GA1_40 Fragen_40 Antworten_finale Fassung

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Fragen zum Thema Glutarazidurie Typ 1 (GA1)
A. Carnitin
1. Hat es Nachteile, wenn man Carnitin statt dreimal am Tag bei gleicher Menge nur
zweimal am Tag nimmt?
Die Supplementierung mit L-Carnitin (Levocarnitin) bei GA1-Patienten ist empfehlenswert, da
hierdurch einerseits die natürliche Entgiftung des Körpers von Glutaryl-CoA (über die Bildung
von Glutarylcarnitin) gefördert wird. Zusätzlich wird durch diesen Vorgang der sog. „freie
Coenzym A-Pool“ der Zellen wieder aufgefüllt, der für den Energiestoffwechsel wichtig ist.
Der Teil des zugeführten Carnitins, der nicht mit der Entgiftung über Glutarylcarnitin
beschäftigt ist, steht dem Körper als „freies Carnitin“ zur Verfügung. Carnitin ist ein
Transportstoff für langkettige Fettsäuren und spielt eine wichtige Rolle in der
Energiegewinnung.
Die Dosierung wird anhand des Gewichts und Alters des Kindes errechnet (empfohlene
tägliche Startdosis: 100 mg/kg Körpergewicht in 3 Einzeldosen). Über die gleichmäßige
Verteilung auf 3 Einzeldosen wird ein konstanter Spiegel von freiem Carnitin erreicht. Dies
wird zumeist auch erreicht, wenn man die Dosis nur auf zwei Einzelgaben verteilt, jedoch
nicht wenn man lediglich eine Einzeldosis verabreicht. Die Gabe von drei Einzeldosen ist
somit ein Schutz vor ungleichmäßigen Carnitinkonzentrationen, falls eine Dosis im
Tagesverlauf vergessen wird.
2. Warum hat man weniger Durst, wenn man Carnitin nimmt?
L-Carnitin ist grundsätzlich ein sehr sicheres und nebenwirkungsarmes Medikament (und ein
körpereigener Stoff). Ein vermindertes Durstgefühl ist als mögliche Nebenwirkung nicht
beschrieben, dies schließt aber nicht aus, dass solche individuelle Reaktionen vorkommen
können. Bei manchen Kindern wird das Auftreten von dünnen Stühlen (Carnitin wird nur zu
ca. einem Viertel vom Dünndarm aufgenommen) und eines charakteristischen
Körpergeruchs (durch die Produktion von Trimethylamin) beobachtet.
3. Wonach richtet sich, wieviel Carnitin ein Patient braucht, und wie oft muss die
Kontrolle erfolgen?
Die Dosierung richtet sich nach dem Alter der Kinder und dem Körpergewicht. Je jünger die
Kinder sind, desto höher ist die notwendige Dosierung. Vom Neugeborenenalter bis
einschließlich dem 3. Lebensjahr werden 100 mg/kg/Tag gegeben. Vom 4. – 6. Lebensjahr
werden 50-100 mg/kg/Tag verabreicht, und nach dem 6. Lebensjahr 30-50 mg/kg/Tag. Der
Carnitinstatus sollte regelmäßig kontrolliert werden, um einen Mangel frühzeitig zu erkennen.
Die Häufigkeit der Kontrollen des Carnitinstatus im Plasma ist Teil der routinemäßigen
biochemischen Verlaufskontrollen, die bei allen GA1-Patienten in den jeweiligen
Stoffwechselambulanzen durchgeführt werden. Bis zum 1. Lebensjahr sollten diese alle 1-2
Monate, vom 1.-6. Lebensjahr vierteljährlich und ab dem 6. Lebensjahr halbjährlich
durchgeführt werden. Ziel ist, dass sich das freie Carnitin im Normbereich befindet.
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4. Gibt es ein Zusammenhang zwischen Carnitinmenge und Restaktivität des Enzyms?
Ja. Je höher die Restenzymaktivität ist, desto geringer ist der Bedarf an Carnitin, da weniger
Glutarylcarnitin produziert wird. Bei Kindern mit einem Niedrigausscheiderstatus ist deshalb
die erforderliche Carnitinmenge im Verlauf häufig niedriger als bei Kindern mit einem
Hochausscheiderstatus. Die Startdosis (100 mg/kg Körpergewicht/Tag in 3 Einzeldosen) ist
zunächst bei allen Kindern gleich.
5. Was ist Glycin und weshalb wird es nicht ebenfalls wie Carnitin substituiert?
Glycin ist eine Aminosäure, die vom Körper selbst gebildet wird und vielfältige Funktionen
übernimmt. Bei manchen Stoffwechselkrankheiten (z.B. Isovalerianazidurie) wird neben
Carnitin auch Glycin zur Förderung der Entgiftung gegeben. Bei der Therapie von Kindern
mit GA1 spielt Glycin jedoch keine Rolle, da nur in sehr geringem Maße Glutarylglycin
gebildet wird und die Entgiftung durch Carnitin effektiv ist.
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B. Aminosäuren
6. Hat es Nachteile, wenn man die Aminosäurenmischung statt nur zweimal statt
dreimal am Tag bei gleicher Menge nimmt?
Eine Verteilung auf zwei Portionen im Anschluss an eine Hauptmahlzeit wäre auch möglich.
