28-Januar-2004 © 2004 Dr. Stephan Gromer. Heidelberg Alle Rechte vorbehalten Grundzüge des Immunsystems © 2005 S. Gromer 1 28-Januar-2004 © 2004 Dr. Stephan Gromer. Heidelberg Alle Rechte vorbehalten Das Immunsystem Die Integrität des Körpers wird von Innen und Außen bedroht: Pathogene aller Art – Bakterien, Viren, Pilze und Parasiten – müssen am Eindringen und Einnistung im Körper ebenso effektiv gehindert werden wie neoplastisch veränderte ehemals körpereigene Zellen. Angeborene (unspezifische) Immunität: Die angeborene Immunität beruht auf unspezifischen Abwehrmechanismen, die sofort oder innerhalb einiger Stunden nach Erscheinen eines Antigens im Körpers wirken. Sie unterscheidet nicht zwischen den PathogenenDazu gehören • Mechanische Barrieren wie Haut und Schleimhäute • Säureschutzmantel der Haut, Magensäure und Verdauungsenzyme Schleim der Schleimhäute • Bakterizide Eigenschaften von Körperflüssigkeiten (z.B. Lysozym in der Tränenflüssigkeit, oder SCN- im Speichel) • Granulozyten und Makrophagen • Komplementsystem • Die überwiegend antiviralen Interferone etc. ... Erworbene Immunität: Die erworbene Immunität beruht auf der antigen-spezifischen Immunantwort und ist weit komplexer wie die angeborene. Das Antigen muss zunächst lokalisiert und erkannt werden. Daraufhin wird eine Armada von Immunzellen produziert, die spezifisch das Antigen bekämpfen können. Als Folge entsteht ebenfalls ein immunologisches Gedächtnis, das künftige Immunantworten gegen das Antigen effizienter macht. An alledem sind beteiligt: • B- und T-Lymphozyten • Antikörper • Die Immunorgane und das Lymphsystem • Natürliche Killerzellen (NK-Zellen) • Antigenpräsentierende Zellen (APC, z.B. Makrophagen, dendrische Zellen, follikuläre dentritische Zellen, B-Zellen...) • ... © 2005 S. Gromer Eosinophile: Abwehr parasitärer Erkrankungen Basophile: ähnlich wie Mastzellen. Besitzen IgE-Fc-Rezeptor Neutrophile: Wichtig für die Phagozytose extrazellulärer Pathogene. Um zu sehen wie ein Neutrophiler Bakterien jagt siehe: http://expmed.bwh.harvard.edu/projects/motility/neutrophil.html Makrophagen bilden sich im Gewebe aus den im Blut zirkulierenden Monozyten. Sie räumen auf, was bei der Abwehrschlacht zwischen Granulozyten und Erregern noch übrig geblieben ist (und zeigen das zT. als antigenpräsentierende Zelle (APC) den T-Lymphozyten). Zu den Antigenpräsentierenden Zellen gehören z.B. und i.B. auch die dendritischen Zellen, die im Gewebe sitzen und nach Antigenaufnahme in die Lymphorgane (i.B. Lymphknoten) abwandern. Natürliche Killerzellen: Stehen zwischen angeborener und erworbener Immunität. Sie können z.B. Zellen erkennen, die kein MHC(=Major Histocompatibility-Complex, beim Mensch auch HLA (=humanes Leukozytenantigen)-System genannt)-exprimieren (manche virusinfizierte Zellen und Tumorzellen) und abtöten. Komplementsystem: Komplementiert die Immunglobuline (IgG und M), indem sie an diese binden, wenn diese (IgG oder IgM) an Zellen fest gebunden haben, und bilden dann einen Membranangriffskomplex, der die Zelle lysiert. Es kann auch durch bestimmte Bakterienstrukturen direkt aktiviert werden. Weitere Infos: http://bcs.whfreeman.com/immunology5e/ und http://www.cst.cmich.edu/users/alm1ew/MMLectSched.html Dringend zu empfehlen: Janeway, C.A. und Travers P. Immunologie, Spektrum der Wissenschaften Verlag (oder englische Originalausgabe) 2 28-Januar-2004 © 2004 Dr. Stephan Gromer. Heidelberg Ein paar Grundbegriffe pito ung Ep nd i B E B pit in o du png Alle Rechte vorbehalten r n pe li ör bu tik glo An un m Im = Antigene Determinante = Epitop FC Antigen Fab leichte Kette oder Fab Schwere Kette µ, , , , oder Es gibt Antigenmoleküle, die zwar an Antikörper binden können, jedoch selbst nicht in der Lage wären, die Immunantwort hervorzurufen, die die gegen sie gerichteten Antikörper hervorbringt nennt man Haptene Carrierprotein Carrierprotein Ist die Immunreaktion unter Antikörperbildung gegen das carrierproteingebundene Haptene erst einmal erfolgt, binden die Antikörper das Haptenmolekül auch ohne dessen Bindung an die zur Auslösung der Immunantwort nötigen Trägerproteine. Hapten-Carrierproteinkomplex = Vollimmunogen © 2005 S. Gromer Ein Antigen kann vieles sein: Ein Virus, ein Bakterium, ein Pilz, ein Protein ein einfaches Molekül – es muss nur an einen Antikörper binden können. Ein Antikörper wiederum ist ein Immunglobulin, das von Plasmazellen (die aus B-Lymphozyten entstehen) gegen ein Antigen spezifisch produziert wird. Antikörper bestehen aus 4 Proteinketten: 2 identische leichten Ketten (entweder Typ oder ) und zwei schweren Ketten (je nach Immunglobulinklasse vom Typ µ, , , , Merkspruch MADE (in) G(ermany)). Sie besitzen zwei hochvariable Antigenbindungsstellen (Fab) und ein konserviertes, constantes FCTeil Der Teil eines Antigens, der tatsächlich am Fab-bindet, ist das Epitop, auch antigene Determinate genannt. Viele Antigene (insbesondere Nichtproteine) können per se keine antikörperproduzierende Immunantwort auslösen (sog. Haptene). Erst durch Bindung an ein Protein ist dann der Komplex vollimmunogen. Wenn Antikörper Antigene (Schlüssel-Schloss-Prinzip, mit etwas induced fit) binden, so kann es je nach Verhältnis von Antigen zu Antikörper (aufgrund der 2 Fab-Teile pro Immunglobulinmonomer) zu einer Quervernetzung kommen. Ab einer gewissen Größe sind diese Komplexe nicht mehr löslich, sie fallen aus. Diese hat klinisch aber auch diagnostisch Bedeutung (erstmals genauer Untersucht durch Herrn Heidelberger und Mitarbeiter) Präzipitation: Bildung unlöslicher Immunkomplexe mit molekularen Antigenen. Verwendung insbesondere bei Immundiffusionstechniken Agglutination: Bildung unlöslicher Immunkomplexe mit partikulären Antigenen. Verwendung z.B. bei Blutgruppenbestimmung Zu Anwendungen siehe: http://www.uoguelph.ca/mbnet/323IMMUN/C2_AGAB/AGAB.HTM Über Michael Heidelberger: http://stills.nap.edu/html/biomems/mheidelberger.html 3 28-Januar-2004 © 2004 Dr. Stephan Gromer. Heidelberg Alle Rechte vorbehalten MHC II Die humorale Immunantwort Lokale Gewebsschädigung und Eindringen von Mikroorganismen 1 Unspezifische Entzündungsreaktion 2 Chemotaktische Invasion von Granulozyten und später Makrophagen Unstimulierte B-Lymphozyten endozytieren Antigene sofern diese von ihren membranständigen Antikörpern erkannt werden YBY- Lym phozyt Y Y Y Lymph o-zyt B- Y Lymph o-zyt Y Y B7 CD4 AG T TH CD3 C R TC R CD28 ak t iv ie CD3 T rte T TH CD3 C R B- Lymph o-zyt + T TH CD3 C R | S S | 2 IL1 T TH CD3 C R CD4 H IL2 Plasm azelle | S S | 1 Endocytose & Phagozytose von Antigenen durch Phagozyten Y B- Y Y MHC 2 | S S | YYY Y YYY Y Y TH CD3 TCR CD28 AG MHC 2 APC B7 © 2005 S. Gromer Eine Gewebsschädigung führt zum Zelluntergang. Die dabei freiwerdenen Intrazellularinhalte wirken auf die Umgebung unter anderem vasodilatierend und