Thieme: Duale Reihe – Biochemie

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242
A
13.6
13.6 Ketonkörpersynthese (Ketogenese)
Ketonkörpersynthese (Ketogenese)
13.6.1 Grundlagen
13.6.1 Grundlagen
▶ Definition.
A-13.20
13 Die Bereitstellung von Fettsäuren, Triacylglycerinen und Ketonkörpern
▶ Definition. Als Ketonkörper bezeichnet man die drei Metabolite Acetoacetat, βHydroxybutyrat und Aceton (s. Abb. A 13.20).
Ketonkörpersynthese
O
2 H3C
C
O
CoA
Acetyl-CoA
H3C
CoA
O
H 3C
Thiolase
C
O
CH2
C
C
CoA
Acetyl-CoA
CoA
CoA
CH2
C
–
HMG-CoA-Synthase
Acetoacetyl-CoA
O
C
C
–
NAD+
OH
O
CH2
CH
CH3
O
β-Hydroxybutyrat
▶ Merke.
β-HydroxybutyratDehydrogenase
C
CoA
C
CH2
β-Hydroxyβ-methylglutaryl-CoA
(= HMG-CoA)
O
H 3C
C
O
Acetoacetat
C
CoA
CO2
O
O
–
CH2
CH3
HMG-CoA-Lyase
NADH
+ H+
O
OH
O
O
H 3C
CH3
spontane
Decarboxylierung
C
CH3
Aceton
▶ Merke.
Bildungsort der Ketonkörper sind die Mitochondrien der Hepatozyten.
Ketonkörper werden synthetisiert, wenn die Konzentration an Acetyl-CoA im
Hepatozyten erhöht ist. Dies ist bei länger anhaltendem Nahrungsmangel, aber
auch bei Diabetes mellitus der Fall.
Acetoacetat und β-Hydroxybutyrat sind im
Fasten/Hunger die entscheidende Energiequelle des Gehirns. Aceton wird unverändert
ausgeschieden (v. a. abgeatmet).
13.6.2 Die Reaktionen der
Ketonkörpersynthese
▶ Merke.
Acetoacetat und β-Hydroxybutyrat sind bei Nahrungsmangel wichtige Energielieferanten, insbesondere in der Skelettmuskulatur und im Herzmuskel. Im Fasten sind
sie außerdem als Energiequelle des Gehirns von entscheidender Bedeutung. Aceton
hat im Stoffwechsel hingegen keine Funktion. Es wird mit dem Urin und mit der
Atemluft unverändert ausgeschieden.
Nach einem halben Tag ohne Nahrungsaufnahme ist die Konzentration der Ketonkörper im Blutplasma noch gering. Im Fasten kann die Ketonkörperkonzentration
innerhalb weniger Tage auf 8 mM steigen.
13.6.2 Die Reaktionen der Ketonkörpersynthese
▶ Merke. Primäres Reaktionsprodukt der Ketonkörpersynthese ist Acetoacetat.
Aus ihm entsteht durch Reduktion β-Hydroxybutyrat, durch spontane Decarboxylierung Aceton (Abb. A 13.20).
Synthese von Acetoacetat:
2 Acetyl-CoA→ Acetoacetyl-CoA + CoA:
Enzym: Thiolase.
Acetoacetyl-CoA + Acetyl-CoA → CoA +
3-Hydroxy-3-methylglutaryl-CoA (β-Hydroxy-β-methylglutaryl-CoA = HMGCoA).
Enzym: mitochondriale HMG-CoA-Synthase
Synthese von Acetoacetat:
2 Acetyl-CoA reagieren unter Freisetzung von 1 CoA zu Acetoacetyl-CoA.
Die Reaktion wird von dem Enzym Thiolase katalysiert und entspricht einer
Umkehrung des letzten Schrittes der β-Oxidation. (Im letzten Schritt der β-Oxidation wird Acetoacetyl-CoA mithilfe von CoA in 2 Acetyl-CoA gespalten.)
Acetoacetyl-CoA reagiert mit einem weiteren Acetyl-CoA zu 3-Hydroxy-3-methylglutaryl-CoA (β-Hydroxy-β-methylglutaryl-CoA = HMG-CoA).
Dieser Schritt wird von der mitochondrialen HMG-CoA-Synthase katalysiert.
HMG-CoA ist auch ein Zwischenprodukt der Cholesterinsynthese (S. 336). Zu beachten ist allerdings, dass HMG-CoA bei der Ketonkörpersynthese in Mitochon-
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A
243
13.7 Lipoproteine: Transport von Lipiden im Blut
drien gebildet wird. Das HMG-CoA der Cholesterinsynthese hingegen wird im
Zytosol synthetisiert.
▶ Merke.
HMG-CoA ist ein Zwischenprodukt sowohl der Ketonkörpersynthese als
auch der Cholesterinsynthese.
Von HMG-CoA wird Acetyl-CoA abgespalten, dabei bleibt Acetoacetat übrig. Die
Reaktion wird von einer HMG-CoA-Lyase katalysiert.
Synthese von β-Hydroxybutyrat: Ein großer Teil des Acetoacetats wird mit NADH
durch die β-Hydroxybutyrat-Dehydrogenase zu β-Hydroxybutyrat reduziert. Sowohl β-Hydroxybutyrat als auch Acetoacetat wird an das Blut abgegeben. Im Blut
ist β-Hydroxybutyrat der Ketonkörper mit der höchsten Konzentration.
▶
Klinik.
Da es sich bei Acetoacetat und β-Hydroxybutyrat um Carbonsäuren
handelt, ist die verstärkte Synthese der Ketonkörper sowohl im Fasten als auch
bei Diabetes mellitus mit einer Ansäuerung des Blutes, also mit einer Azidose verbunden.
