4.1. Eigenschaften von Atomkernen 4.1.1. Historisches 1895 Entdeckung der Röntgenstrahlen 1896 Entdeckung der Radioaktivität durch Becquerel 1897 Entdeckung des Elektrons durch J.J. Thomson 1898 Isolierung von Radium (P.& M. Curie) Klassifizierung der Strahlungsarten (α,β,γ-Strahlung) 1911 Streuexperimente von Rutherford 1913 Bohrsches Atommodell 1919 Erste Kernumwandlung durch Rutherford 1920er Quantenmechanik (Schrödinger, Bohr, Heisenberg, Dirac) 1930 Entwicklung von Teilchenbeschleunigern 1932 Entdeckung des Neutron durch Chatwick 1935 Beschreibung der Kernkraft als Austauschkraft (Yukawa) Grössenordnungen im Atom und Atomkern 227 1936 Entdeckung des Myons 1938 Erste Kernspaltung 1939 Korrekte Deutung der Kernspaltung (Meitner, Frisch) Erste Kernmodelle (Bohr, Wheeler) 1942 Erste kontrollierte Kettenreaktion (Fermi) 1945 Entwicklung der Atombombe 1950er Experimentelle Kernphysik mit Kernreaktoren, theoretische Beschreibung der Kernkräfte 1956 Theorie des β-Zerfalls Künstlerische Darstellung des Atomkerns 1970er Experimentelle Kernphysik mit schweren Ionen Streuexperimente mit hochenergetischen Teilchen erbrachten Aufschluss über die Struktur des Atoms (und später auch) des Atomkerns. Auch der Atomkern ist kein elementares Teilchen, sondern besitzt eine innere Struktur! 228 Die Streuexperimente von E. Rutherford (1911): Atome haben einen schweren positiv geladenen Kern mit einem Radius von etwa einen fm = 10-15 m Streuereignisse selbst bei grossen Winkeln! Experiment nach Geiger und Marsden 229 4.1.2. Zusammensetzung der Kerne Kerne sind nicht aus Elektronen und Protonen zusammengesetzt, (wie man zunächst dachte)! Es existieren weitere Kernteilchen (Nukleonen)! Entdeckung des Neutrons durch Chatwick (1932): Neutrale Teichen (Neutronen) können aus einer Protonen-haltigen Folie Protonen freisetzen. Diese können als geladene Teilchen ein Gas ionisieren. Das Neutron ist ein elektrisch neutrales Teilchen der Masse: 230 Bezeichnungen: Ordnungszahl, Atomladungszahl, Kernladungszahl oder Protonenzahl Z Neutronenzahl N Massenzahl A=Z+N Spezifische Kerne bezeichnet man als Nuklide. Nuklide mit gleicher Ordnungszahl Z aber unterschiedlicher Neutronenzahl N bezeichnet man als Isotope. Isotope des Wasserstoffs 231 Kernmassen Die Kernmassen werden in der Kernphysik oft in der Masseneinheit u gemessen. Die gemessene Masse von Kernen entspricht nicht der Summe der Massen ihrer Protonen und Kerne: Massendefekt Der Massendefekt kommt durch die Bindungsenergie zustande. Nach der Relativitätstheorie: Bindungsenergie und: Bindungsenergie pro Nukleon beträgt typischerweise 6-8 MeV 232 Kernmassen können im Massenspektrometer durch Ablenkung in elektrischen und magnetischen Feldern bestimmt werden: Besonders genau ist die relative Massenbestimmung Δm/m=10-4 und: Δm/mcal =10-8 (mcal =12C) Massenspektrometer 58Fe Gemessene Bindungsenergie pro Nukleon. Der stabliste Kern ist Eisen. [aus Evans: Tipler Physik] 233 Kernradien Kerne haben eine kompakte (nahezu) kugelförmige Gestalt, man kann einen Kernradius bestimmen. Kernradius = einige Femtometer (fm); 1 fm = 10-15 m somit Kerndichte: ρ = 1014 g/cm3 Man erwartet eine