permeabilitätssteigernd. Zudem werden die Endothelzellen aktiviert Oberflächenstrukturen zu exprimieren die Leukozyten einwandern lassen. Durch die vermehrte Durchblutung kommt es zur Rötung (Rubor) und (auch durch die Aktivität der Abwehrzellen) zur Überwärmung (Calor). Durch die gesteigerte Permeabilität kommt es zum Flüssigkeitseinstrom, der durch die Einwanderung der Entzündungszellen (und deren osmotisch wirksamen Abbau von Stoffen) noch gesteigert wird, zum anschwellen (Tumor). Die Gewebsspannung aber auch lokale Mediatoren (Eikosanoide z.B.) kommt es zur Schmerzwahrnehmung (i.B. bei Druck): Dolor Die Makrophagen zeigen auf ihren MHC-II Molekülen schließlich ihre Antigenbeute den T-Helfer-Zellen. Erkennt eine TH-Zelle mit ihrem T-Zellrezeptor das dort gebundene Antigen und mit ihrem CD4 das MHC II, und erhält sie zudem über B7 (APC) und CD28 (APC) ein Cosignal, so wird sie aktiviert. Dies wird durch Interleukin-1 (IL-1) des Makrophagen noch gesteigert. Die TH-Zelle produziert nun IL-2 und IL-2-Rezeptoren. IL-2 regt sie nun selbst zur Teilung und damit klonalen Expansion an. Trifft die aktivierte TH-Zelle nun auf eine B-Zelle, die ein Antigen über ihr membranständiges IgM zunächst gebunden und dann internalisiert hat und es jetzt über MHC-II der TH-Zelle anbietet, so wird sie diese (passenden T-Zell-Rezeptor vorausgesetzt) aktivieren und durch Interleukine ebenfalls zur klonalen Expansion anregen. Diese B-Zellen differenzieren nun in Plasmazellen und z.T. Gedächtniszellen. Phagozytose : http://www.sp.uconn.edu/~terry/Common/phago053.html MHC II : http://www-ermm.cbcu.cam.ac.uk/smc/swf002smc.htm 4 28-Januar-2004 © 2004 Dr. Stephan Gromer. Heidelberg Alle Rechte vorbehalten YYY Y YYY Y Y C1 IgG: 4 Subtyten, Mit Abstand höchste Plasmaonzentration (~15 g/l), längste Halbwertszeit (~23 d), Plazentagängig, kann wie IgM über Fc-Anteil Komplement aktivieren. Antigenopsonierung für Phagozyten. VDJ IgA: J C 2b C 2a C C Zu Beginn der humoralen Reaktion gegen ein neues Antigen wird zunächst C IgM - welches als Monomer (mit angehängter Transmembrandomäne) auch 3 membranständig auf den B-Lymphozyten zu finden ist – produziert. Im Laufe der C Immunreaktion erfolgt jedoch ein Wechsel der Immunglobulinklasse so dass nun verschiedene Immunglobulinklassen mit gleicher Spezifität gebildet werden. Cµ Dieses Class-Switching beruht auf einer DNA-Rekombination. VD J Plasm azelle C Verbunden über sekretorische Komponente (J) nach Transport auf auf (Darm- und Bronchial-) Schleimhäute, Speichel, Tränen, Schweiß, Muttermilch, zweithöchste Plasmakonzentration, IgE: Erhöht bei allergischen und parasitären Erkrankungen. Bindet an FcRezeptor der Mastzellen. Parasitenopsonierung für Eosinophile IgD: Funktion unklar, Membranständig auf reifen B-Zellen IgM: In der 1. Phase der Immunreaktion erhöht. Kann über FcAnteil Komplement aktivieren. Antigenopsonierung für Phagozyten. Weitgehend nur im Blut wirksam. © 2005 S. Gromer Allgemein haben die von Plasmazellen produzierten Y-Immunglobulinmonomere ein Molekulargewicht von ca. 150.000 Da (=150 kDa). Alle Immunglobulinklassen haben zahlreiche Glykosylierungen und Disulfidbrücken (diese SS-Brücken halten z.T. leichte und schwere Ketten zusammen). Die Fab-Fragmente lassen sich vom FC-Fragment durch die Protease Papain trennen. Alle Immunglobulinklassen können Antigene blockieren und damit ihre biologische Funktion evtl. stoppen. Darüber hinaus dient das Fc-Fragment als Andockpunkt für Phagozytosezellen. Sie empfinden Antigene mit gebundenen Antikörpern besonders „schmackhaft“, sie wurden also opsoniert. Nur IgM und IgG können Komplement aktivieren. IgA hätte auch nicht viel davon, da es dieses System am IgA-Wirkort – den Schleimhäuten oder in der Muttermilch – nicht gibt. Nur IgG ist plazentagängig. Nachdem auf ein neues Antigen zunächst IgM gebildet wird folgt bald auch IgG, das auch länger im Plasma bleibt und bei neuerlichem Kontakt auch sofort ansteigt. Die therapeutische Immunisierung – eine der größten Erfolgsstories der Medizin - kann aktiv und passiv erfolgen: Aktive Immunisierung: Applikation eines Antigens (z.B. abgeschwächtes Virus oder Bakterium, inaktiviertes Toxin etc.). Das Immunsystem des Körpers muss hierauf aktiv reagieren und ist dann bei Kontakt mit dem „echten“ Pathogen meist auf Dauer geschützt. Benötigt Zeit und ein intaktes Immunsystem! (z.B. Polio, Mumps, Masern, Röteln) Passive Immunisierung: Applikation von Antikörpern. Diese können dann ein Antigen binden. Wirkeintritt praktisch sofort, aber nur kurzzeitiger Schutz. Einsatz z.B. bei defektem Immunsystem oder insbesondere bei einer frischen Infektion mit einem Pathogen gegen den eine aktive Immunisierung zu langsam erfolgen wäre (z.B. Diphtherie) 5 28-Januar-2004 © 2004 Dr. Stephan Gromer. Heidelberg Alle Rechte vorbehalten Die zelluläre Immunantwort Die humorale Immunantwort vermittelt über MHC II dient vor allem der Bekämpfung extrazellulärer Krankheitserreger. Insbesondere Viren, intrazelluläre Parasiten aber auch Tumorzellen entgehen dieser Abwehr in großem Umfang. Doch es gibt Abhilfe, diesmal über MHC I: TC TC CD8 Virusinfiziert MHC 1 Ag + CD3 TCR CD28 aktivierte CD3 TC IL CD8 CD3 CD3 TC CD3 TC TC CD3 TCR CD28 IL2 Ag MHC 1 APC B7 © 2005 S. Gromer MHC I findet sich auf allen kernhaltigen Zellen sowie auf Thrombozyten. Daher haben Erythrozyten haben also weder MHC I (kein Kern) noch II (da sie keine APC sind)). 2-Mikroglobulin ist invariant. Beachte das MHC I (beim Mensch HLA A, B und C) nur 1 Transmembrandomäne, MHC 2 jedoch 2 Transmembrandomänen hat. Die APC muss der cytotoxischen TC-Zelle, die mittels CD8 erkennt, das sie ein MHC 1 vor ihrem T-Zellrezeptor hat ein zweites Signal zur Stimulation geben. Dies geschieht durch die Interaktion B7 (APC) und CD28 (TC-Zelle). Fehlt dieses Cosignal (z.B. bei Kontakt einer unstimulierten TC-Zelle mit einer Körperzelle), so wird die TC-Zelle in Anergie geschickt. Ist die TCZelle hingegen zuvor durch eine APC aktiviert worden, so wird sie die Körperzelle zerstören. 