgen kann sie bis über 200 km mächtig sein. Sie besteht aus der Erdkruste und dem darunter liegenden lithosphärischen Anteil des Mantels. Dieser ist der oberste Teil des Erdmantels und besitzt eine größere Starre als die darunter liegende,
in geringen Teilen geschmolzene Schicht der Asthenosphäre
(griech. schwache Schale).
Die konstruktiven bzw. divergenten Plattengrenzen sind dadurch
gekennzeichnet, dass die Bewegung der beiden Platten auseinander geht. Die entstehende Lücke wird durch aufdringendes
Mantelmaterial zu basaltischer Schmelze und erstarrt zu ozeanischer Kruste. Der Ozeanboden breitet sich von diesen Plattengrenzen aus (»Ozeanboden-Spreizung«).
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Konstruktive / divergente Plattengrenzen
Destruktive / konvergente Plattengrenzen
An destruktiven bzw. konvergenten Plattengrenzen wird die
schwerere Platte unter die andere hinabgebogen und in den
sogenannten Subduktionszonen in den tieferen, sublithosphärischen Mantel gezogen. Diese subduzierten Plattenteile werden
dabei verändert und letztlich somit zerstört und wieder in den
Mantel eingegliedert. Die tektonischen Platten werden also an
destruktiven Grenzen gegeneinander geführt. In größerem Maßstab kann nur ozeanische Lithosphäre aufgrund ihrer höheren
Dichte in den sublithosphärischen Erdmantel abgeführt werden.
An der Erdoberfläche drücken sich die Subduktionszonen durch
tiefe Rinnen, die Tiefseerinnen, wie sie vor allem rund um den
Pazifik bestehen, aus.
Bei den hier beschriebenen Vorgängen ist unter anderem ein
Fakt in den Fokus wissenschaftlicher Betrachtungen gerückt:
nämlich dass Seewasser, welches in die abtauchenden Platten
eindringt, eine bedeutende Rolle spielt. Dabei wurde insbesondere von Geologen des Kieler GEOMAR entdeckt, dass die Serpentinisierung (Gesteinsbildung mit hoher Wasserbindung) des
oberen Erdmantels offenbar mit Erdbebenzonen in Verbindung
steht. Viele Subduktionszonen zeigen Bänder von erhöhter Erdbebenaktivität in einer Tiefe von 50-200 km. Erdbeben scheinen
laut diesen jüngsten Forschungen genau dort aufzutreten, wo die
Modelle den höchsten Wassergehalt im subduzierten Erdmantel
vorhersagten. Wasser ist somit grundsätzlich und elementar
an vielen dieser Abläufe beteiligt und quasi ein Katalysator in
globaleren geologischen Abläufen. Es scheint auch so zu sein,
dass Wasser der Schlüssel zum globalen Vulkanismus und Vulkanismus wiederum einer der Schlüssel zum Wasserkreislauf der
Erde ist, so auch weitergehende Schlussfolgerungen der Kieler
Geologen.
Konservative Plattengrenzen (Transformverwerfung / -störung)
An konservativen Plattenrändern wird Kruste bzw. Lithosphäre
weder neu gebildet noch abgeführt, die Platten gleiten vielmehr
aneinander vorbei. Diese Grenzen werden auch als Transformstörungen bzw. Transformverwerfungen bezeichnet. Im kontinentalen Bereich sind Transformstörungen selten. Die Mittelozeanischen Rücken werden hingegen von zahlreichen, meist relativ
kurzen Transformverwerfungen durchschnitten. Diese Störungen
verbinden zwei – nur scheinbar gegeneinander verschobene –
Rückenabschnitte. Mit Hilfe der drei Arten von Grenzen ist die
individuelle Bewegung der Lithosphärenplatten erklärbar. Dabei ergeben sich aber geometrische Zwänge, da sich die Platten
Arten tektonischer Plattengrenzen
Quelle: US-Geological Survey
TKVV Mitteilungsheft Nr. 35
Brücke zwischen den Kontinenten in Reykjanes (Island)
Quelle: Wikimedia Commons/Chris73
nicht völlig beliebig bewegen können und die Addition aller Bewegungen die Summe Null ergeben muss. Global gesehen wird
die Auseinanderdrift der tektonischen Platten an den konstruktiven Rändern von der »Aufeinanderzubewegung« an den destruktiven Rändern kompensiert.
Grabenbruch (Riftzone)
Ein kontinentaler Grabenbruch, auch Rift (engl. Spalte, Riss)
genannt, ist eine schmale und lang gestreckte Struktur in der
Erdkruste, die sich an der Erdoberfläche in einer zentralen Einsenkung entlang einer Grabenachse zeigt. Beispiel dazu ist
das Ostafrikanische Grabenbruchsystem. Einige Grabenbrüche
werden von Transformverwerfungen abgeschnitten und setzen
sich an anderer Stelle fort. Beispiel hierfür ist der Oberrheingraben, der sich in südliche Richtung im Bresse- und Rhonegraben
fortsetzt. Grabenbruchsysteme sind im eigentlichen Sinne Dehnungszonen im lithosphärischen Mantel und der Erdkruste – die
Lithosphäre und Erdkruste sind entlang dieser Zonen ausgedünnt. Die Mittelozeanische Rücken hingegen sind ein Beispiel
für ein sehr langgestrecktes Grabenbruchsystem ozeanischer
Kruste. Bei den kontinetalen Grabenbrüchen geht die Dehnung
in der Oberkruste bis in etwa 15 km Tiefe durch Bruchbildung vor
sich, was sich durch Erdbeben auch bemerkbar macht.
Man unterscheidet in der Geologie zwischen aktiven und passiven Grabenbrüchen: Aktive Grabenbrüche entstehen durch sogenannte Aufdomung der Asthenosphäre über Aufströmungen
heißen Gesteinmaterials (Manteldiapire) aus Richtung des tieferen Erdmantels. In der sich darüber befindlichen Lithosphäre
zeigen sich dadurch Dehnungserscheinungen, ausgehend von
der darunter auseinanderstrebenden Asthenosphäre. Die Aufwölbungen und Dehnungen in diesen Tiefen – des Grenzbereiches lithosphärischer Mantel und Asthenosphäre – erfolgen dort
in einem breiteren Bereich und schlagen sich in der spröderen
Oberkruste abgemildert nieder. Die Aufwölbung der Erdoberfläche ist bei aktiven Rifts entsprechend der weit gespannten Asthenosphären-Aufwölbung ebenfalls breit und kann sogar mehrere hundert Kilometer betragen.
Bei passiven Grabenbrüchen ist die Dehnung auch in der tieferen Kruste und im lithosphärischen Mantel zuerst einmal auf
das relativ schmale Areal des Rifts begrenzt. Dies kann aber bis
zum Durchreißen des lithosphärischen Mantels führen, so dass
Asthenosphärenmaterial bis an die Untergrenze der Kruste aufdringt und dort ein Mantelkissen bilden kann, das die Kruste
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aufwölbt. Die oberflächliche Aufwölbung beschränkt sich somit
auf die unmittelbare Grabenzone. Letztlich kann die Zerrung der
Lithosphäre aber auch hier zu einer breiteren Aufdomung der Asthenosphäre und der darüber liegenden Lithosphäre führen. So
kann sich ein passives in ein aktives Rift fortentwickeln, ohne
dass das passive Stadium noch nachweisbar wäre. Die meisten heutigen Grabenbruchsysteme scheinen aber aktive Rifts
darzustellen. Beide Prozesse – Aufdomung und Krustendehnung – greifen vermutlich ineinander über, so dass die primäre Ursache einer Grabenbildung oft auch nicht mehr erkennbar
ist. Dennoch gilt, dass starke Aufwölbungen der Asthenosphäre
starke magmatische Aktivitäten und sogenannte breite Grabenschultern bewirken. Passive Grabenbrüche hingegen sind arm
an Magmatismus und die Grabenschultern sind weniger bis gar
nicht ausgeweitet.
Luftbildaufnahme einer tektonischen Verwerfung im Umland von Christchurch
Quelle: Canterbury museum, Christchurch (Repro)
Plattenbewegungen – Erdbeben - Vulkanismus
Mit der Plattenbewegung stehen Konvektionsströme im sublithosphärischen Erdmantel in Wechselbeziehung. Wie man aus
dem Ausbreitungsverhalten von Erdbebenwellen weiß, liegt der
Erdmantel im Wesentlichen in festem Zustand vor. Dennoch ist
er zu Fließbewegungen in der Größenordnung von mehreren Zentimetern pro Jahr – dies sind jedenfalls die Geschwindigkeiten,
mit denen sich die Platten bewegen – fähig. Die Fließbewegung
wird durch Gleitvorgänge an den sogenannten Mineralkorngrenzen ermöglicht, die unter den hohen Temperaturen des Erdmantels ablaufen. Teile des Erdmantels besitzen zudem geringe
Schmelzanteile, die sich unter dem herrschenden hohen Druck
als dünner Film um die festen Mineralkörner legen und sie trennen. Für die unmittelbar unter der Lithosphäre folgende Asthenosphäre – eine Schicht innerhalb des Oberen Mantels mit relativ hoher Beweglichkeit – wird ein Schmelzanteil von wenigen
Prozent angenommen.
Das Muster der Konvektionszellen im Erdmantel ist sehr komplex, wie aus detaillierten Untersuchungen mit Hilfe der Methode der seismischen Tomographie hervorgeht. Vermutlich ist ein
System von Konvektionszellen im Oberen Erdmantel (bis knapp
700 km Tiefe) von einem zweiten System im Unteren Erdmantel
getrennt, doch stehen beide Systeme in Wechselwirkung und
induzieren sich gegenseitig. Aus diesem Grund fallen auf- und
absteigende Ströme in beiden Teilen des Mantels oft räumlich
zusammen. Der Einfluss des Erdkerns – der vor allem aus Eisen
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und Nickel besteht und dessen äußere Schale in flüssigem Zustand vorliegt – auf das Geschehen im Erdmantel wird noch diskutiert. Von thermischen und möglicherweise auch stofflichen
Wechselwirkungen ist aber auszugehen.
Durch die Relativbewegungen der Platten werden an den Plattengrenzen Erdbeben ausgelöst. Der Gleitvorgang zwischen den
Platten verläuft nicht spannungsfrei und kontinuierlich: In den
bis zu einem gewissen Grad elastisch verformbaren Gesteinskörpern bauen sich Spannungen auf, die sich, wenn ein Grenzwert
erreicht ist, in einem Bruch ruckartig entladen. Ein Blick auf
eine Karte mit der Verteilung der Erdbeben-Epizentren zeigt eindrucksvoll, dass die Erdbeben auf schmale, erdumspannende
Zonen konzentriert sind. Sie zeichnen die heutigen Plattengrenzen nach. Die Verteilung der Erdbebenzentren ist bei den verschiedenen Arten von Plattengrenzen aber unterschiedlich. Tief
liegende Erdbebenherde treten nur entlang der Subduktionszonen auf, flach liegende hingegen an allen Plattengrenzen. Darüber hinaus finden sich verstreute Zentren innerhalb der Platten.
Sie zeigen, dass die Platten auch in ihrem Inneren nicht frei von
Deformationen sind und von großen Störungszonen durchzogen
werden können. Die Bewegungsbeträge an Störungszonen innerhalb der Platten sind aber – über geologische Zeiträume gemittelt – wie zu erwarten, meist eine Größenordnung kleiner und liegen im Bereich von nicht mehr als wenigen Millimetern pro Jahr.
Man spricht hier von Intraplatten-Tektonik.
Die stärksten Konzentrationen von Erdbebenzentren finden sich
an destruktiven Plattenrändern, wie sie vor allem rund um den
Pazifik zu finden sind. Die Subduktionszonen lassen sich anhand der Beben bis in eine Tiefe von fast 700 km nachweisen.
