2.4 Systematik der Bakterien

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Systematik der Bakterien
2 Allgemeine Bakteriologie
Die Transduktion mit einem lytischen Phagen
sich in erster Linie durch Teilung vermehren. Es
fçhrt zur intrabakteriellen Synthese neuer Pha-
mçssen deshalb andere Kriterien zur Definition der
genpartikel mit anschlieûender Lyse des Bakteri-
Bakterienspezies herangezogen werden.
ums.
Die Transduktion mit einem lysogenen Phagen
MERKE
fçhrt zur Integration der Phagen-DNA in die
Im Wesentlichen ist fçr die Definition der Bakterienspezies das statistische Kriterium der Ûbereinstimmung in mæglichst vielen stabilen
morphologischen, kulturellen, biochemischen und
genetischen (einschl. Nukleinsåuresequenz) Eigenschaften maûgebend. Ist durch diese Charakterisierung eine Spezies definiert worden, kann
man Variationen je nach untersuchter Eigenschaft
als Biovare (biologische Gemeinsamkeiten), Serovare (serologische Gemeinsamkeiten), Phagovare
(Empfånglichkeit fçr gleiche oder åhnliche Bakteriophagen), Pathovare (pathogenetische Gemeinsamkeiten) etc. bezeichnen.
Bakterien-DNA. Im integrierten Zustand wird
das Phagengenom als Prophage (temperenter
Phage) bezeichnet. Durch exogene Faktoren oder
spontan kann der Prophage wieder zur vegetativen Form werden, neue Phagen produzieren und
schlieûlich die Wirtszelle zum Platzen bringen.
Nicht selten werden von der aufgenommenen Phagen-DNA Virulenzfaktoren (meistens Toxine) exprimiert, die dadurch ein avirulentes Bakterium zum
Pathogen werden lassen. Als Beispiel sei einerseits
Corynebacterium diphtheriae genannt, das erst nach
Transduktion in der Lage ist, Diphtherietoxin zu
produzieren, und andererseits Streptococcus pyogenes, der durch Phagentransduktion das Scharlachtoxin bilden kann (s. S. 234).
Stårkere Abweichungen werden meist als atypische
Ståmme gefçhrt und kænnen Ursprung fçr die Defi-
2.4 Systematik der Bakterien
nition einer neuen Spezies sein. Es ist verståndlich,
dass bei den letztlich doch recht unscharfen Kriterien der Speziesdefinition ståndig Neugruppierun-
Key Point
gen und Umbenennungen erfolgen.
Die Bakteriensystematik verfolgt einerseits
das Ziel, einen Bestimmungsschlçssel fçr Isolate aus menschlichem Untersuchungsmaterial zu liefern. Andererseits versucht die Bakteriensystematik in Analogie zu den eukaryontischen Abstammungssystemen eine
Ordnung verschiedener Spezies nach biologischen und phylogenetischen Gesichtspunkten
durchzufçhren, wobei Håufungen bestimmter Eigenschaften eine Gruppierung zulassen.
Die wichtigste Gruppierung von Bakterien aufgrund von Håufungen bestimmter Eigenschaften ist
die Bildung von Genera (Gattungen). Die Zuordnung verschiedener Genera zu Familien ist demgegençber wesentlich unschårfer. Sie gelingt bislang
nur fçr bestimmte Genera, nicht fçr alle. Die Einordnung in Gattungen bringt diagnostische Vorteile, weil die mikrobiologische Methodik verhåltnismåûig rasch die Zuordnung eines Isolates zu
einer Gattung (Genus) erkennen låsst, wåhrend die
Speziesidentifizierung oder gar die Charakterisie-
Prokaryonten kænnen in drei Gruppen eingeteilt
rung von Varianten in der Regel einen sehr viel hæ-
werden:
heren Zeitaufwand erfordert.
frei lebende Bakterien, die auf kçnstlichen Nåhrbæden anzçchtbar sind,
Von der allgemein gçltigen Systematik mit ihrer
Einteilung in Klassen, Ordnungen, Familien, Gat-
Bakterien ohne Zellwand und
tungen und Arten sind fçr den klinischen Sprach-
Bakterien, die sich obligat nur innerhalb von Zel-
gebrauch praktisch nur Gattungs- und Artnamen
len vermehren.
wichtig; trotzdem soll anhand von Escherichia coli
Bei Eukaryonten bilden definitionsgemåû Organis-
und Staphylococcus aureus die Hierarchie der No-
men, die sich unter natçrlichen Bedingungen paa-
menklatur dargestellt werden (Tab. 2.1).
