La Mer, trois esquisses symphoniques wurde von Claude Debussy 1903 bis 1905 komponiert und 1905 in Paris uraufgeführt. Die drei Sätze tragen programmatische Titel: „De l’aube à midi sur la mer“ [Von der Morgendämmerung bis Mittag auf dem Meer], „Jeux de vagues“ [Spiel der Wellen] und „Dialogue du vent et de la mer“ [Gespräch von Wind und Meer]. Nach anfänglich zurükkhaltender Reaktion seitens des Publikums setzte sich das Werk bald durch und festigte Debussys Ruhm als Meister des musikalischen Impressionismus. Im Orchesterstil Debussys laufen mehrere Entwicklungszüge und zeitgeschichtliche Tendenzen zusammen: • Symbolismus, Impressionismus und Exotismus als die aktuellen geistes- und kunstgeschichtlichen Strömungen an der Wende zum 20. Jahrhundert, • eine Sicht der Natur, in der sich der Wunsch kindlich-reinen Schauens und höchster Raffinesse der Darstellung seltsam mischen, • die über hundertjährige Entwicklung des klassisch-romantischen Sinfonieorchesters, die mit seiner Entstehung in 48 der Frühklassik begonnen hatte und in der Spätromantik zu einem Höhepunkt und Abschluss gekommen war, • die Erschöpfung der formbildenden Kräfte klassisch-romantischer Musiktradition. Die beiden wichtigsten Elemente dieser Tradition waren die tonale Harmonik, gegründet auf Dreiklang, Kadenz und Konsonanzprinzip, und die motivisch-thematischen Verarbeitungstechniken. Beide waren im 19. Jahrhundert bis an die Grenzen ihrer Möglichkeiten erweitert worden, und viele Komponisten suchten um die Jahrhundertwende nach neuen Wegen in Harmonik, musikalischem Satz und Formbildung. Impressionismus und Exotismus Der Begriff „Impressionismus“, der dem Titel eines Monet-Gemäldes entnommen ist (Impression – sol levant, 1874), war ursprünglich ein abwertendes Schlagwort für eine Kunst der verschwimmenden Farben und Formen. Die „impressionistischen“ Maler versuchten, die Natur ursprünglich, wie zum ersten Mal, zu sehen. Dies bedeutete Abkehr von „be- deutsamen“ Sujets (wie etwa in Monets Bahnhofsbildern), vom Literarischen, von Historienmalerei, ja ein Zurücktreten des Sujets zugunsten des Eindrucks, den der Künstler von ihm vermitteln will. Der abwertende Begriff „Impressionismus“ wurde einige Jahre später auch auf die Musik übertragen. Vertreter des herrschenden konservativen Geschmacks kritisierten die gleichen (vermeintlichen) Stilmerkmale wie in der Malerei: Formlosigkeit, überzüchtete Kunst der Sinnenreizung, passive Grundhaltung. Die impressionistische Kunst – wie auch die etwa zeitgleichen Bewegungen Jugendstil und Symbolismus – errichtete eine Art „ästhetisches Nebenreich“ neben den Zeitgeistströmungen Positivismus und Naturalismus. Auch der Impressionismus stellt die Natur dar, aber nicht unter Gesichtspunkten naturwissenschaftlicher oder gar sozialer Aspekte. Die Natur selbst wird als Kunstwerk gesehen, und die Arabeske bildet ihr figürliches Symbol. Auch der Jugendstil, der die Arabeske als Gestaltungselement übernahm, propagierte mit seiner Vorstellung der Einheit von Kunst und Leben musik & bildung Instrumentation © Hokusai, Die Woge (akg-images) Natur und Struktur Zusammenhänge zwischen Harmonik, Motivik, Instrumentation und Orchestersatz in Claude Debussys „La Mer“ Christoph Hempel die Auflehnung gegen den offiziellen Geschmack, während der Symbolismus in einer Art von „pseudo-realistischer“ Darstellung die hinter den realen Erscheinungen liegenden Bedeutungen darzustellen versuchte. Es gab synästhetische Berührungspunkte zwischen den Stilen und Bewegungen dieser Zeit: Gedichte und Sinfonische Dichtungen entstanden unter dem Eindruck von Gemälden wie Böcklins Toteninsel; Opernstoffe wie „Tristan und Isolde“ oder „Salome“ übten einen starken Einfluss auf die symbolistischen Maler aus. Entwicklungen bei Debussy Die Empörung über die neuen Anschauungen in Malerei und Musik hielt nicht lange an, denn diese Revolution kam leise daher, sie schmerzte noch nicht wie wenige Jahre später die Kunst des Expressionismus. Debussys Orchestermusik bricht nicht mit der hundertjährigen Tradition des Sinfonieorchesters; Debussy ist der „Vollender im Wohlklang“, nicht der Radikale; seine