Ob Nachteile entstehen, lässt sich nicht beantworten. Um sicher zu gehen, dass eine
optimale Verwertung und über den Tag gleichmäßigere Verteilung der zugeführten
Aminosäuren gegeben ist, wird empfohlen, die Aminosäurenmischung auf 3 Portionen
verteilt zu den Hauptmahlzeiten zu nehmen.
7. Warum werden in der Broschüre keine Tryptophanwerte angegeben?
Der Lysin-Anteil im Protein von Lebensmitteln (2-9%) ist höher als der von Tryptophan (ca.
0,5-1%). Lysin gilt als die Hauptquelle der entstehenden toxischen Metabolite (Glutaryl-CoA,
Glutarsäure und 3-Hydroxyglutarsäure). Somit ist die Berechnung der Lysinzufuhr
wesentlicher Bestandteil der lysinarmen Diät. Eine Berechnung der Tryptophanzufuhr ist
hingegen nicht erforderlich. Um einen Tryptophanmangel zu verhindern, ist eine kleine
Menge Tryptophan den in Deutschland verfügbaren lysinfreiein Aminosäurenmischungen
beigesetzt. Tryptophan ist Vorläufer für den Botenstoff Serotonin. Ein Tryptophanmangel
kann u.a. Schlaflosigkeit, Stimmungsschwankungen und Appetitverlust verursachen.
8. Ist es eine erwiesene Tatsache, dass der Lysinabbau in den Gehirnzellen in zwei
unterschiedlichen Prozessen stattfindet, wobei nur in einem die Glutaryl-CoADehydrogenase eine Rolle spielt?
Bei Menschen gibt es zwei Varianten des Lysinabbaus, den sog. Saccharopin-Weg und den
Pipecolat-Weg. Der Saccharopin-Weg ist in der Leber der wichtigste Weg, der PipecolatWeg hingegen der wichtigste Abbauweg im Gehirn. Beide Wege treffen sich. Das Enzym
Glutaryl-CoA-Dehydrogenase befindet sich in der gemeinsamen Endstrecke des
Lysinabbauwegs.
9. Erlaubt die im Blut oder einer Gewebeprobe des Körpers gemessene Restaktivität
einen Rückschluss auf die Aktivität des Enzyms in den Gehirnzellen?
Dem Defekt der Glutaryl-CoA-Dehydrogenase liegt eine Mutation zugrunde, die alle
Körperzellen in gleicher Form betrifft. Er wird autosomal-rezessiv vererbt und ist dadurch in
jeder Körperzelle in der gleichen Form vorhanden. Die Messung der Enzymaktivität in
Leukozyten (weißen Blutkörperchen) oder Fibroblasten (Hautzellen) wird stellvertretend für
alle anderen Körperzellen bestimmt. Diese Verfahrensweise wird auch bei anderen
Krankheiten erfolgreich angewendet.
10. Ist es möglich, den Gehirnzellen in katabolen Stoffwechsellagen zusätzliche
Energie zur Verfügung zu stellen und so den sekundären Zelltod zu verhindern?
Die Bereitstellung von ausreichend hohen Mengen an Glukose, dem wichtigsten
Energielieferanten des Gehirns, ist die beste, uns bekannte Notfallmaßnahme. Die
Glukosezufuhr sichert den Energiebedarf und verhindert – durch Stimulation der
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Insulinausschüttung – einen Abbau des körpereigenen Eiweißes und der vermehrten
Anreicherung von Glutarsäure und 3-Hydroxyglutarsäure.
11. Zirkulieren im Gehirn dieselben Mengen von Aminosäuren oder findet eine
Auswahl oder Gewichtung statt?
Die Menge der Aminosäuren im Gehirn variiert von Aminosäure zu Aminosäure. Dies ist
abhängig von dem Vorhandensein spezifischer Transporter, die Aminosäuren vom Blut in
das Gehirn über die sog. Blut-Hirn-Schranke transportieren. Die Konzentrationen der
essentiellen Aminosäuren sind deshalb im Gehirn und Liquor („Nervenwasser“) niedriger als
im Blut. Eine Ausnahme bilden diejenigen (nicht-essentiellen) Aminosäuren, die vom Gehirn
in hohem Maße selbst neu gebildet werden können (z.B. Glutamat, das als Neurotransmitter
verwendet wird).
12. Wird im Gehirn von Patienten mit GA1 mehr Glukose benötigt als bei gesunden
Menschen?
Nein, es gibt keine Hinweise dafür, dass Patienten für eine normale Hirnfunktion eine höhere
Menge an Glukose benötigen. Dies ist jedoch aktuell Gegenstand von neuroradiologischen
Untersuchungen.
13. Brauchen die Patienten mit GA1 allgemein eine höhere Glukosezufuhr als gesunde
Menschen?
Es gibt keinen Hinweis darauf, dass der Bedarf sich unterscheidet. Tritt eine Dystonie auf,
kann sich der Energiebedarf verändern. Dies ist jedoch vom Schweregrad abhängig.
14. Welche Chancen sehen Sie, dass in absehbarer Zeit ein verlässlicher Indikator für
eine aktuelle diätetische Problematik gefunden wird – beispielsweise durch
Bestimmung des Verhältnisses von Arginin und Lysin im Plasma?
Die Konzentrationen von Arginin und Lysin sowie ihr Verhältnis zueinander im Blut zeigen
nach unseren Untersuchungen keinen eindeutigen Zusammenhang zur Nahrungszufuhr.