13.7 Lipoproteine: Transport von Lipiden im
Blut
▶ Definition.
Als Lipoproteine bezeichnet man bestimmte Aggregate aus Lipiden
und Proteinen des Blutplasmas. Ihre entscheidende Funktion besteht im Transport
der hydrophoben Lipide in der wässrigen Umgebung des Blutes.
▶ Merke.
HMG-CoA → Acetoacetat + Acetyl-CoA:
Enzym: HMG-CoA-Lyase
Synthese von β-Hydroxybutyrat: Acetoacetat wird mithilfe von NADH reduziert.
Enzym: β-Hydroxybutyrat-Dehydrogenase
▶
Klinik.
13.7
Lipoproteine: Transport von Lipiden
im Blut
▶ Definition.
13.7.1 Aufbau und Einteilung
13.7.1 Aufbau und Einteilung
Lipoproteine enthalten neben den Lipiden, die den hydrophoben Kern des Aggregats bilden, spezifische Proteine, die als Apolipoproteine bezeichnet werden. Diese
weisen vielfach amphiphile α-Helices auf: An der den Lipiden zugewandten Seite
exponieren sie überwiegend hydrophobe Aminosäuren, während die übrigen Aminosäuren hydrophil sind und so die Löslichkeit der Lipoproteine in der wässrigen
Umgebung vermitteln. Apolipoproteine
binden Lipide (ApoB-48 und ApoB-100),
vermitteln die Bindung an Lipoprotein-Rezeptoren der Zielzellen (ApoB-100,
ApoA-I und ApoE),
aktivieren die Lipoprotein-abbauenden Enzyme (ApoA-I aktiviert die LCAT, ApoCII aktiviert die Lipoproteinlipase) (Tab. A 13.1).
Lipoproteine unterscheiden sich in Zusammensetzung und Anteil ihrer Lipide und
Apolipoproteine. Unterschiede im Lipid- bzw. Proteinanteil führen zu Dichteunterschieden, anhand derer sich fünf Lipoproteinklassen abgrenzen lassen (Tab. A 13.1).
In der klinischen Chemie werden Lipoproteine in der Regel durch ElektrophoreseVerfahren analysiert. Zu diesem Zweck werden nicht die sonst in der Biochemie
üblichen SDS-Polyacrylamid-Gelelektrophoresen (SDS-PAGE) durchgeführt, sondern vereinfachte Techniken unter Verwendung kommerziell erhältlicher Agarosegele oder Celluloseacetatfolien. Die Lipoproteine lassen sich dann bestimmten Fraktionen der Serumproteine zuordnen, die willkürlich mit griechischen Buchstaben
bezeichnet wurden. So sind die LDL ein Bestandteil der β-Fraktion (Tab. A 13.1).
Lipoproteine enthalten neben den Lipiden,
die den hydrophoben Kern bilden, spezifische
sog. Apolipoproteine. Letztere
binden Lipide,
vermitteln die Bindung an Lipoprotein-Rezeptoren der Zielzellen,
aktivieren die Lipoprotein-abbauenden Enzyme (Tab. A 13.1).
13.7.2 Der Stoffwechsel der Lipoproteine
Lipoproteine unterscheiden sich in ihrer
Dichte, anhand der sie in fünf Klassen eingeteilt werden (Tab. A 13.1).
In der klinischen Chemie werden Lipoproteine
in der Regel durch Elektrophorese-Verfahren analysiert (Tab. A 13.1).
13.7.2 Der Stoffwechsel der Lipoproteine
Chylomikronen
Chylomikronen
Chylomikronen bestehen zu etwa 90 % aus den TAG, die in der Darmmukosa im
Zusammenhang mit der Verdauung der Nahrugslipide resynthetisiert wurden. Da
TAG eine geringe Dichte haben („Fett schwimmt oben“), ist auch die Dichte der
Chylomikronen gering. Sie entstehen in den Enterozyten im Lumen des ER durch
Anlagerung von TAG und geringen Mengen weiterer Lipide an das ApoB-48.
Chylomikronen bestehen zu ca. 90 % aus den
TAG, die nach der Lipidverdauung in der
Darmmukosa resynthetisiert und an ApoB48 gebunden wurden. Ihre Dichte ist gering.
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A
A-13.1
13 Die Bereitstellung von Fettsäuren, Triacylglycerinen und Ketonkörpern
Übersicht über die Lipoproteine
Lipoproteinklasse
Funktion
wichtige Apolipoproteine
Durchmesser
TAGAnteil
Dichte
Verhalten bei der
Elektrophorese
Chylomikronen
Transport der Lipide
(insbes. TAG) der
Nahrung
ApoB-48 (bindet die
Lipide),
ApoC-II (Cofaktor der
Lipoproteinlipase →
Hydrolyse der TAG)
ApoE (vermittelt die
Endozytose der Chylomikronen-Reste in der
Leber)
75 – 500 nm
~90 %
< 0,95 g/ml
wandern nicht
VLDL (Very low
Density Lipoproteins)
(Abb. A 13.21 a)
Transport von in der
Leber synthetisierten
TAG und Cholesterin
zu den extrahepatischen Geweben
ApoB-100 (bindet die
Lipide),
ApoC-II (Funktion s. o.)
30 – 70 nm
55 %
ca. 0,95 g/ml
prä-β-Fraktion
IDL (Intermediate
Density Lipoproteins)
entstehen beim
Abbau von VLDL
ApoB-100 (Funktion s. u.)