Orchestermusik ist immer noch Ohrenschmaus. Radikal war Debussy in seiner leidenschaftlichen Nur bei wenigen Komponisten ist die Kunst der Instrumentation so eng mit der Harmonik und der Textur des Tonsatzes verflochten wie in den Orchesterkompositionen Claude Debussys; konnte noch bei manchem Orchesterwerk der Romantik die Instrumentation ein nachgeordneter Arbeitsgang nach Fertigstellung der eigentlichen Komposition sein, so sind Orchestersatz und Instrumentenbehandlung bei La Mer Teil der musikalischen Struktur und oft ihr wichtigstes Element. Der nachfolgende Beitrag gibt Einblicke in die wichtigsten Neuerungen des Impressionismus und bietet Material für den Unterricht in der Oberstufe. Opposition gegen den akademischen, offiziellen Kunstbetrieb und seine Institutionen. Acht als Knechtschaft empfundene Jahre (1872-1880) am Pariser Conservatoire und zwei (1885-1887) in der Villa Medici in Rom entladen sich bei Monsieur Croche (einer Sammlung von Debussys Zeitschriftenbeiträgen)1 in einer Flut von Schmähungen gegen Musikausbildung, Konzertbetrieb und die Institution des Rompreises. In diese Institution lässt Debussy sich 16 Jahre später aber als Juror wählen und in den Kursen des Conservatoire scheint er doch etwas gelernt zu haben, denn er zeigt sich 1895 mit Prélude à l’aprés-midi d’un faune als Meister der Form und Orchestrierungskunst. Sein immer wieder geäußerter Wunschtraum naturhafter Unmittelbarkeit beim musikalischen Schaffen steht aus heutiger Sicht merkwürdig paradox zur souveränen Formbeherrschung und zur kunstvollen und exquisiten Mischung der Orchesterfarben. So engagiert und temperamentvoll sich Debussy auch im Rahmen seiner musikschriftstellerischen Tätigkeit über den Kulturbetrieb und über Komponisten seiner Zeit äußerte, ließ er sich doch selbst nicht in die Werkstatt schauen: Über sein Schaffen gibt es kaum Berichte von eigener Hand. Exotische Einflüsse Wie oft in zu Ende gehenden Kulturepochen, stellte sich am Ende des 19. Jahrhunderts Sehnsucht nach dem Einfachen ein; exotische Einflüsse wurden attraktiv und gewannen gesellschaftlichen oder modischen Stellenwert. Die China- bzw. Japan-Begeisterung – Teehäuser, Porzellan oder Sujets von Opern wie Puccinis Madame Butterfly (1904) – legt Zeugnis davon ab. Debussy kam auf der Weltausstellung in Paris 1889 mit fernöstlicher Kultur in Kontakt, als er erstmals balinesische Gamelan-Musik hörte. Wie wenig schon damals die adaptierte oder imitierte Kultur in ihren Wurzeln wirklich verstanden und in ihrem Eigenwert geachtet wurde, zeigen die militärischen und ökonomischen Aktionen der europäischen Mächte gegen China in diesen Jahren; das Titelbild der Erstausgabe von La Mer, die bei Durand erschien, mit dem Holzschnitt Die große Woge des Japaners Katsushika Hokusai (1760-1849; s. oben) 49 musik & bildung Instrumentation enthält nur einen (nachgezeichneten) Ausschnitt des Bilds mit der großen Welle aus dem linken Teil. Der übrige Teil, der die eigentliche Bedeutung enthält – Menschen in Booten in einer Situation der Gefährdung sowie der Fujiyama als „behütendes” Symbol im Hintergrund –, erscheint nicht (vgl. die Literaturhinweise zu Hokusai auf musikpaedagogikonline.de); offenbar genügten Verleger und Komponist die Assoziationen „Meer“ und „fernöstlich-exotisch“. Exotik bei Debussy Obwohl Debussy die Entstehungsbedingungen dieser für ihn fremden Musik, die an jahrhundertealte Traditionen und strenge Gesetze gebunden ist, nicht kennen konnte, sie als Musik von zivilisationsferner, naturhafter Einfachheit missverstand und die Freiheit von musikalischen Regeln nur in diese fremdartige Musik hineinhörte, bestärkte sie immerhin seine Skepsis gegenüber der eigenen Musiktradition und Offenheit zur Aufnahme fremder Einflüsse. Den scheinbar zeitlosen, ungerichteten, in sich ruhenden Charakter dieser Musik mag er gespürt haben sowie das andere Zeitgefühl, das sich auch in den Tonordnungen äußert, die keine leittönige Dynamik der Stufen kennen. Durch das Fehlen von Halbtönen hört das abendländische Ohr keine Spannungen mehr; das Tonmaterial ist schwebend, konturlos. Über die Spuren, die die Eindrücke der