Zudem kann von den Plasmakonzentrationen nicht linear auf die Konzentrationen von Lysin,
Glutarsäure und 3-Hydroxyglutarsäure im Gehirn zurückgeschlossen werden. Weiterhin gibt
es demnach keinen verlässlichen biochemischen Parameter für die Therapiesteuerung.
Wichtigste Verlaufsparameter sind ein gutes Wachstum und Gedeihen sowie die
neurologische Entwicklung.
15. Gebräuchlich sind in Deutschland zwei Aminosäuremischungen. Davon enthält
eine 4,4 g Arginin pro 100 g Aminosäurenmischung und die andere 2,7 g Arginin pro
100 g Aminosäurenmischung. Was ist empfehlenswert, wenn ansonsten eine
lysinarme Diät nach der AWMF-Leitlinie eingehalten wird?
16. Weshalb gibt es in der Broschüre weder Empfehlungen für Arginin, noch Angaben
zum Arginingehalt von Lebensmitteln und wieviel Arginin sollte man pro Tag zu sich
nehmen?
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Aminosäurenmischungen von beiden Herstellern sind empfehlenswert. Der Unterschied im
Arginingehalt besteht lediglich bei der Säuglingsnahrung. Nach dem 1. Lebensjahr haben
beide Aminosäuremischungen den gleichen Arginingehalt, der sich hierbei an der
Muttermilch orientiert (51 mg Arginin pro 1 g Protein). Jüngste Forschungen haben gezeigt,
dass Kinder, die im 1. Lebensjahr eine höhere Argininzufuhr erhalten haben (SHS) und
solche, die eine im Vergleich hierzu niedrigere Zufuhr (Milupa) hatten, sich innerhalb der
ersten 3 Lebensjahre gleich gut entwickelten.
Arginin wird aus der Nahrung nur zu ca. 40% vom Darm aufgenommen, der Rest bereits vor
der Aufnahme abgebaut. Zudem wird Arginin in der Niere und Leber vom Körper selbst
(wieder-) hergestellt. Die Wiederherstellung von Arginin aus Citrullin findet auch im Gehirn
statt. Somit besteht keine lineare Beziehung zwischen der Nahrungszufuhr und den PlasmaKonzentration von Arginin. Arginin und Lysin konkurrieren um dieselben Transporter (z.B.
CAT1 an der Blut-Hirn-Schranke oder ORNT1 an der inneren Mitochondrienmembran). Im
Tiermodell konnte gezeigt werden, dass eine hohe Argininzufuhr die Wirkung einer
lysinarmen Diät verstärken konnte. Die hierbei verwendeten Argininmenge waren jedoch ein
Vielfaches des bei Menschen möglichen Supplementationsmengen.
Es ist folglich noch unklar, wie hoch die optimale Argininzufuhr für Patienten mit GA1 ist. Da
es jedoch bei Verwendung der o.g. Aminosäurenmischungen zu einem gleich guten Verlauf
bei beiden Gruppen kam, sind beide Produktlinien generell empfehlenswert.
Wie und wo kann man sich
17.
Aminosäuremischung mehr einnimmt?
Arginin
besorgen,
wenn
man
keine
Als Arzneimittel zugelassen ist in Deutschland nur L-Arginin-Hydrochlorid 21%, das in
Infusionslösungen eingesetzt wird. L-Arginin-Pulver ist nicht als Medikament zugelassen. Es
kann rezeptfrei als Nahrungsmittelergänzung von unterschiedlichen Firmen (z.B. Nutricia)
bezogen werden.
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C. Kohlenhydrate, Kalorien, Fette, Eiweiß
18. Ist bei Glutarazidurie Typ 1 der Säurehaushalt gestört?
Nein. Eine Störung des Säure-Basen-Haushaltes im Körper tritt regelmäßig bei anderen
(klassischen) Organoazidurien auf (z.B. Methylmalonazidurie, Propionazidurie) und ist dann
meist mit einer akuten Entgleisung (Stoffwechselkrise) verbunden. Diese führen
typischerweise auch zu weiteren Stoffwechselveränderungen (erhöhte Konzentration von
Ketonkörpern und Laktat), die das Blut sauer machen können. Die Produktion der
organischen Säuren ist bei der GA1 vergleichsweise gering. Zudem treten die o.g.
zusätzlichen Veränderungen bei der GA1 nicht auf, sodass die Pufferkapazität des Bluts
nicht überschritten wird.
19. Hat die Kohlehydratreiche Ernährung Nachteile für den Säurehaushalt?
Nein, eine kohlenhydratreiche Ernährung hat keine Auswirkungen auf den Säure-BasenHaushalt.
20. Was war das Motiv, die Ampel-Kennzeichnung auf Seite 23 in der Broschüre in rot
und gelb aufzuteilen? Beide Gruppen sind mit gleich großer Vorsicht zu
berücksichtigen. Die gelb gekennzeichneten Nahrungsmittel werden gewöhnlich in
größerer Menge verzehrt als bei Glutarazidurie möglich und die roten sind häufig so
geschmackvoll, dass nur sehr geringe Mengen benötigt werden, um die gewünschte
geschmackliche Note zu erreichen.
