AC III Boese WS 09/10 Modulhandbuch Uni Duisburg-Essen 5. Fachsemester, 5 Credits Diese Vorlesung sollte zum Erwerb der Grundkenntnisse in einerseits Festkörperchemie und anderseits Metallorganischer Chemie führen. Wichtig sind nicht nur breite Stoffkenntnisse, sondern auch das selbst Entdecken von Tendenzen und Regelmäßigkeiten in anorganischen stofflichen Systemen Lehrform Vorlesung (2) und Übung (1) Literatur Lehrbücher der Festkörperchemie (z.B. West, Smart/Moore) und der metallorganischen Chemie (z.B. Elschenbroich/Salzer) Arbeits- Veranstaltung in SWS Präsenzzeit in h: Vor-/Nachber. in h: Prüfungsvorb. in h Arbeitszeit in h Aufwand 3 39 61 50 150 Festkörperchemie: • Einführung in der Festkörperchemie • Bindung und Struktur fester Körper (Kristallgitter, Metallgitter, AB, AB2 und A2B3 Gitter, ZintlPhasen) • Kristallfehler (Punkt-, Frenkel- und Schottky-Fehlordnungen) • Stofftransport in Festkörpern (Diffusion, Festkörper-Elektrolyse) Organometallchemie: • Geschichte der metallorganische Chemie (Cadetsche Flüssigkeit – Kakodyl, Franklands Et2ZnEntdeckung, Zeisesches Salz, Hiebers CO-Komplexe und Hydride) • Metallorganische Chemie der frühen Hauptgruppen-Metalle (LiOrganyle, Grignard-Reagentien und die Chemie der schweren Erdalkalimetalle) • Metallorganische Chemie der späten Hauptgruppen-Elementen (M-M Bindungen) • Metallorganische Chemie der Übergangsmetalle (18e-Regel, Cp-Chemie, CO-Chemie, Alkyl-Komplexe, Grundzüge der Katalyse) Historisches 1760 Louis Cadet (Paris): As2O3 + 4 CH3COOK = Cadetsche Flüssigkeit, enthält u.a. Tetramethyldiarsan Me2As-AsMe2 und Kakodyloxid [(CH3)2As]2O As2O3 + 4CH3CO2Na → As2(CH3)4O + 2Na2CO3 + 2CO2 (Kakodyloxid) bzw: 1827 Zeise (Dänemark): Zeisesches Salz (Katalyse): K2PtCl6 in Ethanol erhitzt liefert: K[Pt(C2H4)Cl3] 1840 R. W. Bunsen (Marburg): Kakodylverbindungen, u.a. (CH3)2AsCN (Medizin) 1 Kakodyl (gr.) (schlecht riechend) 1849 E. Frankland (Marburg): Zinkalkyle (Metallorganische Synthese) 3 C2H5I + 3 Zn ZnI2 + 2 C2H5 Zn(C2H5)2 (füssig, pyrophor)+ (C2H5)ZnI (fest) + ZnI2 1863 C. Friedel (Sorbonne) und J.M. Crafts (MIT) stellen Organochlorsilane dar (Industrielle anorganische Chemie) 1868 M. P. Schützenberger (Zürich): [Pt(CO)Cl2]2 (CVD von Platin) 1899 P. Barbier (Lyon): Umsetzung von Alkyliodiden mit Zink und Magnesium ℵV. Grignard (NP 1912): RMgX (Metallorganische Synthese) 1909 W. J. Pope: Darstellung von [Pt(CH3)3I]4 (erste ÜM C-sigma Verbindung) 1909 P. Ehrlich (Berlin) (NP1908): Salvarsan 606 zur Bekämpfung der Syphilis (Medizin: erstes Antimikrobielles Arzneimittel) dihydrochlorid des 3,3'-Diamino-4,4'dihydroxy-arsenobenzol 1919 F. Hein: synthetisiert aus CrCl3 und PhMgBr“Polyphenylchromverbindungen“ (Sandwichkomplexe) 1927 A. Job und A. Cassal präparieren [Cr(CO)6] 1928 W. Hieber: Chemie der Metallcarbonyle 1929 F. A. Paneth: Alkylradikale via PbR4-Pyrolyse. Nachweis durch die sog, Spiegelprobe. 