32 Systematik der Bakterien 2 Allgemeine Bakteriologie Die Transduktion mit einem lytischen Phagen sich in erster Linie durch Teilung vermehren. Es fçhrt zur intrabakteriellen Synthese neuer Pha- mçssen deshalb andere Kriterien zur Definition der genpartikel mit anschlieûender Lyse des Bakteri- Bakterienspezies herangezogen werden. ums. Die Transduktion mit einem lysogenen Phagen MERKE fçhrt zur Integration der Phagen-DNA in die Im Wesentlichen ist fçr die Definition der Bakterienspezies das statistische Kriterium der Ûbereinstimmung in mæglichst vielen stabilen morphologischen, kulturellen, biochemischen und genetischen (einschl. Nukleinsåuresequenz) Eigenschaften maûgebend. Ist durch diese Charakterisierung eine Spezies definiert worden, kann man Variationen je nach untersuchter Eigenschaft als Biovare (biologische Gemeinsamkeiten), Serovare (serologische Gemeinsamkeiten), Phagovare (Empfånglichkeit fçr gleiche oder åhnliche Bakteriophagen), Pathovare (pathogenetische Gemeinsamkeiten) etc. bezeichnen. Bakterien-DNA. Im integrierten Zustand wird das Phagengenom als Prophage (temperenter Phage) bezeichnet. Durch exogene Faktoren oder spontan kann der Prophage wieder zur vegetativen Form werden, neue Phagen produzieren und schlieûlich die Wirtszelle zum Platzen bringen. Nicht selten werden von der aufgenommenen Phagen-DNA Virulenzfaktoren (meistens Toxine) exprimiert, die dadurch ein avirulentes Bakterium zum Pathogen werden lassen. Als Beispiel sei einerseits Corynebacterium diphtheriae genannt, das erst nach Transduktion in der Lage ist, Diphtherietoxin zu produzieren, und andererseits Streptococcus pyogenes, der durch Phagentransduktion das Scharlachtoxin bilden kann (s. S. 234). Stårkere Abweichungen werden meist als atypische Ståmme gefçhrt und kænnen Ursprung fçr die Defi- 2.4 Systematik der Bakterien nition einer neuen Spezies sein. Es ist verståndlich, dass bei den letztlich doch recht unscharfen Kriterien der Speziesdefinition ståndig Neugruppierun- Key Point gen und Umbenennungen erfolgen. Die Bakteriensystematik verfolgt einerseits das Ziel, einen Bestimmungsschlçssel fçr Isolate aus menschlichem Untersuchungsmaterial zu liefern. Andererseits versucht die Bakteriensystematik in Analogie zu den eukaryontischen Abstammungssystemen eine Ordnung verschiedener Spezies nach biologischen und phylogenetischen Gesichtspunkten durchzufçhren, wobei Håufungen bestimmter Eigenschaften eine Gruppierung zulassen. Die wichtigste Gruppierung von Bakterien aufgrund von Håufungen bestimmter Eigenschaften ist die Bildung von Genera (Gattungen). Die Zuordnung verschiedener Genera zu Familien ist demgegençber wesentlich unschårfer. Sie gelingt bislang nur fçr bestimmte Genera, nicht fçr alle. Die Einordnung in Gattungen bringt diagnostische Vorteile, weil die mikrobiologische Methodik verhåltnismåûig rasch die Zuordnung eines Isolates zu einer Gattung (Genus) erkennen låsst, wåhrend die Speziesidentifizierung oder gar die Charakterisie- Prokaryonten kænnen in drei Gruppen eingeteilt rung von Varianten in der Regel einen sehr viel hæ- werden: heren Zeitaufwand erfordert. frei lebende Bakterien, die auf kçnstlichen Nåhrbæden anzçchtbar sind, Von der allgemein gçltigen Systematik mit ihrer Einteilung in Klassen, Ordnungen, Familien, Gat- Bakterien ohne Zellwand und tungen und Arten sind fçr den klinischen Sprach- Bakterien, die sich obligat nur innerhalb von Zel- gebrauch praktisch nur Gattungs- und Artnamen len