Grundsätzlich gilt, dass sich eine geschmackvolle Kost lässt auch ohne Fleisch gut
umsetzen lässt. Die Milch ist gegenüber dem Fleisch vorzuziehen. Dies hat mehrere Gründe:
1. Fleisch ist extrem eiweiß- und lysinreich und könnte nur in minimalen Mengen in die Diät
eingeplant werden. Die Milch ist zwar auch eiweiß- und lysinreich, im Vergleich zu Fleisch ist
der Lysingehalt jedoch geringer.
Beispiel:
10 g gegartes Fleisch und 100 ml Trinkmilch haben etwa den gleichen Lysingehalt.
Hinzu kommt, dass ein lysinhaltiges Lebensmittel benötigt wird, um im Kleinkindalter die
vorgegebene Tagesmenge an Lysin zu erreichen. Diese Situation entsteht dann, wenn das
Kind vollständig auf eine altersentsprechende feste Kost umgestellt ist und die Milchflasche
wegfällt. In diesem Alter ist die in den Lebensmitteln der grünen Gruppe enthaltene
Lysinmenge zu gering, um den Bedarf an Lysin zu decken. Dies lässt sich mit der
entsprechenden Menge an Milch oder Joghurt sehr gut erreichen.
Da die Ernährung auch nach der Lockerung der strengen Diät möglichst wenig Fleisch
enthalten sollte, ist eine frühe unnötige Gewöhnung an Fleisch nicht zu empfehlen.
21. Welche Möglichkeiten gibt es, etwas gegen Übersäuerung zu tun, außer basischer
Ernährung und Basengetränken?
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Die Theorie der Übersäuerung des Körpers wurde von einem amerikanischen Arzt namens
Dr. Howard Hay begründet. Seiner Theorie nach sollte die tägliche Ernährung nur 20% sog.
säurebildender Nahrungsmittel, wie Fleisch, Zucker, Getreide etc., enthalten, um einer
Übersäuerung des Organismus vorzubeugen. Die Zufuhr sog. „basischer“ Nahrungsmittel,
wie Gemüse, Salate und Obst, sollte somit 80% der täglichen Nahrung ausmachen. Die
Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat zu diesem Thema im Jahr 1998 eine
Stellungnahme
veröffentlicht
(http://www.dge.de/modules.php?name=News&file=article&sid=12).
Beurteilung der Trennkost-Theorien durch die DGE:
•
Die Trennkost ist vorwiegend lacto-vegetabil. Das heißt, sie enthält hauptsächlich Gemüse,
Salate und Obst, die vor allem roh verzehrt werden. Die Empfehlung, weniger Fleisch zu
essen, ist von Vorteil, weil dadurch weniger gesättigte Fettsäuren und Cholesterin
aufgenommen wird.
•
Die Trennkost ist energie- und fettarm. Dies ist positiv zu bewerten.
•
Die Lebensmittelauswahl sichert keine ausreichende Nährstoffversorgung, wenn nur 20 bis 25
Prozent der Nahrung aus "säurebildenden Lebensmitteln wie Getreideprodukte, Fleisch und
Fisch bestehen:
•
Getreide und Getreideerzeugnisse liefern essentielle Nährstoffe wie B-Vitamine, Folsäure,
Magnesium, Eisen und Selen. Sie kommen in der Hayschen Trennkost deutlich zu kurz.
Getreide und daraus hergestellte Produkte sollten in einer vollwertigen Ernährung im
Mittelpunkt stehen und mengenmäßig überwiegen. Zu empfehlen ist die Haysche Trennkost
nur dann, wenn der Getreideanteil in der Kost deutlich erhöht wird.
•
Darüber hinaus wird zu wenig Käse empfohlen, der vor allem für die Calciumzufuhr wichtig ist,
zu wenig Seefisch, der z.B. für die Zufuhr von Jod und Omega-3-Fettsäuren wichtig ist, sowie
zu wenig Fleisch, ein wichtiger Lieferant für Eisen.
•
Eine basenüberschüssige Kost bringt keine nachweisbaren gesundheitlichen Vorteile. Eine
Übersäuerung des Körpers ist beim Gesunden nicht zu befürchten, da Puffersysteme den
Säure-Basen-Spiegel im Blut und Gewebe konstant halten. Zu einer Azidose (Übersäuerung)
kann es z.B. bei einer Stoffwechselentgleisung beim Diabetes mellitus kommen. Dies muß
vom Arzt behandelt werden.
•
Es wird der Eindruck vermittelt, daß durch das Trennprinzip bestimmte Krankheiten wie
Nierenerkrankungen, Diabetes mellitus oder Fettstoffwechselstörungen maßgeblich
beeinflusst beziehungsweise geheilt werden können. Wer seine Ernährung umstellt und
reichlich Obst, Gemüse und Salat verzehrt und gleichzeitig auf große Fleischportionen, fette
Wurst, Zucker, Süßigkeiten sowie auf täglichen Alkohol verzichtet, kann den Krankheitsverlauf
positiv beeinflussen - auch ohne Trennkost.
Diese Ernährungsform ist heutzutage umstritten, und es konnte bisher nach
wissenschaftlichen Kriterien kein Wirksamkeitsnachweis oder gar Vorteil gegenüber einer
Mischkost nachgewiesen werden.
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D. Gehirnschädigung und Bewegungsstörung
22. Welche Schädigungen des Gehirns können nach dem 6. Lebensjahr durch
Glutarazidurie Typ 1 ausgelöst werden?