Bebenherde in geringerer Tiefe, deren Epizentren meist nahe der
Plattengrenze liegen, können verheerende Auswirkungen haben. Entlang von Transformverwerfungen sind die Epizentren der
Beben schärfer auf die Plattengrenze konzentriert, da die Störungszonen vertikal stehen. Wenn Transformverwerfungen kontinentale Kruste durchschneiden, können auch sie katastrophale
Erdbeben auslösen. Dies ist auf das Aneinanderreiben der mächtigen starren Platten zurückzuführen und unter anderem von der
Bewegungsgeschwindigkeit abhängig. Beispiele sind die SanAndreas-Störung in Kalifornien und die Nord-Anatolische Störung in der Türkei. Die Mittelozeanischen Rücken weisen eine
viel schwächere Bebentätigkeit auf. Aufwärts gerichtete Ströme
bringen geschmolzenes Gesteinsmaterial bis an die Erdoberfläche. Dementsprechend ist die feste Schale, in der sich Spannungen aufbauen und entladen können, sehr dünn. Das heiße,
gerade erstarrte Gestein ist noch zu plastischen Verformungen
fähig. Es treten deshalb nur schwache Beben auf. Junge, tektonisch noch aktive Gebirgsgürtel sind ebenfalls durch eine rege
Bebentätigkeit gekennzeichnet. Durch die Kollision kontinentaler Massen entstehen breite Verformungszonen mit zahlreichen
Bruchflächen. Man findet daher hier besonders breite Gürtel flacher Erdbeben. Einzelne tiefere Beben zeugen von vorangegangener Subduktionstätigkeit.
Kontinentränder können mit der ozeanischen Kruste im angrenzenden Tiefseebecken fest verbunden sein - Kontinent und Ozeanbecken gehören derselben Platte an. Solche Kontinentränder
sind zum Beispiel rund um den Atlantik vorhanden. An ihnen finden nur geringe, eher vertikale, Bewegungen statt, weshalb man
sie auch als passive Kontinentränder bezeichnet. Diese stellen
keine Plattengrenzen dar. Hingegen sind aktive Kontinentränder
solche, bei denen zwischen Kontinent und Ozean eine Plattengrenze verläuft. Hier wird ein Plattenteil mit ozeanischer Kruste
unter eine Platte mit kontinentaler Kruste subduziert. An der
Plattengrenze bildet sich eine Tiefseerinne. Dieser Typ von Kontinenträndern tritt vor allem entlang der Anden auf. Viele Subduktionszonen rund um den Pazifik sind aber durch sogenannte
Inselbogensysteme gekennzeichnet. Der Rand der Oberplatte ist
in diesen Fällen durch vulkanische Inselketten geprägt.
und deren Subduktion und Wiedereingliederung in den Erdmantel an anderer Stelle kontrolliert. Die ozeanische Lithosphäre ist
somit der Motor für die Plattentektonik, während sich die Kontinentschollen eher passiv verhalten. Der Plattenantrieb an und
für sich wird hauptsächlich vom Aufstieg von Magma an den Mittelozeanischen Rücken und vom Absinken schwerer Lithosphäre
in den Subduktionszonen gesteuert.
Nicht nur Bebentätigkeit, auch die Förderung magmatischer
Schmelzen ist weitestgehend an die Plattengrenzen gebunden.
Durch einen komplizierten Vorgang der Wechselwirkung zwischen der Asthenosphäre und der in sie abtauchenden subduzierenden Platte kommt es zur Bildung von Gesteinsschmelzen.
Sie dringen in die darüber liegende Platte ein und speisen Vulkanketten über der
Subduktionszone. Die
ostasiatischen Inselbögen (Japan) sowie die
Anden sind Beispiele
hierfür. Man spricht
hier von Inselbogenmagmatismus oder von
subduktionsgebundenem
Magmatismus.
An Tranformstörungen
kommt es im Regelfall
nicht zu nennenswerten Aufschmelzungen
von Gestein. Hingegen
sind die Mittelozeanischen Rücken Hauptproduzenten von »basischen Magmatiten«.
Konstruktive und destruktive Plattengrenzen
sind somit für die Bil»Wanderung Indiens«
dung des weitaus größQuelle: Wikipedia
ten Anteils magmatischer Gesteine verantwortlich. Magmatische Tätigkeit gibt es
aber auch innerhalb der Platten. Dieser Intraplatten-Magmatismus ist im allgemeinen jedoch an »Heiße Flecken«(»hot spots«)
gebunden. Sie treten an konstruktiven Plattengrenzen auf, häufiger aber innerhalb der Platten und verursachen dort weiträumige
Aufdomungen der Erdkruste (Anhebung dieser um bis zu 3 km
über einem im Erdmantel aufsteigenden Magmastrom).
Subduktionszonen bilden sich bevorzugt an Stellen mit gealterter, abgekühlter und daher spezifisch schwerer Lithosphäre, also
am Rand großer ozeanischer Becken, wie rund um den heutigen
Pazifik. Solange ein Ozeanbecken mit einem Mittelozeanischen
Rücken an den Rändern nicht von Subduktionszonen begrenzt
ist, verbreitert es sich, wie dies beim heutigen Atlantik der Fall
ist. Die Ausbreitungsraten der Mittelozeanischen Rücken liegen
zwischen 1 cm und etwa 15 cm im Jahr. Die Subduktionsrate
(im Einzelfall bis zu 9 cm/Jahr - in der Vergangenheit auch höher) kann, vor allem wenn sie an gegenüberliegenden Rändern
addiert wird, höher als die Ausbreitungsrate (Stichwort: Ozeanboden-Spreizung) am Rücken sein. In diesem Fall verkleinert
sich das Ozeanbecken und die angrenzenden Kontinentmassen
nähern sich an. Die anhaltende Annäherung führt irgendwann
sogar zur Subduktion des Rückens und schließlich auch zur Kollision der kontinentalen Massen, wobei der passive Kontinentrand der subduzierenden Platte unter den Rand der Oberplatte
gezogen wird.
Beispiele für kontinentale Heiße Flecken hier in Europa sind das
Französische Zentralmassiv und die Vulkaneifel. Diese Gebiete
zeichnen sich durch jungen Vulkanismus aus. Im ozeanischen
Bereich ist der heute aktive Teil des Hawaiianischen Archipels
das wohl bekannteste Beispiel. Wenn Platten über einen Heißen
Fleck hinweggleiten, entstehen lange Vulkanketten, an deren aktiven Ende der Heiße Fleck »sitzt«. Oft sind Heiße Flecken, wie
bereits erwähnt, an Grabenbrüche gebunden, die tief greifende,
ganze Kontinente durchschneidende Störungssysteme, darstellen. Das bekannteste Beispiel hierfür ist das ostafrikanische Grabenbruchsystem mit seinen Vulkanen. Der Bewegungsablauf der
hier nun mehrfach zitierten Platten wird hauptsächlich von der
Bildung ozeanischer Lithosphäre an den ozeanischen Rücken
TKVV Mitteilungsheft Nr. 35
Kollision – Gebirgsbildung
Durch das geringe spezifische Gewicht des subduzierten Kontinentteils kann dieser nicht beliebig tief nach unten gezogen
werden. Er erfährt vielmehr einen Auftrieb in dem ihn umgebenden dichteren Mantelgestein und drängt nach dem Prinzip der
Isostasie (griech. Gleichstand) nach oben. Auftrieb und starke
Reibungskräfte nach einer Kollision zweier solcher Massen lassen die Subduktion der kontinentalen Kruste schließlich zum
Stillstand kommen. Dies geschieht unter Bildung komplizierter
tektonischer Strukturen wie Falten und Decken und unter Aufheizung der in die Tiefe verfrachteten Gesteine, die dabei metamorph verändert werden und teilweise aufschmelzen können.
Nach dem quasi Totlaufen der Konvergenzbewegung reißt die
noch anhängende subduzierte ozeanische Lithosphäre unter
ihrem eigenen Gewicht ab. Durch Wegfall dieses nach unten ziehenden Gegengewichts kann der isostatische Aufstieg der kontinentalen Kruste effizient einsetzen. Damit beginnt die Entstehung eines hohen alpinotypen (mit noch elastisch reagierenden,
abgelagerten Sedimenten) Gebirges als topographisch herausragende Oberflächenform.
Der eigentliche Prozess der Gebirgsbildung (Orogonese) ist die
Kollision der kontientalen Plattenteile, bei der Teile der Erdkruste über- und untereinander geschoben, gestapelt, verformt
und umgewandelt werden. Diese Prozesse laufen in der Tiefe ab
und müssen sich nicht unmittelbar in der Bildung eines hohen
Gebirges bemerkbar machen. Oft erfolgt solche Heraushebung
auch mit erheblicher Verzögerung von Millionen Jahren auf die
Gebirgsbildung in der Tiefe.
Die Alpen entstanden durch die Kollision der Adriatischen Platte
mit Europa. Dabei wurde Europa entlang einer nach Süden abtauchenden Subduktionszone unter die Adriatische Platte ge-
11
schoben. Der Himalaja und das sich anschließende Hochland
von Tibet entstanden durch die Kollision von Indien, das sich
als eigene Platte von Afrika löste, mit Zentralasien. Hier tauchte
die Subduktionszone nach Norden ab, womit Indien unter Asien
geschoben wurde. In beiden Fällen erfolgte die Kollision in der
frühen Tertiärzeit vor rund 40-50 Millionen Jahren. Die Hebung
zu einem Hochgebirge begann jeweils etliche Millionen Jahre
später.
Was ist also das Besondere an der Kollision Indiens bzw. der
Indo-Australischen Platte mit Eurasien? Westlich der Anden
zum Beispiel stößt die ausschließlich aus ozeanischer Erdkruste bestehende pazifische Platte mit der im Wesentlichen aus
kontinentalem Gestein aufgebauten südamerikanischen Platte
zusammen. Kontinentale Platten haben eine geringere Dichte
als ihre ozeanischen Geschwister. Sie sind daher leichter und
schwimmen, während die dichtere ozeanische Platte in einer
Subduktionszone in den Erdmantel taucht und dort versinkt. In
dem Zusammenstoß Indiens mit Eurasien sind hingegen zwei
kontinentale Platten verwickelt, daher gibt es unter dem Himalaja-Gebirge – anders als in den Anden – keine klar definierte
Subduktionszone, in der eine der Platten verschwinden könnte.
Zwar treffen auch an der Grenze zwischen Afrika und Europa zwei
kontinentale Platten aufeinander. Der Zusammenstoß in Südeuropa ist aber keineswegs so heftig wie in Zentralasien, denn Italien wirkt lediglich wie ein Sporn, der sich in Europa hineinbohrt.
In Zentralasien ereignet sich dagegen ein Frontalzusammenstoß
auf einer mehr als 2500 km breiten Linie.
Nunmehr haben Forscher im Jahre 2011 jedoch an dieser Stelle
eine neue Krustenplatte entdeckt: Die rund 100 km dicke »Gesteinsscholle« liegt im Zentrum Tibets und bewegt sich mit fünf
Zentimetern pro Jahr nach Nordosten. Bisher nahm man an, dass
in dieser Region der Eurasische und der Indische Kontinent direkt aufeinanderstoßen und durch ihre Bewegung den Himalaya
und in Folge davon das Hochland von Tibet aufwölben. Seit 2011
ergibt sich ein ganz neues Bild der plattentektonischen Kollision
von Indien und Eurasien.
Im Süden schiebt sich nun die indische Kontinentalplatte nach
Norden und wird dabei unter die neu entdeckte Tibetische Platte
gedrückt. In Zentral- und Nord-Tibet befindet sich in Folge jene
Plattengrenze, in der sich die Tibetplatte über die im Norden liegende Eurasische Platte schiebt. Der endgültige Nachweis darüber gelang einem Forscherteam vom Potsdamer Geoforschungszentrum (GFZ) im Rahmen eines internationalen seismologischen
Projekts. Hierbei zeichneten zahleiche, in Nord-Tibet verteilte
Messgeräte die Wellen mehrerer, weit entfernter Erdbeben auf.