1 2 3 | S S | | S S | 2 -Mikroglobulin | S S | Zu MHC I siehe auch: http://www-ermm.cbcu.cam.ac.uk/smc/swf001smc.htm 6 28-Januar-2004 © 2004 Dr. Stephan Gromer. Heidelberg Alle Rechte vorbehalten Immuntoleranz und Autoimmunerkrankungen Die Wirkung der Immunzellen auf von ihnen als „fremd“ betrachtete Zellen und Strukturen ist vernichtend. Das Immunsystem muss also „wissen“ welche Strukturen körpereigen und damit zu tolerieren sind. Misslingt diese als Immuntoleranz bezeichnete Unterscheidung zwischen „selbst“ und „fremd“ kann es zu schwersten Erkrankungen – den Autoimmunerkrankungen kommen. Die Mechanismen, die der Körper entwickelt hat um eine Reaktion gegen körpereigene Strukturen entwickelt hat sind außerordentlich komplex. Beispiele: • Eliminierung autoreaktiver T-Zellen (TCR ist autoreaktiv) im Thymus • Eliminierung autoreaktiver B-Zellen im Knochenmark • Anergieerzeugung bei T-Zellen wenn kein Zweitsignal erfolgt. • Keine Aktivierung von B-Zellen ohne Zweitsignal durch aktivierte T-Zellen. © 2005 S. Gromer Einige bekanntere Autoimmunerkrankungen: Morbus Bechterew: Stark assoziiert mit HLA-B7 (ein MHC I). Risiko steigt um das 87-fache. Neben einer häufigen Entzündung der Iris die zu schweren Folgen führen kann ist er vor allem für die Versteifung der Wirbelsäule bekannt (Bambuswirbelsäule) Morbus Basedow, eng. Grave‘s disease. Obwohl der Name des Erstbeschreiber, trifft er doch ins Schwarze. Unbehandelt für der Basedow durch die Schilddrüsenüberfunktion (stimulierende Autoantikörper) zu einer erheblichen Kreislaufbelastung (Tachycardie) die einen ins Grab (Grave) bringen kann). In der Allgemeinbevölkerung ist vor allem das hervortreten der Augen bekannt (die nicht immer vorhanden sein muss!), die langfristig ggf. über eine Entzündung der nicht mehr ausreichend vom Lid geschützt Hornhaut zur Erblindung führen kann. 7 28-Januar-2004 © 2004 Dr. Stephan Gromer. Heidelberg Alle Rechte vorbehalten Parenterale Ernährung © 2002 S. Gromer © 2005 S. Gromer Eine Einführung in die Grundlagen der parenteralen Ernährung im Rahmen der Hauptvorlesungen im Fach Biochemie. In diesem - insbesondere zeitlich - begrenzten Rahmen ist eine umfassende Darstellung der Problematik nicht möglich. So musste auf so wichtige Themen wie Postaggressionsstoffwechsel ebenso weitgehend verzichtet werden, wie auf die spezifischen Probleme der parenteralen Ernährung von Diabetikern, Leber- und Nierenkranken. Kontaktadressen für Fehlerhinweise, Verbesserungsvorschläge etc. Stephan Gromer, Dr. med. Biochemiezentrum Heidelberg INF 504 D-69120 Heidelberg 06221 – 54 4291 (Mobil: 0172 7694555) [email protected] Unter http://www.gromer-online.de finden Sie unter „Vorlesungen/Seminare“ ggf. zukünftig aktualisierte Fassungen dieses vorlesungsbegleitenden Skriptes. Hinweis: Die Erkenntnisse der Medizin unterliegen laufendem Wandel durch Forschung und klinische Erfahrung. Alle hier gemachten Angaben wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Dennoch entbindet dies den Benutzer nicht von der Verpflichtung, die hier gemachten Angaben, z.B. anhand von Beipackzetteln, zu überprüfen und die Verantwortung für seine Verordnungen zu übernehmen. Der Druck dieses Skriptes wurde ermöglicht durch die finanzielle Unterstützung von Lehmanns Fachbuchhandlung, Frankfurter Str. 34; 35392 Gießen. Auf die inhaltliche Gestaltung wurde dabei kein Einfluss genommen. © 2001-2003 Dr. med. Stephan Gromer, Alle Rechte vorbehalten. 8 28-Januar-2004 © 2004 Dr. Stephan Gromer. Heidelberg Alle Rechte vorbehalten • Stoffzufuhr unter Umgehung des Gastrointestinaltraktes. Enteral Parenteral Blutkreislauf Mucosazelle Darmlumen Nährstoffe Parenteral Enteral Pfortaderkreislauf Systemkreislauf Zelleigenbedarf i.m. s.c. Pfortaderkreislauf Systemkreislauf Nährstoffe Zelleigenbedarf i.v. © 2005 S. Gromer Der Begriff „parenteral“ setzt sich zusammen aus „para“ ( vorbei) und „enteral“ ( Magen-Darm-Trakt). Damit wird beschrieben, dass Stoffe (Nährstoffe, aber auch Medikamente etc.) nicht auf dem „normalen“ Weg durch Aufnahme über die Darm-schleimhaut in den Blutkreislauf gelangt, sondern unter Umgehung des Darms in den Körper und damit letztlich in den Blutkreislauf eingebracht werden. Technisch geschieht dies in aller Regel durch Injektionen: z.B. intramuskulär (im.) oder subcutan (sc.), vor allem aber intravenös (iv.). (Daneben gibt es noch z.B. die Möglichkeit der Aufnahme einiger Stoffe über die Nasenschleimhaut, tief rektal, oder sublingual (diese Wege werden nicht von allen Autoren als parenteral akzeptiert). Für die parenterale Ernährung ist praktisch nur die iv.Applikation interessant. Auch dabei gibt es wieder verschiedene Möglichkeiten, auf die später eingegangen werden wird. In diesem Zusammenhang sind drei Dinge wichtig : Durch die parenterale Applikation: - Entfällt die Aufnahmekontrolle durch die Darmmucosa. Manche Stoffe würden diese niemals passieren können, andere nur in einem von der Darmmucosa (in „Absprache“ mit dem Gesamtorganismus) geregelten Umfange. Der Körper kann jetzt nur noch reagieren und nicht mehr agieren. Gelegentliche Veränderungen von Substanzen durch die Darmmucosa entfallen ebenfalls. -gelangen Stoffe i.a.R. ohne zunächst die Stoffwechselzentrale Leber passiert zu haben direkt in den Systemkreislauf. Die Pufferfunktion (Aminosäuren, Kohlenhydrate etc.) der Leber wird umgangen. (Dadurch ändert sich z.T. der Metabolismus: wichtig z.B. für Methionin, welches dann peripher transaminiert und nicht der Leber für die Transsulfatierung dient. Längere Lipide weniger betroffen Lymphe gr. Kreislauf.) - kann die Darmmucosa nicht mehr wie unter enteraler Ernährung 70% ihres Energiebedarfs aus dem Darmlumen decken (insbesondere Glutamin etc.). Schützende Faktoren und physiologische Stimuli (Nahrungspassage und für das Immunsystem!) fehlen. Mit zT. gefährlichen Folgen. -Ist die Hormonantwort des Pankreas auf Nährstoffe verändert. 9 28-Januar-2004 © 2004 Dr. Stephan Gromer. Heidelberg Alle Rechte vorbehalten Intravenös: Parenteral Über Magensonde: Enteral Künstliche Ernährung Parenterale Ernährung © 2005 S. Gromer Umgangssprachlich werden die Begriffe „Künstliche Ernährung“ und „Parenterale Ernährung“(=PE) oft synonym gebraucht. Dies ist nicht ganz korrekt. Eine künstliche Ernährung kann durchaus „enteral“ erfolgen, z.B. durch eine Magensonde, eine Duodenalsonde oder (für Langzeittherapie) mittels einer PEG (=Percutane endoskopische Gastrostomie) –Sonde. Die parenterale Ernährung ist auch eine Form der künstlichen Ernährung, aber eben nur eine (wenngleich sehr wichtige) Unterform. Man kann (und soll wenn möglich) enterale und parenterale Ernährung durchaus kombinieren. So z.B. bei manchen Formen des Kurzdarmsyndroms. 