Der Langzeitverlauf von frühbehandelten Kindern mit GA1 ist noch nicht gut bekannt.
Deshalb ist es wichtig, den Langzeitverlauf bei möglichst vielen Kindern, Jugendlichen und
Erwachsenen möglichst gut zu dokumentieren und zu untersuchen. Dies wird aktuell im
Rahmen des europäischen Projekts „E-IMD“ (European registry and network for intoxication
type metabolic diseases; Website: www.e-imd.org) untersucht.
Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass weltweit weiterhin von keiner Krise nach dem 6.
Lebensjahr berichtet wurde. Dies lässt vermuten, dass in dieser vulnerablen Phase der
ersten 6 Lebensjahre das Gehirn besonders anfällig für eine Schädigung ist.
Neben der typischen GA1-Verlaufsform mit der Entwicklung einer enzephalopathischen Krise
(meist innerhalb der ersten 24 Monate) bei unbehandelten Patienten, sind auch andere
(seltenere) Verlaufsformen bei der GA1 beschrieben worden. Beim sog. insidious onset-type
kommt es zu einer schleichenden neurologischen Verschlechterung und entsprechenden
Veränderungen im Gehirn ohne vorherige akute enzephalopathische Krise. Es sind bislang
nur einzelne Patienten bekannt, die erst im Erwachsenenalter nach unauffälliger Kindheit
Symptome wie Kopfschmerzen, Gangunsicherheit, Koordinationsstörung, Schwindel
entwickelten (late onset-type). Diese Symptome besserten sich zumeist unter gemäßigter
Eiweißzufuhr und Carnitingabe.
23. Welche der möglicherweise entstehenden Schäden sind erfahrungsgemäß
reversibel?
Manche Auffälligkeiten im Neugeborenenalter weisen auf eine Reifungsverzögerung im
letzten Drittel der Schwangerschaft hin. Dies betrifft die muskuläre Rumpfhypotonie
(Muskelschwäche),
die
Erweiterung
der
äußeren
Liquorräume
durch
eine
Reifungsverzögerung des Temporallappens sowie das Auftreten einer unreifen Fältelung der
Hirnrinde und einer verzögerten Entwicklung des Myelins (Isolierungsschicht der
Nervenfasern). Durch MRT-Untersuchungen und klinische Verlaufsuntersuchungen konnte
gezeigt werden, dass sich diese Veränderungen zurückbilden. Dasselbe betrifft
Signaländerung im Globus pallidus, die vermutlich ein Ausdruck der verzögerten
Myelinisierung sind.
Auffälligkeiten im Bereich des Striatums (Putamen, Nucleus caudatus) und dystone
Bewegungsstörungen gelten hingegen als irreversibel.
24. Inwiefern ist Glutarazidurie Typ 1 eine fortschreitende Erkrankung?
Die ersten 6 Lebensjahre sind der für den Gesamtverlauf der GA1 entscheidende Zeitraum;
anschließend zeigen sich nach heutiger Kenntnis stabile Verläufe. Bis zu diesem Zeitpunkt
ist die Entwicklung und das klinische Outcome der Kinder anhand von Studien gut
untersucht, und es konnte gezeigt werden, dass eine leitliniengerechte Behandlung über
diesen Zeitraum hinweg einen günstigen Einfluss auf die Entwicklung der Patienten hat. Der
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Langzeitverlauf ist allerdings noch nicht umfassend und bei ausreichend vielen Patienten
untersucht worden.
25. Wieviele Patienten sind weltweit bekannt?
Seit der Erstbeschreibung durch Goodman und Kollegen im Jahr 1975 sind weltweit mehr als
500 Patienten diagnostiziert worden. Die Neuerkrankungsrate lag in Deutschland bei ca.
1:110.000 Neugeborenen.
26. Welche Informationen gibt es zur Sterblichkeit?
Entscheidend hierfür ist das Auftreten bzw. Verhindern einer schweren dystonen
Bewegungsstörung in den ersten Lebensjahren. Eine weltweit durchgeführte
Querschnittsstudie aus dem Jahr 2006 hat gezeigt, dass bei dystonen Patienten die
Überlebensrate bei den unter 5jährigen bei >90% lag; bis zum 25. Lebensjahr verstarb
jedoch die Hälfte aller Patienten mit schwerer Dystonie. Kinder, die asymptomatisch bleiben
bzw. eine leichtgradige Dystonie entwickeln, haben hingegen nach heutiger Kenntnis eine
normale Lebenserwartung.
27. Wo leben die ältesten Patienten mit GA1? Wie alt sind sie? Wie hat sich Ihre
Bewegungsstörung entwickelt?
Der älteste in Deutschland (und wohl auch weltweit) bekannte Patient mit Glutarazidurie Typ
1 (ohne Dystonie) ist heute über 70 Jahre alt. In Saudi-Arabien lebt ein mittlerweile 60jähriger Mann, der neurologisch unbeeinträchtigt ist. Einzelne dystone Patienten, die heute
älter als 30 und 40 Jahre alt sind, leben in Dänemark. Einzelne Mütter zwischen 20 und 35
Jahren (mit keinen oder nur geringen neurologischen Auffälligkeiten) wurden in Deutschland
im Rahmen des Neugeborenenscreenings über ihre Kinder entdeckt worden.