fremdartigen Musik und ihre Materialskalen in Debussys Kompositionen hinterließen, ist viel spekuliert worden; jedenfalls begegneten ihm musikalische Phänomene herausgelöst aus ihrem ursprünglichen meist rituellen Zusammenhang. Das Tonmaterial der beiden Skalen Pelog (5- oder 7-tönig, als weiblich und traurig geltend) und Slendro (5-tönig, als männlich und kraftvoll geltend)2 entspricht nicht den europäischen Teilungen der Oktave und wird deshalb vom europäischen Musikhörer zur pentatonischen oder zur Ganztonleiter „zurechtgehört“. Dabei gibt es einen erheblichen interpretatorischen Spielraum, und so sind auch Autoren unterschiedlicher Meinung, welche der beiden Skalen der pentatonischen und welche der Ganztonleiter ähnlich sei.3 Ob es sich bei den Tonsystemen um gleichstufige Skalen handelt oder 50 nicht und wie es 1889 in Paris wirklich gewesen sein mag, darüber gibt Jens Peter Reiche weiterführende Informationen.4 Debussys angebliche Adaptation des balinesischen Tonmaterials hat jedenfalls wenig mit fernöstlicher Musik zu tun, und man sollte nicht kulturübergreifende Bemühungen dahinter vermuten; pentatonische, Ganzton- und andere zyklische Skalen gibt es auch bei anderen Komponisten dieser Zeit. Wichtiger scheint der Aspekt, dass in Debussys Orchesterstil formale Gestaltungsmittel wie Wiederholung, Reihung und arabeskenhaft schweifende Melodik an die Stelle einer konsequenten, zielgerichteten Motivverarbeitung treten und dass die Reprise als umfassendes Formungsprinzip ihre Bedeutung verloren hat. Die Kombination dieser Stilmerkmale mit einer meisterhaft beherrschten spätromantischen Orchestrierungskunst, die auf ein hoch entwickeltes europäisches Instrumentarium zugreift, macht den Orchesterstil aus, der uns 1905 in La Mer begegnet. Auf dem Arbeitsblatt M 1 werden die SchülerInnen aufgefordert, ihren eigenen Eindruck von der Gamelanmusik zu beschreiben und über Debussys verhältnis zu dieser Musik nachzudenken. Ein Hörbeispiel mit Gamelanmusik kann zu dieser Aufgabe herangezogen werden (HB 21). Natur und Programm Die Einstellung Debussys zum Naturerlebnis des Künstlers und zur Rolle der Natur in der Kunst, die er in Monsieur Croche fast bekennerisch darstellt,5 finden sich auch in La Mer wieder. Debussy verlangt vom Künstler, er solle die Natur kindlich, gleichsam wie das erste Mal sehen; er solle nicht die Natur abbilden, sondern „wie die Natur“ schaffen: ungeplant, in ständig neuer Erfindung und Umbildung von Form und Material. Seine fiktive Figur Monsieur Croche lässt er den berühmt gewordenen Satz sagen: „Den Sonnenaufgang zu betrachten ist viel nützlicher als die Pastoralsymphonie zu hören“. Was aus der zeitbedingt radikalen Position des Komponisten plausibel klingen mag, ist aus historischem Abstand durchaus kritisch zu sehen: Für Debussy ist die „Arabeske“, das nach der Natur gebildete Ranken- und Blütenornament mit seiner Verschlingung von Linien, ein synästhetisches Gestaltungselement par excellence und entscheidendes Formvorbild – also ein artifizielles, dem Zeitgeschmack verpflichtetes Element und somit das Gegenteil einer unmittelbar durch den Künstler erlebten Natur. Zum Thema „Natur“ bei Debussy und der Funktion der Arabeske steht den SchülerInnen das Arbeitsblatt M 2 zur Verfügung. Ein typisches Hörbeispiel für eine musikalische Arabeske in La Mer findet sich in HB 22. Zum Vergleich können z. B. Hörbeispiele aus Beethovens sechster Sinfonie, aus Haydns Oratorium Die Schöpfung, Strauss’ Alpensinfonie, Messiaens Catalogue d’oiseaux oder Mendelssohn-Bartholdys Hebriden-Ouvertüre herangezogen werden. La Mer steht in der Tradition der romantischen Natursinfonie. Die Natur bietet dem impressionistischen Künstler, was ihm die Zivilisation nicht zu bieten vermag und regt ihn zur Emphase an, wie seinerzeit die Romantiker. Die Kunst treibt einen ästhetischen Kult mit der Natur und sagt sich damit vom Alltagsgeschehen los. Der Künstler verachtet Politik und Alltagsgeschäft der Gründerzeit, einschließlich des „normalen“ Konzertpublikums, wie wir aus zahlreichen Äußerungen in Monsieur Croche wissen. Im Unterschied zu den Romantikern hundert Jahre