Unterfunktion der Schilddrüse = Hypothyreose Die Schilddrüse ist eine winzig kleine Hormondrüse, die vorne am Hals vor der Luftröhre liegt. Sie bildet die jodhaltigen Schilddrüsenhormone (am bekanntesten Thyroxin = T4). Die Schilddrüse wird vom Hypothalamus, dem wichtigen Steuerzentrum des vegetativen Nervensystems und der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) gesteuert. Die Hormone der Schilddrüse wirken auf Herz- und Kreislauf, auf die Haut und auf den Grundumsatz (Stoffwechsel). Sie sind lebenswichtig und ein Über- oder Unterproduktion von Schilddrüsenhormonen hat gravierende Folgen. Nach der Literatur gibt es sowohl eine Überfunktion der Schilddrüse wie auch eine Unterfunktion. Ich habe bei Papillons nur die Unterfunktion durch zu geringe oder ganz ausgefallene Produktion von Schilddrüsenhormonen gesehen. Für den Tierarzt ist es nicht einfach, bei unseren Zwergen auf den Verdach „Hypothyreose“ zu kommen. Zum einen steht in der Fachliteratur, dass davon meist grosse Rassen betroffen sind, zum andern sind die Symptome auch bei Papillons so unterschiedlich, dass ich nicht zwei genau gleiche Fälle gesehen habe (insgesamt waren es 5 betroffene Hunde von 1995 bis 2008). In meinen ersten fast 30 Jahren mit Papillons habe ich keine Schilddrüsenprobleme gesehen. Meine ersten Erfahrungen mit Schilddrüsen-Unterfunktion beim Papillon gehen etwa auf das Jahr 1995 zurück. Es ist eine sehr langsam auftretende Veränderung im Aussehen des Hundes, die zuerst so unauffällig ist, dass der Besitzer wenig davon merkt. Die Symptome zeigen sich ab 3 bis 6 Jahren, vorher sind diese Hunde absolut unauffällig, entsprechen der Norm und pflanzen sich problemlos fort. Die Symptome sind sehr unterschiedlich und nicht alle Symptome treten bei allen betroffenen Hunden auf. Hier eine Aufzählung möglicher Auffälligkeiten: • Relativ schnell kommt ein Verdacht bezüglich Unterfunktion der Schilddrüse auf, wenn ein Papillon unter gravierendem Haarausfall leidet und an der „Unterseite“ von Hals, Brust, Bauch oder auch am Schwanz zunehmend kahl wird (siehe Foto). Zugleicht verliert das Haarkleid seine seidene Textur. • Es besteht kein Haarausfall, die Haut wird dunkel pigmentiert, ist nicht mehr schön glatt und rosarot an den hellen Stellen, sondern verdickt und schwarz-braun oder schwarz-grau. In fortgeschrittenen Fällen lösen sich bei der Haarpflege dunkle, verhornte Schuppen, fast wie Sandkörnchen und das Haar ist trocken und rau. Auch „fettige“, juckende Haut mit Neigung zu Hautentzündungen (Hot-Spots). Anomalien des Haarwechsels und starke Bildung von wolligem, nicht rassetypischem Haar kommen vor. Die Gesamtkonstitution verändert sich schleichend und verliert die festen Strukturen, die rassetypische Raschheit und Eleganz kann sich verlieren. Der Kopf kann breiter, schwerer erscheinen, die tendenziell aufgedunsenen Strukturen lassen das Haar etwas abstehen und die klaren Linien an Kopf und Körper verändern sich. Das normale Verhalten kann weitgehend erhalten bleiben, sehr oft finden sich jedoch Hinweise auf Kreislaufprobleme. Foto: 11-jähriger Rüde mit Hypothyreose, seit 5 Jahren behandelt, ausser dem etwas „schwammig“ wirkenden Kopf keine Auffälligkeiten. Diese Kreislaufprobleme erkennt der Besitzer an häufigem Hecheln (der Papillon ist eine Rasse, die kaum je mit offenem Maul hechelt!), an einer violetten Verfärbung von Zunge und Mundschleimhäuten bei grösserer Anstrengung wie Rennen mit andern Hunden und manchmal der Verweigerung, sich in raschem Tempo zu bewegen. Wie diese Veränderungen schleichend über Monate kommen, nimmt sie der Besitzer zu wenig wahr und schreibt sie oft auch dem höheren Alter zu, manchmal auch dem Übergewicht, denn viele Hunde mit dieser Erkrankung nehmen an Gewicht stark zu, obwohl sie gar nicht so viel fressen. Das hängt mit dem veränderten Stoffwechsel und der reduzierten Bewegungslust zusammen. Im fortgeschrittenen