Abhängigkeit der Form r = const. A1/3 Experimentelle Methoden zur Bestimmung des Kernradius: Neutronenstreuung Potential der Kernkräfte Elektronenstreuung Coulombpotential der Protonen De Broglie-Wellenlänge von Streuelektronen Modell für die Ladungsverteilung im Kern (Fermi-Verteilung) 234 Gemessene Ladungsdichteverteilung verschiedener Kerne [aus Evans: The Atomic Nucleus] 235 Kernspin und Kernmomente Kerne können ebenfalls einen Spin und ein magnetisches Moment besitzen. Die magnetischen Momente sind deutlich kleiner als typische atomare Momente. Bohrsches Magneton Kernmagneton Die höheren elektrischen Momente (z.B. elektrische Qudrupolmomente) zeugen von deformierten Kernen. [aus Segre: Nuclei and particles] 236 4.2. Kernkraft und Radioaktivität 4.2.1. Kernkraft Eigenschaften der Kernkraft: 1. Sehr starke Kraft (starke Wechselwirkung, ca. 103 mal stärker als die CoulombWechselwirkung zwischen geladenen Teilchen) 2. Kurze Reichweite, Wirkung nur innerhalb eines Kerns 3. Unabhängigkeit vom Ladungszustand der Nukleonen; grosse Komplexität (wesentlich komplexer als die Coulombwechselwirkung) Wegen der kurzen Reichweite der Kernkräfte ist ein erstes einfaches Modell für das Kernpotential das Kastenpotential. V(r)=0 für r>R V(r)=-V0 für r<=R Kastenpotential als Modell für das Kernpotential 237 Aufschlüsse über das Kernpotential erlangt man durch Streuexperimente, z.B. die Nukleon-Nukleon-Streuung Klassische Streuung von Teilchen an einem Potential (z.B. Potentialmulde) Quantenmechanische Streuung von Wellenfunktionen an Potentialbarrieren (z.B. Potentialtopf) Bemerkung: • Die Nukleonen testen direkt die Nukleon-Nukleon-Wechselwirkung. • Als Streuquellen können natürliche radioaktive Isotope oder Neutronen aus Kernreaktoren benutzt werden. 238 Beispiel für ein Experiment zur Nukleonenstreuung: Messung der Streuung (Intensität am Detektor) für verschiedene Targets (hier C-Kerne oder H-Kerne) in Abhängigkeit von der Neutronenenergie Gemessener Streuquerschnitts σ Einheit 1 barn (Scheunentor) = 100 fm2 = 10-28 m2 [aus Enge: introduction to Nuclear Physics] 239 Es ergibt sich folgende Struktur der Kernkraft: 1. Der Hauptbeitrag ist eine Zentralkraft. 2. Es gibt eine Spin-abhängige Zentralkraft. 3. Es existieren nicht-zentrale Kräfte 4. Die Kernkraft ist (nahezu) lagungsunabhängig. Heutige Erkenntnis: Die Kraft zwischen den Nukleonen ist eine indirekte Wirkung (Austauschkraft), die auf der fundamentalen sogenannten starken Kernkraft beruht. Diese vermittelt auch den Zusammenhalt der Nukleonen, die aus weiteren (fundamentalen?) Elementarteilchen, den Quarks, zusammengesetzt sind. Künstlerische Darstellung der Zusammensetzung der Nukleonen [http://www.ep4.rub.de/imperia/md/content/ skripte/ws03-04/mediziener/43_lektion.pdf] udd Quarks im Neutron uud Quarks im Proton 240 4.2.2. Radioaktivität Neben stabilen Kernen existieren radioaktive Kerne, die spontan unter Aussendung von Teilchen (α-, β-Strahlung) zerfallen. Dabei wandeln sich die Kerne um. Erste beobachtete Kernumwandlung (1934 Joliot/Curie): Dabei ist ΔE = -2.64 MeV! Q-Wert der Kernreaktion Der Zerfall erfolgt nicht-deterministisch und folgt dem Gesetz: somit radioaktives Zerfallsgesetz Wichtige Grössen beim radioaktiven Zerfall: Zerfallskonstante [1/s]; Einheit Becquerel = 1 Zerfall/s Mittlere Lebensdauer [s] Halbwertszeit [s] 241 Zerfallsgesetz und Halbwertszeiten 242 Die Nuklidkarte Ein geeignetes Ordnungsschema für Nuklide ist die Anordnung in einer Matrix von Neuronenzahl N (Zeile) und Protonenzahl Z (Spalte). Eine solche Anordnung heisst Nuklidkarte. 