10 28-Januar-2004 © 2004 Dr. Stephan Gromer. Heidelberg Alle Rechte vorbehalten Wer benötigt eine parenterale Ernährung ? Eine parenterale Ernährung ist nur dann streng indiziert, wenn ein nicht funktionierender Gastrointestinaltrakt (GIT) vorliegt, bzw. eine Dysfunktion eine Nahrungspause mit ruhendem GIT verlangt. Beispiele: • prolongierte Ileus-Symptomatik (mechanisch oder paralytisch) • Nach größeren chirurgischen Eingriffen, Polytrauma, Sepsis • schwere Enterocolitis • schwere Pankreatitis • schwere GIT-Blutungen • nicht ausreichende Absorptionskapazität des GIT, z.B. Kurzdarmsyndrom, Chemotherapie ... • schwere Verluste durch Diarrhöen, Erbrechen oder Fisteln, schwere Verbrennungen © 2005 S. Gromer Wir werden auf einige Probleme im Zusammenhang mit der parenteralen Ernährung noch zu sprechen kommen. Diese sind so gewichtig, dass man die Indikation zur parenteralen Ernährung nicht zu freizügig stellen sollte (sie aber auch niemandem verweigern darf, der davon profitieren würde). Streng gesehen, stellt nur eine gewichtige Funktionsstörung des Gastrointestinaltraktes (GIT = Magen-Darm mit Leber, Galle und Pankreas), die in Ihren Folgen oder Beseitigung durch orale Nahrungskarenz günstig beeinflusst werden kann, eine Indikation dar. Vielfach „zwingt“ eine faktisch übertrieben lange postoperative orale Nahrungskarenz (nach abdominellen Eingriffen) scheinbar zur parenteralen Ernährung, da (zumindest in Deutschland) die „Startfreigabe“ für den (oralen) Kostaufbau oft erst nach dem ersten postoperativen Flatus oder Stuhlabgang erteilt wird. Hier sind andere Kriterien oft günstiger (z.B. Rückgang der Förderleistung der Magensonde auf weniger als 400 ml pro Tag bei gutem AZ des Patienten etc. Siehe ggf. auch Seminarskript „Verdauung“ auf http://www.gromer-online.de unter „Seminare und Vorlesungen“). Bisweilen kann man die PE umgehen, indem man das zu schützende Areal „überspringt“. So kann man mit einer Jejunalsonde bei manchen Pankreatitiden die Nahrung (die jetzt allerdings vollständig resorbierbar sein muss) so applizieren, dass keine zusätzliche Reizung des Pankreas durch die Magen-Duodenal-Passage erfolgt. 11 28-Januar-2004 © 2004 Dr. Stephan Gromer. Heidelberg Alle Rechte vorbehalten Energieträger • Kohlenhydrate und / oder • Fette Struktur und Funktionsbausteine • Essentielle Aminosäuren • Essentielle Fettsäuren und / oder • Aminosäuren • Elektrolyte • Vitamine • Spurenelemente • Wasser ( 20 ml/kg BW/d) !! © 2005 S. Gromer Der Energiebedarf lässt sich im klinischen Alltag nicht exakt messen. Daher verwendet man Nährungsformeln zur Abschätzung des Bedarfs. Am häufigsten wird hierfür die Harris-Benedikt-Formel eingesetzt. Sie dient der Berechnung des Ruheenergieumsatzes (in kcal pro Tag. Anm. 1 kcal = 4,14008 kJ): • Männer [kcal] : 66 + 13,7 × Gewicht(kg) + 5 × Größe(cm) - 6,8 × Alter (Jahren) • Frauen [kcal] : 655 + 9,6 × Gewicht(kg) + 1,8 × Größe(cm) - 4,7 × Alter (Jahren) Fettsäuren führen bei ihrer Oxidation zu ATP (9,3 kcal pro g). Sie können daher einen Teil der notwenigen Kalorien liefern, um die notwenige Kohlenhydratzufuhr zu redu-zieren. Dadurch werden einige der Komplikationen einer hohen Kohlenhydratzufuhr (Hyperglykämie, Glukosurie, erhöhte Serumosmolarität, erhöhte CO2 Produktion (RQ von Fett 0,7), Glykogenspeicherung) vermindert. Jedoch können Kohlenhydrate nicht vollständig durch Fette ersetzt werden (keine Umwandlung von C2 in C3 Körper beim Menschen !). Von den Gesamtfettsäuren sollten auf die essentiellen Linolsäure und -Linolensäure 2.5% bzw. 0.5 % entfallen. Dies entspricht rund 2.5 g essentielle Fettsäuren pro Tag. Aminosäuren liefern im Stoffwechsel das gleiche kalorische Äquivalent wie Kohlenhydrate. Im Reagenzglas ist dieser größer. Dies liegt daran, dass der Körper Aminosäuren nur bis zum Harnstoff abbaut, der auch noch einen (nicht genutzten) Energiegehalt hat. Der Unterschied im RQ von Kohlenhydrat und Fett ist nicht unwichtig: Das Abatmen von CO2 bedeutet Atemmehrarbeit, damit erhöhten Energiebedarf und das Risiko der muskulären Erschöpfung. Beim kritisch Kranken ist es somit wünschenswert, die pro kcal entstehende CO2-Menge zu minimieren. Bei beatmeten Patienten mit Schwierigkeiten bei der Entwöhnung von der künstlichen Beatmung sollte der respiratorische Quotient bestimmt werden (CO2-Produktion:O2Verbrauch). Ist dieser größer 1, sollte die Kalorienzufuhr reduziert werden. Bleibt die CO2-Produktion weiterhin hoch, sollte die zugeführte Glukose-Menge reduziert und die fehlenden Kalorien durch Fett ersetzt werden. 12 28-Januar-2004 © 2004 Dr. Stephan Gromer. Heidelberg Alle Rechte vorbehalten Der Mensch benötigt täglich – je nach körperlicher Belastung und Alter - eine gewisse Menge an Energieträgern. Den Ruheumsatz eines Menschen kann man anhand der Harris-Benedikt-Formel abschätzen. Für den Hausgebrauch gilt die Regel, das wir täglich etwa 25 – 30 kcal pro kg Körpergewicht (=BW) benötigen. Diese benötigte Energie kann geliefert werden von Kohlenhydraten, Fetten und Aminosäuren. Aufgrund der im Stoffwechsel bei weitem nicht so strengen Trennung in Energielieferant und Funktionsbaustein, hat es sich als günstig erwiesen, diese benötigte Energie auf verschiedene Energieträger zu verteilen. • Kohlenhydrate: Sie sollten etwa 2/3 der täglich benötigten Kalorien liefern. Dabei sollen fast ausschließlich Polysaccharide zum Einsatz kommen. Kohlenhydrate liefern 4,1 kcal pro Gramm (kalorisches Äquivalent). Der respiratorische Quotient (RQ) beträgt 1 (=Volumen produziertes CO2 pro Volumen Verbrauchtem O2) • Fette: Sie sollten max. 1/3 der täglich benötigten Kalorien liefern. Fette liefern 9,3 kcal pro Gramm (kalorisches Äquivalent). Der RQ beträgt 0.7 • Aminosäuren/Protein: Sie sollten wenn überhaupt nur rund 5-15% der täglich benötigten Kalorien liefern und weniger als Energielieferant, denn als Funktionsbaustein betrachtet werden. Wir benötigen rund 0,8 g pro kg BW und Tag. Aminosäuren liefern 4,1 kcal pro Gramm. RQ = 0.83 (Protein) Fette 25-30 % Kohlenhydrate 60-70 % © 2005 S. Gromer Die Einrechnung von Aminosäuren/Protein in die Energiebilanz ist umstritten. Der Unterschied ist jedoch auch nur gering, da die inter- und intraindividuellen Unterschiede im Energiebedarf stärker schwanken als der Beitrag der Aminosäuren zu den Gesamtkalorien. Trotzdem erscheint es sinnvoll sie nur bedingt einzurechnen, da sie ja primär der Proteinsynthese dienen und nicht „verheizt“ werden sollen . 13 28-Januar-2004 © 2004 Dr. Stephan Gromer. Heidelberg Alle Rechte vorbehalten Wer oder was ist essentiell ? Stoffe, die der Organismus benötigt und die er nicht aus anderen Verbindungen selbst aufbauen kann, nennt man essentiell. • Vitamine • fettlöslich („EDEKA“) • wasserlöslich • Elektrolyte & Spurenelemente z.B. Natrium, Kalium, Calcium, Magnesium, Eisen, Zink, Mangan, Chrom, Kupfer, Selen, ... • Fettsäuren: Linolsäure (C18:2 9,12) (Linolsäure wird auch zur Synthese von Arachidonsäure (C20:4 5,8,11,14) benötigt) -Linolensäure (C18:3 • Aminosäuren: 9,12,15) His, Phe, Trp, Ile, Leu, Val, Met, Thr, Lys sekundär ggf. Tyr, Cys (da Bild. aus Phe, Met) Unter gewissen Umständen auch Gln, Arg, Pro © 2005 S. Gromer Der Begriff des Essentiellen ist sehr wachsweich. Viele Stoffe werden unter bestimmten Bedingungen z.T. essentiell, die unter anderen Umständen vom Körper problemlos ausreichend bereitgestellt werden können. Mit Ausnahme des Vit. D3, welches der Körper bei ausreichender Sonnenexposition aus Cholesterol selbst aufbauen kann (um es dann durch Hydroxylierungen in Leber und Niere in das eigentlich aktive 1,25-OH-Vit. D3=Calcitriol umzuwandeln) sind alle anderen Vitamine essentiell. Die Frage nach dem wann, wie viel von was ist leider individuell nicht einfach zu