ren kænnen, eine Spezies. Bei den Prokaryonten ist
Die folgende Auflistung der humanmedizinisch be-
das Kriterium der Paarung nicht mæglich, weil sie
deutsamsten Bakterien, die auch Grundlage fçr die
aus: Groû, Kurzlehrbuch Mikrobiologie (ISBN 3-13-141651-3) F 2006 Thieme Verlag
2 Allgemeine Bakteriologie
Tabelle 2.1
Systematik der Bakterien
Tabelle 2.2
Beispiele der Bakterien-Nomenklatur
Laborblatt Staphylokokken
Familie
Enterobacteriaceae Micrococcaceae
GRAM
Gattung (Genus)
Escherichia
Staphylococcus
O2-Toleranz
fakultativ anaerob
Art (Spezies)
E. coli
S. aureus
Kapsel
Varietåt
z. B. Serovar
z. B. Pathovar
O157
EHEC
Schleimproduktion bei Koagulase-negativen
Staphylokokken (keine wirkliche Kapsel) R
Biofilm
Kultur
Håmolyse = Koagulase-positive Staphylococcus aureus
keine Håmolyse = Koagulase-negative Staphylokokken, KNS
Katalase
positiv
Oxidase
negativ
nachfolgende Beschreibung der Systematik der
Bakterien ist, berçcksichtigt die Morphologie (Kokken/Ståbchen), das Gramverhalten sowie die Art
des Stoffwechsels (fakultativ anaerob, aerob, mikroaerophil, anaerob).
Die in Abb. 2.6 in fett hervorgehobenen Gattungen
verursachen eine Vielzahl unterschiedlicher Erkran-
positive Haufenkokken
Beweglichkeit unbeweglich
Bemerkungen anspruchslose Keime, hohe Salzresistenz
(6,5 % NaCl)
Diagnostik
Kultur, ggf. Serologie
kungen. In diesem Kapitel werden die verschiedenen humanpathogenen Bakterien sortiert nach Gattungen systematisch vorgestellt. Die von den
einzelnen Spezies verursachten Krankheitsbilder
werden ausfçhrlich in den infektiologisch ausgerichteten Kapiteln dieses Lehrbuchs behandelt.
2.4.1 Grampositive Kokken
Staphylokokken
Staphylokokken sind grampositive Haufenkokken
(Abb. 2.7), die erstmals 1884 von Robert Koch be-
schrieben wurden.
MERKE
Staphylokokken werden in Koagulase-positive
(S. aureus) und -negative Spezies (z. B. S. epidermidis, S. saprophyticus) unterteilt.
mæglich (nosokomiale Infektion); dabei handelt es
sich dann jedoch um eine exogene Infektion. Schon
hier sei auf den Methicillin-resistenten S. aureus
(MRSA, s. S.107) aufmerksam gemacht, der sich u. a.
aufgrund seiner Antibiotikaresistenz weltweit in
mehreren klonalen Linien stark ausbreitet (= epidemiologische Virulenz) und insbesondere im stationåren Bereich zu nosokomialen Infektionen fçhrt.
Weil die Staphylokokken Ursache fçr zahlreiche Erkrankungen sind, werden ihre Virulenzfaktoren
und die Therapie ausnahmsweise in diesem Kapitel
besprochen und nicht im infektiologischen Buchteil
bei den jeweiligen Erkrankungen.
Virulenzfaktoren y Im Gegensatz zu den meisten
anderen Staphylokokken-Arten exprimiert S. aureus
eine Reihe von Virulenzfaktoren (Tab. 2.3), die entweder in der Zellwand lokalisiert sind oder in die
Umgebung sezerniert werden:
Koagulase-positive Staphylokokken (S. aureus)
Zellulåre Virulenzfaktoren:
Die Nasenvorhæfe von ca. 30 % aller gesunden Men-
Protein A vermittelt einen antiphagozytåren Ef-
schen sind mit S. aureus besiedelt. Besonders empfånglich fçr eine ± meist endogene ± Infektion sind
fekt, indem es den Fc-Teil von Immunglobulinen
belegt und dadurch die Bindung dieser an den
Wundbereiche, Ekzeme, Ulcus cruris und Dekubital-
Fc-Rezeptor der Makrophagen verhindert. Da-
ulzera. Dabei besitzt S. aureus eine hohe Umweltresi-
durch findet keine Phagozytose opsonierter Er-
stenz und ist unempfindlich gegen Austrocknung.
reger statt.