vermehren. wichtig; trotzdem soll anhand von Escherichia coli Bei Eukaryonten bilden definitionsgemåû Organis- und Staphylococcus aureus die Hierarchie der No- men, die sich unter natçrlichen Bedingungen paa- menklatur dargestellt werden (Tab. 2.1). ren kænnen, eine Spezies. Bei den Prokaryonten ist Die folgende Auflistung der humanmedizinisch be- das Kriterium der Paarung nicht mæglich, weil sie deutsamsten Bakterien, die auch Grundlage fçr die aus: Groû, Kurzlehrbuch Mikrobiologie (ISBN 3-13-141651-3) F 2006 Thieme Verlag 2 Allgemeine Bakteriologie Tabelle 2.1 Systematik der Bakterien Tabelle 2.2 Beispiele der Bakterien-Nomenklatur Laborblatt Staphylokokken Familie Enterobacteriaceae Micrococcaceae GRAM Gattung (Genus) Escherichia Staphylococcus O2-Toleranz fakultativ anaerob Art (Spezies) E. coli S. aureus Kapsel Varietåt z. B. Serovar z. B. Pathovar O157 EHEC Schleimproduktion bei Koagulase-negativen Staphylokokken (keine wirkliche Kapsel) R Biofilm Kultur Håmolyse = Koagulase-positive Staphylococcus aureus keine Håmolyse = Koagulase-negative Staphylokokken, KNS Katalase positiv Oxidase negativ nachfolgende Beschreibung der Systematik der Bakterien ist, berçcksichtigt die Morphologie (Kokken/Ståbchen), das Gramverhalten sowie die Art des Stoffwechsels (fakultativ anaerob, aerob, mikroaerophil, anaerob). Die in Abb. 2.6 in fett hervorgehobenen Gattungen verursachen eine Vielzahl unterschiedlicher Erkran- positive Haufenkokken Beweglichkeit unbeweglich Bemerkungen anspruchslose Keime, hohe Salzresistenz (6,5 % NaCl) Diagnostik Kultur, ggf. Serologie kungen. In diesem Kapitel werden die verschiedenen humanpathogenen Bakterien sortiert nach Gattungen systematisch vorgestellt. Die von den einzelnen Spezies verursachten Krankheitsbilder werden ausfçhrlich in den infektiologisch ausgerichteten Kapiteln dieses Lehrbuchs behandelt. 2.4.1 Grampositive Kokken Staphylokokken Staphylokokken sind grampositive Haufenkokken (Abb. 2.7), die erstmals 1884 von Robert Koch be- schrieben wurden. MERKE Staphylokokken werden in Koagulase-positive (S. aureus) und -negative Spezies (z. B. S. epidermidis, S. saprophyticus) unterteilt. mæglich (nosokomiale Infektion); dabei handelt es sich dann jedoch um eine exogene Infektion. Schon hier sei auf den Methicillin-resistenten S. aureus (MRSA, s. S.107) aufmerksam gemacht, der sich u. a. aufgrund seiner Antibiotikaresistenz weltweit in mehreren klonalen Linien stark ausbreitet (= epidemiologische Virulenz) und insbesondere im stationåren Bereich zu nosokomialen Infektionen fçhrt. Weil die Staphylokokken Ursache fçr zahlreiche Erkrankungen sind, werden ihre Virulenzfaktoren und die Therapie ausnahmsweise in diesem Kapitel besprochen und nicht im infektiologischen Buchteil bei den jeweiligen Erkrankungen. Virulenzfaktoren y Im Gegensatz zu den meisten anderen Staphylokokken-Arten exprimiert S. aureus eine Reihe von Virulenzfaktoren (Tab. 2.3), die entweder in der Zellwand lokalisiert sind oder in die Umgebung sezerniert werden: Koagulase-positive Staphylokokken (S. aureus) Zellulåre Virulenzfaktoren: Die Nasenvorhæfe von ca. 30 % aller gesunden Men- Protein A vermittelt einen antiphagozytåren Ef- schen sind mit S. aureus besiedelt. Besonders empfånglich fçr eine ± meist endogene ± Infektion sind fekt, indem es den Fc-Teil von Immunglobulinen belegt und dadurch die Bindung dieser an den Wundbereiche, Ekzeme, Ulcus cruris und Dekubital- Fc-Rezeptor der Makrophagen verhindert. Da- ulzera. Dabei