beantworten. Für den Basisbedarf gibt es fertige Vitaminmischungen, wobei fettlösliche und wasserlösliche getrennt appliziert werden müssen. Beachte, dass viele Vitamine lichtempfindlich sind !!! (insbesondere Vit. A u. Vitamin-B-Gruppe). Farbige Infusionslösungen stets lichtgeschützt applizieren! Auch sei betont, das „wasserlöslich“ nicht automatisch bedeutet, dass keine Überdosierung möglich sei. Auch die Leistung der Nieren hat ihre Grenzen. Beispielsweise für Riboflavin bei Neugeborenen. Noch schwieriger ist die Substitution von Spurenelementen. Aus dem Wissen, welche Elemente in welcher Menge im gesunden Körper vorkommen, lässt sich nicht automatisch rückschließen, ob ein Element essentiell ist (so kommt Hg in jedem Menschen vor, jedoch gibt es keinerlei Hinweis, dass dieses erforderlich ist). Es gibt fertige Spurenelementmischungen (z.B. Addel®: Cr3+,Cu2+,Fe3+,Mn2+,Zn2+,I-,F-, MoO42-, SeO32-), die sich nach den Empfehlungen der AMA richten, dennoch ist nicht ausgeschlossen, das diese Substitution inadäquat ist. Darüber hinaus muss man die einzelnen Serumwerte (unter der nicht immer richtigen Annahme, das die Serumkonzentration mit der Konzentration im Zielgewebe korreliert) in sinnvollen Abständen kontrollieren, um ggf. bei einem Spurenelement selektiv einzugreifen. Gleiches gilt natürlich auch für alle Elektrolyte, die jedoch glücklicherweise besser zu steuern sind. Bei den Aminosäuren darf man nicht nur die essentiellen ersetzen (sie machen sogar „nur“ 25% (max. 50%) aus. Der Bedarf hängt auch sehr vom Alter u. der Situation ab). Der Körper kann zwar die per se Nichtessentiellen synthetisieren, jedoch benötigt dies unnötig Energie u. ist im pathologischen Zustand auch nicht immer ausreichend möglich. 14 28-Januar-2004 © 2004 Dr. Stephan Gromer. Heidelberg Alle Rechte vorbehalten Die Stickstoffbilanz Im Gegensatz zu Fettsäuren („Fettdepots“) und Kohlenhydraten, („Glykogen“) besitzt der Körper praktisch keine Aminosäure-Speicher. Proteine Proteolyse Aminosäuren Proteinbiosynthese Glucose Harnstoff © 2005 S. Gromer Körperproteinpool: Etwa 10 kg beim Erwachsenen (70 kg BW). Der überwiegende Teil davon findet sich in der Muskulatur Halbwertszeit von Proteinen: Im Mittel 2-8 Tage; Stoffwechselenzyme i.d.R. kurz (Stunden); Strukturproteine etc. deutlich länger (Wochen) Die im Rahmen des Protein-Turnovers (normal 300-400 g pro Tag; kann bei Katabolie massiv ansteigen: Zuerst betroffen: Leber, Mucosazellen und Pankreas) freiwerdenden Aminosäuren werden normalerweise wieder in neue Proteine eingebaut. Nur ein Teil wird auch beim Gesunden zur Energiegewinnung (echte de novo Gluconeogenese) herangezogen. Dieser Aminosäureverlust spiegelt sich in der täglichen Harnstoffausscheidung (CH4N2O) von normal etwa 25 g wieder (bei üblicher Eiweisszufuhr von 80-100g·d-1). Das Molekulargewicht des Harnstoffs beträgt 60 g·mol-1. Davon sind 47% Gewichtsprozent Stickstoff (N). Der Eiweißverlust wird klinisch als Stickstoffverlust bezeichnet, da sich dieser leichter bestimmen lässt. Unter der vereinfachenden Annahme, das nur der Harnstoff zur Stickstoffausscheidung beiträgt (vernachlässigt z.B. enteraler Eiweißverlust), ergibt sich also: 25 g×0,47 (=47%) 12 g renaler Stickstoffverlust pro Tag. Die tägliche Zufuhr von Eiweiß bei uns beträgt etwa 80-100 g (absolutes Minimum: etwa 35 g). Dies entspricht etwa 12-15 g „Stickstoff“Zufuhr. Der Körper ist dann in ausgeglichener Stickstoffbilanz. Steigt die endogene Proteolyse (post-traumatisch z.B. OP) an, oder ist die Eiweißzufuhr vermindert, so gerät der Körper in eine negative Stickstoffbilanz (Cave: ab ca. 30% BW-Verlust Lebensgefahr) 1 g „Stickstoff“ entspricht 6,25 g Eiweiß 30 g Muskulatur Bedarf: Bei normaler Stoffwechselsituation 0,8-1,2 g Aminosäuren pro kg BW und Tag. Davon nur 25% essentielle Aminosäuren (selten bis 50%). Bei hypermetaboler Stoffwechsellage steigt der Aminosäurebedarf. Cave: Der Grad der Hypermetabolie wird häufig überschätzt ! Die Proteinzufuhr sollte nicht zu hoch angesetzt werden. Wichtig für die Gesamteinfuhr ist eine ausreichende Menge an Nicht-Proteinkalorien für die Verstoffwechselung der zugeführten Proteinmenge. Besondere Regeln für Leber und Niereninsuffizienz !! 15 28-Januar-2004 © 2004 Dr. Stephan Gromer. Heidelberg Alle Rechte vorbehalten Glucose als Kohlenhydratquelle Glucose ist für den Körper semiessentiell. Zwar kann durch die Gluconeogenese aus Aminosäuren Glucose hergestellt werden, jedoch führt dies oft zu einer negativen Stickstoffbilanz. Glucose Proteine e lys eo Liefert ot Pr t mm e H ve rso rgt Div. andere glucoseabhängige Stoffwechselwege Aminosäuren + CO2 © 2005 S. Gromer Glucose ist als Substrat für einige Gewebe unverzichtbar (etwa 150 g pro Tag). So beispielsweise Erythrozyten, das Nierenmark, temporär das ZNS aber auch Teile des Knochenmarks sowie Granulationsgewebe (Wundheilung). Daher erfolgt bei einem Energiemangel Gluconeogenese. Da der menschl. Körper aus Fettsäuren keine Glucose mehr aufbauen kann, werden hierfür hauptsächlich Aminosäuren verwendet, was in der Folge zu einer negativen Stickstoffbilanz führt. Die Gabe von Glucose führt daher zu einer verminderten Verstoffwechselung von Aminosäuren zu Energieträgern. Dieser Effekt erreicht sein Maximum bei etwa 3 g Glucose pro kg BW und Tag. Eine höhere Zufuhr von Glucose bringt keine weitere proteinsparende Wirkung mehr. Ab etwa 5 g wird die Glucose hingegen vermehrt zur Bildung von Glykogen und i.B. Fettsäuren verwendet. Letztere werden zu Fetten verestert. Diese wiederum führen letztlich u.a. zu einer Leberfunktionsstörung und zur Fettleber. Da die Glucose parenteral zugeführt wird, führt dies häufig zur Hyperglykämie (fehlende Leberpufferung !!) mit erhöhter Serumosmolarität und Glucosurie. Zudem wird vermehrt Phosphat benötigt mit der Folge einer Hypophosphatämie. Die Verstoffwechselung der Glucose verbraucht O2 und liefert CO2. Der respiratorische Quotient ist 1, bei Lipogenese sogar größer als 1. Das Abatmen dieses CO2 führt beim kritisch Kranken zu einer u.U. gefährlichen Hyperventilation. Insbesondere im Rahmen des Postaggressionsstoffwechsel ist die Wirkung von Insulin stark vermindert. Unabhängig davon steigt mit zunehmendem Alter der Insulinbedarf bei PE: Watters JM, Kirkpatrick SM, Hopbach D, Norris SB; Can J Surg 1996 Dec;39(6):481-5; Aging exaggerates the blood glucose response to total parenteral nutrition. Im Rahmen des Postaggressionstoffwechsels kann ein Teil der Glucose durch Xylit ersetzt werden, welches Insulin-unabhängig in die Leber aufgenommen werden kann und damit die in diesem Zustand verminderte Insulinwirkung umgeht. 