zuvor ist für Debussy aber nicht das Unsichtbare hinter der Natur wichtig, sondern das Sichtbare und Fühlbare; es gibt keine „Blaue Blume“ bei Debussy, der eine starke Abneigung gegen die metaphysische Befrachtung von Musik hatte. Debussys „Programmmusik“ sollte nicht Ideen vermitteln, sondern die Natur ästhetisch repräsentieren, sollte eine „Entsprechung zwischen Natur und Phantasie“ verwirklichen. Fortschritt versus Musikpraxis Von der Vorklassik, in der sich um 1780 das Sinfonieorchester bildete, bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der Klangkörper des Orchesters ständig weiterentwickelt und perfektioniert. Das musik & bildung Instrumentation musikalische Hauptgeschehen spielte sich zunächst in den Streichern ab; Bläser (Oboen, Hörner und die um 1730 erfundenen Klarinetten) dienten als unspezifischer Farbzusatz. Dies galt ähnlich auch noch für weite Strecken der klassischen Sinfonik: Bläser färbten die Streicherpassagen und spielten gelegentlich kurze Soli. Hörner gaben dem Orchester Klangfarbe und Fülle, Trompeten und Pauken markierten signalartig wichtige Abschnitte. In der Klassik entstand dann die Standardbesetzung der Bläser: doppeltes Holz mit Flöte, Oboe, Klarinette und Fagott, zwei Hörner und zwei Trompeten mit ihrem Bass, der Pauke. Mit dem Übergang zur Romantik wurden die Holzbläsergruppen jeweils durch ein drittes (Neben-)Instrument erweitert: Piccoloflöte, Englischhorn, Bassklarinette und Kontrafagott; die Zahl der Hörner wurde auf vier erhöht; die Besetzungsstärke der Streicher stieg entsprechend an. Dies blieb bis weit ins 19. Jahrhundert hinein die Standardbesetzung der romantischen Sinfonie- und Opernorchester. Dabei lösten zwei etwa zeitgleiche Erfindungen eine sprunghafte Weiterentwicklung der Blasinstrumente aus: • Bei den Holzbläsern ist es die Einführung der chromatischen Tonlöcher mit einem entsprechenden Klappensystem, das von Theobald Böhm (um 1830) für die Flöte und die Klarinette entwickelt und teilweise für Oboe und Fagott übernommen wurde. • Bei den Blechbläsern erfanden Friedrich Blühmel und Heinrich Stölzel um 1820 die Ventile, mit deren Hilfe sämtliche zwölf Töne in allen Lagen erreicht werden können. Zögernde Übernahme Während in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bei den Holzbläsern die Musiker und Instrumentenbauer das System Theobald Böhms begrüßten, ging bei den Blechbläsern die Einführung der Ventile in der Praxis sehr langsam vor sich: Noch Brahms setzte Naturhörner ein. Die Melodik der Blechbläser hat daher auch in der romantischen Sinfonie immer noch den fanfarenartigen Charakter bzw. gelegentliche unmelodiöse Fortschreitungen, die von den Beschränkungen auf die Naturtonreihe herrühren. Das Laienmusikwesen und die Militärmusik griffen dagegen viel früher auf die neue Erfindung zu: Schon ab 1840 entstanden Blasorchester mit neuen Instrumenten, auf denen in allen Lagen und Klangfarben ohne Beschränkungen gespielt werden konnte. Das verzögerte eher ihre Einführung in den professionellen Sinfonieorchestern, denn nicht technische Probleme (die durch den Fortschritt in der industriellen Luft- und Wassertechnik längst gelöst waren), sondern ästhetische Vorbehalte behinderten den Siegeszug der Ventilinstrumente: Man wollte das sich ausbreitende Virtuosentum nicht auf alle Instrumente ausdehnen. Dirigenten und Musiker forderten noch nach der Jahrhundertmitte die Beibehaltung der typischen Blechbläsermelodik.6 Wenn man Horn- und vor allem Trompetenstimmen in Partituren von Schumann und Debussy vergleicht, wird klar, dass die Änderungen, die sich hier durchsetzten, nicht den Klang allein betrafen, sondern tief in die gesamte Satzstruktur eingriffen. Dadurch, dass Komponisten von Blechbläsern nun technisch ähnlich anspruchsvolle Passagen wie von Klarinettisten oder Flötisten forderten, stieg eine Gruppe von Musikern in ihrem Rang. Ein Orchester ist bis heute nicht nur ein musikalisches, sondern auch ein soziales Gemeinwesen, und gerade die Geschichte der Trompete ist zugleich eine musikalische Sozialgeschichte.7 Die Ventiltrompete trat daher zunächst in der Volksund Militärmusik ihren