Der Erreger kann 60 8C mindestens 30 Minuten çber-
Der Clumpingfaktor erfçllt eine åhnliche Aufgabe
leben und çbersteht die Magenpassage. Aus diesem
wie die Koagulase (s. u.): Er bewirkt die Bindung
Grund ist eine leichte Ausbreitung im Krankenhaus
von S. aureus an Fibrinogen, das sich besonders in
auch çber die Hånde des Krankenhauspersonals
verletztem Gewebe, auf Implantaten und Kathe-
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Systematik der Bakterien
2 Allgemeine Bakteriologie
Kokken
fakultativ anaerob
grampositiv
Stäbchen
gramnegativ
grampositiv
gramnegativ
Staphylococcus
S. aureus
S. epidermidis
S. saprophyticus
Bacillus
B. anthracis
B. cereus
Salmonella
S. Typhi
S. Typhimurium
Corynebacterium
C. diphtheriae
Yersinia
Y. enterocolitica
Y. pestis
Streptococcus
S. pyogenes (GAS)
S. agalactiae (GBS)
S. bovis (GDS)
S. pneumoniae
Viridans-Streptokokken
Enterococcus
E. faecalis (GDS)
E. faecium (GDS)
Listeria
L. monocytogenes
Shigella spp.
Escherichia
E. coli
Citrobacter spp.
Klebsiella
K. pneumoniae
Enterobacter
E. cloacae
Proteus
P. mirabilis
P. vulgaris
Morganella
M. morganii
Serratia
S. marcescens
Vibrio
V. cholerae
Pasteurella
P. multocida
Haemophilus
H. influenzae
Gardnerella
G. vaginalis
aerob
Neisseria
N. meningitidis
N. gonorrhoeae
Moraxella
M. catarrhalis
Mycobacterium
M. tuberculosis
M. bovis
M. leprae
MOTT
mikroaerophil
Nocardia
N. asteroides
Peptococcus spp.
anaerob
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Peptostreptococcus spp.
Veilonella spp.
Actinomyces
A. israelii
Propionibacterium
P. acnes
Clostridium
C. perfringens
C. tetani
C. botulinum
C. difficile
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Pseudomonas
P. aeruginosa
Legionella
L. pneumophila
Bordetella
B. pertussis
Francisella
F. tularensis
Brucella
B. abortus
B. melitensis
Bartonella
B. henselae
Campylobacter
C. jejuni
Helicobacter
H. pylori
Bacteroides spp.
Porphyromonas spp.
Prevotella spp.
Fusobacterium spp.
2 Allgemeine Bakteriologie
Schraubenbakterien
Spirochaetaceae
Leptospiraceae
zellwandlose Bakterien
obligat intrazelluläre Bakterien
Systematik der Bakterien
Treponema
T. pallidum
Borrelia
B. burgdorferi
Leptospira
L. interrogans
Mycoplasma
M. pneumoniae
M. hominis
Ureaplasma
U. urealyticum
Chamydiaceae
Chamydia
C. trachomatis
Chlamydophila
C. psittaci
C. pneumoniae
Rickettsiaceae
Abb. 2.6
Rickettsia
R. provazekii
Orientia
O. tsutsugamushi
Coxiella
C. burnetii
Ehrlichia
E. chaffeensis
Ûbersicht çber die humanmedizinisch bedeutsamsten Bakterien
tern befindet. Die dadurch induzierte Aktivierung
Bildung des Staphthrombins kommt, das letzt-
von Fibrinmonomeren fçhrt letztendlich ± zu-
endlich die Bildung von Fibrin aus Fibrinogen
sammen mit der Koagulase ± zur Bildung des
induziert. Zusammen mit dem Clumpingfaktor
kann so ein Fibrinschutzwall gebildet werden. Er
Fibrinschutzwalls, der einen Abszess umgibt.