16 28-Januar-2004 © 2004 Dr. Stephan Gromer. Heidelberg Alle Rechte vorbehalten Fette Triacylglycerole (=Fette) unterscheiden sich in den mit dem Glycerolkern veresterten Fettsäuren: Man unterscheidet kurzkettige ( C5), mittelkettige (C6-C12) und langkettige (>C12) Fettsäuren. Manche Fettsäuren sind zudem ungesättigt (meist cis!). Davon sind die Linol- (C18:2 9,12) und die Linolensäure 9,12,15 ) essentiell. (C18:3 eo ot Pr yse l Liefert Proteine t mm e H Fettsäure Aminosäuren + CO2 Ggf . Lipogenese Leberverfettung & Funktionsstörung © 2005 S. Gromer Fettsäuren führen bei ihrer Oxidation zu ATP (9,3 kcal pro g). Sie können daher einen Teil der notwenigen Kalorien liefern, um die notwenige Kohlenhydratzufuhr zu reduzieren. Dadurch werden einige der Komplikationen einer hohen Kohlenhydratzufuhr (Hyperglykämie, Glukosurie, erhöhte Serumosmolarität, erhöhte CO2 Produktion (RQ von Fett 0,7), Glykogenspeicherung) vermindert. Parenterale Ernährung mit Fett bei kritisch kranken Patienten: In der Postaggressionsphase kommt es durch hormonelle Umstellungen (Katecholamine, Glucocorticoide, periphere Insulinresistenz) zu einer Veränderung des Gleichgewichtes zwischen Glukose- und FettUtilisation. Neben einer Hyperglykämie ist eine vermehrte Mobilisierung von Fettsäuren (FS) festzustellen und es gibt Hinweise, dass Fett in dieser Phase das bevorzugte Energiesubstrat darstellt. Untersuchungen haben gezeigt, dass exogen zugeführtes Fett bei kritisch Kranken ausreichend metabolisiert werden kann. Die Verabreichung von Fett bei kritisch kranken Patienten ist sicher, solange bis ca. 20 - 40% der Nichtproteinkalorien als Fett zugeführt werden, und die Infusion über 24h erfolgt. „Fett“ ist jedoch nicht gleich „Fett“. Langkettige Fettsäuren werden anders metabolisiert als kurz- und mittelkettige. Ein Teil der parenteral zugeführten Fettsäuren muss den Bedarf an essentiellen Fettsäuren (Linolsäure, -Linolensäure, zT. Arachidonsäure) abdecken. Die essentiellen Fettsäuren (Linol- und -Linolensäure) sollten etwa 3 (bis 10%) der Gesamtenergiezufuhr ausmachen. 17 28-Januar-2004 © 2004 Dr. Stephan Gromer. Heidelberg Alle Rechte vorbehalten Der Metabolismus von mittel- und langkettigen Fettsäuren unterscheidet sich Langkettige Fettsäuren (LCFA) werden cytosolseitig zunächst mit Coenzym A aktiviert (Thiokinase) und dann entweder zu Gewebelipiden (LCT/LCL) verstoffwechselt oder mittels Carnitinshuttle in die Mitochondrien zur Oxidation transloziert. Hingegen gelangen kurz- und mittelkettige (MCFA) Fettsäuren auch ohne Carnitinshuttle in die Mitochondrien und weitgehend erst dort aktiviert. Sie werden daher fast nur oxidiert und kaum in Gewebelipide (MCT/MCL) eingebaut. Einbau in Gewebelipide Oxidation MCFA LCFA Gewebelipide MCFA-CoA LCFA-CoA LCFA-Carnitin 14C-Caprylsäure (C8) 14C-Palmitinsäure Acyl-CoA (C16) © 2005 S. Gromer Veränderung nach 7 d relativ zum Ausgangsbefund Die früher übliche Gabe von überwiegend langkettigen Fettsäuren führt leicht zu Leberverfettung und Leberfunktionsstörung (z.B. Anstieg von GPT, GOT, AP, GGT, Bilirubin. Cholestase. Die führt zu Problemen z.B. für den Medikamentenabbau etc.). Sie führen auch zu einer Störung des Immunsystems (Arachidonsäure-Derivate ?). Mittelkettige Fettsäuren weisen diese Probleme nicht auf. Sie werden praktisch nur als Brennstoff verwendet. Viele Studien zeigen, dass die Mischung von lang- und mittelkettigen Fettsäuren (1:1) ideal ist. Beispiel: +30 %+ 20 %- UltraschallDichte Lebergröße Es sei aber nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass langkettige Fettsäuren unverzichtbar sind (u.a. wegen der essentielle Fettsäuren Linol- und -Linolensäure) und nicht vollständig durch die mittelkettigen Fettsäuren ersetzt werden können. +10 %0%- Fette nur als LCT Fette als MCT+LCT (1:1) -10 % - 18 28-Januar-2004 © 2004 Dr. Stephan Gromer. Heidelberg Alle Rechte vorbehalten Überblick und Vergleich der Energielieferanten AminoAminosäuren Kalorisches Äquivalent RQ (VCO2÷VO2) Bemerkung KohlenKohlenhydrat 4,1 kcal·g-1 4,1 kcal·g-1 0,83 1,0 • Einsatz primär nicht als EnergEnergielieferant sonsondern zur ProteinProteinsynthese. synthese. • Sonst StoffweStoffwechselbelastung durch HarnstoffHarnstoffsynthese etc. • Semiessentiell • Eiweißsparend • Gefahr der HyHyperglykämie, perglykämie, HyperosmolariHyperosmolarität, tät, Glucosurie, Glucosurie, Hypophosphatä mie etc. ca. 15 % der Gesamtkalorien ca. 50 % der Gesamtkalorien Fette 9,3 kcal·g-1 0,7 LCT: LCT: • Essentielle Fettsäuren. • Risiko der LeLeberfunktionsstöberfunktionsstörung • Immunsystem Modulation MCT: • Keine essentielessentiellen Fettsäuren • Kaum BeeinträBeeinträchtigung der LeLeberfunktion • Eiweißsparend, additiv zur GluGlucose ca. 35 % der Gesamtkalorien © 2005 S. Gromer Der Überblick zeigt die Eigenschaften der möglichen Energielieferanten. Aminosäuren sollten nicht primär als Energielieferanten eingesetzt werden (wenngleich einige Gewebe wie Darmmucosa (aus Darmlumen!) und Lymphgewebe Glutamin in großem Umfange umsetzen). Der entstehende Harnstoff muss renal eliminiert werden und benötigt dafür ein bestimmtes Flüssigkeitsvolumen, welches konsekutiv mit dem Harnstoff ansteigt. Der Unterschied im RQ von Kohlenhydrat und Fett ist nicht unwichtig: Das Abatmen von CO2 bedeutet Atemmehrarbeit, damit erhöhten Energiebedarf und das Risiko der muskulären Erschöpfung. Beim kritisch Kranken ist es somit wünschenswert, die pro kcal entstehende CO2-Menge zu minimieren. In der Praxis bedeutet dies aber in der Regel nicht, dass aus einer parenteralen Ernährungsunterstützung eine hohe CO2-Produktion resultiert. Jedoch sollte bei beatmeten Patienten mit Schwierigkeiten bei der Entwöhnung von der künstlichen Beatmung durch zu hohe CO2-Produktion der respiratorische Quotient bestimmt werden (CO2-Produktion:O2-Verbrauch). Ist dieser größer 1, sollte die Kalorienzufuhr reduziert werden. Bleibt die CO2-Produktion weiterhin hoch, sollte die zugeführte Glukose-Menge reduziert und die fehlenden Kalorien durch Fett ersetzt werden. Fettemulsionen getrennt von anderen Infusionen applizieren (außer bei „allin-one“ Nährlösungen). Beachte Infusionsdauer >16h ! 