20 – 30 nm
20 %
1,01 – 1,02 g/ml
β-Fraktion
LDL (Low Density
Lipoproteins)
(Abb. A 13.21 b)
entstehen beim
Abbau von IDL, enthalten hohen Cholesterinanteil (45 %) und
verteilen Cholesterin
im Körper
ApoB-100 (bindet die
Lipide und löst in den
peripheren Geweben
durch Bindung an den
LDL-Rezeptor die Aufnahme des Cholesterins
durch Endozytose aus)
20 nm
6%
1,02 – 1,06 g/ml
β-Fraktion
HDL (High Density
Lipoproteins)
(Abb. A 13.21 c)
Aufnahme von Cholesterin in peripheren
Geweben und Transport zur Leber
ApoA-I (aktiviert die
Lecithin-Cholesterin-Acyltransferase, die das in
Lipoproteinen enthaltene
Cholesterin mit Fettsäuren verestert),
ApoE (vermittelt die
Übergabe von Cholesterinestern an die
Leber)
< 10 nm
4%
bis zu 1,2 g/ml
α-Fraktion
A-13.21
a
Humane Lipoproteine (elektronenmikroskopische Aufnahmen, Negativfärbung, Vergr. 1:270 000)
b
c
a VLDL.
b LDL.
c HDL.
(aus Riede, Werner, Schaefer; Allgemeine und spezielle Pathologie, Thieme, 2004)
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A
Die Chylomikronen gelangen in die Lymphe und über den Ductus thoracicus in den
Blutkreislauf. Im Anschluss an eine fettreiche Mahlzeit werden in kurzer Zeit sehr
viele Chylomikronen in das Blut geschwemmt. Wenn in dieser Phase Blutplasma
aus Blutproben gewonnen wird, zeigt dieses eine deutliche Trübung (Abb. A 13.22).
Im Blutkreislauf nehmen die Chylomikronen von HDL ApoC-II und ApoE auf.
A-13.22
245
13.7 Lipoproteine: Transport von Lipiden im Blut
Blutseren mit verschiedenen Lipidkonzentrationen
Sie gelangen über die Lymphe in den Blutkreislauf, wo sie von HDL ApoC-II und ApoE
aufnehmen. Chylomikronenreiches Blutplasma ist trüb (Abb. A 13.22).
A-13.22
Linkes Röhrchen: Gesamtcholesterin 173 mg/dl, Triglyceride 121 mg/dl.
Mittleres Röhrchen: Gesamtcholesterin 370 mg/dl,
Triglyceride 897 mg/dl.
Rechtes Röhrchen: Gesamtcholesterin 1008 mg/dl, Triglyceride 9294 mg/dl.
(mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Füeßl,
Haar)
▶ Merke.
ApoC-II ist Cofaktor der Lipoproteinlipase. Dieses Enzym befindet sich
auf der Außenseite der Endothelzellmembran der Blutkapillaren. Hier spaltet es
die TAG der Chylomikronen in Glycerin und Fettsäuren. Während das Glycerin
mit dem Blut zur Leber transportiert wird, werden die Fettsäuren von den Zielzellen resorbiert.
Entgegen früheren Vermutungen erfolgt die Aufnahme langkettiger Fettsäuren in
den Zellmembranen der peripheren Gewebe nicht spontan, sondern unter Vermittlung mehrerer Transportproteine (FATP, FAT/CD 36 und FABPpm).
Durch den weitgehenden Verlust ihrer TAG werden die Chylomikronen zu Chylomikronen-Resten (Remnants) und weisen nun in der Zusammensetzung ihrer Lipide
einen erhöhten Cholesterinanteil auf. Sie gelangen in die Leber, wo ApoE ihre Aufnahme in die Hepatozyten durch Endozytose vermittelt. ApoE bindet an zwei Rezeptorproteine, die unabhängig voneinander in der Plasmamembran der Hepatozyten verankert sind und die Endozytose der Remnants auslösen. Dies sind
der LDL-Rezeptor (LDLR) und
das LDL-Rezeptor-verwandte Protein 1 (LDLR-related Protein, LRP1).
Beide gehören zu derselben Proteinfamilie. Sie sind mit einer membranspannenden
Domäne in der Plasmamembran verankert und exponieren an der Außenseite der
Zelle eine große Domäne, die der Bindung der Liganden dient.
▶ Merke.
Durch die Hydrolyse der TAG weisen die
Chylomikronen-Reste (Remnants) einen
höheren Cholesterinanteil auf. Sie gelangen
in die Leber, wo ApoE durch Bindung an
den LDL-Rezeptor (LDLR) und
das LDL-Rezeptor-verwandte Protein (LRP)
ihre Aufnahme in die Hepatozyten durch
Endozytose vermittelt.
Zum Mechanismus der Endozytose s. S. 351.
VLDL (Very low Density Lipoproteins)
VLDL (Very low Density Lipoproteins)
VLDL werden in der Leber gebildet. Sie enthalten vor allem TAG, die in der Leber
synthetisiert wurden. In ihrer Zusammensetzung ähneln sie somit den Chylomikronen. Da sie neben den TAG auch einen vergleichsweise hohen Cholesterinanteil (ca.
20 %) enthalten, ist ihre Dichte geringfügig höher. Vor dem Einbau in die VLDL wird
das Cholesterin in den Hepatozyten unter Vermittlung der Acyl-CoA-CholesterinAcyltransferase (ACAT) weitgehend mit Fettsäuren verestert und liegt somit in
Form von Cholesterinestern vor.