Diese Erschütterungen werden bei ihrer Ausbreitung durch den
Untergrund, je nach Gesteinsbeschaffenheit, bekanntlich leicht
verändert. Die Wellenmuster offenbaren daher letztlich ein Bild
der Struktur des Untergrunds. Im Gegensatz zu bisherigen seismischen Methoden war das für diese Messungen verwendete
Verfahren genauer. Es lieferte hochauflösende Abbildungen sogar noch bis in mehrere hundert Kilometer Tiefe.
Die jetzt entdeckte Tibetanische Platte erscheine in den Ergebnissen als deutlich abgegrenzter, eigener Bereich in diesem Teil
der Lithosphäre zwischen Indien und Eurasien.1 An dieser Stelle
sei erwähnt, dass die Indische Platte in vielen Veröffentlichungen gern mit der Australischen Platte zur Indo-Australischen
Platte zusammengefasst wird. Man möge sich also nicht wundern, mal diese oder jene Bezeichnung in weiterführender Literatur zu Gesicht zu bekommen.
Plattenbruch - Erdbeben
Quelle: Deutsches Geoforschungszentrum Potsdam
Weil es keine Subduktion gibt, die eine der am Zusammenstoß
beteiligten Platten verzehren könnte, muss die gewaltige bei der
Kollision zusammengestauchte Gesteinsmasse der indischen
Platte irgendwo anders geblieben sein. Neben dem Auftürmen
des Himalaja-Gebirges hat das, so schreibt Royden in der Zeitschrift »Science« (Bd. 321, S. 1054), zu einer erheblichen Verdickung der Erdkruste geführt. Unter der asiatischen Kollisionszone ist die Erdkruste mehr als 80 km dick und damit mehr als
doppelt so mächtig wie im Durchschnitt. Eine weitere Folge ist
die Heraushebung der Landschaft nördlich des Himalaja-Gebirges zum Hochplateau von Tibet.
Am 11. April 2012 bebte die Erde vor der Küste Sumatras mit einer Stärke von bis zur Magnitude (M) 8,7. Das Erdbeben war eines der schwersten der vergangenen hundert Jahre, schreibt ein
internationales Wissenschaftlerteam im Fachmagazin »Nature«
im vergangenen Jahr. Im Vergleich dazu erreichte beispielsweise das zerstörerische Beben vom März 2011 in Japan nur eine
geringfügig höhere Magnitude von 9,0. Beim Beben vor Sumatra
sei die unter dem Indischen Ozean liegende Indo-Australische
Platte an vier Stellen über mehrere Kilometer hinweg eingerissen. Dabei verschoben sich die Erdmassen südwestlich der indonesischen Insel Sumatra horizontal gegeneinander. Hätten sie
sich im Übrigen vertikal bewegt, wäre es vermutlich zu ähnlichen
Tsunamis wie nach dem sogenannten Sumatra-Andamanen-Beben vom 26. Dezember 2004 (M 9,1) gekommen.
Ausgewertet wurden Daten von lokalen Messstationen, die die
Erschütterungen rund um das Erdbebenzentrum aufgezeichnet
hatten. Weiterhin bezog man aber auch die Ausbreitungsgeschwindigkeit und Stärke der seismischen Wellen weltweit in
die Untersuchungen mit ein. Die Erdbeben im Indischen Ozean
zeigten allerdings andere »Verhaltensmuster« in den Aufzeichnungen als üblich. Grundlegendester Unterschied: Die meisten
1
12
Natur Geocience, 2011; DOI (Digital Object Identifier): 10.101038/NGEO 1309
»Plattenbruch«
Quelle: Keith Koper, University of Utah
anderen Beben mit einer Magnitude über 8,0 entstehen durch
Kollision zweier Kontinentalplatten, wobei sich eine Platte unter
die andere schiebt. Bei jenem April-Erdbeben hatten sich jedoch
ganz offensichtlich die Erdmassen innerhalb der Indo-Australischen Platte eben horizontal »aneinander gerieben«. Auch kann
man aus den bisherigen Daten folgern, dass die Indo-Australische Platte vermutlich in zwei bis drei Teile letztendlich zerbrechen wird und es sich hierbei um einen Prozess handelt, der
vermutlich auch schon vor etwa 50 Millionen Jahren in dieser
speziellen Region so begonnen hat.
Dies sei nicht nur die größte jemals beobachtete horizontale Verschiebung in der Erdkruste, sondern mit zwei Epizentren auch
das stärkste bisher gemessene Erdbeben im Inneren einer Platte, betonten die Forscher. Sie errechneten, dass innerhalb von
160 Sekunden vier bis zu 180 km lange und 90 km tiefe Risse
entstanden waren. Entlang dieser hätte sich der Meeresboden
zwischen 6 m und 30 m gegeneinander verschoben. Ursache
dieser Beben sind Spannungen innerhalb der Erdkruste. Die
Indo-Australische Kontinentalplatte drifte als Ganzes nach Norden, kollidiere dabei aber im Nordwesten mit Eurasien – und
dies bremse den westlichen Teil der Platte aus, meinen die Wissenschaftler.2
Erläuterungstafeln im Canterbury Museum, Christchurch
(Repro)
Ich selbst verpasste zu meinem persönlichen Bedauern jenes
Sumatra-Beben quasi vor Ort um lediglich acht Tage, da ich am
11. April 2012 bereits in der nächsten Erdbebenregion Christchurch weilte, welche in den Jahren 2010 und 2011 von einer
starken Erdbebenserie heimgesucht wurde. Hintergrund ist hier,
dass sich die pazifische Platte unter die Indo-Australische Platte
schiebt. Die Subduktionsgeschwindigkeit entlang der südöstlichen Seite der Nordinsel beträgt ca. 7 cm im Jahr. Die Plattengrenze selbst erstreckt sich aber sowohl über die Nord- als auch
Südinsel. Die (damals noch) zweitgrößte Stadt Neuseelands
sollte insbesondere nach den Zerstörungen vom Februar 2011 in
Teilen ganz aufgegeben werden. Ein bisher nicht näher erwähnter Fakt zeigte sich bei den Erdbeben hier sehr eklatant: obwohl
das Beben vom 4. September 2010 von größerer Intensität war
mit M 7,1, richtete das Erdbeben vom 22. Februar 2011 mit M 6,3
die weitaus größeren Schäden an und forderte leider somit auch
die größere Anzahl von 185 Todesopfern, da das Epizentrum viel
näher am Stadtgebiet lag – vor allem tiefenbezüglich.
Stabile Aufwärtsströmungen
Ergänzend zu dieser hier doch eher grob und bruchstückhaft umrissenen Thematik, noch eine weitere Entdeckung jüngster Forschungen, welche in der renommierten Fachzeitschrift »Nature«
Ende Juni dieses Jahres ihre weltweite Publikation fand: Zwei
Aufstiegszonen im Erdmantel, an denen stabil seit mindestens
250 Millionen Jahren heißes Material nach oben steigt, wurden
unter Afrika und unter dem Zentralpazifik entdeckt. Doch diese geologischen Hitzeherde brannten sich dem Anschein nach
auch schon durch die prähistorische Kruste des Urkontinents
Pangäa, wie Forscher von der University of Hawaii im Fachmagazin »Nature« diesjährig berichteten.
»Der Superkontinent Pangäa bildete sich und brach dann allmählich wieder auseinander – aber trotz dieser dramatischen Umwandlungen an der Oberfläche blieben die beiden Aufwärtsströmungen im Erdmantel die ganze Zeit konstant«, erklärt Clinton
Conrad von der University of Hawaii. Solche Umwälzströmungen
im Erdmantel sind somit auch der Motor für die Plattentektonik
und damit die Drift der Kontinente: Dort, wo heißes halbflüssiges Gestein aufsteigt und seitlich unter der Kruste entlang fließt,
zieht es auch die darüber liegenden Platten mit sich.
Entdeckt haben die Forscher die beiden stabilen Mantelströmungen durch genaue Vermessung und Beobachtung der Plattenbewegungen. »Ich war neugierig, ob es einen Punkt gibt, auf
den sich alle tektonischen Platten auf der Nordhalbkugel zubewegen«, erklärte Conrad. Tatsächlich gibt es den, wie die Messungen zeigten: Er liegt in Ostasien. Ausgehend von dieser Feststellung entwickelten die Wissenschaftler ein mathematisches
Modell, das zwei Punkte des Auseinanderweichens und zwei
Punkte des Zusammenlaufens identifizierte. Als sie dieses Modell auf frühere und die heutigen Positionen und Bewegungen
der Erdplatten übertrugen, zeigten sich zwei Punkte, die über
mehr als 250 Mio. Jahre hinweg stabil geblieben sind. »Ich war
erstaunt, dass sich diese Stellen in geologischen Zeiträumen absolut nicht bewegt haben«, so Conrad. Sie liegen im zentralen
Pazifik und unter Afrika und gehören zu den Bereichen, in denen heißes Mantelmaterial nach oben steigt. Es stellt sich nun
die Frage, warum ausgerechnet diese beiden Stellen in einem
so komplexen und dynamischen System wie dem Erdmantel sta-
2http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-15172-2012-09-27.html
TKVV Mitteilungsheft Nr. 35
13
bil geblieben sind. Ein Hinweis könnte die Zusammensetzung
des Mantels liefern, wie die Forscher erklären. Denn unter Afrika und dem Zentralpazifik weicht er chemisch von dem Gestein
an anderen Stellen des Mantels ab. Unklar ist auch, ob und wie
diese beiden Strömungspunkte die Bewegungen des restlichen
Mantelmaterials beeinflussen. »Diese Fragen zu beantworten ist
wichtig, denn geologische Phänomene wie Ozeanbecken, Gebirgszüge, Erdbeben und Vulkane gehen letztlich auf diese interne Dynamik der Erde zurück«, erklärt Conrad.3
Seismologie
Erdbeben bestehen in der Regel nicht aus einer einzelnen Erschütterung, sondern ziehen meist weitere nach sich. Man
spricht in diesem Zusammenhang von Vorbeben und Nachbeben
in Bezug auf ein stärkeres Hauptbeben. Treten Erdbeben über einen längeren, begrenzten Zeitraum gehäuft auf, so spricht man
von einem Erdbebenschwarm oder Schwarmbeben. Solche treten vor allem in vulkanisch aktiven Regionen auf. Ein Beispiel unserer Region ist dafür das Vogtland. Die Seismologie ist die Wissenschaft, die sich mit der Erforschung von Erdbeben befasst.
Die zehn stärksten seit 1900 gemessenen Erdbeben fanden mit
einer Ausnahme alle an Subduktionszonen rund um den Pazifik,
dem Pazifischen Feuerring, statt.
Seismologen nutzen verschiedene Skalen, um die Stärke von
Erdbeben zu ermitteln und zu vergleichen. Diese Skalen werden
Magnitudenskalen genannt. Die Magnitudeneinheiten geben an,
wie viel Energie bei einem Erdbeben freigesetzt wird. Am bekanntesten ist die Richterskala. Sie wurde im Jahre 1935 von Charles
F. Richter vom California Institute of Technology entwickelt, um
die Stärke lokaler Beben ermitteln und vergleichen zu können.
Die Richterskala basiert auf Seismogrammaufzeichnungen, die
in der Distanz von lediglich wenigen hundert Kilometern erstellt
wurden. Darum wird sie auch Lokalbebenmagnitude genannt.
Die Richterskala (ML) kann nur Erdstöße bis zu einer Stärke der
Hinweistafeln in Christchurch (Neuseeland) im April 2012
Die ermittelten Werte an sich sind aber kompatibel. Seismologen nutzen die Richterskala noch heute, um die Stärke heutiger
Erdstöße mit älteren Beben zu vergleichen und sie der breiten
Bevölkerung als Begriff bekannt ist. Das DFZ Potsdam wendet zur
Berechnung von Erdbebenstärken zehn verschiedene Magnitudentypen an. Die jeweils ermittelten Werte, sind aber untereinander vergleichbar. Jeder Punkt mehr auf der Magnitudenskala
bedeutet eine zehnmal stärkere Bodenbewegung. Ein Beben der
Stärke 9,0, wie es im März 2011 in Japan gemessen wurde, fühlt
sich also zehnmal heftiger an als ein Beben der Stärke 8,0.