19 28-Januar-2004 © 2004 Dr. Stephan Gromer. Heidelberg Alle Rechte vorbehalten Wasser • Etwa 60 % des Körpers besteht aus Wasser. • Eine Dehydratation führt zu vielfältigen Problemen - Kreislaufstörungen (Tachykardie, Kollapsneigung, Oligurie) - Verwirrtheitszustände • Eine Hyperhydratation führt ebenfalls zu Problemen - Herz-Kreislaufbelastung - Ödeme peripher und (gefährlicher) Lungenödem Abgabe (ml): • Renal 1000-2000 • Haut+Lunge 900 Bei Fieber +500 ml/1°C (>37°C) Zufuhr (ml):: • Oxidationswasser 300 • Infusionen y • Oral ? z • Darm 100 • Drainagen, Fisteln ... x © 2005 S. Gromer Dargestellt sind nur isotone Deyhdratation und Hyperhydratation. Die Zufuhr von Flüssigkeit muss mit der Abgabe übereinstimmen. Viele Flüssigkeitsverluste (Urin, Drainagen und Sonden) lassen sich messen, jedoch sind andere Verluste nur schwer (Durchfall) oder praktisch gar nicht (Haut+Lunge = „perspiratio insensibilis“) messbar. Umso wichtiger ist daher neben der klinischen Beurteilung die Messung des zentralvenösen Druckes (ZVD, Normalwert 2-4 cmH2O). Dehydratation bei <2 cmH2O. Eine „Überwässerung“ ab 15 cmH2O ist sehr problematisch (Lungenödem!!). Die Messung muss sehr genau erfolgen und hat viele technische Probleme. So macht sich ein Linksherzversagen erst relativ spät bemerkbar, oder störende Blähungen etc. Zudem ist der ZVD abhängig vom Venentonus (post-OP erhöht, Sepsis erniedrigt) Beachte, dass zusätzliche Flüssigkeitsverluste i.d.R. auch mit (ebenfalls substitutionspflichtigem) Elektrolytverlust einhergehen. Bilanzierung durch Messung des zentralvenösen Druckes (ZVD) Dreiwegehahn 1.Manometerfüllung NaCl Manometer Zum Patient 2. Messen NaCl Manometer Zum Patient 20 28-Januar-2004 © 2004 Dr. Stephan Gromer. Heidelberg Alle Rechte vorbehalten Elektrolyte • Natrium (Na+) 2 • Kalium (K+) 0,8 0,08 • Calcium (Ca2+) • „Phosphat“ 0,2 • HCO3--Äquivalente (Lactat/Acetat) Energieträger: 3 1,5 0,11 0,4 1,2 mmol pro kg BW mmol pro kg BW mmol pro kg BW mmol pro kg BW mmol pro kg BW 25 - 40 kcal pro kg BW • Glucose ~50% 3 • Fette (MCT/LCT)~35% 1 ~15% 0,8 • Aminosäuren - 5 - 2 - 1,5 g pro kg BW g pro kg BW g pro kg BW Spurenelemente (z.B. Fe, Zn, Mn, Mo, Se, I, ...) Vitamine (fett- und wasserlöslich) Wasser: 30 - 50 Regelmäßige Kontrollen von Labor, ZVD und Klinik ml pro kg BW ierliche Kontinu Infusion td.) (16-24 S © 2005 S. Gromer Eine diskontinuierliche oder sehr schnelle Infusion der Nährstoffe ist klinisch nachgewiesenermaßen nachteilig für den Patienten. Eine Liste mit weiteren Nährstoffen findet sich im Anhang. Labor - Was kontrollieren: • Harnstoff: Maß für Aminosäure-Metabolismus (und Nierenfunktion) • Elektrolyte: Steuerung der Infusion, z.T. Nierenfunktion (Kalium!!) • Blutzucker • Laktat • Triacylglycerole („Fett“) • Blutbild • Ammoniak (fakultativ): • Gerinnung (in Intervallen, Vitaminversorgung, Leberfunktion) Bedenke: Körpereisenpool ca. 5 g. Davon ca. 2/3 im Hämoglobin, welches sich in einem Gesamtblutvolumen von 5 Liter befindet. Ergo: 5000 mg × 0,67 ÷ 5000 ml = ca. 0,67 mg Eisen/ml Blut. Bei einer üblichen Routineblutuntersuchung sind etwa 10-20 ml Blut notwendig. Damit haben wir dem Patienten schon 7-14 mg Eisen entzogen – das 7-14fache des normalen täglichen Verlustes (1 mg). Dieser muss wieder ersetzt werden. Also nicht zu oft „anzapfen“. Weiteres Problem der PE: Insulingaben werden oftmals erforderlich. Faustregel: 1 IE (Alt-) Insulin senkt den BZ um 30 mg×dl-1. Dieser Wert ist bei Diabetikern und im Alter schlechter. 21 28-Januar-2004 © 2004 Dr. Stephan Gromer. Heidelberg Alle Rechte vorbehalten Periphervenöse und zentralvenöse Applikation Infusionslösungen bestehen in der Regel aus Wasser und den darin gelösten Stoffen. Die Zahl der pro 1 Liter gelösten Stoffteilchen ist verantwortlich für die Osmolarität einer Infusionslösung. Die Osmolarität des Blutplasmas beträgt knapp 300 mOsmol·l-1. HämoHämolyselysegefahr 0,9% NaCl G 5% 10% MCT/LCT Periplasmal 10% AS-Lsg. G 10% Nur über ZVK Periphervenös möglich 200 Hypoton Isoton 400 600 G 20% 800 1000 mOsmol·l-1 Hyperton © 2002 S.S.Gromer © 2005 Gromer Osmolarität: Osmol × l-1 Osmolalität: Osmol × kg-1 Klinisch ist der Unterschied weitestgehend vernachlässigbar Beispiele : 5% Glucoselösung: 5 g Glucose pro 100 ml bzw. 50 g pro Liter. 1 mol·l-1 Glucose 180 g·l-1 und somit 50 g·l-1 280 mmol·l-1 Ergo: Osmolarität 280 mOsmol·l-1 0,9 % Kochsalzlösung: 0,9 g NaCl pro 100 ml bzw. 9 g pro Liter. 1 mol·l-1 NaCl 58,4 150 mmol·l-1 aber CAVE: NaCl(s) Na+(aq.) + Cl-(aq.) g·l-1 und somit 9 g·l-1 -1 -1 Ergo:Osmolarität 2·150 mOsmol·l = 300 mOsmol·l Die so berechneten Osmolaritäten sind ideale Osmolaritäten. Die tatsächlichen (realen) liegen etwas darunter (partielle Dissoziation etc.) Plasma-Osmolaritätsabschätzung (alle Konz. in mM einsetzen): 2×([Na+]+[K+]) + [Glucose] (mg×dl-1 in mM: div. durch 18) + [Harnstoff] (mg×dl-1 in mM: div. durch 6) Hypertone Lösungen reizen das Endothel der peripheren Venen und führen zu einer schmerzhaften Entzündung der Venen (Thrombophlebitis). Durch schnelle Infusion und Beimischen von isotoner Lösung kann dieser Effekt verzögert werden (schnell ist aber bei PE nicht erwünscht!). (Viele Mechanismen sind dabei noch unverstanden, siehe z.B. Kuwahara T, Asanami S, Kubo S.; Nutrition 1998 Jun;14(6):496-501; Experimental infusion phlebitis: tolerance osmolality of peripheral venous endothelial cells; Everitt NJ.; Ann R Coll Surg Engl 1999 Mar;81(2):109-12; Effect of prolonged infusion on vein calibre: a prospective study.) Spätestens ab 800 mOsmol×l-1 ist aber ein ZVK erforderlich. Hypotone Lösungen können lokal zu einer Hämolyse (ab etwa 160 mOsmol) und systemisch über die Senkung der Plasmaosmolarität zu Zellödemen führen und damit letztlich durch das entstehende Hirnödem schwerste Folgen haben. Daher muss auch bei hypertoner Dehydratation ein Ausgleich langsam erfolgen. 22 28-Januar-2004 © 2004 Dr. Stephan Gromer. Heidelberg Alle Rechte vorbehalten Vollständig Parenteral (TPN) – ab wann ?! Nicht jeder Patient, der vorübergehend keine Nahrung zu sich nehmen darf, muss sofort vollständig parenteral (TPN) ernährt werden. • Stufe 1: Periphervenöse Flüssigkeitszufuhr Patienten in gutem Allgemeinzustand, bei denen die zu erwartende Dauer der Nahrungskarenz 2 Tage Lediglich: Wasser, Elektrolyte. Glucose (G5%) zur Infusion von „freiem Wasser“ und minimaler Energiezufuhr • Stufe 2: Periphervenöse Basisernährung Patienten in gutem Ernährungszustand, bei denen die zu erwartende Dauer der Nahrungskarenz 2-3 Tage beträgt. Mittlere OP 15-20 kcal·kgBW -1: Wasser, Elektrolyte, Glucose, Aminosäuren und ggf. Fett • Stufe 3: Vollständige parenterale Ernährung (ZVK !!) Patienten mit einer zu erwartenden Dauer der Nahrungskarenz von >3 Tage. Schwere OP; Polytrauma, stark reduzierter Allgemein- und Ernährungszustand 25 kcal·kgBW -1: „Alles“, wie zuvor beschrieben © 2001 S. Gromer © 2005 S. Gromer Das Legen eines ZVK (dito: Port, Hickman etc.) birgt viele Risiken: Die durch die Verweilkatheter induzierten Probleme entstehen vor allem durch falsch platzierte Katheter. Mechanische Probleme durch die Katheteranlage beinhalten (Hämato-)Pneumothorax, Verletzung der A. und V. subclavia, anderer großer Gefäße oder des Ductus thoracicus sowie Nerven. Weitere Folgen eines Dauerkatheters können venöse Thrombosen und katheter-induzierte Infektionen sein. Ein besonders hohes Infektionsrisiko besteht bei immunsupprimierten Patienten ! Daher sollte er nur gelegt werden, wenn es erforderlich ist. Fettemulsionen haben nur eine relativ geringe Osmolarität, da ein Partikel (mit vielen Fettmolekülen) in der Lösung nur als 1 Teilchen wirkt. Anm.: Speziell für Patienten mit Nieren- und Leberinsuffizienz gibt es zu