Das Apolipoprotein, an das sich die Lipide während der Biogenese der VLDL anlagern, ist das ApoB-100. Dieses besteht aus 4 536 Aminosäuren und zählt mit einer
Masse von 513 kDa zu den größten Proteinen, die vom Genom des Menschen
kodiert werden. Es wird vom gleichen Gen kodiert wie ApoB-48 und von derselben
mRNA translatiert. In den Enterozyten wird das Cytidin in Nukleotidposition 6 666
der mRNA desaminiert, wodurch das Codon CAA, das Glutamin kodiert, zum Stoppcodon UAA wird (C-to-U-RNA-Editing, S. 454). Dadurch entsteht in Enterozyten die
verkürzte Version ApoB-48. In Hepatozyten bleibt die mRNA unverändert und es
wird das vollständige ApoB-100 synthetisiert (Abb. A 13.23).
VLDL werden in der Leber gebildet. Sie enthalten vor allem TAG, aber auch ca. 20 %
Cholesterin. Dieses ist durch die ACAT weitgehend mit einer Fettsäure verestert.
Die Lipide lagern sich an ApoB-100 an. ApoB100 und das ApoB-48 der Enterozyten werden von derselben mRNA translatiert. In Enterozyten wird aufgrund von C-to-U-RNAEditing nur ein Teil der mRNA, in Hepatozyten
dagegen die komplette mRNA translatiert
(Abb. A 13.23).
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A
A-13.23
13 Die Bereitstellung von Fettsäuren, Triacylglycerinen und Ketonkörpern
A-13.23
VLDL und Chylomikronen und die bei ihrer Biogenese in der Leber bzw.
im Darm entscheidenden Apolipoproteine (aus Faller, Schünke; Der Körper
des Menschen, Thieme, 2008)
VLDL
ApoB-100
Abbau zu LDL
Chylomikronen
ApoB-48
Abbau zu Remnants
Wie Chylomikronen nehmen VLDL im Blut
ApoC-II von HDL auf → Hydrolyse der gebundenen TAG durch die Lipoproteinlipase.
So werden VLDL über IDL zu LDL abgebaut.
Dabei steigt der relative Anteil des Cholesterins.
Das Cholesterin der VLDL wird größtenteils
durch die Lecithin-Cholesterin-Acyltransferase (LCAT) des Blutplasmas in Cholesterinester überführt: Das Enzym überträgt eine
Fettsäure auf die OH-Gruppe des Cholesterins.
Die Fettsäuren stammen vom Lecithin u. a.
Phospholipiden der VLDL.
Cholesterinester sind hydrophob und akkumulieren im Kern der VLDL und LDL.
Wie die Chylomikronen nehmen auch VLDL während der Zirkulation im Blut Apoproteine von HDL auf, u. a. ApoC-II. Dieses vermittelt an den Endothelzellen der
Kapillaren die Hydrolyse der in VLDL enthaltenen TAG durch die Lipoproteinlipase.
Auf diese Weise werden VLDL rasch zu IDL und dann zu LDL abgebaut. Die durchschnittliche Überlebenszeit der VLDL im Blut beträgt nur ca. 20 Minuten. Da sie TAG
schneller abgeben als Cholesterin, steigt dabei der relative Anteil des Cholesterins.
Der Anteil des Cholesterins, der noch nicht verestert ist, wird durch die LecithinCholesterin-Acyltransferase (LCAT) des Blutplasmas in Cholesterinester überführt.
Die LCAT bindet reversibel an VLDL und katalysiert die Übertragung von Fettsäuren
des Lecithins (= Phosphatidylcholin, das häufigste Membranlipid) auf die OH-Gruppen des Cholesterins:
Cholesterin + Lecithin ⇌ Cholesterinester + Lysolecithin
Quelle der von der LCAT übertragenen Fettsäuren sind die Phospholipide, die sich in
der äußeren Schicht der VLDL befinden. In der Regel spaltet die LCAT die Fettsäure
von der Position 2 ab. Dabei bleibt vom Lecithin Lysolecithin übrig. Da sich in der
Position 2 der Phospholipide meist eine ungesättigte Fettsäure befindet, sind die
Cholesterinester der VLDL und LDL reich an ungesättigten Fettsäuren, insbesondere
an Linolsäure.
Da die hydrophile OH-Gruppe des Cholesterins nun durch eine hydrophobe Fettsäure blockiert ist, geht der amphiphile (= sowohl polare als auch hydrophobe)
Charakter des Cholesterins verloren. Deshalb verlassen die Cholesterinester die
Oberfläche der VLDL und akkumulieren im hydrophoben Kern der Partikel.
LDL (Low Density Lipoproteins)
LDL (Low Density Lipoproteins)
LDL haben bis auf ApoB-100 alle Apolipoproteine verloren. Ihr Anteil an Cholesterinestern beträgt bis zu 50 %. LDL verteilen
Cholesterin im Körper. Für die Verteilung des
Cholesterins ist der LDL-Rezeptor entscheidend. Er wird in unterschiedlichem Ausmaß
von sämtlichen Zellen des Körpers gebildet
und vermittelt die Endozytose des kompletten LDL-Partikels.
LDL haben bis auf ApoB-100 alle Apolipoproteine verloren. Sie enthalten kaum noch
TAG, dafür aber Cholesterinester in hoher Konzentration. Der Anteil der Cholesterinester an den Lipiden der LDL beträgt bis zu 50 %, und die wichtigste Funktion der
LDL besteht in ihrem Beitrag zur Verteilung des Cholesterins im Körper. Während
die TAG der VLDL nach und nach durch die Aktivität der Lipoproteinlipase abgegeben werden, ist für die Verteilung des Cholesterins der LDL-Rezeptor von entscheidender Bedeutung. Er vermittelt eine Endozytose des kompletten LDL-Partikels. TAG und Cholesterin(ester) werden in den Zielorganen also durch grundsätzlich unterschiedliche Mechanismen aufgenommen. Der LDL-Rezeptor wird in
unterschiedlichem Ausmaß von sämtlichen Zellen des Körpers gebildet. Über die
kontrollierte Expression des LDL-Rezeptors können die Zellen bestimmen, wie viele
LDL und damit wie viel Cholesterin sie aufnehmen wollen. LDL, die von den Geweben der peripheren Organe nicht resorbiert werden, binden nach einiger Zeit an
LDL-Rezeptoren der Leber und werden von den Hepatozyten aufgenommen. Der
LDL-Rezeptor erkennt sowohl das ApoB der LDL als auch das ApoE der HDL.