Sieg an. Um 1860 nahm der Widerstand gegen die Ventilinstrumente im Sinfonieorchester ab, aber noch 1880 wurden ventillose Instrumente oder solche mit abnehmbarer Ventilmaschine verwendet. Mit der allmählichen Etablierung der Ventile wurde eine Anzahl neuer Instrumente entwickelt, so dass das Blech in mittleren und unteren Lagen nun stärker vertreten war. Instrumentengruppen Die Tendenz ging im 19. Jahrhundert dahin, die Instrumentengruppen des Orchesters unter Beibehaltung ihres speziellen Timbres in ihren Möglichkeiten aneinander anzugleichen. Mit den Spätwerken von Wagner und Bruckner um 1880 ist eine Art Gleichgewicht der Gruppen hergestellt: • Die Streicher, die den anderen Gruppen bisher an Beweglichkeit und Tonumfang überlegen waren, gewinnen durch höhere Spielerzahl jetzt auch an Klangstärke und durch weitere Teilung der einzelnen Instrumentengruppen an Klangfarbenreichtum. • Die Stärke der Holzbläser ist die Vielfältigkeit der Farbkombinationen und die Ähnlichkeit mit dem menschlichen Gesang. Sie gewinnen durch Zusatzinstrumente an Umfang, durch verbesserten Instrumentenbau an Beweglichkeit und Klangpräsenz und durch zahlenmäßige Verstärkung innerhalb der Gruppen an Klangstärke. • Die Blechbläser, die klangstärkste Gruppe, erhöhen ihre Beweglichkeit durch die Ventile; damit und durch zusätzliche Instrumente erweitern sie den Klangraum vor allem nach unten und gewinnen an Farbnuancen. Eng- und weitmensurierte Instrumente werden über den gesamten Tonraum ausgebaut. Die Partitur von La Mer enthält zahlreiche Beispiele für den gleichberechtigten bzw. gemischten Einsatz der Instrumentalfarben, der durch diese Entwicklung möglich wurde. M 3 bietet Transkriptionsübungen zu den transponierenden Instrumenten und den C-Schlüsseln. Mithilfe des Arbeitsblatts M 4 sollen die Veränderungen in der Behandlung der Instrumentengruppen nachvollzogen werden (HB 23). Ein wichtiger Faktor in der Entwicklung des Sinfonieorchesters ist die gestiegene Leistungsfähigkeit der Berufsmusiker durch die Ausbildung an den im 19. Jahrhundert entstehenden Konservatorien und die Spezialisierung auf ein Instrument. Entsprechend konnten die Anforderungen der Komponisten an die Musiker steigen. Mit dem Vergleich einer Passage der Oboe im 2. Satz von La Mer (s. M 4) mit einem Oboensolo etwa aus einer Haydn-Sinfonie gewinnt man einen Eindruck davon, welche Fortschritte die Instrumentalausbildung innerhalb von vier Musikergenerationen gemacht hatte. Die in der Frühklassik in den Grundzügen angelegte Orchestertechnik war zur Zeit 51 musik & bildung Instrumentation der Entstehung von La Mer bis an die Grenzen ihrer Möglichkeit geführt; eine Entwicklung von 120 Jahren war zu einem Abschluss gekommen, der ein weiteres Überbieten kaum mehr zuließ und natürliche Gegentendenzen auf den Plan rief. Von den nachwagnerischen Komponisten wird der Apparat nur noch geringfügig weiterentwickelt: Die spieltechnischen Anforderungen steigen insgesamt weiter; bei den Streichern wird die Besetzungsstärke weiter erhöht; gleichzeitig wird die innere Struktur differenziert, wie an zahlreichen Stellen in La Mer zu sehen ist. Einige Gruppen werden noch um Zusatzinstrumente erweitert; die menschliche Stimme, Orgel und seltene Instrumente werden gelegentlich eingesetzt. Die ungedeckte Solofarbe tritt zugunsten von Klangmischungen zurück. Komponisten wie Strauss, Reger, Sibelius und Mahler gehen dabei unterschiedliche Wege.8 Mit Debussy beginnt die Auflösung der traditionellen Orchesterstruktur: Waren bei den genannten Komponisten Linie, Fläche und Rhythmus immer noch die primären Gestaltungsebenen und die Farbe eher ein akzessorisches Element, verselbstständigt sich dieses bei Debussy. Die Klangfarbe gewinnt Eigenbedeutung und sie ordnet sich ihrerseits die Struktur unter. Die Farbmischung wechselt von Takt zu Takt; die Melodik verzichtet auf eine durchgehende Führung im Sinne der Sinfonik. Besonders im zweiten Satz von La Mer ist dies an vielen Stellen zu studieren: Die Einzelfarbe repräsentiert nicht mehr die Gruppe, sondern tritt selbstständig auf und geht beliebige Farbmischungen ein. Der gesamte Tonraum ist gleichmäßig erschlossen, alle Bereiche können mit jeder Klangfarbe ohne Einschränkung der Beweglichkeit ausgefüllt werden. Harmonik Parallel zur Auflösung traditioneller Instrumentations- und Satzstrukturen entwickeln sich in der Harmonik Tendenzen zur Schwächung oder Auflösung der formbildenden Kräfte der Kadenz: • Dissonanzen werden nicht aufgelöst, sondern verschwinden oder werden parallel in andere Dissonanzen weitergeführt. 