Stadium sind die Geschlechtsorgane der Rüden verändert, die Hoden scheinen „weicher“, am Bauch und im Bereich der Vorhaut wird die Behaarung sehr dünn. Die Rüden werden deckunfähig, d.h. sie möchten zwar noch decken, schaffen es aber nicht mehr. Hündinnen werden kaum mehr sichtbar läufig, die Läufigkeit kann fast ganz wegbleiben. Es ist möglich, dass bei mir die vielleicht schon hypothyreote trächtige Tochter des vorstehend gezeigten Altrüden eine Fehlgeburt nach 5-6 Wochen hatte. Sicher bin ich nicht, denn die Diagnose Hypothyreose bei der Hündin wurde erst ein halbes Jahr später gestellt. Die betroffenen Hunde werden anfällig für alle möglichen Infektionen. Das betrifft nicht nur die Haut, auch Hustenerkrankungen, Bronchitis oder Angina werden gesehen. Viele neigen vermehrt zu Durchfällen, die Verdauung scheint vom Mangel an Schilddrüsenhormonen auch beeinträchtigt zu werden. Weil die Folgen der Schilddrüsen-Unterfunktion so unterschiedlich sind, kann der Tierarzt einzelne solcher Veränderungen schlecht als Gesamtbild erkennen. Das Krankheitsbild scheint bei den Zwergen nicht so typisch wie bei den Riesenrassen zu sein, wo die Hypothyreose häufiger vorkommt. Manchmal wird beim Papillon die VerdachtsDiagnose Cushing-Syndrom gestellt (Überfunktion der Nebennierenrinde), weil das bei Kleinhunden öfter vorkommt (es fehlt hypothyreoten Papillons auch der für Cushing typische Durst). Man muss also bei Verdacht auf Hypothyreose den Tierarzt darauf hinweisen, dass dies in der Rasse schon vorgekommen und eine Blutuntersuchung nötig ist (Schilddrüsenhormone bestimmen). Die Werte, die heraus kommen, sind bei Papillons manchmal noch in der Norm für Hunde, aber nicht wie bei gesunden Kleinsthunden eher der oberen Hälfte der Norm, sondern in der Regel im untersten Drittel der Norm. Die Ursache des Problems ist wenig erforscht. Möglicherweise geht das Ganze nicht primär von der Schilddrüse aus, sondern vom sogenannten Hypothalamus-Hypophysen-System, dem für viele endokrine Funktionen wichtigen Steuerungssystem im Gehirn. Wenn die Diagnose einmal gestellt ist, kann dem Hund wirklich geholfen werden. Die Therapie besteht darin, dass man dem Hund täglich die vom Tierarzt berechnete Dosis gibt, die ihm die nötigen Schilddrüsenhormone zuführt. Damit lässt sich vor allem die Problematik mit der Haut, die Infektionsanfälligkeit und die Herz-Kreislaufproblematik eindämmen. Manchmal muss anfangs die Tagesdosis 2-3-mal nach Anweisung des Tierarztes angepasst werden, bis die richtige Menge gefunden ist. Diese Hormontabletten für unsere Zwerge sind nicht teuer, d.h. es belastet das Budget wenig, wenn man sie bis ans Lebensende über Jahre täglich zum gleichen Zeitpunkt vor dem Füttern verabreicht. Mit der richtigen Behandlung hören die Herz-Kreislauf-Symptome auf, die Bewegungslust nimmt zu und die zunehmende Verfettung abgebaut. Die Anfälligkeit für Infektionen von Haut und Atemwegen vermindert sich. Eine echte Heilung ist nicht möglich, der Hund braucht täglich sein Medikament. Die Hunde werden mit der erwähnten Behandlung relativ alt, d.h. die Lebenserwartung scheint kaum eingeschränkt zu sein. Über die Ursachen kann ich nicht viel sagen. Bei mir waren in einem Fall Vater und Tochter betroffen, was auf Vererbung hindeuten könnte. Von der Art der Vererbung, ob von einem oder mehreren Faktoren bestimmt, habe ich keine Vorstellung. Das Rezept für die Züchter lautet: Inzucht und enge Linienzucht vermeiden. In meiner Hundefamilie habe ich bewusst auf die Weiterzucht mit der betroffenen Linie verzichtet, es gibt keine Kinder, Enkel oder Urenkel, die das Problem weitervererben könnten. Es muss nicht unbedingt Vererbung sein, im Einzelfall könnten auch im Laufe des Lebens vorangehende Erkrankungen oder Alterungsprozesse den Untergang von Schilddrüsengewebe verursacht haben. Bei alten Hauskatzen ist die Unterfunktion der Schilddrüse gar nicht selten.