Methoden der kognitiven Neurowissenschaften Magnetenzephalographie Email: [email protected]; Telefon (bevorzugt): 0341 9940 2606 Leipzig • 2013-05-24 MEG Magnetenzephalographie Magnetenzephalograph Magnetenzephalogramm = MEG Leipzig • 2013-05-24 Methodenübersicht Quelle: Courtesy of J. Obleser Leipzig • 2013-05-24 Wie sieht so ein Magnetenzephalograph aus? Leipzig • 2013-05-24 Magnetenzephalograph Hersteller: Elekta-Neuromag, Helsinki, Finnland 306 Kanäle an 102 Positionen + 128 EEG Kanäle (max.) Sitz- oder Liegeposition max. 4000 Hz sampling Helmartige Anordnung Quelle: Elekta Neuromag Vectorview Leipzig • 2013-05-24 Elektroenzephalographie am Menschen Hans Berger, 1920er Jahre: Elektrische Aktivität des Gehirn (Enzephalon) kann non-invasiv erfasst werden. EEG Quelle: Berger, 1929; http://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Berger_(Neurologe) Leipzig • 2013-05-24 … zum Magnetfeld Wo ein Strom fließt, wird auch ein Magnetfeld erzeugt Was passiert also magnetisch beim neuralen Stromfluss? Leipzig • 2013-05-24 Zur Wiederholung: Entstehung des EEG “Bei synchroner Depolarisation vieler Pyramidenzellen summiert sich der resultierende extrazelluläre Stromfluss zum EEG, und zwar zu einer Oberflächennegativierung” (Elbert et al., p. 197) Leipzig • 2013-05-24 Magnetisches Feld im Gehirn Postsynaptische Potentiale (PSP) Einzelzelle: 0,2 pAm 10 nAm : 50.000 Zellen Aktionspotential wird (in aller Regel) nicht gemessen Quelle: Courtesy of B. Maess Leipzig • 2013-05-24 Was wird gemessen? MEG misst vor allem die sog. primary currents EEG misst primary und seconday currents Quelle: Baillet, 2001 Leipzig • 2013-05-24 Erste MEG-Messung am Menschen D. Cohen 1968, 1972 Quelle: Cohen, 1968, 1972 Leipzig • 2013-05-24 Warum MEG? Leipzig • 2013-05-24 Warum MEG? Lokalisation der neuralen Quellen im Gehirn Hohe zeitliche Auflösung (< ms), wie auch im EEG Non-invasives Verfahren Lokalisation (in der Regel) einfacher/besser als im EEG, weil das Magnetfeld wenig gestört wird durch Kopfgewebe Leipzig • 2013-05-24 Vom Einkanal- zum Ganzkopfsystem 2005 1 Quelle: Courtesy of B. Maess Leipzig • 2013-05-24 7 24 - 37 122 300 Vom Gehirn erzeugte Magnetfelder Magnetfeldstärken werden in Tesla gemessen -12 10 -15 10 Quelle: Courtesy of J. Obleser Leipzig • 2013-05-24 Tesla = PicoTesla (pT) Tesla = FemtoTesla (fT) Abschirmung Messen dieser kleinen Feldstärkeänderungen erfordert mehrschichtige Abschirmkammern Vor allem gegen große sich bewegende Metallteile: Fahrstühle, Autos, Züge, Straßenbahn Software zur Rauschunterdrückung, z.B. Abziehen von Signalen die auf sog. "Referenz”-Kanälen (ohne Hirn!) und den MEG-Kanälen (Rauschen+Hirn) zu sehen sind Signal Space Separation (SSS) Methode zur mathematischen Trennung von Signal und Rauschen (MEG daher in Bennewitz und nicht in Leipzig) Quelle: Courtesy of J. Obleser Leipzig • 2013-05-24 Was wird gemessen? – Dipol (Neurale Population und Ausrichtung) Leipzig • 2013-05-24 Dipol (und dessen Orientierung) Dipol: Ein Model für Aktivierung einer neuronalen Population Unterschiedliche Kopf-/Sensor-Verteilungen: EEG vs. MEG Quelle: Hämäläinen et al., 1993 Leipzig • 2013-05-24 Dipol-Orientierung MEG ist blind für bestimmte Quellen Radial vs. Tangential ausgerichtete Dipole Quelle: Vrba & Robinson, 2001 Leipzig • 2013-05-24 Dipol-Richtung ermitteln Rechte Daumenregel Positiv: nach außen gehendes magnetisches Feld pos. neg. Negativ: nach innen gehendes magnetisches Feld Leipzig • 2013-05-24 MEG-Sensoren Quelle: Elekta Neuromag Vectorview Leipzig • 2013-05-24 MEG-Sensoren SQUIDS: Das Herz vom MEG SQUID (superconducting quantum interference device) Hochsensitiv für magnetische