Die größte, bisher je ermittelte Erdbebenstärke betrug 9,5 auf
der Richter-Skala, gemessen beim Beben am 22. Mai 1960 im
Pazifischen Ozean in der Nähe der südchilenischen Hafenstadt
Valdivia. Rund 5.700 Menschen wurden getötet. Das Seebeben
wurde anfänglich mit 8,6 bewertet, später aber auf 9,5 hochgesetzt. Und Erdbeben sind kein seltenes Ereignis, vielmehr bebt
die Erde mehrmals täglich, meist jedoch unter der Schwelle der
Wahrnehmbarkeit. Im Durchschnitt gibt es weit über 60.000 Erdbeben mit einer Magnitude von ≥ 3 pro Jahr, über 1.000 Erdbeben haben eine Magnitude von ≥ 5.
Quellen
Lars Rüpke (GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung
Kiel) in: Peter Linke, Sarah Zierul, Birte Friedländer, Bernd
Grundmann (Hrsg.): Am Puls der Zeit, Neumünster, 2012
Hans-Ulrich Schminke: Vulkanismus, Darmstadt, 2000
mobiles Erdbebenmessgerät einheimischer Produktion
Canterbury Museum, Christchurch
Magnitude 7,0 erfassen (Wert des Haitii-Bebens 2010). Heftigere Beben können mit der Richterskala nicht gemessen werden. In
solchen Fällen kommen meist die Mercalliskala mit einer zwölfteiligen Skala zum Einsatz bzw. die Momenten-Magnituden-Skala (Mw), bei der mit dem Wert 10,6 das Skalenende erreicht ist.
3
14
Clinton P. Conrad, Bernhard Steinberger and Trond H. Torsvik: Stability of active mantle
upwelling revealed by net characteristics of plate tectonics, Nature, 498, 27 June 2013,
DOI: 10.1038/nature12203
Claus-Dieter Reuther: Grundlagen der Tektonik, Berlin 2012
http://www.nature.com/nature/journal/v498/n7455/full/nature12203.html
http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-16329-2013-06-27.html
Fotos aus Christchurch: Kai Schlosser
NAD83 – Die Entstehung des Nordamerikanischen Datums
Susanne Schmitt, Vermessungsoberinspektoranwärterin
Im Zuge der Umstellung der amtlichen Bezugssysteme der Länder zum bundeseinheitlichen Bezugssystem ETRS89 soll dieser
Artikel einen Exkurs in die Entwicklung der Bezugssysteme in einem anderen Teil der Erde darstellen. Dieser Artikel befasst sich
mit der Entstehung des nordamerikanischen Datums von 1983
und wird u.a. klären, was »Buttermilch« mit der Amerikanischen
Landesvermessung zu tun hat.
Die Geschichte der Landesvermessung in den USA
Wie in Deutschland gibt es auch in den USA eine zuständige
Behörde für die Durchführung der Landesvermessung - den National Geodetic Survey mit Sitz in Silver Spring, Maryland. Die
Behörde wurde 1807 durch Präsident Thomas Jefferson als Survey of the Coast gegründet
und war dem Finanzministerium zugeordnet. Die
Behörde hatte zunächst
die Aufgabe, die Vermessung der U.S.-Küste durchzuführen und Seekarten
zu produzieren, welche
für mehr Sicherheit in der
Seefahrt sorgen sollten.
So entstand langsam die
Idee einer Landesvermessung. Mit der Leitung der
Küstenvermessung wurde
der Schweizer Geodät Ferdinand Rudolph Hassler
betraut. Dieser half bereits
Abb. 1 Ferdinand R. Hassler
während seiner Studienzeit bei der Vermessung verschiedener Kantone der Schweiz und
wurde danach mit der Vermessung der gesamten Schweiz beauftragt. Durch seine Arbeiten während der Landesvermessung wurde Hassler zu Amerikas erstem Vollzeit-Wissenschaftler.
1811 begann Hassler mit den organisatorischen Vorarbeiten für
die Vermessung der Ostküste. 1816 bis 1817 war der erste Teil
der Vermessung abgeschlossen. Die Triangulation umfasste das
gesamte Gebiet um New York City. Aufgrund von Verwaltungsreformen (zwischen 1818 und 1832 war der Survey of the Coast
der Navy angegliedert, danach wieder dem Finanzministerium)
lagen die Arbeiten vorerst auf Eis, wurden aber 1832 fortgesetzt
und die Triangulation entlang der amerikanischen Ostküste ausgebaut.
Nach der Umbenennung der Behörde in U.S. Coast Survey wurde 1839 dann die erste Seekarte erstellt, welcher bis zum Jahre
1863 noch 66.000 weitere Karten folgten.
Abb. 3 ab 1832 Ausbau der Triangulation entlang der Ostküste
Nach dem Tod Hasslers 1843 übernahm Alexander Dallas Bache,
ein Enkel von Benjamin Franklin, die Leitung der Landesvermessung.
1871 unterschrieb Präsident Ulysses S. Grant ein Gesetz, das
den U.S. Coast Survey ermächtigte, die Vermessungsarbeiten
auf das Inland der Vereinigten Staaten auszuweiten1. So war
der Weg für die Transkontinentale Landesvermessung geebnet.
Diese wurde 1871–1899 entlang des 39. Breitengrades durchgeführt, um die bereits weit ausgebauten Vermessungsnetze der
östlichen Bundesstaaten mit denen der pazifischen Westküste
zu verbinden2.
Die Transkontinentale Vermessung der Vereinigten Staaten war
in vielerlei Hinsicht eine Vermessung der Superlative. Mit ca.
4.224 km Länge war sie eine der längsten Triangulationen, die
jemals gemessen wurde, mit enorm langen Beobachtungsstrecken. Die längste Triangulationslinie wurde zwischen dem Mount
Shasta und dem Mount Helena mit ca. 309 km gemessen. Auf1http://www.ngs.noaa.gov/web/about_ngs/history
Abb. 2 Skizze der ersten Triangulation 1816-1817
TKVV Mitteilungsheft Nr. 35
2http://de.wikipedia.org/wiki/North_American_Datum
15
Abb. 7 »Buttermilk« – der älteste erhaltene Vermessungspunkt der USA
(rechtes Bild, oberhalb der 1932 neu geschaffenen silbernen Marke)
Abb. 4 1871-1899 Transkontinentale Vermessung der USA
grund der langen Strecken waren auch dementsprechend hohe
Beobachtungstürme notwendig. Der höchste Turm hatte eine
Höhe von ca. 83 m3. Danach wurde das Triangulationsnetz bis
1931 über die gesamten Vereinigten Staaten ausgeweitet.
Ferdinand R. Hassler geschaffen. Er ist ein Punkt erster Ordnung
und befindet sich nördlich von New York City auf dem »Buttermilk-Hill«, von dem er auch seinen kuriosen Namen hat. Eine
besondere Würdigung erfuhr der »Buttermilk« im Jahre 1976.
Damals wurde ihm sowie der gesamten Landesvermessung zu
Ehren durch den National Geodetic Survey und die Familie Rockefeller eine bronzene Gedenktafel angebracht4.
Die Entstehung des Nordamerikanischen Datums von 1983
Ein geodätisches Datum ist die Grundlage der Landesvermessung und wird benötigt, um ein Koordinatensystem festzulegen.
Es umfasst die Parameter der Größe, Form und Lagerung eines
Referenzellipsoides im Bezug zum Erdkörper (Referenzsystem)5.
Weltweit gibt es viele verschiedene Datumsangaben wie das
Potsdam-Datum von 1983 (PD83, Thüringen) oder das Rauenberg-Datum 1983 (RD83, Sachsen), das Schweizer Datum 1903
(CH1903), das Datum Austria in Österreich oder das bundeseinheitliche Datum ETRS89. Aufgrund der Vielzahl an Referenzsystemen ist es bei der Koordinatenangabe immer wichtig, das
verwendete geodätische Datum anzugeben, sonst ist die Koordinatenangabe unbrauchbar.
Abb. 5 Beobachtungsturm der Amerikanischen Landesvermessung
Abb. 8 Lage des Fundamentalpunktes »Meades Ranch«
Abb. 6 Ausbau des Triangulationsnetzes über das gesamte Landesgebiet der USA
»Buttermilk«
Ein historisches Überbleibsel der amerikanischen Landesvermessung ist der Vermessungspunkt »Buttermilk«. Er ist der älteste erhaltene Vermessungspunkt der USA und wurde 1833 durch
Das erste in den USA verwendete geodätische Datum war das
New England Datum von 1879. Damals erfolgte die Datumsfestlegung nach der klassischen »Fundamentalpunktmethode«.
Dafür benötigte man einen fest vermarkten Punkt auf der Erdoberfläche, welcher möglichst im Zentrum des Geltungsbereichs
lag. In diesem Punkt erfolgte die Beschreibung der Parameter
der Ausrichtung des Referenzellipsoides zum Erdkörper. Der
Fundamentalpunkt des New England Datum von 1879 wurde in
Principio bei Perryville in Maryland festgelegt. Dieser Ort wurde
4http://celebrating200years.noaa.gov/transformations/spatial/welcome.html
3http://www.holoscenes.com/cgi-bin/moin.cgi/TranscontinentalTriangulation
16
5
Skript Koordinatenreferenzsysteme, R. Lehmann, HTW Dresden, Version 2005
deshalb gewählt, da er sich zur damaligen Zeit im Zentrum des
geografischen Interesses der USA befand6.
Durch die Transkontinentale Vermessungs-Kampagne und die
Erweiterung der Netze über das gesamte Gebiet der Vereinigten Staaten musste der ursprüngliche Fundamentalpunkt in
Principio in die Mitte des Kontinents verlegt werden. Als neuer
Fundamentalpunkt wurde Meades Ranch festgelegt. Der Punkt
befindet sich zwischen den Städten Lucas und Tipton in Kansas
und somit im Zentrum der USA. Aufgrund dessen wurde das New
England Datum in U.S. Standard Datum umbenannt.
an die Nordamerikanische Platte gebunden. So bleiben gemessene Koordinaten, welche sich auf diese Festpunkte beziehen,
von den Effekten der globalen Plattenverschiebungen weitestgehend unbeeinträchtigt. Für die Umstellung des NAD27 auf das
NAD83 war eine Entzerrung und Neuberechnung des kompletten
Referenzrahmens notwendig. Dadurch treten landesweit unterschiedlich große Abweichungen zwischen beiden Systemen auf:
• kontinentale USA
10-100 m
• Alaska und Puerto Rico > 200 m
• Hawaii
> 400 m.
Da so eine Umrechnung von Koordinaten aus NAD27 nach NAD83
nicht über eine einheitliche Formel möglich ist, hat der National
Geodetic Survey ein Transformationsprogramm herausgebracht.
Abb. 9 Fundamentalpunkt für das NAD27 bei Meades Ranch in Kansas
Abb. 10 Darstellung der Abweichungen zwischen NAD27 und NAD83
1913 beschlossen Kanada und Mexiko ebenfalls ihre Vermessungsnetze auf Grundlage des U.S. Standard Datum aufzubauen.
Da das Datum nun für den gesamten nordamerikamischen Kontinent verwendet wurde, erfolgte die Umbenennung in North American Datum. Das Nordamerikanische Datum basiert wie seine
Vorläufer auf dem Clarke-Ellipsoid von 1866. Als Fundamentalpunkt wurde Meades Ranch in Kansas beibehalten. Zur Bildung
des Referenzrahmens erfolgte 1927 eine Neuberechnung der Positionen von 25.000 Festpunkten durch Ausgleichungsrechnung.
Daraus geht die Bezeichnung NAD27 hervor.
Die Abweichungen können mit diesen Transformationen auf dem
Festland der Vereinigten Staaten auf etwa 15 cm und in Alaska,
Puerto Rico und Hawaii auf etwa 50 cm reduziert werden.