52 • Das Interesse des Hörers weckt nicht mehr der Kadenzverlauf, sondern seine Verschleierung, der Reiz der Alternative. Das Akkordrepertoire der klassischromantischen Epoche ist noch vorhanden, aber wird nicht mehr ausschließlich im Kontext der Kadenz verwendet. • Akkorde und Skalen mit zyklischem Intervallaufbau (z. B. die Ganztonleiter) zerstören die Eindeutigkeit leittöniger Fortschreitungen, schaffen Berührungspunkte zwischen weit entfernten harmonischen Bereichen (z. B. als Tritonussubstitution) und machen schnelle harmonische Bewegungen „an der Kadenz vorbei“ möglich. • Durch modale Akkord- und Skalenbildungen werden autonome harmonische Felder außerhalb des Kraftfeldes der Kadenz aufgebaut. In La Mer finden sich zahlreiche Felder aus pentatonischem und lydisch-dominantischem Skalenmaterial. Modalität lässt den Unterschied zwischen Melodie und Harmonik verschwimmen. • Der Grundton in der Bass-Stimme als harmonisches Fundament, ja überhaupt eine eindeutige Fundamentstimme ist nicht mehr obligatorisch. • Die dominantische Farbe löst die tonikale Farbe als konstitutives harmonisches Element ab; dabei wird die zielgerichtete Leittonwirkung durch einen allgemeinen Strebecharakter, meist aus mehreren Leittönen, ersetzt. Diatonische Modulation nach der Anordnung des Quintenzirkels wird unnötig. Modulatorische Ziele sind selten die Ober- oder Unterquinttonart, häufiger mediantische (terzentfernte) Tonarten. • Figurationen (Alterationen und Vorhalte) werden zu autonomen Harmoniebestandteilen,9 oft bei Akkorden mit dominantischer Farbe. Besonders die letztgenannte Entwicklung findet sich in Debussys Harmonik, aber auch bei anderen Komponisten, die dem Impressionismus zugerechnet werden können, wie Dukas, Schreker, Skrjabin und Ravel. Für den Orchestersatz hat dies konkrete Auswirkungen: Akkorde mit bis zu sieben möglichen Harmonietönen bieten mehr Möglichkeiten unterschiedlicher Farbkombinationen als Dreiklänge. Das Sekundintervall ist nicht länger der Melodie vorbehalten: Statt drei können nun fünf, sechs oder sogar sämt- liche sieben Töne der Tonleiter zur Harmoniebildung herangezogen werden. Damit verwischt sich der Unterschied zwischen harmonieeigenen und harmoniefremden Tönen und letztlich zwischen Melodik und Harmonik.10 Dies wirkt sich auf die rhythmisch-metrische Eigenschaft von Melodik aus: Wenn kein Unterschied mehr zwischen der harmonischen Affinität der Melodietöne besteht, entfällt auch die „klassische“ metrische Kontur aus harmonieeigenen Schwerpunkts- und harmoniefremden Durchgangstönen – eine Ursache für den schwebenden, arabeskenhaften Charakter der meisten Motive in La Mer. Wie bei Debussy Berührungspunkte zwischen weit entfernten harmonischen Bereichen geschaffen werden, können die SchülerInnen in M 5 sehen. Eine genauere Betrachtung der Verbindung von Harmonik und Melodik bietet ein Arbeitsblatt, das auf musikpaedagogik-online.de bereit liegt. Thema, Motiv und Form Dass Debussy für die Sinfonie als Ort motivischer Arbeit und zwingender formaler Entwicklungen nur Spott übrig hatte – der Durchführungsteil einer Sinfonie sei eine „Tenne, auf der leeres Stroh gedroschen wird“11 –, dass ihn das Prinzip der motivischen Arbeit und der dramatischen Auseinandersetzung zwischen kontrastierendem Material, elementares Problem eines Komponisten nach Beethoven, nicht mehr interessierte – all das hinderte ihn nicht, sich des sinfonischen Klangkörpers als ein Meister der Klanggestaltung zu bedienen. Die Unterschiede zur klassisch-romantischen Sinfonie sind allerdings beträchtlich und betreffen neben der bereits beschriebenen Harmonik die Bereiche Instrumentation, Satz, thematisch-motivische Anlage und Form. Die Genese von