243 Der α-Zerfall Der α-Zerfall ist die Umwandlung eines Atomkerns in einen anderen Atomkern unter Emission eines α-Teilchens. Ein α-Teilchen ist ein Heliumkern. Es ist also schematisch: Massenzahl α-Zerfall Protonenzahl Neutronenzahl Anzahl der Protonen Beispiel: 238U Q = 4,25 MeV 234Th Anzahl der Neutronen T1/2 = 4,5x109 Jahre 244 Der α-Zerfall kann als quantenmechanisches Tunneln von a-Teilchen durch die Potentialbarriere des Kernpotential verstanden werden. E VCoulomb r Tunneleffekt starke Kernkraft 0 VKern α r Atomkern Ladung = +Z e Vtot Je grösser die Energie der α-Teilchen desto kleiner ist die Halbwertszeit! Beispiel einiger α-Zerfälle 245 Der β-Zerfall Der β-Zerfall ist die Umwandlung eines Atomkerns in einen anderen Atomkern unter Emission eines β-Teilchens. Ein β-Teilchen ist ein Elektron e- oder ein Positron e+. β-Zerfälle T1/2 = 14,3 Tage T1/2 = 12,7 Stunden Anzahl der Protonen Anzahl der Protonen Beispiele: 32S 32P Anzahl der Neutronen 32Cu 32Ni Anzahl der Neutronen 246 Beim β-Zerfall beobachtet man ein kontinuierliches Energiespektrum: Energiespektrum der Elektronen aus dem β-Zerfall von 210Bi max. kinetische Energie [aus G. J. Neary, Proc. Phys. Soc. (London), A175, 71 (1940)] Um beim β-Zerfall Energie- und Impulssatz erhalten zu können (es wurde ein kontinuierliches Energiespektrum der emittieren Teilchen gefunden!), wurde 1930 von Wolfgang Pauli das Neutrino ν postuliert. Es wurde 1953 von F. Reines und C.L. Cowan nachgewiesen. Das Neutrino wechselwirkt extrem schwach mit Materie. Eine Hauptquelle für Neutrinos sind leistungsstarke Kernreaktoren oder die Sonne. (In jeder Sekunde wird man von 4x1011 Neutrinos von der Sonne durchdrungen.) 247 Auch in Supernovae (Explosion von Sternen) werden Neutrino-bursts freigesetzt. Detektion der Neutrinos der Supernova 1987a [Kamiokande] Supernova 1987a [D.F.Malin, Anglo-Australian Telescope Board, 1987 ] Detektion von Neutrinos durch Neutrinoeinfang: Gemessen wird die Vernichtungsstrahlung des Positrons und die gleichzeitige charakteristische γ-Strahlung des Cd-Kerns. 248 Ein bedeutender Neutrino-Detektor ist der japanische Superkamiokande Detektor. Licht der von Neutrinos gestreuten geladenen Teilchen wird in einem mit 50,000 t Wasser gefüllten Detektor von 11,200 Photodetektoren detektiert. Blick in das Detektorvolumen Zerstörte Photomultiplier mach Kamiokande-Desaster 2001 [Kamioka Observatory, ICRR (Institute for Cosmic Ray Research), The University of Tokyo] 249 Der γ-Zerfall Der γ-Zerfall ist der Übergang zwischen verschiedenen quantenmechanischen Zuständen im Atomkern. Es werden keine Teilchen, sondern hochenergetische elektromagnetische Strahlung (γ-Strahlung) emittiert. Die Zustände eines Kerns können z.B. im Schalenmodell beschrieben