In den 1970er Jahren kam es immer häufiger zu Widersprüchen
zwischen dem Bezugssystem NAD27 und den Ergebnissen lokaler Messungen. Dies lag zum einen an der Einführung elektronischer Vermessungsmethoden, zum anderen jedoch an der
Verwendung des Clarke-Ellipsoides, welches jetzt einfach nicht
mehr zeitgemäß und zu ungenau war. So entschied man sich, in
Zusammenarbeit mit Kanada, Mexiko und Grönland ein neues
Bezugssystem aufzubauen. Als Erdmodell wurde das geodätische Referenzsystem 1980 (GRS80) mit einem geozentrischen
Ursprung gewählt. Durch die zwischenzeitliche Einführung der
Satellitengeodäsie wurde die klassische Fundamentalpunktmethode durch Satellitenbeobachtungen abgelöst. So brauchte
man keinen Fundamentalpunkt mehr, sondern bestimmte das
Bezugssystem durch Satellitenbeobachtungen auf einigen hundert Stationen.
Das National Spatial Reference System (NSRS)
Das sogenannte National Spatial Reference System (NSRS) ist
ein Service des National Geodetic Survey und das Raumbezugssystem der USA. Bestandteil des NSRS sind zum einen über
1,5 Millionen Festpunkte (Kirchtürme, Wassertürme, vermarkte
Festpunkte) und zum anderen das National Continuously Operating Reference Station (CORS) network. Ab 1994 wurde dieses
Netzwerk ständiger GPS-Beobachtungsstationen aufgebaut und
ist ein Bestandteil des International Terrestrial Reference Frame
(ITRF) mit über 1800 permanent messenden Referenzstationen
für GPS-Messungen (Stand 2011). Zusätzlich zu diesen 1800
Stationen werden vereinzelt auch CORS-Stationen außerhalb
1986 wurde das North American Datum von 1983 (NAD83) erstmals veröffentlicht. Bis dahin arbeiteten 300 Personen sieben
Jahre lang an diesem Projekt. Die Kosten betrugen insgesamt
37 Mio. US-Dollar. NAD83 ist ein Referenzsystem für Nordamerika, deshalb ist seine Realisierung (in Form von Festpunkten)
6http://de.wikipedia.org/wiki/North_American_Datum
TKVV Mitteilungsheft Nr. 35
Abb. 11 Übersicht der weltweiten CORS-Stationen
17
Nordamerikas betrieben. Sie dienen u. a. militärischen Zwecken
und befinden sich z. B. in Benin, Äthiopien oder dem Irak, wo die
US Army in Zusammenarbeit mit dem National Geodetic Survey
seit 2004 ein irakisches Bezugssystem, das Iraqi Geospatial Reference System (IGRS) aufbaut.
Fazit
Vergleicht man die Entwicklung des Bezugssystems Nordamerikas mit Europa, lassen sich viele Parallelen herstellen. Die Tabelle stellt die Systeme der beiden Kontinente gegenüber:
USA
Europa
NAD83
ETRS89
National Continuously Operating
Reference Station (CORS) network
EUREF Permanent GPS Network
1800 CORS-Stationen
250 EUREF-Stationen
Der größte Unterschied zwischen beiden Netzwerken ist die Ausdehnung des Referenznetzes und die damit verbundene Anzahl
an Referenzstationen. Aufgrund dessen ist die Betreuung der
Stationen nicht durch eine einzelne Behörde zu bewältigen. Die
Betreuung der 1800 Stationen erfolgt durch über 200 verschiedene Betreiberorganisationen. Ziel des National Geodetic Survey
ist es, das Netzwerk noch weiter auszubauen.
Quellen
Abbildung 1
http://en.wikipedia.org/wiki/Ferdinand_Rudolph_Hassler
Abbildung 2
http://www.ngs.noaa.gov/web/about_ngs/history/Hassler_1816_Sketch.jpg
Abbildung 3
http://images.summitpost.org/medium/613841.jpg
Abbildung 4
http://images.summitpost.org/medium/613563.jpg (verändert)
Abbildung 5
http://www.ngs.noaa.gov/web/about_ngs/history (verändert)
Abbildung 6
http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Horizontal_Control_Network_of_the_United_States_June_1931.jpg
Abbildung 7
http://celebrating200years.noaa.gov/foundations/spatial/
side1_spatial.html
Abbildung 8
http://en.wikipedia.org/wiki/File:Meades_ranch.png
Abbildung 9
http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:NOAA_Theb1560.jpg
Abbildung 10
http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Datum_Shift_Between_
NAD27_and_NAD83.png
Abbildung 11
http://www.ngs.noaa.gov/CORS/
Abbildung 12
http://celebrating200years.noaa.gov/visions/spatial_ref_system/cors_map.html http://www.epncb.oma.be
18
Abb. 12
oben: National CORS network Referenzstationen, Stand Oktober 2006
unten: EUREF Permanent Network Referenzstationen
Straßenrecht - Eigentum, Eigentumsübergang und Straßenbaulast
Felix Hampel, Vermessungsoberinspektoranwärter
Das Straßenrecht ist der Teil des Rechts, der sich mit dem Bau,
der Unterhaltung und insbesondere auch der Nutzung von Straßen beschäftigt. Es umfasst die Gesamtheit aller Rechtsnormen,
die die Rechtsverhältnisse an öffentlich gewidmeten Straßen,
Wegen und Plätzen beinhalten. Ein Großteil der vermessungstechnischen Arbeiten umfasst die Straßenschlussvermermessungen unter anderem für die einzelnen Straßenbauämter des
Freistaates Thüringen. Diese sind nach dem Anwendungserlass
zur Thüringer Verwaltungskostenordnung für das amtliche Vermessungswesen (ThürVwKostOVerm) Liegenschaftsvermessungen zur Bestimmung von Flurstücksgrenzen aus Anlass des
Neubaus oder von Veränderungen an Straßen, Wegen, Bahnen
oder Gewässern. Daher ist es auch dringend erforderlich, sich
mit dem Rechtsgebiet des Straßenrechts auseinanderzusetzen.
Gesetzliche Grundlagen des Rechtsgebietes bilden unter anderem das Grundgesetz, das Bundesfernstraßengesetz (FStrG), das
Eisenbahnkreuzungsgesetz sowie das Thüringer Straßengesetz
(ThürStrG). Das Hauptaugenmerk des Artikels liegt nun auf dem
Thüringer Straßengesetz.
Das ThürStrG regelt die Rechtsverhältnisse der öffentlichen Straßen (§ 1 ThürStrG). Öffentliche Straßen sind nach § 2 des ThürStrG diejenigen Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen
Verkehr gewidmet sind. Diese werden folgendermaßen eingeteilt:
1. Bundesautobahnen und Bundesstraßen mit den Ortsdurchfahrten; dienen dem weiträumigen Verkehr und bilden ein
zusammenhängendes Verkehrsnetz (nach § 1 FStrG)
2. Landesstraßen bilden innerhalb des Landesgebietes untereinander oder zusammen mit Bundesfernstraßen ein Verkehrsnetz und dienen dem Durchgangsverkehr (nach §3 ThürStrG)
3. Kreisstraßen dienen dem Verkehr zwischen benachbarten
Kreisen und kreisfreien Städten, dem überörtlichen Verkehr
innerhalb eines Kreises oder dem unentbehrlichen Anschluss
von Gemeinden oder räumlich getrennten Ortsteilen an überörtliche Verkehrswege (nach § 3 ThürStrG)
4. Gemeindestraßen dienen dem Verkehr innerhalb des Gemeindegebietes oder dem nachbarlichen Verkehr zwischen
Gemeinden oder dem weiteren Anschluss von Gemeinden
oder räumlich getrennten Ortsteilen (nach § 3 ThürStrG)
5. Sonstige öffentliche Straßen dienen einem auf bestimmte
Benutzungsarten oder bestimmte Benutzungszwecke beschränkten Verkehr (nach § 3 ThürStrG).
Eine Widmung (§ 6 ThürStrG) ist eine Allgemeinverfügung, durch
die Straßen, Wege und Plätze die Eigenschaft einer öffentlichen
Straße bekommen. Dabei werden die öffentlichen Straßen auch
in die verschiedenen Straßenklassen eingestuft und eventuelle
Benutzungsbeschränkungen festgelegt. Voraussetzung für die
Widmung ist, dass der Träger der Straßenbaulast Eigentümer
des der Straße dienenden Grundstücks ist. Des Weiteren gibt es
noch Allgemeinverfügungen wie die Umstufung (§ 7 ThürStrG),
Einziehung (§ 8 ThürStrG) und Teileinziehung (§ 8 ThürStrG), die
die durch Widmung erlangte Rechtswirkung verändern können.
Bei einer Umstufung werden öffentliche Straßen bei Änderung
TKVV Mitteilungsheft Nr. 35
ihrer Verkehrsbedeutung einer anderen entsprechenden Straßengruppe zugeordnet. Eine Einziehung, bei der eine gewidmete Straße die Eigenschaft einer öffentlichen Straße verliert,
kann erfolgen, wenn sie keine Verkehrsbedeutung mehr hat oder
überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen. Außerdem kann die Widmung einer Straße nachträglich auf bestimmte
Benutzungsarten oder Benutzerkreise durch eine Teileinziehung
beschränkt werden.
Nach § 9 des Thüringer Straßengesetzes umfasst die Straßenbaulast alle mit dem Bau und der Unterhaltung der Straßen zusammenhängenden Aufgaben, wie zum Beispiel die Planung,
Herstellung und Finanzierung. Die Straßen sind von den Trägern
der Straßenbaulast nach ihrer Leistungsfähigkeit und unter der
Berücksichtigung der öffentlichen Belange und des Umweltschutzes in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand zu bauen, zu unterhalten, zu erweitern oder
sonst zu verbessern.
Wenn aufgrund mangelnder Leistungsfähigkeit ein nicht verkehrssicherer Zustand nicht sofort behoben werden kann, dann
haben die Straßenbaubehörden auf einen nicht verkehrssicheren Zustand vorbehaltlich anderweitiger Maßnahmen der
Straßenverkehrsbehörden durch Verkehrszeichen darauf hinzuweisen. Wer der Träger der Straßenbaulast ist, ist in den § 1
des FStrG und § 43 des ThürStrG folgendermaßen festgelegt:
• Bund ist Träger der Straßenbaulast für Bundesautobahnen
und Bundesstraßen
• Land ist Träger der Straßenbaulast für Landstraßen
• Landkreise sind Träger der Straßenbaulast für die Kreisstraßen
• Gemeinden sind Träger der Baulast der Gemeindestraßen
• Träger der Straßenbaulast für sonstige öffentliche Straßen
wird in der Widmungsverfügung durch das Landesamt für Bau
und Verkehr bestimmt.
Dabei ist noch zu erwähnen, dass für Bundesautobahnen
und Bundesstraßen der Bund die finanzielle Straßenbaulaust
(GG Art. 104a Abs. 2) und die Länder im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung die externe Straßenbaulast tragen
(GG Art. 90 Abs. 2).
Sonderregelungen, wer Träger der Straßenbaulast ist, gibt es bei
den Ortsdurchfahrten. Diese sind nach § 5 des Thüringer Straßengesetzes die Teile der Landes- oder Kreisstraßen, die innerhalb der geschlossenen Ortslagen liegen und auch zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmt sind. Die Grenzen
der Ortsdurchfahrt setzt bei Landes- und Kreisstraßen die obere
Straßenbaubehörde nach Anhörung der Gemeinde und bei Kreisstraßen auch mit Zustimmung des Trägers der Straßenbaulast
fest.
Träger der Straßenbaulast bei Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen (§ 5 FStrG) ist die Gemeinde, wenn sie mehr als 80.000
Einwohner hat. Falls ihre Einwohnerzahl zwischen 50.000 und
80.000 liegt, dann ist die Gemeinde ebenfalls der Träger, wenn
sie es mit Zustimmung der obersten Kommunalaufsichtsbehörde
19
(Thüringer Innenministerium) gegenüber der obersten Landesstraßenbaubehörde (Thüringer Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Verkehr) verlangt. Ansonsten ist die Gemeinde der
Träger der Straßenbaulast für Gehwege und Parkplätze.