besitzt S. aureus eine hohe Umweltresi- durch findet keine Phagozytose opsonierter Er- stenz und ist unempfindlich gegen Austrocknung. reger statt. Der Erreger kann 60 8C mindestens 30 Minuten çber- Der Clumpingfaktor erfçllt eine åhnliche Aufgabe leben und çbersteht die Magenpassage. Aus diesem wie die Koagulase (s. u.): Er bewirkt die Bindung Grund ist eine leichte Ausbreitung im Krankenhaus von S. aureus an Fibrinogen, das sich besonders in auch çber die Hånde des Krankenhauspersonals verletztem Gewebe, auf Implantaten und Kathe- aus: Groû, Kurzlehrbuch Mikrobiologie (ISBN 3-13-141651-3) F 2006 Thieme Verlag 33 Systematik der Bakterien 2 Allgemeine Bakteriologie Kokken fakultativ anaerob grampositiv Stäbchen gramnegativ grampositiv gramnegativ Staphylococcus S. aureus S. epidermidis S. saprophyticus Bacillus B. anthracis B. cereus Salmonella S. Typhi S. Typhimurium Corynebacterium C. diphtheriae Yersinia Y. enterocolitica Y. pestis Streptococcus S. pyogenes (GAS) S. agalactiae (GBS) S. bovis (GDS) S. pneumoniae Viridans-Streptokokken Enterococcus E. faecalis (GDS) E. faecium (GDS) Listeria L. monocytogenes Shigella spp. Escherichia E. coli Citrobacter spp. Klebsiella K. pneumoniae Enterobacter E. cloacae Proteus P. mirabilis P. vulgaris Morganella M. morganii Serratia S. marcescens Vibrio V. cholerae Pasteurella P. multocida Haemophilus H. influenzae Gardnerella G. vaginalis aerob Neisseria N. meningitidis N. gonorrhoeae Moraxella M. catarrhalis Mycobacterium M. tuberculosis M. bovis M. leprae MOTT mikroaerophil Nocardia N. asteroides Peptococcus spp. anaerob 34 Peptostreptococcus spp. Veilonella spp. Actinomyces A. israelii Propionibacterium P. acnes Clostridium C. perfringens C. tetani C. botulinum C. difficile aus: Groû, Kurzlehrbuch Mikrobiologie (ISBN 3-13-141651-3) F 2006 Thieme Verlag Pseudomonas P. aeruginosa Legionella L. pneumophila Bordetella B. pertussis Francisella F. tularensis Brucella B. abortus B. melitensis Bartonella B. henselae Campylobacter C. jejuni Helicobacter H. pylori Bacteroides spp. Porphyromonas spp. Prevotella spp. Fusobacterium spp. 2 Allgemeine Bakteriologie Schraubenbakterien Spirochaetaceae Leptospiraceae zellwandlose Bakterien obligat intrazelluläre Bakterien Systematik der Bakterien Treponema T. pallidum Borrelia B. burgdorferi Leptospira L. interrogans Mycoplasma M. pneumoniae M. hominis Ureaplasma U. urealyticum Chamydiaceae Chamydia C. trachomatis Chlamydophila C. psittaci C. pneumoniae Rickettsiaceae Abb. 2.6 Rickettsia R. provazekii Orientia O. tsutsugamushi Coxiella C. burnetii Ehrlichia E. chaffeensis Ûbersicht çber die humanmedizinisch bedeutsamsten Bakterien tern befindet. Die dadurch induzierte Aktivierung Bildung des Staphthrombins kommt, das letzt- von Fibrinmonomeren fçhrt letztendlich ± zu- endlich die Bildung von Fibrin aus Fibrinogen sammen mit der Koagulase ± zur Bildung des induziert. Zusammen mit dem Clumpingfaktor kann so ein Fibrinschutzwall gebildet werden. Er Fibrinschutzwalls, der einen Abszess umgibt. Sezernierte Virulenzfaktoren: ist fçr Antikærper und Komponenten der zellulå- Die Plasmakoagulase (PK) ist einer der wichtigs- ren ten Virulenzfaktoren von S. aureus und wird des- und scheint fçr die erste ungestærte Vermehrung Immunabwehr nahezu undurchdringlich halb auch im Labor diagnostisch fçr die Differenzierung der Staphylokokken eingesetzt: PK + des Erregers an der Eintrittspforte notwendig zu Prothrombin R Staphthrombin. Die