Sezernierte Virulenzfaktoren:
ist fçr Antikærper und Komponenten der zellulå-
Die Plasmakoagulase (PK) ist einer der wichtigs-
ren
ten Virulenzfaktoren von S. aureus und wird des-
und scheint fçr die erste ungestærte Vermehrung
Immunabwehr
nahezu
undurchdringlich
halb auch im Labor diagnostisch fçr die Differenzierung der Staphylokokken eingesetzt: PK +
des Erregers an der Eintrittspforte notwendig zu
Prothrombin R Staphthrombin. Die Plasmakoa-
die Eintrittspforte fçr Staphylokokken dar, daher
gulase bindet an Prothrombin, wodurch es zur
finden sich Staphylokokken-Abszesse meistens
in der Haut (s. auch S. 281).
sein. Meistens stellen Mikrotraumen in der Haut
Fçr die Ausbreitung des Erregers im menschlichen Organismus muss es jedoch auch eine
Mæglichkeit geben, die Abszesswand wieder
durchgångig zu machen. Fçr diese Aufgabe kann
S. aureus das Enzym Staphylokinase bilden, das
Fibrinlysin-Aktivitåt besitzt und dadurch den
Fibrinschutzwall zerstært. Die weitere Ausbreitung im infizierten Organismus wird durch Hyaluronidase und DNAse ermæglicht.
Darçber hinaus bildet S. aureus eine ganze Reihe
von Toxinen:
Abb. 2.7
Grampråparat von Eiter mit Staphylococcus aureus
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Systematik der Bakterien
2 Allgemeine Bakteriologie
Tabelle 2.3
Virulenzfaktoren von Staphylococcus aureus
Virulenzfaktoren in der Zellwand
Protein A
Verhinderung der Phagozytose
Clumpingfaktor
Aktivierung von Fibrinmonomeren R Bildung eines Fibrinschutzwalls
Sezernierte Virulenzfaktoren
Plasmakoagulase
Bildung von Fibrin aus Fibrinogen R Bildung eines Fibrinschutzwalls
Staphylokinase (Fibrino- Zerstærung des Fibrinschutzwalls R Ausbreitung im Organismus
lysin)
Hyaluronidase
Auflæsung interzellulårer Kittsubstanzen R Gewebeinvasivititåt
DNAse
R Gewebeinvasivititåt
Håmolysine (a*, b, g, d) Zerstærung von Erythrozyten und Phagozyten R Gewebsschådigung, Dermonekrose
Exfoliatintoxine A, B
Epidermolyse = Spaltbildung zwischen Stratum spinosum und Stratum granulosum R Staphylococcal
scaled skin syndrome (SSSS)
Toxin-1 (TSST-1)
Superantigen R Aktivierung von Makrophagen, Produktion von Zytokinen (TNF-a), toxisches Schocksyndrom
Enterotoxine A, B, C1-3, Superantigene R Lebensmittelvergiftung, Schock
D, E
* starke Immunogenitåt R Bildung von diagnostisch wichtigen Antikærpern: Antistaphylolysin
O Dazu gehæren u. a. vier verschiedene Håmoly-
O Als weitere lebensbedrohliche Staphylokok-
sine, die Erythrozyten und Phagozyten zerstæ-
kenerkrankung ist das durch das Toxin-1
ren kænnen und u. a. fçr die Entstehung einer
(TSST-1) bedingte toxische Schocksyndrom zu
Dermonekrose verantwortlich gemacht wer-
nennen. Dieses Toxin kommt bei ca. 1 % aller S.-
den. Die håmolytische Aktivitåt auf Blutagar
aureus-Ståmme vor und bewirkt als Superanti-
wird als erstes differenzialdiagnostisches Un-
gen die MHC-unabhaÈngige Aktivierung von T-
terscheidungsmerkmal zwischen S. aureus und
Zellen, die anschlieûend die unkontrollierte Zy-
Koagulase-negativen Staphylokokken (KNS)
bewertet. Das a-Håmolysin wird auch als Sta-
tokinfreisetzung (vor allem von TNF-a) aus
Makrophagen induzieren und damit eine
phylolysin bezeichnet und ist immunogen (R
Schocksymptomatik hervorrufen.
diagnostische Verwendung in der Serologie).