28. Was ist darunter zu verstehen, wenn von einem Parkinsonismus die Rede ist?
Parkinsonismus ist ein Sammelbegriff für Symptome, die denen des Morbus Parkinson
(auch: Paralysis agitans) entsprechen, aber aufgrund einer anderen Ursache entstehen.
Auslöser können Vergiftungen, Medikamente, Infektionen, Traumen, angeborene strukturelle
Hirnläsionen (Hydrocephalus), zerebrale Durchblutungsstörungen oder angeborene
Stoffwechselstörungen
(z.B.
Störungen
im
Neurotransmitter-Stoffwechsel,
neurodegenerative Erkrankungen, M. Wilson) sein. Die möglichen Symptome umfassen:
Hypo-/Bradykinesie (Bewegungsarmut, -verlangsamung), Hypomimie (verminderte
Gesichtsmimik), Rigor („Muskelstarre“), Ruhetremor (Rhythmisches Hände zittern), evtl auch
Hyperhidrose (vermehrtes Schwitzen) und vermehrte Talgproduktion der Haut, sowie in
fortgeschrittenen Stadien Schluck-, Verdauungs- und Blasenentleerungsstörungen. Die
vegetativen Symptome finden sich ganz überwiegend beim Morbus Parkinson. Alle
Ursachen des Parkinsonsimus führen letztlich u.a. zu einer Störung des
Dopaminstoffwechsels. Die Therapie richtet sich daher v.a. auf die Unterstützung des
dopaminergen Systems (L-Dopa, Dopaminagonisten, Hemmung des Dopaminabbaus,
Förderung der Dopaminfreisetzung,).
Der Teil im Gehirn, der bei einem Morbus Parkinson degeneriert, heißt Substantia nigra.
Diese enthält fast alle der dopaminproduzierenden Nervenzellen. Sie ist Teil der
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sogenannten Basalganglien (zusammen mit dem Striatum, d.h. Putamen und Nucleus
caudatus, zudem Globus pallidus), die zusammen mit der Großhirnrinde (Cortex), N.
subthalamicus, dem Thalamus (=Schaltstelle für alle dem Gehirn zukommenden
Informationen) sowie weiteren Kerngebieten eine sehr entscheidende Rolle für die
Modulation unserer Bewegungen spielen. Man bezeichnet diese Strukturen auch als das
„Extrapyramidale System“. Für den in der Großhirnrinde ausgedachten Bewegungsplan,
muss das Extrapyramidale System die motorischen Programme entwerfen. Dies ist
allerdings eine sehr einfache Beschreibung. Die komplexen Mechanismen sind bis heute
nicht vollständig verstanden. Letztlich realisieren diese Schaltkreise das Zusammenwirken
von Motivation, Emotion, Kognition und dem Ablauf von motorischen Bewegungen auf
neuronaler Ebene.
Diese Basalganglien bestehen aus mehreren Kerngebieten, die über komplexe Regelkreise
miteinander kommunizieren, hierfür ist u.a. Dopamin wichtig, v.a. für die Verbindung
zwischen der Substantia nigra und dem Striatum. Letztlich kommt es durch den
Dopaminmangel zu einer zu starken Hemmung von Eingangssignalen sowie zu einer
verminderten Aktivierung der Großhirnrinde, was dann die Symptome des Parkinsonismus
verursacht.
Bei der GA1 wird im Unterschied hierzu primär das Striatum (Nucleus caudatus, Putamen)
befallen. Das Striatum aktiviert u.a. den Globus pallidus, was sich wiederum in einem
physiologisch sehr wichtigen hemmenden Einfluss auf Thalamus und Cortex ausdrückt. Ist
diese Funktion des Striatums gestört (z.B. nach einer enzephalopathischen Krise), fällt diese
Hemmung weg und es resultiert, anders als beim Parkinsonismus, eine zu starke Erregung
von bestimmten Zentren, was sich in Form einer dystonen Bewegungsstörung zeigt.
Das klassische Schädigungsmuster bei der GA1 im Striatum führt daher nicht primär zu
einem Parkinsonismus. Allerdings können aufgrund der komplexen Regelkreise und engen
Verschaltung von Basalganglien, Substantia nigra, Thalamus und Cortex bestimmte
Symptome bei mehreren Erkrankungen auftreten. Die MRT-Studie im Jahr 2009 hat z.B.
gezeigt, dass bei GA1-Patienten in seltenen Fällen auch die Substantia nigra betroffen sein
kann, v.a. nach stattgehabter Krise, aber auch bei asymptomatischen Kindern. Die klinische
Bedeutung dieser Beobachtung ist allerdings noch unklar.
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Abbildung
Skizze der Basalganglien mit kommunizierenden Strukturen.
Caud = N. caudatus, Put = Putamen, Na = N. accumbens, To = Tuberculum olfactorium,
GPe = Globus pallidus externus, GPi = Globus pallidus internus, PC = pars compacta der
Substantia nigra, PR = pars reticularis der Substantia nigra, ST = N. subthalamicus
1 = Thalamus, 2 = pedunculopontiner Nucleus, 3 und 4 = dorsale Raphekerne.
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29. Wie ist der neueste Stand Ihrer Theorie darüber, wie es zu Veränderungen im
Gehirn bei Patienten mit GA1 kommt?