werden. Schema möglicher Energiezustände im Atomkern Experimentelle Anordnung zur γ-Spektroskopie Die Lebensdauern liegen zwischen 10-8 bis 10-15 s. Energie der emittierten γ-Strahlung: Energiedifferenz zweier Zustände kinetische Energie d. Rückstoss 250 Gemessenes γ-Spektrum [aus: J. Gerl et al., Phys. Lett.120B, 83 (1983)] 251 Klassifizierung von radioaktiver Strahlung 252 4.2.3. Anwendung: Radiometrische Zeitmessung Die Halbwertszeit radioaktiver Nuklide kann als natürliche Uhr zur Bestimmung des Alters von verschiedenen Proben benutzt werden. Prinzip: Messung des Verhältnisses von radioaktivem Nuklid zu seinem Zerfallsprodukt Verwendet werden natürlich vorkommende radioaktive Nuklide. Das sind: • Nuklide, die eine sehr lange Lebensdauer haben und deshalb noch heute strahlen. • Nuklide, die durch hochenergetische Prozesse, z.B. durch kosmische Strahlung ständig neu erzeigt werden. Beispiel 1: T1/2 = 1,25x109 Jahre Verhältnis von 40K zu 40Ar bestimmt das Alter von Gesteinsproben. Beispiel 2: Reaktion durch kosmische Strahlung i.d. Atmosphäre T1/2 = 5730 Jahre 253 Bei der 14C-Methode nutzt man aus, dass lebende Organismen ständig Kohlenstoff in Form von CO2 mit der Umgebung austauschen. Das Verhältnis von 12C/14C bleibt konstant bis der Organismus stirbt. Danach nimmt die Konzentration von 14C ab. Bereich der Alterbestimmung 1000-30000 Jahre Datierung des Turiner Grabtuches (rechts) mit der RadiocarbonUntersuchung auf 1290-1360 254 4.3. Kernmodelle Atomkerne sind komplexere Gebilde als Atome. Die theoretische Beschreibung von Kernen basiert daher auf verschiedenen Kernmodellen. 4.3.1. Das Tröpfchenmodell Manche Eigenschaften von Kernen ähneln denen von makroskopischer kondensierter Materie. C.F. von Weizsäcker entwickelte 1935 das Tröpfchenmodell. Nach diesem Modell tragen 5 Terme zur Bindungsenergie B in Atomkernen bei: 1. Volumenenergie Kondensationsenergie beim Vereinigen der Kerne 2. Oberflächenenergie Nukleonen an Oberfläche sind schwächer gebunden 3. Coulombenergie Coulombabstossung der Protonen 255 4. Asymmetrieenergie Die Bindungsenergie wird verringert, wenn Z ungleich N 5. gg-Kern Paarungsenergie ug, gu-Kern uu-Kern Kerne mit Paaren von Neutronen und Protonen sind stabiler! Mit allen Beiträgen ergibt sich die von Weizsäckersche Massenformel: Die obere Zeile zählt die Massen von Protonen und Neutronen, die untere Zeile ist der Massendefekt aufgrund der Bindungsenergie. 256 Mit der Massenformel lassen sich Abschätzungen über die Stabilität von Kernen geben. Stabilität in einer Isobarenreihe (A=konstant) Für isobare Kerne hat die Massenformel die Form: Parabel mit Koeffizienten c1 und c2 Stabilität von isobaren Kernen (A=ungerade) Stabilität von isobaren Kernen unter Berücksichtigung der Paarungsenergie: Stabilität mehrerer gg-Kerne; Instabilität der uu-Kerne 257 Protonenzahl des stabilsten Kerns in einer Isobarenreihe Die Stabilitätsbedingung in einer Isobarenreihe ist: Dies führt mit zunehmender Massenzahl zu einer Bevorzugung einer grösseren Neutronenzahl. Weitere Voraussagen der Massenformel sind über die Bedingung für den α-Zerfall und die spontane symmetrische Kernspaltung