O Exfoliatintoxine kommen nur bei ca. 5 % aller S.aureus-Ståmme vor und bewirken eine Epidermolyse zwischen Stratum spinosum und Stratum granulosum. Die aus der ExfoliatintoxinWirkung resultierende Epidermolyse wird als
Staphylococcal scaled skin syndrome (SSSS,
s. S. 280) oder Staphylokokken-bedingtes LyellSyndrom bezeichnet und ist klinisch nicht
leicht vom Arzneimittelexanthem zu unterscheiden. Gegebenenfalls ist eine histologische
Untersuchung der betreffenden Hautareale zur
EXKURS
Superantigene
Superantigene, wie z. B. Toxin-1 (TSST-1), fçhren zu
einer gefåhrlichen Aktivierung von T-Zellen ohne eine
vorausgehende Antigenpråsentation çber MHC-Molekçle. Superantigene sind in der Lage, MHC-Molekçle
(ohne Antigen) mit dem T-Zell-Rezeptor zu vernetzen. Dies fçhrt zur polyklonalen T-Zell-Aktivierung,
was wiederum zur Aktivierung von Makrophagen und
zur unkontrollierten Zytokinfreisetzung fçhrt.
Differenzierung notwendig. Das SSSS imponiert
durch blasenartige Abhebung ganzer Hautareale und stellt eine lebensbedrohliche Komplikation einer Staphylokokkeninfektion dar.
O Enterotoxine sind ebenfalls Superantigene
und werden von ca. 5 % aller S.-aureusStåmme gebildet. Durch unsaubere Handhy-
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2 Allgemeine Bakteriologie
Systematik der Bakterien
giene kænnen sie bei der Zubereitung eines
gesetzt werden. Doch die Bakterien haben gelernt
Lebensmittels (vor allem Milch-, Ei- und
und einen weiteren Resistenzmechanismus entwi-
Schweinefleischprodukte,
Hackfleisch)
ckelt: Durch Expression eines verånderten Penicil-
wåhrend der bakteriellen Vermehrung bereits
linbindeproteins sind mittlerweile ca. 15 % aller S.-
im Lebensmittel produziert werden (= pråfor-
aureus-Ståmme in Deutschland resistent gegen
miertes Toxin) und aufgrund ihrer Hitzestabi-
Methicillin (MRSA). In diesen Fållen sollte in
litåt leicht eine Lebensmittelvergiftung her-
Abhångigkeit vom Antibiogramm vorgegangen wer-
vorrufen.
Klinik y Die durch S. aureus hervorgerufenen Erkran-
den: Oft wirken hierbei Clindamycin, Rifampicin,
Fosfomycin, Fusidinsåure sowie das neuere Line-
kungen kænnen grob in invasive und toxinbedingte
zolid. Um die Entwicklung Vancomycin-resistenter
Krankheiten eingeteilt werden. Bei folgenden inva-
Enterokokken zu verhindern, sollten Vancomycin
siven Erkrankungen findet man S. aureus:
oder Teicoplanin nur als Reserve eingesetzt werden.
Abszess/Furunkel (bis 100 %, s. S. 300),
Eine eventuelle Schocksymptomatik sollte sympto-
Wundinfektionen (70±80 %),
matisch u. a. durch Kortikosteroide therapiert wer-
Osteomyelitis (50±60 %, s. S. 300),
den. Aufgrund seiner starken Fåhigkeit die bakteri-
Gefåûprotheseninfektionen (15±40 %),
Impetigo contagiosa (20 %),
elle Proteinsynthese und damit die weitere
Produktion bakterieller Toxine zu hemmen, kann
Pneumonie (10 %),
Clindamycin zur Durchbrechung der Schocksymp-
Sepsis/Endokarditis (30 %).
tomatik eingesetzt werden. Darçber hinaus hat
z. B.
Clindamycin aufgrund seiner sehr guten GewebspeMERKE
netrationsfåhigkeit generell einen wichtigen Stel-
S. aureus ist der klassische Eiter- und Abszesserreger, er findet sich in nahezu jedem Abszess.
lenwert bei Staphylokokken-bedingten Haut- und
Weichteilinfektionen.
Koagulase-negative Staphylokokken (KNS)
Darçber hinaus spielt S. aureus aufgrund seines na-
Im Gegensatz zu S. aureus exprimieren die Koagu-
tçrlichen Vorkommens auf intakter Haut eine
lase-negativen Staphylokokken keinen der bisher
wichtige Rolle bei Wundinfektionen. Meist durch
genannten Virulenzfaktoren und sind aus diesem
systemische Ausbreitung bedingt, stellt er schlieû-
Grund in der Regel als wenig pathogen einzustufen.
lich vor Mycobacterium tuberculosis den wichtigs-
Es handelt sich um Kommensalen von Haut und
ten Erreger einer Osteomyelitis in Europa dar (in
Schleimhaut, deren wichtigster Vertreter S. epidermi-
Låndern des Sçdens håufig Salmonella Typhi!). Auûerdem kænnen S. aureus toxische Reaktionen aus-
dis ist. Darçber hinaus seien noch S. haemolyticus,
S. captitis, S. hominis und S. saprophyticus erwåhnt.
læsen wie
Klinik y S. saprophyticus wird nicht selten als Erreger
das Staphylococcal scaled skin syndrome (SSSS),
einer Harnwegsinfektion vor allem bei sexuell
das toxische Schocksyndrom (TSS) und
aktiven jungen Frauen gefunden, weswegen diese
die Lebensmittelvergiftung.