Plasmakoa- die Eintrittspforte fçr Staphylokokken dar, daher gulase bindet an Prothrombin, wodurch es zur finden sich Staphylokokken-Abszesse meistens in der Haut (s. auch S. 281). sein. Meistens stellen Mikrotraumen in der Haut Fçr die Ausbreitung des Erregers im menschlichen Organismus muss es jedoch auch eine Mæglichkeit geben, die Abszesswand wieder durchgångig zu machen. Fçr diese Aufgabe kann S. aureus das Enzym Staphylokinase bilden, das Fibrinlysin-Aktivitåt besitzt und dadurch den Fibrinschutzwall zerstært. Die weitere Ausbreitung im infizierten Organismus wird durch Hyaluronidase und DNAse ermæglicht. Darçber hinaus bildet S. aureus eine ganze Reihe von Toxinen: Abb. 2.7 Grampråparat von Eiter mit Staphylococcus aureus aus: Groû, Kurzlehrbuch Mikrobiologie (ISBN 3-13-141651-3) F 2006 Thieme Verlag 35 36 Systematik der Bakterien 2 Allgemeine Bakteriologie Tabelle 2.3 Virulenzfaktoren von Staphylococcus aureus Virulenzfaktoren in der Zellwand Protein A Verhinderung der Phagozytose Clumpingfaktor Aktivierung von Fibrinmonomeren R Bildung eines Fibrinschutzwalls Sezernierte Virulenzfaktoren Plasmakoagulase Bildung von Fibrin aus Fibrinogen R Bildung eines Fibrinschutzwalls Staphylokinase (Fibrino- Zerstærung des Fibrinschutzwalls R Ausbreitung im Organismus lysin) Hyaluronidase Auflæsung interzellulårer Kittsubstanzen R Gewebeinvasivititåt DNAse R Gewebeinvasivititåt Håmolysine (a*, b, g, d) Zerstærung von Erythrozyten und Phagozyten R Gewebsschådigung, Dermonekrose Exfoliatintoxine A, B Epidermolyse = Spaltbildung zwischen Stratum spinosum und Stratum granulosum R Staphylococcal scaled skin syndrome (SSSS) Toxin-1 (TSST-1) Superantigen R Aktivierung von Makrophagen, Produktion von Zytokinen (TNF-a), toxisches Schocksyndrom Enterotoxine A, B, C1-3, Superantigene R Lebensmittelvergiftung, Schock D, E * starke Immunogenitåt R Bildung von diagnostisch wichtigen Antikærpern: Antistaphylolysin O Dazu gehæren u. a. vier verschiedene Håmoly- O Als weitere lebensbedrohliche Staphylokok- sine, die Erythrozyten und Phagozyten zerstæ- kenerkrankung ist das durch das Toxin-1 ren kænnen und u. a. fçr die Entstehung einer (TSST-1) bedingte toxische Schocksyndrom zu Dermonekrose verantwortlich gemacht wer- nennen. Dieses Toxin kommt bei ca. 1 % aller S.- den. Die håmolytische Aktivitåt auf Blutagar aureus-Ståmme vor und bewirkt als Superanti- wird als erstes differenzialdiagnostisches Un- gen die MHC-unabhaÈngige Aktivierung von T- terscheidungsmerkmal zwischen S. aureus und Zellen, die anschlieûend die unkontrollierte Zy- Koagulase-negativen Staphylokokken (KNS) bewertet. Das a-Håmolysin wird auch als Sta- tokinfreisetzung (vor allem von TNF-a) aus Makrophagen induzieren und damit eine phylolysin bezeichnet und ist immunogen (R Schocksymptomatik hervorrufen. diagnostische Verwendung in der Serologie). O Exfoliatintoxine kommen nur bei ca. 5 % aller S.aureus-Ståmme vor und bewirken eine Epidermolyse zwischen Stratum spinosum und Stratum granulosum. Die aus der ExfoliatintoxinWirkung resultierende Epidermolyse wird als Staphylococcal scaled skin syndrome (SSSS, s. S. 280) oder Staphylokokken-bedingtes LyellSyndrom bezeichnet und ist klinisch nicht leicht vom Arzneimittelexanthem zu unterscheiden. Gegebenenfalls ist eine histologische Untersuchung der betreffenden Hautareale zur EXKURS Superantigene Superantigene, wie z. B. Toxin-1 (TSST-1), fçhren zu einer gefåhrlichen Aktivierung von T-Zellen ohne eine vorausgehende