Im Zentrum der Pathophysiologie stehen Glutaryl-CoA, Glutarsäure und 3Hydroxyglutarsäure, die zur Gruppe der Dicarbonsäuren gehören und hauptsächlich aus
Lysin entstehen. Durch die Blut-Hirn-Schranke können alle Dicarbonsäuren nur sehr spärlich
in Richtung Blut abtransportiert werden, weshalb sich die o.g. Stoffwechselprodukte
besonders stark im Gehirn anreichern können.
Die angehäuften Stoffwechselprodukte beeinflussen in hoher Konzentration mehrere
wichtige Hirnfunktionen:
(1) Vermehrte Aktivierung von Glutamatrezeptoren: hierdurch steigt
Energieverbrauch und das Risiko für eine Schädigung von Nervenzellen an.
der
(2) Hemmung des Energiestoffwechsels: insbesondere im Bereich des Zitratzyklus
(Krebs-Zyklus) und bei Transport von Dicarbonsäuren zwischen Nervenzellen und
Astrozyten.
(3) Beeinträchtigung der Eigenregulation der Gehirndurchblutung mit der Gefahr
einer nicht ausreichenden Energieversorgung im Katabolismus.
Das Striatum weist besonders bei Säuglingen und jungen Kleinkindern einen hohen
Energiebedarf, eine störanfällige Durchblutung und eine hohe Konzentration von
Glutamatrezeptoren auf. Hierdurch wird verständlich, warum das Striatum in dieser
Altersgruppe besonders empfindlich auf die o.g. durch die erhöhten Stoffwechselprodukte
reagiert.
30. Wie viele Patienten wurden bisher am Gehirn operiert (Tiefenhirnstimulation,
Stammzellen)?
Es gibt derzeit keine systematischen Studien, die die Wirksamkeit einer tiefen Hirnstimulation
spezielle bei GA-1-Patienten untersucht haben. Es gibt lediglich Einzelberichte mit kurzer
Nachuntersuchungszeit. Generell profitieren Patienten mit einer sekundären Dystonie (d.h.
Dystonie auf der Grundlage einer Schädigung der Basalganglien) weniger gut (oder gar
nicht) als Patienten mit primärer Dystonie (keine Schädigung, sondern eine angeborene
Funktionsstörung der Basalganglien).
Eine Veröffentlichung der University of California, San Francisco aus dem Jahr 2011
untersuchte die Effekte der tiefen Hirnstimulation bei 31 Kindern mit prim. sowie sek.
Dystonie, wie z.B. bei der GA1 (Air, E.L., et al., Deep brain stimulation in children:
experience and technical pearls. J Neurosurg Pediatr, 2011. 8(6): p. 566-74.). In dieser
Studie wurde unter anderem ein 16 Jahre alter GA1-Patient anhand der tiefen
Hirnstimulation behandelt. Im Gegensatz zu den sehr guten Ergebnissen bei Kindern mit
prim. Dystonie, waren die Ergebnisse der Patienten mit sek. Dystonie nicht
dementsprechend vielversprechend. Der Schweregrad der Dystonie im linken Arm des GA1Patienten konnte nach der einseitigen Implantation einer Sonde zur tiefen Hirnstimulation
etwas (18%) gesenkt werden, wohingegen sich die Dystonie der Patienten mit primärer
Dystonie nach dem Eingriff sehr deutlich (80-100%) reduzierte. Eine der
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Hauptkomplikationen der tiefen Hirnstimulation war die Infektion der eingebrachten Sonden
bei Kindern unter 10 Jahren (57%). Zudem traten in einigen Fällen Dislokationen oder
Brüche der eingebrachten Bestandteile auf.
31. Was hat die Studie zur intellektuellen Entwicklung ergeben?
Diese Studie wird aktuell noch ausgewertet.
32. Wenn bei einem Baby eine Glutarazidurie bereits pränatal diagnostiziert wird,
können während der Schwangerschaft Maßnahmen ergriffen werden (z.B. durch
besondere Ernährung und Medikamenteneinnahme der Mutter), um das ungeborene
Baby vor Auftreten von Gehirnveränderungen bereits vor der Geburt zu schützen?
Nein. Es gibt keine bekannten oder gar empfehlenswerten Maßnahmen, die seitens der
Mutter eines ungeborenen Kinds mit GA1 nach heutigem Wissen sinnvollerweise zusätzlich
unternommen werden sollten. Die üblichen Vorsorgeuntersuchungen und eine gesunde
Lebensführung sind wie bei allen anderen Schwangerschaften zu empfehlen.
33. Sind bei Langzeiteinnahme von Baclofen-Nebenwirkungen bekannt und, wenn ja,
welche?
Das Auftreten von Nebenwirkungen unter Baclofen-Therapie ist dosisabhängig, hingegen
nicht abhängig von der Dauer der Therapie. Sehr häufig treten bei hohen Dosierungen
Übelkeit mit Erbrechen, Schläfrigkeit und Benommenheit auf. Es kann zu einer
unerwünschten Schwächung der Willkürmotorik und des Muskeltonus (insbesondere bei
bereits bestehender Muskelhypotonie des Rumpfes problematisch) kommen. Sehstörungen
können ebenfalls auftreten. Durch Dosisreduktion können die Nebenwirkungen
abgeschwächt oder aufgehoben werden.
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E. Netzwerke
34. Ist es möglich, dass E-IMD-Studienpatienten mit Glutarazidurie Typ 1 zur
Vermeidung von Fehlern Ihre eigenen Daten einsehen und prüfen können?