▶ Merke.
▶ Merke.
Die Bindung der LDL an den LDL-Rezeptor wird durch ApoB-100
vermittelt.
Die rezeptorvermittelte Endozytose der LDL
(Abb. A 13.24) verläuft mithilfe von Clathrin.
Die Inhaltsstoffe der LDL werden in Lysoso-
Die rezeptorvermittelte Endozytose der LDL (Abb. A 13.24) ist an die Beteiligung
von Clathrin gebunden. Clathrin ist ein Protein, das sich in Bereichen hoher Rezeptordichte an die zytosolische Seite der Zellmembran anlagert und dann die Bildung
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A
A-13.24
247
13.7 Lipoproteine: Transport von Lipiden im Blut
Rezeptorvermittelte Endozytose von LDL
Phospholipid
LDL
freies Cholesterin
Cholesterinester
LDL
Triacylglycerin
extrazellulärer Raum
Zelle
ApoB-100
vesikulärer Transport
Rezeptorvermittelte
Endozytose
NH2
LDLRezeptor
Lysosom
Kohlenhydratseitenketten
Endosom
Fettsäuren
Ribosom
Aminosäuren
endoplasmatisches
Retikulum,
LDL-Rezeptor-Synthese
Cholesterin
a
Golgi-Apparat,
Glykosylierung des
LDL-Rezeptors
Plasmamembran
COOH
b
Zellkern
a LDL-Rezeptor.
b Endozytose.
(a+b: nach Biesalski, Grimm; Taschenatlas Ernährung, Thieme, 2011)
eines Vesikels auslöst, indem es eine korbartige Struktur bildet. Die auf diese Weise
entstandenen Vesikel werden als Endosomen bezeichnet. Nach Fusion der Endosomen mit primären Lysosomen dissoziieren die LDL im sauren Milieu der Lysosomen,
und ihre Inhaltsstoffe werden den hydrolytischen Enzymen der Lysosomen ausgesetzt. Eine lysosomale Lipase hydrolysiert die Cholesterinester. Cholesterin wird
freigesetzt und aus den Lysosomen ausgeschleust.
Im Zytosol hemmt Cholesterin die HMG-CoA-Reduktase, das Schlüsselenzym der
Cholesterinbiosynthese. Je mehr Cholesterin eine Zelle von außen aufnimmt,
desto weniger Cholesterin braucht sie selber zu synthetisieren.
Cholesterin wird in die Membranen der Zelle eingelagert oder
durch die Acyl-CoA-Cholesterin-Acyltransferase (ACAT) erneut mit Fettsäuren (pro
Cholesterinmolekül eine Fettsäure) verestert und in Lipidtröpfchen gespeichert.
Die ACAT bezieht die Fettsäuren nicht von Phospholipiden (wie die LCAT des
Blutplasmas), sondern von Acyl-CoA, überwiegend von Palmitoyl-CoA. Die ACAT
ist ein Enzym des Endoplasmatischen Retikulums.
Der LDL-Rezeptor ist gegen die hydrolytischen Enzyme der Lysosomen hinreichend
resistent und wird mithilfe von Vesikeln zurück zur Plasmamembran transportiert.
Der Weg eines LDL-Rezeptors von der Zelloberfläche zu einem Lysosom und zurück
benötigt nur etwa 10 Minuten.
▶
Klinik. HMG-CoA-Reduktasehemmer (Statine) sind kompetitive Inhibitoren der
men hydrolysiert. Cholesterin wird freigesetzt und aus den Lysosomen exportiert.
Im Zytosol hemmt Cholesterin die HMGCoA-Reduktase, das Schlüsselenzym der
Cholesterinbiosynthese.
Cholesterin wird in die Membranen der
Zelle eingelagert oder
durch die Acyl-CoA-Cholesterin-Acyltransferase (ACAT) erneut mit Fettsäuren
verestert
Der LDL-Rezeptor gelangt zurück in die
Plasmamembran.
▶
Klinik.
zytosolischen HMG-CoA-Reduktase, des Schrittmacherenzyms der Cholesterinsynthese (S. 336). Sie bewirken eine erhebliche Absenkung der intrazellulären Cholesterinkonzentration. Diese Wirkung der Statine macht man sich bei erhöhtem Blutcholesterinspiegel (Hypercholesterinämie) zunutze (s. u.). Bei einer Therapie mit
Statinen wird der Blutcholesterinspiegel zum einen gesenkt, weil weniger Cholesterin synthetisiert wird, aber zum anderen auch, weil LDL aus dem Blut aufgenommen wird. Die Ursache der vermehrten Aufnahme ist eine gesteigerte Synthese des
LDL-Rezeptors: Das Gen des LDL-Rezeptors wird unter Beteiligung des Transkriptionsfaktors SREBP2 reguliert. Ähnlich wie SREBP-1 c entsteht auch SREBP2 durch
proteolytische Abspaltung von einem Vorstufenprotein, das sich zunächst in der
Membran des endoplasmatischen Retikulums (ER) befindet. Die Abspaltung des
reifen SREBP2 wird in der ER-Membran bei hohen Cholesterin-Konzentrationen
des Cholesterin-bindenden Membranproteins SCAP (= SREBP-cleavage-activating
protein) verhindert. SCAP ist der zentrale Cholesterin-Sensor der Zellen. Wenn die
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A
13 Die Bereitstellung von Fettsäuren, Triacylglycerinen und Ketonkörpern
Cholesterin-Konzentrationen sinken, z. B. bei einer Therapie mit Statinen, löst sich das
Cholesterin von SCAP ab, SCAP ändert seine Konformation und das SREBP2-Vorstufenprotein wird freigegeben. Von diesem kann nun der reife Transkriptionsfaktor SREBP2
abgespalten werden, der dann in den Zellkern wandert und dort die Transkription des
LDL-Rezeptors initiiert. Wegen ihrer Bedeutung in der Herzinfarktprophylaxe sind
Statine derzeit die umsatzstärksten Medikamente des gesamten Weltpharmamarkts.