bedenken. Bei Leberzirrhose sollte die PE reich an verzweigtkettigen. (Val, Ile, Leu, diese werden extrahepatisch verstoffwechselt) und arm an aromatischen Aminosäuren sein (steigen bei Leberinsuffizienz an !!). Auch sollte die Gesamtmenge an Aminosäuren vorsichtig dosiert werden. Dadurch kann das Risiko einer hepatischen Enzephalopathie gesenkt werden. Zur weiteren Entlastung können z.T. auch -Ketosäuren gegeben werden (diese werden zu den eigentlichen Aminosäuren transaminiert und sparen damit Harnstoffcyclen) Bei Niereninsuffizienz erscheint die Restriktion von Aminosäuren und Gabe von überwiegend essentiellen Aminosäuren sinnvoll. Klinische Studien ergaben aber keinen Hinweis auf ein besseres Outcome (z.T. sogar Nachteile) für die so behandelten Patienten. Die (teuren !) Spezial-Lösungen für Niereninsuffiziente sind also aus den z.Z. vorliegenden Daten nicht zu rechtfertigen 23 28-Januar-2004 © 2004 Dr. Stephan Gromer. Heidelberg Alle Rechte vorbehalten Parenterale Ernährung – so kurz wie möglich Beispiele physiologischer Probleme: • Durch fehlende Nahrungspassage und veränderten Metabolismus kommt es zu funktionellen u. strukturellen Mucosaveränderungen • Schwächung des Immunsystems (z.B. Toxintranslokation, Sepsis) • Unphysiologische Stoffzufuhr. Die Aufnahmeregulation durch den Organismus wird durch den Arzt „ersetzt“. Risiko der Über- und Unterdosierung insbesondere bei „Mikronährstoffen“ • Natürliches Hungergefühl geht stark zurück • Hormonelle Veränderungen (z.B. Insulinantwort) Beispiele klinischer Probleme: • Die vollständige parenterale Ernährung erfordert einen zentralvenösen Zugang mit zusätzlichen Verletzungs-, Infektions- und Thromboserisiken • Hoher Zeit- und Überwachungsaufwand für Arzt- und Pflegeteam • Zahl der Fehlermöglichkeiten (z.B. inkompatible Lösungen) steigt Parenterale Ernährung ist extrem teuer ! © 2005 S. Gromer Komplikationen der PE: • Katheterinduzierte Probleme • Metabolische Veränderungen, fehlende enterale Stimulation und Stoffzufuhr (Gln, kurzkettige Fettsäuren, Arginin, Nukleotide ...) • Erhöhung der Transaminasen und alk. Phosphatasen meist bei Erwachsenen • Cholestase und Gelbsucht bei Kindern oder bei Sepsis (höheres Risiko bei KurzdarmSyndrom und total parenteraler Ernährung; TPE) • Mangelnde Stimulierung des GIT nach längerer PE. GIT-Hormone wie Cholezystokinin werden nicht ausgeschüttet; Gewicht des GIT nimmt ab; Tiefe der Krypten nimmt ab • Möglichkeit der Translokation von Bakterien und Endotoxinen aus dem GIT • Durch parenterale Ernährung verursachte hepatische Störungen und morphologische Veränderungen des GIT haben verschiedenste Ursachen. Das zentrale Problem der (T)PE bleibt aber die adäquate Anpassung der Nährstoffzufuhr. Mangelsyndrome müssen vermieden werden, die Integrität der Darmmucosa muss erhalten bleiben. • Die folgenden Empfehlungen können als grobe Richtlinien für eine parenterale Ernährung dienen: 1. Wenn immer möglich soll der GIT genutzt werden, auch wenn keine volle Nährstoffversorgung auf enteralem Weg möglich ist. 2. Nährstoff-Überversorgung vermeiden! Die Versorgung des Patienten mit Energie muss an den jeweiligen Bedarf angepasst werden. 3. Die Versorgung mit Energie-Substraten sollte durch Zufuhr eines Glukose-FettGemisches erfolgen. Vorteile von Fett als Energieträger sind: hoher kalorischer Wert pro Volumeneinheit; geringe osmolare Belastung; periphere Verabreichung möglich; Zufuhr essentieller Fettsäuren. Eine parenterale Ernährung ist 4-6 mal teurer als eine Enterale 24 © 2004 Dr. Stephan Gromer. Heidelberg 28-Januar-2004 Alle Rechte vorbehalten Interessante Publikationen (z.T. als PDF-Download unter meiner Homepage): • Mannucci-PM, Tuddenham-EGD, The hemophilias - from royal genes to gene therapy, New Engl J Med, 2001; 344:1773-1779 • Turpie-AGG, Gallus-AS, Hoek-JA, A synthetic pentasaccharide for the prevention of deep-vein thrombosis after total hip replacement, New Engl J Med, 2001; 344:619-625 • Weitz-JI, Low-molecular-weight-heparins; New Engl J Med, 1997; 337:688-698 • Lefkovits-J,Plow-EF,Topol-EJ, Platelet glycoprotein IIb/IIIa-receptors in cardiovascular medicine; New Engl J Med, 1995; 332:1553-1559 • Mannucci-PM, Hemostatic drugs, New Engl J Med, 1998; 339:245-253 • Sørensen-HT, Mellemkjær-L; Olsen-JH, Baron-JA, Prognosis of cancer associated with venous thrombembolism,New Engl J Med, 2000; 343:1846-1850 • Steins-M, van de Loo-J, Purpura als internistisches Leitsymptom, Internist, 1997; 38:634-642 • Dahlbäck-B, Blood coagulation, Lancet, 2000; 355:1627-1632 Lehrbücher: • Thomas-L et. al., Labor und Diagnose, 5. Auflage, 1998, TH-Books Verlagsgesell-schaft mbH, Frankfurt a.M. • Fauci-AS et al.; Harrison‘s Principles of Internal Medicine; McGraw-Hill Internet: • Deutsche Hämophilie-Gesellschaft:http:// www.dhg.de • Medline: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/ • Doc-Check (für Zugang zu med. Informationen): http://www.doccheck.de • Wissenschaftliche Untersuchungen zu den Romanovs: http://wsrv.clas.virginia.edu/~rjh9u/romanped.html http://wsrv.clas.virginia.edu/~rjh9u/roylhema.html • Zum Zeitvertreib: Nette Verschwörungstheorie über den angeblichen Bluter Alexej Romanov: http://www.npsnet.com/tsarevich_alexei/index.html • Einblicke in die Gerinnungsdiagnostik im Labor: http://pathology.mc.duke.edu/coag/TestDes.htm http://www.devicelink.com/ivdt/archive/98/07/011.html 25 28-Januar-2004 © 2004 Dr. Stephan Gromer. Heidelberg Alle Rechte vorbehalten Aus: Fauci-AS et al.; Harrison ‘s Principles of Internal Medicine; McGraw-Hill Täglicher enteraler (EN) bzw. parenteraler (PE) Bedarf an essentiellen Fettsäuren, Mineralien und Vitaminen (Erwachsene) Nährstoff EN PE Essentielle Fettsäuren, % kcal 1-2 2-4 Calcium, g 0,8-1,2 0,2-0,4 Phosphor, g 0,8-1.2 0,4-0,8 Kalium, g 2-5 3-4 Natrium, g 1-3 1-3 Chlorid, g 2-5 3-4a Magnesium, g 0,3 0,3 Eisen, mg 10 1-2 Zink, mg 15 3-12 Kupfer, mg 2-3 0,3-0,5 Iodid, mg 0.15 0.15 Mangan, mg 2-5 2-5 Chrom, µg 50-200 15-30 Molybdän, µg 150-300 20-120 Selen, µg 50-200 50-100 (steigende Bedeutung) Vitamin C, mg 60 100 Thiamin, mg 1,4 3,0 Riboflavin, mg 1,6 3,6 Niacin, mg 18 40 Biotin, µg 60 60 Pantothensäure, mg 5 15 Pyridoxin, mg 2.0 4.0 Folisäure, µg 400 400 3,0 5 Vit. B12, µg Vitamin A, µg 1000 1000 Vitamin D, µg 10 5-10 Vitamin E, mg 8-10 10-15 Vitamin K, µg 70-140 200 aHydrogencarbonat-Äquivalente zusätzlich zu Chlorid für einen normalen Säure-Base-Haushalt in Form von 90 mmol Acetat oder Lactat pro Tag. Cave: Präzipitation mit Ca2+ etc. möglich Bedenke, dass ca. 1/3 aller Enzyme Spurenelementabhängig sind ! ca. Osmolarität 0,9 % NaCl 300 mOsmol/l G 5% 280 mOsmol/l G 10% 560 mOsmol/l Aminosäuren 10% 800 mOsmol/l Lipidlösung 10 % 320 mOsmol/l g/l 9 50 100 100 100 kcal/l 0 ca. 200 ca. 400 ca. 400 ca. 930 kcal/ml (cal J: ×4,184) 0 0,2 0,4 0,4 0,93 (ca. 1,0) 26