Bei Landes- und Kreisstraßen (§ 43 ThürStrG) ist die Gemeinde
nur ab einer Einwohnerzahl von mehr als 30.000 der Träger der
Straßenbaulast. Hat die Gemeinde eine geringere Einwohnerzahl, dann ist sie für die Gehwege und Parkplätze Träger der Straßenbaulast. Abschließend ist nun noch zu klären, was alles zum
Bestand der öffentlichen Straßen gehört und wie der Eigentumsübergang erfolgen kann.
Öffentliche Straßen bestehen aus dem Straßenkörper, dem
Luftraum über dem Straßenkörper, Zubehör und aus Nebenanlagen, die überwiegend den Aufgaben der Straßenbauverwaltung
dienen (§ 2 Abs. 2 ThürStrG). Zu dem Straßenkörper gehören:
Straßengrund, Straßenunterbau und Straßenoberbau, Brücken,
Tunnel, Durchlässe, Dämme, Gräben, Entwässerungsanlagen,
Böschungen, Stützmauern, Lärmschutzanlagen, Trenn-, Seiten-,
Rand- und Sicherheitsstreifen, Haltestellenbuchten für den Linienverkehr und Rad- und Gehwege. Das Zubehör sind Verkehrszeichen, Verkehrseinrichtungen, Anlagen aller Art, die der Sicherheit oder Leichtigkeit des Straßenverkehrs oder dem Schutz
der Anlieger dienen und die Bepflanzung.
Nach § 13 ThürStrG soll der Träger der Straßenbaulast das Eigentum an den der Straße dienenden Grundstücken erwerben.
Jedoch ist zu beachten, dass auf Antrag des Eigentümers oder
eines sonst zur Nutzung dinglich Berechtigten der Träger der
Straßenbaulast die in Anspruch genommenen Grundstücke oder
dingliche Rechte daran erwerben muss. Der Anspruch des Eigentümers entfällt, wenn dem Träger der Straßenbaulast eine Dienstbarkeit oder ein sonstiges dingliches Recht eingeräumt wurde,
sodass der Bestand der Straße gesichert ist. Der Übergang des
Eigentums kann durch verschiedene Maßnahmen erfolgen, wie
z. B. Kauf, Auflassung und Eintragung in das Grundbuch, durch
Enteignungsverfahren, durch Bodenordnungsverfahren (Unternehmensflurbereinigung) oder bei Grundstücken im Eigentum
von Gebietskörperschaften per Gesetz. Wechselt die Straßenbaulast (§11 ThürStrG) von einer Gebietskörperschaft auf eine
andere, dann gehen das Eigentum des bisherigen Trägers der
Straßenbaulast an der Straße sowie alle Rechte und Pflichten,
die mit der Straße in Zusammenhang stehen, entschädigungslos
auf den neuen Träger der Straßenbaulast über.
Allerdings gilt dies nicht bei Eigentum an Nebenanlagen, bei Eigentum an Leitungen, die der bisherige Träger der Straßenbaulast für Zwecke der öffentlichen Versorgung in die Straße verlegt
hat, bei Rechten und Pflichten aus Gebietsversorgungsverträgen
und auch nicht bei Verbindlichkeiten aus der Durchführung früherer Bau- und Unterhaltungsmaßnahmen. Des Weiteren hat
der neue Träger der Straßenbaulast unverzüglich den Antrag auf
Berichtigung des Grundbuches zu stellen (§ 12 ThürStrG). Dabei
genügt zum Nachweis eine Erklärung, dass das Grundstück dem
neuen Träger der Straßenbaulast gehört. Kosten, die für eine
Vermessung und Abmarkung des übergegangenen Grundstücks
oder Grundstücksteils entstehen, sind vom bisherigen Träger der
Straßenbaulast zu tragen oder zu erstatten.
Quellenangaben
- Thüringer Straßengesetz
§§ 7, 43, 48 und 52, geändert durch Art. 18 des Gesetzes vom
10. März 2005 (GVBl. S. 58)
-Bundesfernstraßengesetz
i. d. F. der Bekanntmachung vom 28. Juni 2007 (BGBl. I S. 1206),
geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 31. Mai 2013
(BGBl. I S. 1388)
- Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichte bereinigte Fassung durch Art. 1 des Gesetzes vom
11. Juli 2012 (BGBl. I S. 1478)
- Schulung für Anwärter
Sonderrechtsgebiete, Vortrag Herr S. Bauschke, Dez. 20.1
Ausschnitt der Straßennetzkarte Thüringen 1:200 000
20
Rückblicke & Ausblicke
Referenzpunkt am Grenzadler der Presse vorgestellt
Am 9. November 2012 wurden der erste Referenzpunkt zur
Überprüfung von GPS-Geräten und ein hierfür erstellter Flyer an
die Ortsteil-Bürgermeisterin von Oberschönau, Claudia Scheerschmidt, übergeben. Bei dieser Gelegenheit führte Stefan Blaufuß vom Landesamt für Vermessung und Geoinformation vor, wie
man seinen GPS-Empfänger am Referenzpunkt Grenzadler überprüfen kann. Der neue Service des TLVermGeo beschränkt sich
natürlich nicht nur auf Wanderer und Radfahrer, sondern ist auch
für Geocacher von Interesse. Schließlich hat sich das »Schatzsuchen« mittlerweile als gängiges Hobby etabliert. Das Projekt
wurde von jungen Ingenieuren im Rahmen der Ausbildung vom
August bis Oktober 2012 konzipiert und durchgeführt. In der
letzten Ausgabe der Mitteilungshefte wurde dieses Projekt bereits vorgestellt.
Luftbildausstellung »Stadt, Land, Fluss ...« im Landratsamt Sömmerda
Am 26. November 2012 eröffneten Landesentwicklungsminister Christian Carius, Landrat Harald Henning und Präsident Uwe
Köhler eine Luftbildausstellung mit Motiven der Luftbildaktion
»Stadt, Land, Fluss…«, über die in der TA Sömmerda ausführlich
berichtet wurde.
Lizenzvereinbarung mit der ThLG
Anfang Dezember 2012 konnten Präsident Uwe Köhler und
Dr. Alexander Schmidtke, Geschäftsführer der Thüringer Landgesellschaft mbH (ThLG), eine Lizenzvereinbarung über die Nutzung von Geobasis- und Geofachdaten sowie die Geodienste des
TLVermGeo in Schloßvippach unterzeichnen.
TKVV Mitteilungsheft Nr. 35
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5. Thüringer SAPOS®-Anwenderforum in Weimar
Nach den bisherigen vier erfolgreichen Vorgängerveranstaltungen fand am 21. März 2013 das 5. SAPOS®-Anwenderforum als
wiederum gemeinschaftliche Tagung des Landesamtes für Vermessung und Geoinformation (TLVermGeo), der Bauhaus-Universität in Weimar als Gastgeber und des DVW-Landesvereins
Thüringen statt. Die erneut große Zahl von fast 70 Teilnehmern
aus den Bereichen der Verwaltung, von ÖbVI und aus Ingenieurbüros zeigte das große Interesse an den neuesten technischen
Entwicklungen an diesem Angebot der Landesvermessungsverwaltungen und der dazu im GNSS-Bereich verfügbaren Technik.
Nach den einleitenden Grußworten von Michael Osterhold in der
Doppelfunktion als zuständigem Abteilungsleiter des TLVermGeo
und Vorsitzenden des DVW Thüringen folgte unter der Moderation von Prof. Dr.-Ing Willfried Schwarz (Bauhaus-Universität) der
erste Fachvortrag von Christian Trautvetter (TLVermGeo) zum »Aktuellen Entwicklungsstand von SAPOS® in Thüringen«. Er zeigte
auf, dass sich das Verfahren auch zukünftig, insbesondere durch
die verstärkte Einbindung der neuen Galileo-Satelliten, weiterentwickeln wird, um den Nutzern einen anwendungsorientierten
und zeitgemäßen Positionierungsdienst zur Verfügung stellen zu
können.
sern des Hörsaalgebäudes ihre Produkte aufgebaut und standen
den Teilnehmern für ihre Fragen Rede und Antwort.
Dies wurde im Vortragsteil noch vertieft durch die Vorstellung
der jeweiligen Produktpalette. Markus Geiß (Fa. Topcon), Torsten Volkland (Geo Systeme für Produkte der Fa. Trimble), Jochen
Engmann (Fa. Josef Attenberger) und Harald Burkhardt (Fa. Leica Geosystems) konnten in ihren Beiträgen eindrucksvoll den
immer noch anhaltenden technischen und technologischen
Fortschritt in der Geräteentwicklung aufzeigen. Insbesondere
die weitere Miniaturisierung der Instrumente verspricht für die
nächsten Jahre noch erhebliches Potenzial.
Im zweiten Vortrag des SAPOS®-Anbieters TLVermGeo griff Wolfgang Oschatz das Thema des Vormittags nochmals auf und zeigte die neuen Entwicklungen des Amtes beim Berechnungsdienst
BaLiBo (Basislinienberechnung Online) sowie die Veränderungen für den Nutzer, die sich durch die Umstellung des bisherigen
Auskunftsverfahrens geofp auf AFIS®, das Amtliche Festpunktinformationssystem, ergeben.
Auch diese Auflage des Anwenderforums war wiederum geprägt
durch die gelungene Mischung aus Vorträgen und Technik-Präsentation. Fünf Fachaussteller hatten in den beiden Treppenhäu-
Die Veranstaltung zeigte deutlich, dass sich in den Bereichen
GNSS und SAPOS® im Laufe von zwei bis drei Jahren so viele
Änderungen und Informationen ansammeln, dass ein Anwenderforum in dieser Form für einen großen Nutzerkreis weiterhin
sinnvoll und notwendig ist. Bei dem nächsten Treffen kann dann
hoffentlich die volle Operationalität des Galileo-Systems bekanntgegeben werden.
www.thueringen.de
www.geoportal-th.de
Ab Anfang April 2013 ist auch das Landesamt für Vermessung
und Geoinformation (TLVermGeo) in die Homepage des Freistaats Thüringen integriert. Man erreicht das TLVermGeo aber immer noch über www.thueringen.de/vermessung. In der Geo-Info
Nr. 3/2013 wurden die wesentlichen Neuerungen/Änderungen/
Funktionalitäten bereits beschrieben.
In diesem Zusammenhang wurde auch die Internetseite des
»Geoportal-Th.de« optisch und funtional auf das Corporate Design umgestellt.
22
Landesweite Bereitstellung von 3D-Gebäudedaten im LoD1
Im Laufe des Jahres 2012 wurde im TLVermGeo ein Verfahren zur
Erfassung und Fortführung von Gebäuden auf der Grundlage von
Daten des Liegenschaftskatasters, des Digitalen Geländemodells, der Digitalen Orthophotos und Laser-Messdaten eingeführt. Mit diesem Verfahren ist es möglich, den Gebäudenachweis im Liegenschaftskataster entsprechend den gesetzlichen
Grundlagen auch ohne Vor-Ort-Messungen fortzuführen und
gleichzeitig ein 3D-Gebäudemodell zu erstellen.
Seit Mai 2012 werden für einen ersten, noch räumlich begrenzten Bereich, die 3D-Gebäudedaten mit Dachformen (»Level of
Detail 2« - LoD2) erfasst. Die Präsentation des Geländemodells
im Landesamt für Vermessung und Geoinformation auf der Medienkonferenz am 27. März 2013 stieß auf großes Interesse.
GNSS-Beobachtungskampagne der Vermessungsverwaltungen
Vom 3.-28. Juni 2013 fand eine länderübergreifende GNSS-Beobachtungskampagne der Vermessungsverwaltungen des
Freistaates Sachsen, des Landes Sachsen-Anhalts und des
Freistaats Thüringen statt. Gegenstand dieser Beobachtungskampagne ist die Einschaltung von zusätzlichen Geodätischen
Grundnetz-Punkten (GGP) in das Geodätische Grund-Netz (GGN).