Der HMG-Reduktase-Hemmer Atorvastatin (Lipitor) war bis 2011 mit einem Jahresumsatz von mehr als 10 Mrd. $ der umsatzstärkste Wirkstoff der Welt; Ende 2011 ist
das Patent ausgelaufen.
HDL (High Density Lipoproteins)
HDL (High Density Lipoproteins)
Die Biogenese der HDL ist nicht befriedigend
geklärt. Vermutlich entstehen sie in folgenden Schritten:
HDL haben unter den Lipoproteinen die höchste Dichte. Ihre Biogenese ist nicht
befriedigend geklärt. Man geht davon aus, dass sie nicht intrazellulär entstehen (wie
die Chylomikronen und die VLDL), sondern sich ausgehend von dem Apolipoprotein
ApoA-I erst im Blut bilden:
In der Leber und im Darm wird ApoA-I an das Blut abgegeben.
In Leber und Darm wird ApoA-I ins Blut
abgegeben.
ApoA-I nimmt aus Zellen peripherer Gewebe Phospholipide auf → scheibchenförmige Prä-β-HDL.
In die Phospholipide lagert sich Cholesterin aus Zellen peripherer Gewebe ein.
Den Export von Phospholipiden und Cholesterin aus den Zellen peripherer Gewebe vermittelt das Protein ABCA1.
ApoA-I aktiviert die LCAT, wodurch kugelförmige reife α-HDL entstehen.
Die HDL nehmen aus der Umgebung ApoE
auf.
▶ Merke.
▶ Merke.
Im Gegensatz zu den Remnants und den LDL, die von ihren Zielzellen
als vollständige Partikel aufgenommen werden, geben HDL meist lediglich ihre
Cholesterinester ab. Dazu binden sie an der Oberfläche der Zielzellen an den
Scavenger Receptor Class B Type 1 (SR-B1). Eine SR-B1-vermittelte Übergabe
von Cholesterinestern ist nur möglich, wenn die HDL sowohl ApoA-I als auch
ApoE enthalten. Nach der Übergabe gelangt das ApoA-I zurück in den Blutkreislauf.
Zielzellen sind:
Steroidhormon-produzierende Zellen
Hepatozyten
▶
Klinik.
ApoA-I zirkuliert mit dem Blut und nimmt von den Zellen der peripheren Gewebe Phospholipide auf. Die entstehenden Aggregate aus Phospholipiden und ApoAI sind scheibchenförmig und werden als Prä-β-HDL bezeichnet.
In die Phospholipide der Prä-β-HDL lagert sich Cholesterin aus den Zellen peripherer Gewebe ein.
Den Export von Phospholipiden und Cholesterin aus den Zellen peripherer Gewebe
vermittelt das Protein ABCA1 (ATP-binding cassette transporter A1), das in die
Plasmamembran der Zellen eingelagert ist. ABCA1 ist von fundamentaler Bedeutung für die Fähigkeit extrahepatischer Gewebe, überschüssiges Cholesterin an die
HDL des Blutes abgeben zu können.
Das ApoA-I aktiviert die LCAT des umgebenden Blutplasmas, die das von den HDL
aufgenommene Cholesterin mit Fettsäuren verestert. Die Cholesterinester akkumulieren im Inneren der Partikel. Aus den scheibchenförmigen Prä-β-HDL entstehen so die kugelförmigen reifen α-HDL.
Die HDL tauschen mit anderen Lipoproteinen sowohl Lipide als auch Apolipoproteine aus. U.a. nehmen die HDL dabei ApoE auf, das sie benötigen, um ihre Cholesterinester abgeben zu können.
Zielzellen, die von den HDL Cholesterinester aufnehmen, sind:
Zellen, die Steroidhormone produzieren,
Hepatozyten, die überschüssiges Cholesterin an die Gallenflüssigkeit abgeben.
Bislang ist noch unklar, in welchem Umfang HDL auch als vollständige Partikel von
den Hepatozyten aufgenommen werden.
▶
Klinik. In den Industrieländern wird mit der Nahrung übermäßig viel Choleste-
rin aufgenommen, das im Körper akkumuliert, weil es nicht abgebaut werden kann
und wie die Gallensäuren einem enterohepatischen Kreislauf unterliegt (S. 197).
Cholesterin trägt erheblich zum Arteriosklerose-Risiko bei. Eine besondere Rolle
spielen dabei Makrophagen, die im Endothel der großen Arterien Cholesterin akkumulieren und dabei zu „Schaumzellen“ werden. Die Makrophagen nehmen das
Cholesterin dabei nicht mithilfe von LDL-Rezeptoren auf, sondern unter Beteiligung
von besonderen „Scavenger-Rezeptoren“. Dabei handelt es sich nicht um SR-B1,
sondern um Rezeptoren, die normalerweise bei Entzündungsprozessen eine Rolle
spielen. Je effizienter überschüssiges Cholesterin von den HDL zur Leber transportiert wird, desto langsamer entwickeln sich die Makrophagen zu Schaumzellen.