Felder Nicht jedoch für direkte Detektion magnetischer Felder Gekoppelt mit Flux transformers (pick up coils) Externer magnetischer Fluss, erzeugt von den Strömen im Gehirn Tritt in einen supraleitenden Mess-Coil ein Dort werden wiederum Ströme erzeugt, deren Magnetfeld im eigentlichen SQUID registriert werden Quelle: Hari & Salmelin, 1997 Leipzig • 2013-05-24 Supraleitung – Temperatur Der Coil im MEG ist nur supraleitend bei Temperaturen von weniger als 4 Kelvin (entspricht –269° Celsius) Coils sind deshalb in kaltes, füßiges Helium gebettet. Helium verdampft langsam, muss regelmäßig (1–2 x die Woche) nachgefüllt werden. Flüssiges Helium Exzellente Isolation: 20°C vs. -269°C Vakuum Sensoren Quelle: Hämäläinen et al., 1993 Leipzig • 2013-05-24 Pick-up coils An jeder der 102 Positionen: Ein Magnetometer und zwei Gradiometer Magnetometer two loops – one planar gradiometer planar gradiometer Magnetometer Quelle: Courtesy of B. Maess; Vrba & Robinson, 2001 Leipzig • 2013-05-24 planarer Gradiometer Magnetometer (Einheit: T) Quelle befindet sich senkrecht zu den Sensoren 102 Magnetometerkanäle im Neuromag-System Leipzig • 2013-05-24 Planare Gradiometer (Einheit: T/m) Quelle befindet sich direkt unter den Sensoren 204 Gradiometerkanäle im Neuromag-System Gradiometerpaar II Differenz = 0 Gradiometerpaar I Differenz > 0 Leipzig • 2013-05-24 MAG vs. GRD: Feldverteilung Nur ein GRD-Paar hier dargestellt Quelle: Parkkonen, 2010 Leipzig • 2013-05-24 EEG vs. MEG: Potential-/Feldverteilung EEG Radialer Dipol Tangentialer Dipol MAG GRD Quelle: Besa Dipole Simulator Leipzig • 2013-05-24 Magnetometer vs. Gradiometer im MEG Magnetometer (fT) Gradiometer (pT/m) Stärkstes Signal bei Minima/Maxima Stärkstes Signal direkt über der Quelle Quelle etwa da, wo die Feldlinien am engsten liegen Misst vorrangig oberflächliche Quellen Misst auch tiefe (weiter entfernte) Quellen Gut für Statistik im SensorRaum Information über Richtung des Dipols Outgoing Ingoing Leipzig • 2013-05-24 Ereignis-korrelierte Felder Leipzig • 2013-05-24 Ereignis-korrelierte Felder (EKF) Mehr oder weniger wie im EEG Im MEG eventuell zuvor noch Rauschunterdrückung durchgeführt Bezeichnung der Komponenten A) in Anlehnung an EEG „m“ angefügt B) eigene Bezeichnung, z.B. M50, M100, M200 ist moderner Leipzig • 2013-05-24 „Butterfly“ Darstellung „Butterfly plots“ – alle Kanäle übereinander dargestellt Magnetfeld steht orthogonal zum Stromfluss Es gibt entsprechend keine "Negativität" / "Positivität" wie im EEG. Stattdessen: "Ingoing" / "Outgoing" field Vor allem deskriptiv Magnetometer outgoing Quelle: Herrmann et al., 2011 Leipzig • 2013-05-24 ingoing Zeitverlauf für bestimmte Regionen Region of interest (ROI) Analyse RMS = root mean squared amplitude (daher nur positive Werte) Leipzig • 2013-05-24 Darstellung einzelner Kanäle Vorteil: Polarität kann erhalten bleiben für Vergleich zwischen z.B. zwei experimentellen Bedingungen Problem: Statistischer Unterschied zwischen 2 Amplituden kann auch ein Unterschied im Aktivierungsmaximum sein Quelle: Huotilainen et al., 1998 Leipzig • 2013-05-24 Statistik im Sensor-Raum? Potentielle Schwierigkeiten bei Statistik im Sensor-Raum Unterschiede in Kopfgröße zwischen Probanden Unterschiede in Kopfposition innerhalb und zwischen Probanden Transformation auf einheitliche Kopfposition hilft beim 2. Problem (SSS-Korrektur) Quelle: Wehner et al., 2008; Taulu et al., 2004, 2005 Leipzig • 2013-05-24 MEG: Quellenlokalisation Vom magnetischen Feld (T und T/m) zur Quelle (Am) Leipzig • 2013-05-24 Quellenlokalisation Ziel der Lokalisation: Bestimmung der aktivierten Regionen im Gehirn Aktivierungsstärke ermitteln Zeitlicher Verlauf der Aktvierung measured Quelle: Courtesy of B. Maess Leipzig • 2013-05-24 Inverses Problem Das "inverse Problem" Helmholtz, 1881: Es existiert keine eindeutige Lösung. Theoretisch gibt es eine unendliche Anzahl an möglichen Quellverteilungen, welche alle exakt die gleiche Potential- bzw. Feldverteilung auf der Kopfoberfläche erzeugen! 