Für Thüringen wurden 10 neue GGP auf der Grundlage der
GNSS-Feldanweisung aus dem Jahre 2008 beobachtet, nach der
auch das GGN bundesweit beobachtet wurde und für die damaligen 250 GGP hochgenaue Koordinaten erhalten wurden.
Am 27. Juni 2013 fand eine dienstliche Abschlussbesprechung
in Pfiffelbach im dortigen Kultur- und Kongresshotel statt. Neben
der Rückgabe der jeweiligen ausgeliehenen Ausrüstungsgegenstände und Messgeräte untereinander wurden durch PPT-unterstützte Vorträge die Bedeutung und Einordnung dieser länder-
TKVV Mitteilungsheft Nr. 35
übergreifenden Beobachtungskampagne für den bundesweiten,
einheitlichen geodätischen Raumbezug in eindrucksvoller Weise
dargestellt. Ein erster Kurzbericht über eine durch die thüringischen Kollegen durchgeführte Vorauswertung stellte die Qualität
und Vollständigkeit des Beobachtungs- und Datenmaterials dar.
Die etwas umfangreichere rechnerische Auswertung des Datenmaterials werden die Vermessungsverwaltungen Sachsens und
Sachsen-Anhalts mit einer leistungsfähigen Programmlösung
durchführen.
Allen Beteiligten an dieser GNSS-Beobachtungskampagne gilt
es, ein Dankeswort für die erbrachten Leistungen auszusprechen. Die Beobachtungszeiten waren »rund um die Uhr« und
auch durch unterschiedliche Witterungsverhältnisse geprägt und
lassen sich nicht mit einem regulären Büroalltag vergleichen.
23
Der »Tag der Berufe« am 20. März 2013 in Gotha
Wie bereits in den letzten Jahren fand auch dieses Jahr der »Tag
der Berufe« in Thüringen statt. Bereits zum 6. Mal wurde den
Schülern der 7.-9. Klasse die Möglichkeit geboten, sich in verschiedenen Unternehmen und Einrichtungen über Lehrberufe
und Ausbildungsmöglichkeiten zu informieren. Ein Ziel für die
Schüler war dieses Jahr erstmalig der Katasterbereich Gotha.
Nach der Ankündigung im Radio und in der Zeitung war die Resonanz groß und so fanden sich ca. 30 neugierige Schüler und
ca. 15 Eltern am Schloßberg ein. Nach der Begrüßung stellte
der Dezernatsleiter Herr Mesch den Katasterbereich Gotha mit
seinen Aufgaben vor und übergab dann das Wort an Herrn Neukamm, welcher innerhalb seines Vortrags den Beruf des Geomatikers präsentierte.
Anschließend konnten sich die Schüler an verschiedenen Stationen näher über die Aufgabengebiete eines Geomatikers informieren. So wurde ihnen z. B. die historische Entwicklung der
Katasternachweise anhand ausgewählter Unterlagen vorgestellt.
Sie konnten sich einen Überblick über die Vielfalt und Herstellung topographischer Karten verschaffen und sich an der Station
Bodenmanagement über die Möglichkeiten der Bodenordnung
24
und der Wertermittlung informieren sowie im BORIS-TH nach
dem Bodenrichtwert des eigenen Wohngebiets suchen. In einem
Vortrag über Geoproxy und Geodaten wurde den Schülern bewusst, wie oft sie im alltäglichen Leben schon mit den Produkten
der Landesvermessung oder Koordinaten zu tun haben.
Der Deutsche Verein für Vermessungswesen (DVW) präsentierte
sich ebenfalls am eigenen Stand und stellte seine Arbeit und Aufgaben anschaulich dar. Den Schülern wurde gezeigt, wie sie sich
im Internet über den Beruf des Geomatikers informieren können.
Bei bestem verschneitem Außendienstwetter konnten die Teilnehmer einen realistischen Eindruck über bevorstehende außendiensttechnische Aufgaben erlangen und die Instrumente
und Feldrechner im Einsatz erleben. Bei dem Gang durch das
Verwaltungsgebäude konnten die Schüler außerdem selbstständig eine kleine Wertermittlung durchführen.
Das Interesse der Schüler wuchs von Station zu Station und so
wurde aus vorgesehenen 1,5 Stunden schnell ein 3-stündiger
Rundgang. Am Ende konnten sich einige durchaus vorstellen,
diesen vielseitigen Beruf zu erlernen.
Pressespiegel
TKVV Mitteilungsheft Nr. 35
25
Ausbildungs-Abschluss der Vermessungstechniker
Nach der 3-jährigen Ausbildung wurden im TLVermGeo, KB Gotha, die ehemaligen Azubis verabschiedet. Im Rahmen der feierlichen Zeugnisübergabe richtete
Ulrich Püß als Vertreter des Thüringer Ministeriums für Bau, Landesentwicklung
und Verkehr das Wort an die neuen Vermessungstechniker/innen. Er umriss kurz
die Notwendigkeit des Neuordnungsprozesses der klassischen Ausbildungsberufe Vermessungstechniker/in und Kartograph/in hin zu den Ausbildungsberufen in der Geoinformationstechnologie. Außerdem stellte er die Verbindung der
Arbeit des Ministeriums mit der Berufsausbildung dar.
Wolfgang Barthel (Bund der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure),
Heinrich Rotthaus (TLVermGeo) und Klassenlehrer Liese (Berufsschule) hoben
in ihren Ansprachen hervor, dass mit dem Abschluss der Berufsausbildung das
Lernen nicht aufhöre. Der Wandel im Vermessungswesen könne nur gelingen,
wenn wissenshungrige junge Menschen ihn engagiert begleiten.
Ausbildungsleiter Hans-Peter Rudolph (re.) gratuliert den vier Vermessungstechnikern des TLVermGeo Larissa Deubner (KB GTH), Steven Fleischhauer
(KB SLF), Christin Heimlich (KB GTH) und Ralf Lieball (KB EF) (v.l.n.r.) zur bestandenen Ausbildung.
Bodenrichtwerte zum Stichtag 31.12.2012
Im Bodenrichtwert-Informationssystem Thüringen (BORISTH) können nun auch die Bodenrichtwerte zum Stichtag
31.12.2012 abgerufen werden. Der Zugang zu BORIS-TH erfolgt im Internet unter www.bodenrichtwerte-th.de. Über die
Suchfunktionen »Gemeinde > Straße > Hausnummer« sowie
»Gemarkung > Flur > Flurstück« können sich Käufer und Verkäufer
mühelos über die lokalen Bodenrichtwerte für Baugrundstücke
und landwirtschaftliche Flächen informieren.
Als erstes Bundesland stellt der Freistaat Thüringen bereits seit
dem Bodenrichtwert-Stichtag 31.12.2008 die Informationen zu
Bodenrichtwerten flächendeckend, online und kostenfrei zur
Verfügung.
26
Nachlass eines Vermessers
Wolfgang Conrad, Bereich Öffentlichkeitsarbeit
»Mein Stiefvater Eberhard Billich hat Ende der 40er, Anfang der
50er Jahre in Schleusingen Vermessungsingenieur studiert. In
seinem Nachlass befinden sich aus der Zeit Bücher, Bilder, persönliche Aufzeichnungen darüber. Besteht Ihrerseits grundsätzlich Interesse? MfG Holitsch«
Diese E-Mail erhielten wir im April 2013 aus Bergisch-Gladbach.
Per E-Mail vereinbarten Herr Holitsch und ich, dass das TLVermGeo
den Nachlass übernimmt. Wie aber aus Bergisch-Gladbach die
zwei Umzugskartons voller Dokumente nach Erfurt bringen? Herr
Holitsch kam nicht in Betracht, eine Dienstfahrt ebenso nicht.
Also übernahm Maximilian Krech, Vermesser und bei der Bundeswehr in Euskirchen tätig, freundlicherweise den Transport
am Wochenende von Bergisch-Gladbach nach Thüringen. Vater
Krech nahm die Sachen bei der nächsten Dienstfahrt mit nach
Erfurt. Herzlichen Dank an beide.
Auf den folgenden Seiten werden einige Stücke aus der Sammlung von mehr als 20 persönlichen Aufzeichnungen vorgestellt.
Die persönlichen Dokumente sind Zeitgeschichte, zeigen das Leben vier Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg. Betrachtet man z. B.
TKVV Mitteilungsheft Nr. 35
die Verwendung alter Formulare aus der Zeit nach dem Ersten
Weltkrieg(!), so kann man die Situation heute kaum noch nachvollziehen.
Gleichfalls ein herzliches Dankeschön an den ehemaligen Kollegen Heinz Löffelholz, der ab 1953 beim Vermessungsdienst Thüringen, danach im VEB Topographischer Dienst Erfurt (später VEB
Geodäsie und Kartographie Erfurt) und bis zum Renteneintritt
1993 beim Katasteramt in Worbis tätig war. Als Student nahm er
an dieser Ingenieur-Ausbildung in Schleusingen teil und konnte
die Namen den Fotos zuordnen. An dieser Stelle alles Gute, vor
allem Gesundheit!
Lassen wir nun die Fotos und Dokumente sprechen über den
Zeitraum 1948-1951, in dem das Geodäsiestudium in Schleusingen stattfand, bevor die Ingenieurschule nach Dresden verlagert wurde und den Namen »Ingenieurschule für Geodäsie und
Kartographie (IGK)« erhielt. Wer kennt noch die Instrumente und
wer kann sich aus heutiger Zeit ein Schmunzeln verkneifen beim
Anblick der Außendienstbekleidung einschl. Schuhwerk? Es hat
sich viel verändert.
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33
Im Jahr 1997 fand anlässlich des 100-jährigen Gründungsjubiläums der Ingenieurschule Schleusingen ein Treffen der ehemaligen Absolventen statt. 1897 wurde die »Wiesenbauschule«
gegründet, danach in »Staatliche Ingenieurschule für Wasserwirtschaft, Kulturtechnik und Vermessungswesen« und anschließend in »Ingenieurschule für Straßenbau« umbenannt. Das Foto
zeigt die ehemaligen Studenten vor dem Schleusinger Schloss:
hintere Reihe (v.l.n.r.)
W. Frei, R. Mitschke, G. Herold, D. Springsguth, G. Landmann,
H. Eckstein, H. Erler, H. Löffelholz, B. Twardy
vordere Reihe (v.l.n.r.)
K. Kille, H. Zippel, G. Heise, R. Bernhardt, H. Kaltwasser, G. Sonntag
Ernennungen in das Beamtenverhältnis auf Widerruf
Mit Wirkung vom 1. Juli 2013 wurden Kathleen Mesch, Patrick
Wagner und René Heuer (v.l.n.r.) vom Präsidenten des
TLVermGeo, Uwe Köhler, unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum/zur Vermessungsoberinspektoranwärter/in
ernannt. Wir wünschen ihnen für die Ausbildung alles Gute.
34
Nachgefragt
Guten Tag Herr Stübner. Ihr Katasterbereich
Zeulenroda-Triebes hat zusammen mit dem
KB Pößneck die Migration nach
ALKIS® begonnen und mittlerweile den kompletten Amtsbezirk
umgestellt. Worin bestand der
Vorteil oder Nachteil, das neue
Liegenschaftskataster-Informationssystem ALKIS® als erstes zu
nutzen?