Deshalb ist eine hohe Konzentration an HDL im Blut prognostisch günstig. Eine
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A
249
13.7 Lipoproteine: Transport von Lipiden im Blut
hohe Konzentration an LDL hingegen ist prognostisch ungünstig. Patienten mit einem
hohen Herzinfarktrisiko erhalten HMG-CoA-Reduktase-Hemmer (Statine, s. o.), um
den Cholesterinspiegel des Blutes drastisch zu senken.
Die physiologische Relevanz der verschiedenen Komponenten des Systems aus Lipoproteinen und Lipoproteinrezeptoren wird durch eine Reihe von Erbkrankheiten demonstriert. Zwei Krankheiten haben in jüngerer Zeit besondere Aufmerksamkeit erfahren, obwohl sie extrem selten sind:
Bei der Hyperlipoproteinämie Typ II (familiäre Hypercholesterinämie) ist der LDLRezeptor defekt. Unter 1 Million Menschen ist etwa 1 homozygoter Merkmalsträger. Folge des Defekts ist eine erheblich erhöhte Serumcholesterinkonzentration. Bei
vollständigem Fehlen des LDL-Rezeptors entwickelt sich bereits im Kindesalter eine
schwere Arteriosklerose.
Als Ursache der Tangier-Krankheit wurde in den 90er-Jahren ein angeborener Defekt des ABCA1-Proteins nachgewiesen. Im Blut der Patienten ist die Beladung von
ApoA-I mit Phospholipiden und Cholesterin gestört und damit die Biogenese der
HDL gehemmt. Im Blut der Patienten sind kaum noch HDL nachweisbar. Die Konsequenz ist eine massive Akkumulation von Cholesterin in den peripheren Geweben. In der medizinischen Literatur sind bislang nur ca. 100 Krankheitsfälle beschrieben. Tangier ist der Name einer kleinen Insel vor der Küste Virginias/Nordamerikas, auf der die beiden 1961 erstmals beschriebenen Patienten beheimatet
waren.
▶ Überblick:
A-13.25
▶ Überblick:
Abb. A 13.25.
Überblick über den Stoffwechsel der Lipoproteine
LDLRezeptor
SR-B1
Remnants
A-13.25
LCAT des Blutplasmas:
† Bildung von Cholesterinestern in Lipoproteinen
LDL
AQP
VLDL
Chylomikronen
ApoC-II
LPL
periphere Gewebe
Glycerin
Fettsäuren
HDL
Cholesterin und
Phospholipide
ApoC-II
LPL
FAT,
FATP
(Aufnahme von
Fettsäuren)
LDLRezeptor
Endozytose
ABCA1
(Export von
Lipiden)
Cholesterin
ACAT
Cholesterinester
ABCA1: ATP-binding Cassette Transporter A1; AQP: Aquaporin; FAT, FATP: Transportproteine für Fettsäuren in der Plasmamembran; LPL: Lipoproteinlipase der Endothelzellen;
SR-B1: Scavenger Receptor Class B Type 1; weitere Abkürzungen s. Text.
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A
13 Fallbeispiel
▶ Fallbeispiel: Diabetes mellitus Typ 1 (Ketoazidose)
Anamnese: Herr Andreas Kerkhoff wurde durch seine Hausärztin stationär eingewiesen, die er aufgrund eines anhaltenden Schwächegefühls mit erhöhter Müdigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten aufgesucht hatte. Am Montagmorgen
war es dem 29-jährigen Sportreporter nach einem zur Erholung geplanten Wochenende immer noch nicht besser gegangen. Auf genauere Nachfrage hin hatte er bereits bei der Hausärztin einen Gewichtsverlust von ca. 4 kg im letzten halben
Jahr berichtet, jedoch Fieber und nächtliches starkes Schwitzen verneint. Auch berufliche oder private Belastungssituationen sind nicht zu eruieren.
Vegetative Anamnese: Bei der Frage nach Stuhl- und Urinauffälligkeiten erwähnt der Patient, dass er seit einiger Zeit häufiger als früher Wasser lassen müsse. Dem habe er aber keine
Bedeutung zugemessen, da er auch viel mehr trinken würde
als gewöhnlich. Seit wann dies so sei, könne er nicht angeben,
jedoch habe er früher nie ein so starkes Durstgefühl wie in
letzter Zeit verspürt. Schlafstörungen verneint er bis auf die
Unterbrechung der Nachtruhe durch Toilettengänge.
Persönliche Anamnese: Schwerwiegende frühere Erkrankungen sind nicht bekannt, einzige Operation war bisher die Entfernung der Gaumenmandeln im Alter von 8 Jahren wegen
immer wiederkehrender eitriger Mandelentzündungen.
Körperliche Untersuchung: Bis auf einen etwas fruchtigen Geruch der Ausatemluft bei vertiefter Atmung zeigen sich keine
auffälligen Befunde. Größe 185 cm, Gewicht 71 kg.
Laboruntersuchungen (Angabe der jeweiligen Normwerte in
Klammern):
Blut: Kalium 5,7 mmol/l (3,5 – 5,0 mmol/l), HbA1 c (glykosyliertes Hämoglobin) 7,9 % (4,0 – 6,0 %), Blutzucker bei Aufnahme 354 mg/dl (60 – 100 mg/dl) bzw. 19,7 mmol/l
(2,5 – 5,5 mmol/l) (Abb. A 13.26), pH-Wert bei der Blutgasanalyse aus Kapillarblut 7,15 (7,37 – 7,43).