Motiven und die Einbettung in den sie umgebenden Satz lässt sich – in bester Debussy-Manier – mit einem Vergleich aus der Natur beschreiben: Jeder kennt aus Naturfilmen das Schauspiel von glühender Lava, die nach einem Vulkanausbruch den Berg herabströmt. Aus dem gestaltlosen, fließenden Strom wird flüssiges Gestein heraus- musik & bildung Instrumentation geschleudert und gerinnt zu fester Materie; einige Brocken fallen zurück in den Strom, kehren zurück in den flüssigen Zustand, andere bleiben am Rand des Stroms und erstarren weiter zu fester Materie und greifbaren Formen. Das faszinierende optische Schauspiel, bei dem Materie in ständigem Herabströmen unentwegt zwischen zahllosen Übergangszuständen von amorpher, flüssiger Masse und fester Gestalt wechselt und dabei doch immer die gleiche energiegeladene Materie bleibt, lässt sich auf das Hörerlebnis bei La Mer übertragen: Harmonisch-motivisch belebte Klangflächen verdichten sich mehr oder weniger stark zu konkreten melodischen Konturen, also Themen oder Motiven; diese gewinnen keine endgültige Kontur, sondern lösen sich auf und verschmelzen wieder mit dem Untergrund. Wir finden keine Themen im klassischen Sinne, eher arabeskenhafte, kreisende und schweifende Figuren von labiler Kontur; andererseits auch nie gänzlich „athematische“ Melodik wie bei konventionellem „Füllmaterial“ oder bei Begleitstimmen der Klassik. Debussy-Analysen in der Literatur, die vom traditionellen Verständnis rhythmisch-melodischer Themenkontur ausgehen, dringen daher mit ihren Analysewerkzeugen nicht immer in die Tiefe des Gegenstands.12 Es gibt keine Trennung in exponierende und Durchführungsteile, sondern der musikalische Fluss wird durch Bildung ständig neuer Motivvarianten in Bewegung gehalten. Die Motive sind keine Keimzellen einer Entwicklung, sondern vorübergehende Verfestigung permanent vorhandener harmonisch-motivischer Substanz. Die Unterscheidung zwischen thematischem und athematischem Material, zwischen Hauptstimme, Nebenstimme und Begleitung ist hinfällig. Auch die rhythmische Kontur thematischer Gebilde verfestigt sich immer nur vorübergehend zu einer fühlbaren Metrik, die auch deshalb schwebend bleibt, weil ihr die harmonische Kontur aus harmonieeigenen und -fremden Tönen fehlt, wie oben dargestellt wurde. Einzig das für Debussy typische „Zweimalsagen” erzeugt eine Art metrischer Orientierung, besonders im zweiten Satz, der über weite Strecken aus wiederholten zwei- und viertaktigen Einheiten besteht, die ein ordnendes Element in das turbulente Wechselspiel von Figuren und Orchesterfarben bringen. Am Beginn des ersten Satzes kann die allmähliche Konturierung von Motiven aus einem klanglichen Urgrund gut beobachtet werden. Hier taucht auch aus einem zunächst ornamenthaft erscheinenden Sekund-Pendel die motivische Urzelle des Sekund-Terz-Motivs empor – gewissermaßen die strömende „LavaGrundmaterie“ des Vulkan-Bildes –, das in zahlreichen Aggregatzuständen den gesamten ersten Satz bestimmen wird. Füllmaterials wird der Orchesterklang transparent, unruhig und schillernd; das Zusammenwirken harmonischer, rhythmischer und melodischer Elemente im Satz ist mehr als in jeder anderen Stilepoche eng mit der Instrumentation verbunden. Debussy wollte sich deutlich von einer beschreibenden Programmusik absetzen: Der stete Wechsel selbst steht im Vordergrund, nicht die Nachahmung einzelner Erscheinungen; der Komponist beschreibt nicht die Natur, er schreibt „wie die Natur“. 1 Die Entwicklung eines „Motivs“ können die SchülerInnen anhand von M 6 und dem Beginn von HB 24 verfolgen. Eine genauere analytische Betrachtung einer Schlüsselstelle von La Mer bietet ein Arbeitsblatt auf musikpaedagogik-online.de. Das auffälligste Merkmal des Orchestersatzes in La Mer ist das fast völlige Fehlen von Füllstimmen im Sinne von häufig wiederholten, wenig individuellen rhythmisch-harmonischen Floskeln oder ausgehaltenen Akkorden. Ein Stilelement der klassischen Sinfonik war ja der Wechsel zwischen individuell gestalteten Abschnitten und solchen mit konventionellem Material bzw. eine Führungsstimme mit prägnanter Thematik, die sich von standardisierten