In beiden Katasterbereichen waren die vorbereitenden Maßnahmen weit vorangekommen, sodass nach einer Testphase ab März
dieses Jahres mit der Datenmigration begonnen werden konnte. Es war für uns eine der größten Herausforderungen. Bis zur
erfolgreichen Datenumstellung war ein langer Weg beschritten
worden, wenn man bedenkt, was alles in den zurückliegenden
Jahren von der ALK-Erstellung bis zur Schaffung der einzelnen
Migrationsvoraussetzungen durch die Mitarbeiter zu bewältigen
war. Deshalb ist ALKIS® weit mehr als lediglich die Einführung
eines neuen Schnittstellenformats. Es ist ein echter Paradigmenwechsel zu einheitlichen Geobasisdaten auf der Grundlage des
AAA-Datenmodells, verbunden mit einer umfassenden Änderung
unserer bisherigen Vorgehens- und Arbeitsweise. Bei der Frage,
ob es ein Vorteil oder Nachteil war, frühzeitig mit der Migration
nach ALKIS® zu beginnen, möchte ich besonders die Vorteile
hervorheben. Mit Start des Parallelbetriebes als Teststellung der
Komponenten für den Übergang nach ALKIS® konnten wir zahlreiche Erfahrungen sammeln und teilweise mit Hinweisen zur
Verbesserung der ALKIS®-Produkte beitragen. Besonders möchte ich hierbei die gute Zusammenarbeit zwischen den Katasterbereichen, Dezernat 20.2 und dem Team der Systementwickler
vom Dezernat 35 hervorheben.
Welche technischen und personellen Voraussetzungen sind notwendig, ALKIS® als »das« Geoinformationssystem zu nutzen? Es
bestehen ja nicht nur Forderungen seitens der einheitlichen Datenhaltung, sondern der Nutzer hat gewiss seine Vorstellungen
zu Qualität und Flexibilität der Liegenschaftsdaten.
Als Voraussetzung für die Einführung von ALKIS® war aus meiner
Sicht wichtig, dass man in unserer Verwaltung nicht auf schnelle Lösungen, sondern auf Erfahrungen und Erprobungen setzte.
Man brauchte Zeit, um die Systeme fortzuentwickeln. Denn erst
ab dem Zeitpunkt, wo die Software- und Verfahrenstests einen
gewissen Reifegrad erreicht hatten, war es sinnvoll, die Mitarbeiter für die neuen Arbeitsprozesse und Softwareprodukte durch
Schulungen zu qualifizieren. Natürlich muss die Kommunikation
auch in Richtung eines Nutzers gehen, der unsere Geobasisdaten für seine Belange benötigt. Er muss über Verfahrensstände,
Probleme sowie deren Lösung informiert und letztlich in die Lage
versetzt werden, mit unseren ALKIS®-Daten selbstständig und in
der entsprechenden Qualität arbeiten zu können.
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Der Mitarbeiter in der Auskunft eines Katasterbereiches muss
sicherlich Multitalent sein, denn der Bürger mit Grundeigentum
kennt eigentlich nur den Begriff »Katasterauszug«. Gibt es viel
Klärungsbedarf, die neuen Möglichkeiten von ALKIS® dem Bürger anzubieten? Oder gibt es genügend Nutzer aus Wirtschaft
und Verwaltung, welche das Potenzial der Datenvielfalt kennen?
Der Mitarbeiter in der Auskunft ist auch »Aushängeschild« einer
Behörde und muss deshalb fachlich sehr breit aufgestellt sein,
um die vielfältigen Anliegen und Kundenwünsche erfüllen zu
können. Seit der ALKIS®-Einführung verzeichnen wir besonders
aus dem Bereich der kleinen Ingenieurbüros einen erhöhten
Beratungsbedarf. Für den Nutzer ist es aber zweitrangig, woher
die benötigten Daten kommen bzw. welche Verfahrenslösungen
dahinter stehen. Mit Beginn der Migration stand uns das Nachfolgesystem ONLIKA 2.0 als Auskunfts- und Präsentationskomponente zur Verfügung. Das neue System für die Erstellung der
amtlichen Auszüge aus dem Liegenschaftskataster und zur Bereitstellung der ALKIS®-Standardprodukte ermöglichte uns die
entsprechende Produkterzeugung und -aufbereitung. Probleme treten dabei in der Abgabe von digitalen Auszügen auf, weil
ausschließlich die Datenbereitstellung in der »Normbasierten
Austauschschnittstelle« (NAS) als XML-Datei erfolgt. Die meisten Nutzer sind im Augenblick nicht in der Lage, die Daten im
NAS-Format entsprechend zu bearbeiten, was zu verständlichem
Unmut führt. Konverterlösungen zur Umsetzung der Daten in ein
anderes Format sind mit Zusatzkosten und einem Datenverlust
für den Nutzer verbunden. Dies sollte zum Anlass genommen
werden, sich über weitere standardisierte Datenabgabeformate
Gedanken zu machen.
Die Begriffe ALK und ALB wird es noch eine Weile geben. ALKIS®
verbindet beides. Aber es gibt noch das ATKIS®, aus dem bestimmte Daten bereits während der Migration genutzt wurden,
z. B. Klassifikationen. Sollen im Zuge der Nachmigration die
Gebäudefunktionen und Eigennamen öffentlicher Gebäude aus
ATKIS® übernommen werden?
Im Katasterbereich Zeulenroda-Triebes wurde bereits nach Abschluss der Migration im ersten Grundbuchamtsbezirk mit Arbeiten der Nachmigration begonnen. Zur Zeit erstrecken sich
die Arbeiten weitgehend auf die Beseitigung von doppelten
Punkt-REO´s (raumbezogene Elementarobjekte). Die Übernahme
der Gebäudefunktion und der Eigennamen öffentlicher Gebäude
sowie die aus ATKIS® abgeleiteten Klassifizierungen nach Straßen- und Wasserrecht und Flächen für z. B. Denkmalschutz, Bau-,
Raum- und Bodenordnungsrecht befinden sich noch in einer
Testphase.
Herzlichen Dank für das Gespräch und persönlich alles Gute.
Das Gespräch führte Wolfgang Conrad.
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Rezension
Geographica und Cartographica aus dem Hause Bertuch
Zur Ökonomisierung des Naturwissens um 1800
Wie gelingt es Bertuch, seine Produkte bekannt zu machen? Wie bringt er
sie auf den Markt? Zum einen durch
Artikel und Rezensionen in Fachzeitschriften, wie z. B. den 30 Jahre
im eigenen Verlag herausgegebenen »Allgemeinen Geographischen
Ephermeriden«. Ausführlich widmet
sich A. Christoph den ökonomischen
Fragen und informiert über Vorabverkauf wie z. B. Subskription und
Pränumeration
(Vorauszahlungen)
und weitere Vertriebsmethoden. So
umfasste der erste »Sortiments-Catalog des Geographischen Instituts zu
Weimar« (1806) fast 180 Seiten. Die
Breite der Produktpalette ist heute
noch erstaunlich.
Friedrich Justin Bertuch (1747-1822)
und sein Verlag stehen im Mittelpunkt der Dissertation von Andreas
Christoph, die 2012 beim Fink Verlag
München veröffentlicht wurde.
Friedrich Justin Bertuch war eine
ungewöhnliche, kaufmännisch, verlegerisch und wissenschaftlich gleichermaßen begabte Persönlichkeit.
1791 gründete er das Landes-Industrie-Comptoir in Weimar. Er verlegte
mehrere Zeitschriften, z. B. die »Allgemeine Literaturzeitschrift«, den
»Teutschen Merkur« und das »Journal
des Luxus und der Moden«. Nach 22
Jahren im Staatsdienst von Herzog
Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach quittierte er diesen 1795,
nachdem sich sein Comptoir etabliert
hatte.
1804 gliederte F. J. Bertuch das Geographische Institut aus dem Comptoir
heraus, denn er bot dem aufgeklärten
Publikum sehr hochwertige geographische und kartographische Erzeugnisse und vertrieb deutschlandweit seine Produkte, z. B. Globen. Zudem expandierte die
Firma: Ab 1800 begann Bertuchs kaufmännisch-technische
Unternehmung in Weimar den deutschsprachigen kartographischen Wissensmarkt zu dominieren. Hinsichtlich der Vielfalt und
der Auflagenzahlen sollte er in den folgenden zwei Jahrzehnten
Maßstäbe setzen. (S. 47)
Wir befinden uns im Zeitalter der Aufklärung. 1784 formuliert Immanuel Kant den Leitspruch dieser Epoche: »Aufklärung ist der
Ausgang der Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.« In dieser Zeit entsteht ein gebildetes Lesepublikum,
welches großes Interesse an Themen aus Geographie und Kartographie zeigt. Die Kupferstiche, die in F. J. Bertuchs Unternehmen
angefertigt werden, genügen den höchsten Ansprüchen.
A. Christoph untersucht die Erfolgsgeschichte Bertuch unter folgender Fragestellung (Seite 20):
Aus dem Kontext des Wissensverständnisses der Zeit um 1800
ergibt […] sich die Fragestellung, auf welche Weise der Geschäftsmann und Unternehmer Bertuch die Ökonomisierung des
kartographischen Weltbildes betrieb. Es ist zu klären, inwiefern
er zu einer wissenschaftlichen Etablierung der Kartographie über
ihre Endprodukte Karten, Atlanten und Globen beitragen konnte.
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Beschließen wir, wie wir begonnen,
mit Lebensstationen dieser außergewöhnlichen Persönlichkeit: Mit vier
Jahren wird F. J. Bertuch Halbwaise,
zehn Jahre später hat er Mutter und
Stiefvater verloren. Er besucht in Weimar das Gymnasium und studiert in
Jena zunächst Theologie, wechselt dann zur Rechtswissenschaft.
Er wird Hauslehrer im Altenburger Land bei Freiherr von Echt und
übersetzt dort den Don Quichote von Miguel de Cervantes Saavedra. Seine sechsbändige Ausgabe prägt die Cervates-Rezeption in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts. Schon dieses
Beispiel macht deutlich, dass Friedrich Justin Bertuch ein ungewöhnlich begabter junger Mann gewesen sein muss, der den
Schicksalsschlägen, die er schon als Kind hinnehmen musste,
große Tatkraft entgegensetzte. Kein Wunder, dass es bis heute
spannend ist, sich mit seinem Lebenswerk auseinander zu setzten.
Die Dissertation von Andreas Christoph wird für die Bibliothek
des TLVermGeo neu angeschafft.
Anke Timmermann
Gefunden & erfunden
Wer kennt ihn nicht, den ehemaligen Katasteramtsleiter von
Neuhaus/Rw, Ulrich Rüger. Nachdem er in den verdienten Vorruhestand ging, nahmen er und seine Frau über ein halbes Jahr
eine Auszeit in Neeseeland. Von dort(!) schickte Uli Rüger eine
Mail mit diesem Bild. Wir bedanken uns recht herzlich dafür und
wünschen ihm und seiner Frau weiterhin viel Gesundheit und
interessante Touren durch die Welt. Es muss ja nicht immer der
Rennsteig sein, oder?
Und noch eines: Die Redaktion ist auch weiterhin an Fotos mit
dem »Dienstbeutel« interessiert. Also bleiben Sie dran!
Und auch andere TKVV-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter scheuen keine Mühen und Kosten, sich an der Aktion zu beteiligen.
Herzlichen Dank für diese Fotos, zeigen sie doch den »Urknall
der modernen Erdvermessung« in Nord-Süd-Richtung.
Obwohl: Hier beginnt die Berechnung nach Ost und West.
Außenanlage des »Royal Observatory Greenwich« am 05.04.2013
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Redaktionsmitglied Wolfgang Conrad verabschiedet sich mit dieser Ausgabe in
den verdienten Ruhestand. Wir wünschen
ihm für die Zukunft alles Gute.
TKVV Mitteilungsheft Nr. 35
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www.thueringen.de/tmblv
www.thueringen.de/vermessung
Herausgeber
Thüringer Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Verkehr (TMBLV)
Abteilung Strategische Landesentwicklung, Kataster- und Vermessungswesen
Druck
Landesamt für Vermessung und Geoinformation (TLVermGeo), Erfurt
Redaktionsschluss 15. Juli 2013
Für den Inhalt namentlich gekennzeichneter Beiträge übernimmt die Redaktion keine Verantwortung.
Das Mitteilungsheft ist für die Beschäftigten der TKVV bestimmt.
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