Antigenpråsentation çber MHC-Molekçle. Superantigene sind in der Lage, MHC-Molekçle (ohne Antigen) mit dem T-Zell-Rezeptor zu vernetzen. Dies fçhrt zur polyklonalen T-Zell-Aktivierung, was wiederum zur Aktivierung von Makrophagen und zur unkontrollierten Zytokinfreisetzung fçhrt. Differenzierung notwendig. Das SSSS imponiert durch blasenartige Abhebung ganzer Hautareale und stellt eine lebensbedrohliche Komplikation einer Staphylokokkeninfektion dar. O Enterotoxine sind ebenfalls Superantigene und werden von ca. 5 % aller S.-aureusStåmme gebildet. Durch unsaubere Handhy- aus: Groû, Kurzlehrbuch Mikrobiologie (ISBN 3-13-141651-3) F 2006 Thieme Verlag 2 Allgemeine Bakteriologie Systematik der Bakterien giene kænnen sie bei der Zubereitung eines gesetzt werden. Doch die Bakterien haben gelernt Lebensmittels (vor allem Milch-, Ei- und und einen weiteren Resistenzmechanismus entwi- Schweinefleischprodukte, Hackfleisch) ckelt: Durch Expression eines verånderten Penicil- wåhrend der bakteriellen Vermehrung bereits linbindeproteins sind mittlerweile ca. 15 % aller S.- im Lebensmittel produziert werden (= pråfor- aureus-Ståmme in Deutschland resistent gegen miertes Toxin) und aufgrund ihrer Hitzestabi- Methicillin (MRSA). In diesen Fållen sollte in litåt leicht eine Lebensmittelvergiftung her- Abhångigkeit vom Antibiogramm vorgegangen wer- vorrufen. Klinik y Die durch S. aureus hervorgerufenen Erkran- den: Oft wirken hierbei Clindamycin, Rifampicin, Fosfomycin, Fusidinsåure sowie das neuere Line- kungen kænnen grob in invasive und toxinbedingte zolid. Um die Entwicklung Vancomycin-resistenter Krankheiten eingeteilt werden. Bei folgenden inva- Enterokokken zu verhindern, sollten Vancomycin siven Erkrankungen findet man S. aureus: oder Teicoplanin nur als Reserve eingesetzt werden. Abszess/Furunkel (bis 100 %, s. S. 300), Eine eventuelle Schocksymptomatik sollte sympto- Wundinfektionen (70±80 %), matisch u. a. durch Kortikosteroide therapiert wer- Osteomyelitis (50±60 %, s. S. 300), den. Aufgrund seiner starken Fåhigkeit die bakteri- Gefåûprotheseninfektionen (15±40 %), Impetigo contagiosa (20 %), elle Proteinsynthese und damit die weitere Produktion bakterieller Toxine zu hemmen, kann Pneumonie (10 %), Clindamycin zur Durchbrechung der Schocksymp- Sepsis/Endokarditis (30 %). tomatik eingesetzt werden. Darçber hinaus hat z. B. Clindamycin aufgrund seiner sehr guten GewebspeMERKE netrationsfåhigkeit generell einen wichtigen Stel- S. aureus ist der klassische Eiter- und Abszesserreger, er findet sich in nahezu jedem Abszess. lenwert bei Staphylokokken-bedingten Haut- und Weichteilinfektionen. Koagulase-negative Staphylokokken (KNS) Darçber hinaus spielt S. aureus aufgrund seines na- Im Gegensatz zu S. aureus exprimieren die Koagu- tçrlichen Vorkommens auf intakter Haut eine lase-negativen Staphylokokken keinen der bisher wichtige Rolle bei Wundinfektionen. Meist durch genannten Virulenzfaktoren und sind aus diesem systemische Ausbreitung bedingt, stellt er schlieû- Grund in der Regel als wenig pathogen einzustufen. lich vor Mycobacterium tuberculosis den wichtigs- Es handelt sich um Kommensalen von Haut und ten Erreger einer Osteomyelitis in Europa dar (in Schleimhaut, deren wichtigster Vertreter S. epidermi- Låndern des Sçdens håufig Salmonella Typhi!). Auûerdem kænnen S. aureus toxische Reaktionen aus- dis ist. Darçber hinaus seien noch S. haemolyticus, S. captitis, S. hominis und S. saprophyticus erwåhnt. læsen