Ein Zugriff auf die Datenbank ist aus Datenschutzgründen nur einzelnen Studienärzten
erlaubt. Die eingegebenen Daten jeder Studienvisite können jedoch auf Nachfrage vom
Studienarzt ausgedruckt und den Patienten bzw. Eltern ausgehändigt werden.
35. Wie soll gewährleistet werden, dass die in dem Fragebogen gemachten Angaben
sich nicht zum Nachteil des Patienten auswirken?
Die Studie und die Datenbank wurden vor Beginn von der Ethikkommission und dem
Datenschutzbeauftragten geprüft und positiv begutachtet. Die Datenbank hat eine strenge
Zugriffsbeschränkung, die Datenhaltung erfolgt pseudonymisiert (d.h. jeder Studienpatient
erhält eine Nummer). Namen, Vornamen, Adresse, vollständiges Geburtsdatum oder andere
identifizierbare Parameter sind nicht in der Datenbank vorhanden. Da die
Beobachtungsstudie lediglich strukturiert die durchgeführten Untersuchungen und Therapie
dokumentiert, aber nicht in die Entscheidung teilnehmender Patienten und Studienärzte
eingreift, entstehen durch eine Teilnahme keine bekannten Nachteile für die Patienten.
36. Welche Kontakte gibt es zur „Achse“?
Kontakte zwischen dem Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin Heidelberg und der
ACHSE, dem Kindernetzwerk und EURORDIS bestehen auf unterschiedlichen Ebenen. Eine
Verknüpfung besteht z.B. über das neu gegründete „Zentrum für Seltene Erkrankungen
Universitätsmedizin Heidelberg“, bei dem das Stoffwechselzentrum als Einzelzentrum
involviert ist.
37. Gibt es ein Forschungsvorhaben, das sie mit finanzieller Hilfe von der
Selbsthilfegruppe durchführen könnten?
Grundsätzlich macht die Forschung an seltenen Erkrankungen im Vergleich zu anderen,
häufigeren Erkrankungen des Erwachsenenalters einen eher kleinen Teil aus. Allerdings hat
die EU seit einigen Jahren einen Fokus auf die Erforschung der rare diseases gelegt, was
auch mit entsprechenden Fördermöglichkeiten verbunden ist. Durch diese europäischen
(und nationalen) Fördermaßnahmen und private Sponsoren wird die Erforschung seltener
Erkrankungen in den nächsten Jahren gewährleistet. Die beste Unterstützung durch die
Selbsthilfegruppe besteht in einer Bekanntmachung (wichtiger Multiplikator!) aktueller
Studienaktivitäten und der Bereitschaft auch an zukünftigen Studien aktiv mitzuwirken
(Akzeptanzförderung!).
38. In welchen Stoffwechselzentren wird weltweit über Glutarazidurie Typ 1 geforscht?
Welche Kooperationen gibt es zwischen diesen Stoffwechselzentren?
In Deutschland wird schwerpunktmäßig in Heidelberg und Hamburg an der GA1 geforscht.
Weitere Stoffwechselzentren (z.B. München [LMU], Düsseldorf, Münster, Hannover,
Freiburg) sind zudem an Verlaufsbeobachtungsstudien und der Leitlinienentwicklung
beteiligt. Desweiteren wird traditionell in den USA (Holmes Morton / Kevin Strauss,
15
Strasburg, Pennsylvania), Kanada (Cheryl Greenberg, Winnipeg, Manitoba), Australien
(Avihu Boneh, Melbourne), Schweden (Marten Kyllerman [mittlerweile im Ruhestand],
Göteborg) an der GA1 geforscht. Diese und weitere Gruppen sind Mitglieder des im letzten
Jahr etablierten und von Heidelberg aus koordinierten europäischen Netzwerkprojekts „EIMD“ (European registry and network for intoxication type metabolic diseases; Website:
www.e-imd.org), das zu einem besseren Verständnis von Patienten mit Organoazidurien und
Harnstoffzyklusdefekten führen soll. Die Gruppe entwickelt zudem evidenzbasierte Leitlinien
für Patienten mit diesen Erkrankungen (weiter), entwickelt verständliche und in
unterschiedliche Sprache übersetzte Informationsbroschüren und kümmert sich um eine
europäische Standardisierung der Patientenversorgung.
39. In welche Richtung
Glutarazidurie Typ 1?
gehen
die
aktuellsten
Forschungsaktivitäten
über
Aktuelle Forschungsthemen bei der GA1 sind: Langzeitverlauf, therapeutische Beeinflussung
der Blut-Hirn-Schranke und des Lysinabbaus im Gehirn, Entwicklung von kognitiven und
intellektuellen Funktionen, Energiestoffwechsel des Gehirns.
40. Wie kann die medizinische Betreuung (Beratung, jährliche Kontrolle usw.) durch
Stoffwechselspezialisten gewährleistet werden, wenn das 18. Lebensjahr vollendet ist
und ein Klinikwechsel ansteht?
Die Betreuung der Stoffwechselpatienten findet derzeit auch über das 18. Lebensjahr hinaus
bei uns statt. Mittelfristig erscheint jedoch die Weiterbetreuung durch entsprechend
geschulte Erwachsenenärzte als wünschenswert. Entsprechende Transitionskonzepte
werden erarbeitet.
Autoren: Heringer J, Assmann B, Kölker S, Boy, N
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