möglich. Lehrbücher der Kernphysik 258 4.3.2. Das Schalenmodell Das Schalenmodell geht von einem kastenförmigen Kernpotential aus, das ähnlich wie beim Coulombpotential der Atome sukzessive mit Nukleonen gefüllt wird. Kastenpotential im Schalenmodell. Wegen der Coulombabstossung sind die Protonen schwächer gebunden. In diesem Modell können insbesondere die γ-Spektren als Zerfälle von angeregten Kernzuständen erklärt werden. Ähnlich wie bei Edelgasen erweisen sich Kerne mit abgeschlossenen Schalen als besonders stabil. 259 Die Nukleonenzahlen für abgeschlossene Schalen (jeweils für Protonen oder Neutronen) heissen magische Zahlen. magische Zahlen: 2, 8, 20, 28, 50, 82, 126, ... Kerne mit magischen Zahlen sowohl für Neutronen (N) als auch fürProtonen (Z) heissen doppelt magisch. Beispiele: 18O(Z=8) 40Ca(Z=20,N=20) 208Pb(Z=82,N=126) Ein besonders stabiler doppelt magischer Kern ist das α-Teilchen: 4He(Z=2,N=2) 16O im Schalenmodell 260 4.4. Kernreaktionen 4.4.1. Allgemeines zu Kernreaktionen Die heute noch vorkommenden radioaktiven Isotope sind die langlebigsten der bei der Synthese der Elemente (vor 15x109 Jahren) erzeugten Isotope. α-Zerfallsreihen Weitere natürliche radioaktive Isotope sind: β-Zerfall: 40K, 87Rb, 187Re, 14C, 90Sr, 137Cs Die Isotope zerfallen über z.T. verzweigte Kaskaden von Zerfällen (α-, β-, γ-Zerfälle, Spaltung, ...) bis hin zu einem stabilen Kern. 261 Beispiel: Zerfallsreihe von 238U 262 Beispiel: Zerfallsreihe von 232Th 263 4.4.2. Kernspaltung Kernreaktionen können auch künstlich durch Beschuss von Kernen mit (hochenergetischen) Teilchen ausgelöst werden. Eine solche Reaktion beschreibt man typischerweise: Target Projektil Endkern Ejektil Abkürzende Schreibweise: Eine besonders überraschende Reaktion wurde in den späten 1930ern von O. Hahn, F. Strassmann und L. Meitner beobachtet. Befund: Der Beschuss von Uransalzen mit thermischen Neutronen liefert Spaltprodukte mit überraschend kleiner Massenzahl! O. Hahn L. Meitner 264 Massenverteilung der Spaltprodukte nach Beschuss von 235U mit thermischen Neutronen [aus Tipler Physik] 1939 konnte L. Meitner zusammen mit O. Frisch die korrekte Deutung des Prozesses als Kernspaltung (s. rechts) geben. 265 Der Prozess ist der folgende: Absorption eines Neutron durch 235U Spaltung des hochangeregten 236U unter Emission von 2 Neutronen 1. 2. Spaltung von 235U Zerfall der Spaltprodukte 140Xe und 94Sr. 3. weitere Zerfallsreihen Freiwerdene Energie pro Spaltvorgang (Massendefekt): Bohr und Wheeler konnten die Kernspaltung im Tröpfchenmodell beschreiben. t Deformation, Abschnürung und Spaltung eines Kerns 266 Die potentielle Energie beim Spaltungsprozess weist ähnlich wie beim α-Zerfall eine Barriere auf, durch die bei Energieanhebung (Absorption eines Neutrons) getunnelt werden kann. Potentielle Energie des Kerns in Abhängigkeit der Kerndeformation Kernmasse als Funktion der Massenzahl Schwere Kerne haben die Tendenz zur Spaltung, leichte Kerne haben die Tendenz zur Fusion. 