1931 W. Hieber: [Fe(CO)4H2], erster Hydridkomplex 1938 O. Roelen entdeckt die Hydroformylierung (Oxo-Prozess) (Katalyse) 1951 P. Pauson (US), S. A. Miller (US): Darstellung des Ferrocens [(Fe(C5H5)2] 1955 K. Ziegler, G. Natta: Polyolefine aus Ethylen bzw. Propylen im Niederdruckverfahren (ÜM-Halogenid/AlR3 als Katalysator) (NP 1963) (Katalyse) 1961 D. Crowfoot-Hodgkin (NP 1964) Struktur des Vitamin B12 Coenzyms (Methylcobalamin) (Bioanorganische Chemie, Medizin) 1964 E. O. Fischer: [(CO)5WC(OMe)Me], erster Carbenkomplex (NP 1973 mit Wilkinson) 1965 G. Wilkinson, R. S. Coffey: [Rh(PPh3)3Cl] (Wilkinson Katalysator), Hydrierung von Olefinen (Katalyse) (NP 1973 mit Fischer) 1955 - 1992 Über 1000 Bewohner der Stadt Minamata sterben durch Vergiftung mit MethylQuecksilberverbindungen (MeHg+). (Medizin) 1995 A. H. Zewail studiert M-M und M-CO Bindungsbruch an Mn2CO10 auf der fsZeitskala. (NP 1999) 2001 NP an K.B. Sharpless (La Jolla), W.S. Knowles (Monsanto US) und R. Noyori (Nagoya) für Pionier-Arbeiten auf dem Gebiet der enantioselektiven Katalyse (Metallorganische Katalyse) 2 Anwendungen von Metallorganischen Komplexen a) Katalyse b) Prekursoren für die CVD (Chemische Gasphasen-Abscheidung) und ähnliche Verfahren c) Medizin d) Materialien (optische, elektronische) Allgemeine Eigenschaften von metallorganischen Verbindungen EN-Differenzen und Bindungspolarität Betrachtet man die Paulingschen EN-Werte so ergibt sich, dass alle oben genannten Elemente positivere Werte als der Kohlenstoff (2.5) aufweisen mit Ausnahme von Se: 2.6 und Au: 2.5. Damit ist die oben erwähnte Bindungspolarität Mδℵ+-−Cδ−erfüllt. Aus den sich innerhalb der Perioden (zunehmende EN) und innerhalb der Gruppen (von oben nach unten abnehmende EN) ergebenden Tendenzen kann man grobe Ableitungen machen etwa wie, dass die M-C-Bindung in der Reihe Na-C →Mg-C →Al-C→ Si-C→ P-C nicht nur zunehmend unpolarer sondern auch kovalenter wird. Stabilität und Reaktivität von Metallorganischen Verbindungen - Gemessen an der Stärke von M-N, M-O oder M-X Bindungen sind M-C-Bindungen eher schwach. - Spricht man von Stabilität muss man stets die thermodynamische Stabilität und die Kinetische Stabilität (Inertität) trennen. - Organometallverbindungen sind oft thermodynamisch instabil, d.h. die Standardbildungsenthalpie ΔG0 f ist klein oder sogar positiv. Dasselbe gilt i.A. für die Bildungsenthalpie ΔH0f. Mit Sicherheit sind in der uns umgebenden Atmosphäre (H2O, O2) Organometall-Verbindungen instabil, gegenüber den stabilsten Spezies CO2, H2O und MOx. - Bei der kinetischen Stabilität gibt es jedoch erhebliche Unterschiede: Beispiel 1: SnMe4 Tetramethylstannan (ΔH0 f = -19 kJ.mol-1. Bei der Oxidation zu 4 CO2, 6 H2O und SnO werden 3590 kJ.mol-1 frei. Trotzdem ist die Verbindung leicht herstellbar, Luft- und Wasser-stabil und lange lagerbar. Im Gegensatz dazu ist Me3In Trimethylindium, eine