wie Klinik y S. saprophyticus wird nicht selten als Erreger das Staphylococcal scaled skin syndrome (SSSS), einer Harnwegsinfektion vor allem bei sexuell das toxische Schocksyndrom (TSS) und aktiven jungen Frauen gefunden, weswegen diese die Lebensmittelvergiftung. Erkrankung auch als Honeymoon-Zystitis bezeichnet Therapie y Eine reine Antibiotikatherapie eines durch wird (s. S. 308). S. aureus bedingten Abszesses ist meistens wenig erfolgreich, sondern muss durch Abszessspaltung bzw. operative Sanierung ergånzt werden. In vielen Fållen kann eine Therapie mit û-Laktamantibiotika (Penicilline, Cephalosporine) ± ggf. in Kombination mit Aminoglykosiden ± erfolgreich sein. Mehr als 80 % aller Ståmme bilden jedoch b-Laktamasen (bzw. Penicillinasen), so dass seit vielen Jahren vermehrt das b-Laktamase-stabile Methicillin bzw. jetzt Oxacillin, Dicloxacillin oder Flucloxacillin ein- EXKURS Plastikadhårenz von S. epidermidis Obwohl S. epidermidis die genannten Virulenzfaktoren fehlen, spielt er doch unter bestimmten Bedingungen eine wichtige Rolle als Krankheitserreger: Die so genannte Plastikadhårenz ermæglicht es ihm, in Form von Mikrokolonien einen Biofilm durch Schleimproduktion zu bilden und darin an Plastikmaterialien (z. B. aus: Groû, Kurzlehrbuch Mikrobiologie (ISBN 3-13-141651-3) F 2006 Thieme Verlag 37 38 Systematik der Bakterien 2 Allgemeine Bakteriologie Diagnostik von Staphylokokken Der kulturelle Nachweis von Staphylokokken stellt in der Regel kein Problem dar (Abb. 2.8). Im Gegensatz zu Streptokokken sind alle Staphylokokken Katalase-positiv. Das Vorhandensein einer Håmolyse auf Blutagar und die typische goldgelbe Koloniefarbe sind ein erster ± jedoch nicht beweisender ± Hinweis fçr das Vorliegen von S. aureus. Praxistipp Abb. 2.8 Kultur von Staphylococcus aureus Um S. aureus sicher von Koagulase-negativen Staphylokokken unterscheiden zu kænnen, ist der Nachweis der Koagulase im Ræhrchentest oder der Nachweis des Clumpingfaktors in der Objekttrågeragglutination (Abb. 2.9) notwendig. In beiden Fållen wird eine Kolonie der verdåchtigen venæse Katheter, kçnstliche Herzklappen) zu adhårie- Bakterien in Citratplasma gegeben und das Vorhan- ren. Da diese Mikrokolonien durch die Biofilmbildung densein des entsprechenden Virulenzfaktors durch vor dem Zugriff durch Antibiotika und vor der eine Art Gelatinierung im Ræhrchen (Plasmakoagu- kærpereigenen Abwehr geschçtzt sind, bleibt bei der lase positiv) oder Verklumpung auf dem Objekttrå- Kathetersepsis therapeutisch oft nur die Entfernung des kolonisierten Plastikmaterials çbrig. ger (Clumpingfaktor) sichtbar gemacht. Infektionen, die entweder kulturell wegen vorbestehender Antibiose nur schwer oder gar nicht nachweisbar sind oder bei denen eine Materialab- Therapie y Aufgrund der meistens stark ausgepråg- nahme am Ort der Infektion schwierig ist (z. B. ten Resistenzsituation bei Koagulase-negativen Sta- Osteomyelitis) kænnen u. U. serologisch durch den phylokokken sollten diese, wie auch die S. sapro- Nachweis von Antikærpern gegen Staphylolysin (a- phyticus bedingte Honeymoon-Cystitis, nach Anti- Håmolysin) nachgewiesen werden. biogramm therapiert werden. Abb. 2.9 Koagulasetest zur Differenzierung von Staphylokokken. Nach Einreiben von Staphylokokken in Citratplasma kommt es bei S. epidermidis zur milchigen Verteilung (links), wåhrend S. aureus zur Verklumpung (rechts) fçhrt. aus: Groû, Kurzlehrbuch Mikrobiologie (ISBN 3-13-141651-3) F 2006 Thieme Verlag