267 Bei jedem Spaltprozess werden mehrere Neutronen frei. Kettenreaktion 268 4.4.3. Kernenergie Kernreaktionen können zur Energiegewinnung genutzt werden, wenn leichte Kerne verschmelzen (Fusion) oder schwere Kerne sich spalten (fission). Energiegewinn bei elektronischen Prozessen (Verbrennung): einige eV Energiegewinn bei Kernumwandlung (Fusion, Fission): einige MeV Kernfusion Kernspaltung 269 Kontrollierte Kernspaltung Für die Aufrechterhaltung einer kontrollierten Kettenreaktion in einem Kernkraftwerk sind drei Probleme zu lösen: 1. Neutronenverlust Neutronen können den Reaktor verlassen, bevor sie erneut eingefangen werden. Eine kugel- (oder würfel-)förmige Anordnung des Reaktorkerns minimiert den Verlust (Verhältnis Oberfäche/Volumen). 2. Energiereiche Neutronen Die erzeugten Neutronen haben mit im Mittel 2 MeV eine zu grosse Energie für den erneuten Einfang (thermisch = 0.04 eV). Ein Moderator (z.B Wasser) reduziert die Energie der Neutronen durch Stösse. 3. Neutroneneinfang In einem Energiebereich von 1-100 eV werden Neutronen von effektiv eingefangen (ohne dies zu spalten). Sie stehen dann nicht mehr für die Spaltung von 235U zur Verfügung. Eine separierte räumliche Anordnung von Brennstäben und Moderatorvolumina minimiert dieses Problem. 238U Die Kettenreaktion ist kontrolliert, wenn der Multiplikationsfaktor = 1 ist Multiplikationsfaktor = (anfängl. Anzahl der Neutronen)/(Anzahl der Neutronen nach einem Zyklus) 270 Multiplikationsfaktor = 1 Multiplikationsfaktor > 1 Multiplikationsfaktor < 1 kritisch überkritisch unterkritisch Der Multiplikationsfaktor kann durch Kontrollstäbe, die Neutronen einfangen, (z.B. Cd) eingestellt werden. Neutronenbilanz in einem Reaktor Neutronenbilanz in einem Kernreaktor [aus: Halliday Physik] Prinzipieller Aufbau eines Kernkraftwerks 271 272 Kernfusion Die natürliche Kernfusion (Verschmelzung von Wassertoff zu Helium) ist der Energielieferant für die Sonne (Leistung 4x1026 W). Unter extrem hohen Druck läuft folgender Prozess ab: Kernfusionsprozess in der Sonne (stark vereinfacht) Energiegewinn ΔQ= 26,7 MeV Ist der Brennstoff Wasserstoff verbraucht so laufen weitere Kernfusionsreaktionen ab, die immer schwerere Kerne als Endprodukt haben (z.B. He C). Elementsynthese in der Sonne. 273 Die kontrollierte Kernfusion unter terrestrischen Bedingungen ist ein Ziel der Fusionsforschung. Folgende Reaktionen sollen i. e. magnetisch im Vakuum eingeschlossenen Plasma ablaufen: Drei Bedingungen sind zu realisieren: 1. 2. 3. Hohe Teilchendichte n Hohe Plasmatemperatur T Lange Einschlusszeit τ Im rentablen Betrieb eines thermonuklearen Reaktors muss das Lawson-Kriterium gelten: rechts: geplanter Fusionsreaktor Wendelstein des MPI Greifswald 274 Schematischer Aufbau eines Tokamak-Fusionsreaktors [aus: Tipler Physik] 275 Unkontrollierte Kernspaltung Das Potential der nuklearen Kettenreaktion als Waffe mit millionenfach erhöhter Sprengkraft (Megatonnen TNT Äquivalent) wurde rasch erkannt. Im Manhattan Projekt wurde ab 1942 die Entwicklung einer Atombombe unter der wissenschaftlichen Leitung von R. Oppenheimer betrieben. [s.auch R. Rhodes, The making of the atomic bomb] Der erste Test erfolgte 1945 (trinity) ebenso der erste Einsatz (little boy, fat man) 1952 folgt die erste Wasserstoffbombe. J. R. Oppenheimer Wasserstoffbombe (Eniwetok Atoll, 1952) 276