endotherme Verbindung mit ΔH0f =173 kJ.mol1 ) zwar genauso leicht herstellbar ist aber an der Luft selbstentzündlich (Pyrophor) und hydrolysiert spontan. Erklärung: In SnMe4 ist das Zinnatom abgeschirmt (tetraedrische Koordination), die Sn-C Bindung ist wenig polar. Das Indium im InMe3 ist stark positiv polarisiert und in seiner trigonal planaren leicht angreifbar durch Nukleophile (O2 oder H2O). Beispiel 2: Ein Ähnliches Bild liefert der Vergleich von TiMe4 Tetramethyltitan und SiMe4 Tetramethylsilan (TMS). TiMe4 ist pyrophor, SiMe4 ist völlig inert (wird als NMR-Standard zugesetzt) Erklärung: Die Abschirmung in SiMe4 (koordinativ gesättigt), sowie die niedrige Bindungspolarität (siehe SnMe4). Titan ist positiv polarisiert und hat zusätzlich mehr Platz für Liganden (ca. 6) und verfügbare d-Orbitale →Zerfällt durch Reduktive Eliminierung (5-fach koordinierter Übergangszustand). 3 Einige Tendenzen für die Reaktivität Metallorganischer Verbindungen: - Die thermische Stabilität als auch die Reaktivität steigen mit steigender M-C Polarität. - Ionische Verbindungen (etwas für Alkali, Erdalkali- und La-Verbindungen können als Carbanionen betrachtet werden (starke Basen) → Hydrolyseempfindlich. - Die Elemente der Gruppen 1, 2 und 3 bilden wegen Elektronenmangels Mehrzentrenbindungen aus (Oligomerisierung), je polarer die Verbindungen desto reaktiver. - Übergangsmetalle (d-Block) und Actiniden bilden polare kovalente Bindungen und sind bei koordinativer Sättigung stabil. Zerfall durch Eliminierungsreaktionen (vor allem ß-Eliminierung). - Verbindungen mit den Elementen der 14., 15. und 16. Gruppe sind wegen geringer MCPolarität und koordinativer Sättigung meist inert (stabil nicht unbedingt). Quelle: Klein, Uni Köln Metallorganische Verbindungen Mδ+-C δ− M = Halbmetalle & Metametalle B, Si, Ge, (P), As, Se. Te (Elementorganische Chemie) Carbonylkomplexe als Metallorganische Komplexe? Warum ist das CO über das C-Atom und nicht über das OAtom an Metalle koordiniert? Erklärung nur über das MO von CO: HOMO hat σSymmetrie, ist von C-Atom weggerichtet und sehr schwacher Donor gegenüber Metall, die LUMOs des CO sind π*-Orbitale und können mit Metall-d-Orbitalen überlappen (Ligand ist π-Säure), daher überwiegen dMetall-Carbonyle mit negativen Oxidationsstufen oder Null. CO-Bindungslängen korrelieren mit den IRStreckschwingungen: stärker σ-basische Metalle oder Metallcarbonyl-Anionen haben haben größere C-O Bindungslängen und kleinere Streckfrequenzen: CO kann über zwei und drei Metallzentren koordinieren, dabei haben die CO-Streckschwingungen MCO>M2CO>M3CO. Grund ist die Konkurrenz der Carbonylgruppen um die Elektronendichte der Metallatome. Befindet sich gegenüber einer CO-Gruppe ein guter σ-Donor und schlechter π-Akzeptor, wie z.B. ein Phosphan, wird die MC Bindung stärker und die C=O Bindung schwächer (Wellenzahl bzw. Frequenz kleiner). Isoelektronisch zum CO