Erkrankung auch als Honeymoon-Zystitis bezeichnet
Therapie y Eine reine Antibiotikatherapie eines durch
wird (s. S. 308).
S. aureus bedingten Abszesses ist meistens wenig
erfolgreich, sondern muss durch Abszessspaltung
bzw. operative Sanierung ergånzt werden. In vielen
Fållen kann eine Therapie mit û-Laktamantibiotika
(Penicilline, Cephalosporine) ± ggf. in Kombination
mit Aminoglykosiden ± erfolgreich sein. Mehr als
80 % aller Ståmme bilden jedoch b-Laktamasen
(bzw. Penicillinasen), so dass seit vielen Jahren
vermehrt das b-Laktamase-stabile Methicillin bzw.
jetzt Oxacillin, Dicloxacillin oder Flucloxacillin ein-
EXKURS
Plastikadhårenz von S. epidermidis
Obwohl S. epidermidis die genannten Virulenzfaktoren
fehlen, spielt er doch unter bestimmten Bedingungen
eine wichtige Rolle als Krankheitserreger: Die so
genannte Plastikadhårenz ermæglicht es ihm, in Form
von Mikrokolonien einen Biofilm durch Schleimproduktion zu bilden und darin an Plastikmaterialien (z. B.
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Systematik der Bakterien
2 Allgemeine Bakteriologie
Diagnostik von Staphylokokken
Der kulturelle Nachweis von Staphylokokken stellt
in der Regel kein Problem dar (Abb. 2.8). Im Gegensatz zu Streptokokken sind alle Staphylokokken Katalase-positiv. Das Vorhandensein einer Håmolyse
auf Blutagar und die typische goldgelbe Koloniefarbe sind ein erster ± jedoch nicht beweisender ±
Hinweis fçr das Vorliegen von S. aureus.
Praxistipp
Abb. 2.8
Kultur von Staphylococcus aureus
Um S. aureus sicher von Koagulase-negativen Staphylokokken unterscheiden zu
kænnen, ist der Nachweis der Koagulase im
Ræhrchentest oder der Nachweis des Clumpingfaktors in der Objekttrågeragglutination (Abb. 2.9) notwendig.
In beiden Fållen wird eine Kolonie der verdåchtigen
venæse Katheter, kçnstliche Herzklappen) zu adhårie-
Bakterien in Citratplasma gegeben und das Vorhan-
ren. Da diese Mikrokolonien durch die Biofilmbildung
densein des entsprechenden Virulenzfaktors durch
vor dem Zugriff durch Antibiotika und vor der
eine Art Gelatinierung im Ræhrchen (Plasmakoagu-
kærpereigenen Abwehr geschçtzt sind, bleibt bei der
lase positiv) oder Verklumpung auf dem Objekttrå-
Kathetersepsis therapeutisch oft nur die Entfernung
des kolonisierten Plastikmaterials çbrig.
ger (Clumpingfaktor) sichtbar gemacht.
Infektionen, die entweder kulturell wegen vorbestehender Antibiose nur schwer oder gar nicht
nachweisbar sind oder bei denen eine Materialab-
Therapie y Aufgrund der meistens stark ausgepråg-
nahme am Ort der Infektion schwierig ist (z. B.
ten Resistenzsituation bei Koagulase-negativen Sta-
Osteomyelitis) kænnen u. U. serologisch durch den
phylokokken sollten diese, wie auch die S. sapro-
Nachweis von Antikærpern gegen Staphylolysin (a-
phyticus bedingte Honeymoon-Cystitis, nach Anti-
Håmolysin) nachgewiesen werden.
biogramm therapiert werden.
Abb. 2.9 Koagulasetest zur Differenzierung von Staphylokokken. Nach Einreiben von Staphylokokken in Citratplasma kommt
es bei S. epidermidis zur milchigen Verteilung (links), wåhrend S. aureus zur Verklumpung (rechts) fçhrt.
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