2D – Oberfläche (Sensoren) 3D – Volumen INV (Quellen) FWD INV Quelle: Baillet, 2010 Leipzig • 2013-05-24 Inverses Problem Um dem inserven Problem zu begegnen müssen Restriktionen eingeführt werden: Anzahl zugelassener Quellen Ort zugelassener Quellen Ausrichtung zugelassener Quellen fMRT als „prior“ (funktionelle Vorannahmen) D.h. funktionelle Lokalisation hängt zu einem gewissen Grad vom Modell und den Annahmen ab Es bleibt also eine Unsicherheit INV Leipzig • 2013-05-24 Vorwärtsproblem Um das inverse Problem zu lösen muss erst das Vorwärtsproblem (forward problem) gelöst werden Vorwärtsproblem = Berechnung der Magnetfeldverteilung auf der Basis einer bekannten Quelle Vorwärtsproblem hat eindeutige Lösung Sensoren INV FWD Vorwärtslösung braucht Quellenmodel (Gehirn) Quellen Leipzig • 2013-05-24 Volumenleitermodel (Schädel, Kopfhaut …) Iterativer Prozess measured Quelle: Courtesy of B. Maess Leipzig • 2013-05-24 computed Kopfmodellierung Ansätze zur Kopfmodellierung (Volumenleiter) D.h. Modellierung des Gewebes, welches das Magnetfeld durchdringt BEM – Boundary Element Model Kugel (Annahme: Homogenität und Isotropie innerhalb jeder Oberfläche) Anatomie von individuellen MRT-Bildern FEM – Finite Element Model Quelle: Baillet, 2010 Leipzig • 2013-05-24 (Volumennetz, Anisotropie möglich) BEM BEM – Boundary Element Model Für EEG Quellenlokalisation alle 3 Oberflächen wichtig Für MEG inner skull ausreichend (FWD) Quelle: Hämäläinen & Hari, 2004 Leipzig • 2013-05-24 Quellenmodelle Fokale Quellen (wenige Dipole) ECD Quelle: Courtesy of B. Maess Leipzig • 2013-05-24 Music SAM Verteilte Quellen (viele Dipole) 2D (brain surface) 2,5D (cortical) 3D (brain vol.) ECD – Equivalent current dipole Parallele Ausrichtung der Pyramidenzellen Equivalent current dipole (ECD) Quelle: Courtesy of B. Maess; Hämäläinen et al., 1993 Leipzig • 2013-05-24 ECD – Equivalent current dipole Repräsentiert eine fokale Quelle Beschrieben durch: Ort (location) R, Orientierung D, Stärke Q z Q Zeitverlauf kann extrahiert werden R y Fixed dipole Moving dipole (Zeitabhängige Änderung) Quelle: Courtesy of B. Maess Leipzig • 2013-05-24 x D ECD – Aussehen in Anwendungen Quelle: Salmelin, 2010; Friederici et al., 2000; McEvoy et al., 1993 Leipzig • 2013-05-24 Verteilte Quellen: Platzierung der Quellen Quellen im Volumen (3D) ~ auf einer Oberfläche (2D) ~ auf der kortikalen Oberfläche (2.5D) Regionale Quellen – feste Position und Orientierung Quelle: Courtesy of B. Maess Leipzig • 2013-05-24 2.5D – Anatomische Oberfläche Aktivierung auf gefalteter kortikaler Oberfläche Orientierung ist senkrecht zur Oberfläche (braucht gute Segmentierung) Quelle: Courtesy of B. Maess; Fischl & Dale, 2000 Leipzig • 2013-05-24 Gruppenstatistik (bei 2.5D Oberflächen) Einheitlicher Raum durch aufblasen zur Kugel und Ausrichtung/Verformung unterschiedlicher Gehirne (nonlinear morphing) Erlaubt Statistik über Probanden Individuelles Gehirn Bei 2D sind die Knotenpunkte oft vergleichbar über Probanden Bei 3D wird oftmals Verformung nötig sein (ohne Berücksichtigung von Gyri und Sulci) Quelle: Fischl et al., 1999 Leipzig • 2013-05-24 Oft Standardgehirne verwendet Verteilte Quellen – Aussehen in Anwendungen 2.5D 2D 2D links Quelle: Halgren et al., 2002; Pulvermüller & Assadollahi, 2007; Herrmann et al., 2011 Leipzig • 2013-05-24 rechts Quellenlokalisation: Zusammenfassung Volumenleitermodel und Quellenmodell benötigt Auf dieser Basis für alle möglichen (zugelassenen) Quellen die resultierende Magnetfeldverteilung berechnen Iterativer Vergleich zwischen berechneter und gemessener Magnetfeldverteilung „Best fit“, d.h. die passendste auswählen invers measured Quelle: Courtesy of B. Maess Leipzig • 2013-05-24 vorwärts computed Multimodales Messen MEG Quelle: Courtesy of B. Maess Leipzig • 2013-05-24 + EEG Signal-zu-Rauschen-Verhältnis (SNR) MEG schlechtes SNR bei tiefen Quellen und auf den Gyri; besser in Sulci EEG schlechtes SNR in inferior frontalen Arealen (EEG-Haube) EEG + MEG am Besten Quelle: Goldenholz et al., 2009 Leipzig • 2013-05-24 Multimodales Messen Lokalisation MEG EEG MEG+EEG Quelle: Sharon et al., 2007 Leipzig • 2013-05-24 Cancelation effects Quelle: Ahlfors et al., 2010 Leipzig • 2013-05-24 Multimodales Messen Wenn möglich, EEG und MEG kombinieren Erhöhte Lokalisationsgenauigkeit Neurale Aktivierung ganzheitlicher erfassen Aber, methodisch anspruchsvoller Leipzig • 2013-05-24 MEG und EEG im Vergleich Leipzig • 2013-05-24 MEG und EEG im Vergleich MEG EEG Zurückgeführt auf primary currents / intrazelluläre Ströme Primary und secondary currents (intra- und extrazelluläre Ströme) Magnetfelder passieren Schädel und Skalp weitgehend ungehindert daher Vorteil bei Lokalisation Koeffizienten für Leitfähigkeit von Dura, Schädel und Skalp müssen geschätzt bei Lokalisation Misst eher tangentiale Quellen Nicht so gut für tiefe Quellen Gut für fokale Quellen, z.B. auditorischer Kortex Stärkere Auslöschung bei mehreren Quellen (z.B. bei zwei Aktivierungen in gegenüberliegenden Bänken eines Sulcus) Leipzig • 2013-05-24 Misst radiale und tangentiale Quellen Kann auch Signal tieferer Quellen messen Auch im EEG Auslöschung bei mehreren aktivierten Quellen, aber geringer als im MEG MEG: Beispiele / Anwendungen Leipzig • 2013-05-24 Tonotopische Organisation des Auditorischen Kortex Tonfrequenzen: 0,5; 1; 2; 4 kHz N1m Dipol-Lokalisation Quelle: Pantev et al., 1995 Leipzig • 2013-05-24 Tonotope Organisation des auditorischen Kortex (cochleotope) Locus of maximal deflection of the basilar membrane depends on the frequency of the incoming sound Quelle: Courtesy of J. Obleser Leipzig • 2013-05-24 Medial-nach-lateral Gradient Quelle: Pantev et al., 1995 Leipzig • 2013-05-24 Medial-nach-lateral Gradient Tonfrequenzen: 1; 2; 4; 8 kHz N1m Dipol-Lokalisation Quelle: Mühlnickel et al., 1998 Leipzig • 2013-05-24 Vergrößerte tonotopische Karte in Blinden Quelle: Elbert et al., 2002 Leipzig • 2013-05-24 Tonotopische Karte in Blinden Tonfrequenzen: 0,5; 1; 2; 4 kHz N1m Dipole-Lokalisation Ausgedehnte tonotopische Karte in Blinden (Faktor 1.8 ) N1m Latenz kürzer in Blinden Quelle: Elbert et al., 2002 Leipzig • 2013-05-24 Semantische Verarbeitung Die Melodie wurde gepfiffen. Der Mülleimer wurde gepfiffen. Quelle: Maess et al., 2006 Leipzig • 2013-05-24 semantisch korrekt semantisch inkorrekt Verteilte Quellen: 2D Oberfläche Die Melodie wurde gepfiffen. Der Mülleimer wurde gepfiffen. Quelle: Maess et al., 2006 Leipzig • 2013-05-24 semantisch korrekt semantisch inkorrekt Literatur zum MEG Hansen PC, Kringelbach ML, Salmelin R (2010) MEG: An Introduction to Methods. Oxford University Press. Hämäläinen MS, Hari R, Ilmoniemi RJ, Knuutila J, Lounasmaa OV (1993) Magnetoencephalography – theory, instrumentation, and applications to noninvasive studies of the working human brain. Reviews of Modern Physics 65:413-497. Vrba J, Robinson SE (2001) Signal Processing in Magnetoencephalography. Methods 25:249-271. Leipzig • 2013-05-24