sind folgende Liganden mit steigender πAzidität: C≡N− < N≡N < C≡NR < C≡S < N≡O+ (CN− gute σ-Base schwache π-Säure und NO+ umgekehrt). NO+ ist elektronenziehend, wenn linear, gewinkelt wenn es Elektronen aufnimmt und zum NO− wird, z.B im [IrCl(CO)(PPh3)2(NO)]+ ist IrNO-Winkel 124°. Ähnlich verhalten sich SO2 Komplexe, die bei coplanarer Anordnung gute π-Akzeptoren und bei gewinkelter Anordnung gute σ-Akzeptoren sind. Das linear koordinierte NO ist als Dreielektronendonor aufzu- 4 fassen, so dass zwei NO-Liganden drei CO-Gruppen ersetzen können. Also sind Cr(NO)4 und Cr(CO)6 isoelektronisch zueinander. Darstellung von Metallcarbonylen: Direkte Reaktion von Metallen mit CO oder Reduktion von Metallsalzen mit CO (unter Druck): Ni + 4CO → Ni(CO)4 (30 °C, 1bar) Tetraeder! CrCl3 + Al + 6CO → AlCl3 + Cr(CO)6 (Al als Reduktionsmittel) Re2O7 + 17CO → Re2(CO)10 + 7 CO2 (CO als Reduktionsmittel) Struktur von Metallcarbonylen: Im IR weisen die CO Gruppen je eine Absorption für eine Streckschwingung auf, wenn sie nicht durch Inversionszentrum oder Drehachse verknüpft sind. Gewinkelte OC-M-CO-Liganden haben eine symmetrische und eine antisymmetrische Streckschwingung, bei der sich das Dipolmoment ändert, d.h. zwei Banden werden beobachtet. Die Punktgruppen der Komplexe lassen sich über die Zahl der Banden ableiten. Nicht fluktuierende CO-Liganden haben je ein 13C NMR Signal, wenn sie nicht äquivalent sind. Wichtige Mehrkern-Carbonylkomplexe sind: (18-Elekronenregel) Cr(CO)6, Mn2(CO)10, Fe(CO)5, Co2(CO)8, Ni(CO)4 , [Fe4(CO)13]2− : Fe-Tetraeder, ein Fe mit drei endständigen CO, drei Fe mit je zwei endständigen und einem verbrückenden CO, ein CO verbrückt drei Fe. Co4(CO)12 : Co-Tetraeder, ein Co mit drei endständigen CO, drei Co mit je zwei endständigen und einem verbrückenden CO. Die Co(CO)3 Gruppe kann durch eine C-H Gruppe ersetzt werden (Isolobalprinzip). Os5(CO)16 : trigonale Bipyramide Eisencarbonyle: (MMT=Methylcyclopentadienylmangan Tricarbonyl) 5 Phosphankomplexe: Isolobalprinzip (Prinzip gleicher Lappen), Roald Hoffmann, 1976:, NP 1982; Angew. Chem. 94 (1982) 725-808. Molekülfragmente sind dann isolobal, wenn sie die gleiche Anzahl, Symmetrie, Gestalt, Besetzung mit Elektronen und ähnliche Energie der Grenzorbitale besitzen. Es lassen sich daraus vergleichbare Molekülgeometrien ableiten. Allerdings gibt es zu zahlreiche Ausnahmen (Carbaborane, Ersatz von B-H− durch CH), als das sich die Betrachtungsweise inzwischen durchgesetzt hat. So sollte [(CO)4Fe-GaMes*] eine Ga-Mes* (Mes=Mesityl, Mes*=Supermesityl, 1,3,5tri-tert.-butylbenzol) Mehrfachbindung aufweisen, da es isolobal zu CO ist. 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 Die folgend eingefügten handschriftlichen Folien wurden freundlicher Weise von Herrn Kollegen Prof. Sjoerd Harder zur Verfügung gestellt! 18 19 20 21 Ph3Al: 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42