Im Urinstatus Glucose ca. 300 mg/dl (negativ), Ketonkörper
(Abb. A 13.27) ++ (negativ). Mikroalbumin im Urin negativ
(negativ).
A-13.26
Blutzucker-Messung: Beispiel für ein BlutzuckerMessgerät (aus Köther, THIEMEs Altenpflege, Thieme, 2005)
A-13.27
Mit Harnteststreifen können verschiedene Werte
des Urins analysiert werden, u. a. auch der pHWert und die Ketonkörper-Konzentration (aus
Köther, THIEMEs Altenpflege, Thieme, 2011)
Verlauf: Da die Hausärztin den Patienten nach Messung
eines deutlich erhöhten Blutzuckers sowie des auffälligen
Teststreifen-Ergebnisses im Urin bereits mit der Diagnose
eines Diabetes mellitus Typ 1 eingewiesen hatte, war Herr
Kerkhoff schon auf die Einleitung einer Insulintherapie vorbereitet. Auf der internistischen Normalstation ist mit einer
Insulinbehandlung nach dem Basis-Bolus-Konzept mit
einem über 24 h wirkenden Basalinsulin und jeweils direkt
zu den Mahlzeiten in individueller Dosierung gespritztem,
gentechnisch hergestelltem Insulin (Lispro) begonnen worden (Abb. A 13.28). Während des stationären Aufenthaltes
erhält der Patient durch eine Ernährungsberaterin eine Diabetesberatung und -schulung, sodass er den Blutzucker eigenständig messen und die notwendige Dosis des kurz wirksamen Insulins anhand der Höhe des Blutzuckers und der
aufgenommenen Nahrungsmenge selbst abschätzen kann.
Darüber hinaus findet eine sorgfältige Aufklärung über
Langzeitrisiken der Erkrankung und notwendige Kontrolluntersuchungen statt und der Patient kann nach 10-tägigem
Aufenthalt in gutem Allgemeinzustand entlassen werden.
A-13.28
Insulininjektion mit Insulinpen; der Pen enthält
eine Ampulle mit Insulin
Die individuelle Dosis kann einfach eingestellt werden und auch die
Applikation ist einfach durchführbar (aus Köther, THIEMEs Altenpflege, Thieme, 2005).
▶
aus: Rassow u. a., Duale Reihe – Biochemie (ISBN 9783131253538) © 2012 Georg Thieme Verlag KG
A
Fragen mit biochemischem Schwerpunkt:
1. Was ist der prinzipielle Unterschied zwischen einem Diabetes mellitus Typ 1 und 2 bei der Diagnosestellung (also
im Anfangsstadium)?
2. Welche Substanzen werden unter dem Begriff “Ketonkörper” zusammengefasst?
3. Wie, wo und warum werden Ketonkörper gebildet?
4. Welchen Vorteil bietet in der Sequenz geringfügig verändertes sog. Analog-Insulin (Lispro) gegenüber Humaninsulin bei
der subkutanen Verabreichung?
5. Bei Diabetikern kann – selbst während einer laufenden Insulintherapie – die körpereigene Rest-Insulinausschüttung
gemessen werden. Wie ist dies möglich?
Antwortkommentare:
Zu 1. Der Typ-1-Diabetes zeichnet sich durch einen absoluten
Insulinmangel aus, der Typ-2 jedoch durch eine Insulinresistenz. Die Ursache für den überwiegend bei jungen, schlanken
Patienten auftretenden Typ-1 ist in den meisten Fällen eine
Zerstörung der β-Zellen in den Langerhansschen Inseln des
Pankreas durch Autoimmunprozesse. Beim Typ-2-Diabetes
kommt es zunächst durch Übergewicht und genetische Faktoren zu einer verminderten Insulinwirkung, die dann in der
Anfangsphase gegenregulatorisch mit einer erhöhten Insulinausschüttung einhergeht. Erst nach jahrelangem Krankheitsverlauf kommt es zu einer Art Erschöpfung der β-Zellen, sodass neben dem relativen auch ein absoluter Insulinmangel
auftreten kann.
13 Fallbeispiel
251
Zu 2. Acetessigsäure, β-Hydroxybuttersäure und Aceton
werden unter dem Begriff „Ketonkörper“ zusammengefasst.
Zu 3. Ketonkörper werden in den Mitochondrien der Leberzellen gebildet, im sog. HMG-CoA-Zyklus aus Acetyl-CoA.
Auslöser ist die vermehrte Lipolyse im Fettgewebe. Ursache
hierfür ist der Insulinmangel bei Diabetes mellitus, die vermehrte Glucose (Blutzucker erhöht) ist damit nicht verwertbar, sodass der Körper auf die Energiebereitstellung durch
den Abbau von Fettreserven zurückgreift.
Zu 4. Durch das Umtauschen zweier Aminosäuren (Lysin
und Prolin, daher der Name Lispro) im Insulinmolekül
wird ein schnellerer Wirkungseintritt erreicht, sodass kein
Spritz-Ess-Abstand eingehalten werden muss, sondern direkt nach der Insulininjektion mit dem Essen begonnen
werden kann.
Zu 5. Bei der Umwandlung von Proinsulin in Insulin wird in
den β-Zellen eine Aminosäuresequenz zwischen der A- und
B-Kette des Insulins durch Peptidasen herausgeschnitten.
Dabei entsteht das C-Peptid, das in äquimolarem Verhältnis
zu Insulin ebenfalls ins Blut ausgeschüttet wird und gemessen werden kann.
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