Mustern in den Begleitstimmen abhob. Im orchestralen Satz der Spätromantik gehen Komponisten wie Strauss, Reger, Sibelius oder Bruckner unterschiedlich mit dieser Problematik um. Mit Debussys Orchestersatz findet eine Satz- und Instrumentierungstechnik ihren Höhepunkt, in der die Harmonik Resultat zahlreicher überkreuzender Linien und Motive ist. Fast durchgängig ist der Hintergrund mit „feinem Pinsel“ und außerordentlicher Liebe zum Detail gestaltet, wobei selten eine Motiv- oder Klangfarbenkonstellation über eine längere Strecke beibehalten wird. Dies gilt – programmatisch – besonders für „Jeux de vagues“, den zweiten Satz. Dabei spielt die oben beschriebene Auflösung des konventionellen Orchestersatzes eine wichtige Rolle: Durch eine schnell wechselnde Kombination von Instrumentalfarben und das Fehlen bloßen François Lesure (Hg.): Claude Debussy. Monsieur Croche. Sämtliche Schriften und Interviews, übers. Josef Häusler, Stuttgart 1974. 2 vgl. Hille Kopp/Richard Taubald: Musik-Colleg 2, München 1992, S. 74 ff. 3 vgl. Diether de la Motte: Harmonielehre, München/Kassel 1976, S. 249 ff. sowie Kopp/Taubald, S. 76 ff. 4 Jens Peter Reiche: „Die theoretischen Grundlagen javanischer Gamelan-Musik“, in: Zeitschrift für Musiktheorie 3/72, S. 5 ff. 5 vgl. Lesure 1974. 6 vgl. Christian Ahrens: Eine Erfindung und ihre Folgen: Blechblasinstrumente mit Ventilen, Bärenreiter, Kassel 1986. 7 vgl. ebd. 8 vgl. Hermann Erpf: Lehrbuch der Instrumentation und Instrumentenkunde, Mainz 1959. 9 Zsolt Gárdonyi/Hubert Nordhoff: Harmonik. Ein Lehrwerk, Wolfenbüttel 1990, Kap. 9 und 10. 10 Das gleiche Phänomen ist übrigens in der Harmonik des Jazz ab etwa 1940 bestimmend. 11 Lesure, S. 29. 12 z. B. Wolfgang Dömling: Claude Debussy: La mer (= Meisterwerke der Musik, Bd. 12), München 1976. Audio-Teil HB 21: Gamelanmusik: Ladrang Wilujeng – Ausschnitt HB 22: Claude Debussy: La Mer, 2. Satz – Englischhorn-Solo (Arabeske) HB 23: La Mer, 1. Satz – Beispiel für Instrumentenmischung HB 24: La Mer, 1. Satz – Beginn musikpaedagogik-online.de • Arbeitsblatt zur Verbindung von Harmonik und Melodik • Arbeitsblatt mit einer genaueren Analyse einer Schlüsselstelle von La Mer • Literaturliste und weiterführende Links 53 musik & bildung M1 Gamelanmusik Nachdem Debussy auf der Pariser Weltausstellung 1889 ein indonesisches Gamelan-Orchester gehört hatte, äußerte er über die für ihn fremdartige Musik und über die Musiker: „Ihr Konservatorium ist der ewige Rhythmus des Meeres, ist der Wind in den Bäumen, sind tausend kleine Geräusche, die sie aufmerksam in sich aufnehmen, ohne je in tyrannische Lehrbücher zu schauen. Ihre Traditionen bestehen nur aus sehr alten Gesängen, mit Tänzen verbunden, zu denen jahrhundertelang jeder ehrerbietig seinen Beitrag lieferte.“ Hören Sie Gamelan-Musik und informieren Sie sich über die Instrumente und das Tonsystem indonesischer Gamelan-Orchester. Wie wirkt die Musik auf Sie? Was verraten Debussys Äußerungen über die Wirkung, die sie auf ihn machten, und über seine Erfahrungen als Musiker und Komponist? Stimmte sein Eindruck mit der Realität überein? Können Sie Einflüsse der Gamelan-Musik auf Debussys Kompositionsstil feststellen? M2 Arabeske und Natur bei Debussy Die Arabeske findet sich in vielen Motiven und Melodiezügen von La Mer, spielerische Figuren ohne betonte Höhepunkte, in kreisender Bewegung um kleine Intervalle und mit wohlgerundeter Beschleunigung oder Verlangsamung. Das für Debussy typische „Zweimalsagen“, das Wiederholen kurzer, gerundeter Phrasen, entspricht der symmetrischen Einrahmung von Bildinhalten durch die Pflanzenornamente. Arabesken in der Musik sind das Gegenteil von Periodik oder dynamischer Motivarbeit; sie zielen nicht, sie fordern keinen Nachsatz, stellen nur sich selbst dar. Was ursprünglich Verzierung war, wird zur Hauptaussage: Die Arabeske wird Ausdrucksmittel und Inhalt. Beispiel für eine musikalische Arabeske in La mer: Häufig – und nicht selten sehr pointiert – äußerte sich Debussy über den Zusammenhang von Kunst und Natur. Aussprüche Debussys wie diese sind sehr bekannt geworden: • „Es gibt nichts Musikalischeres als einen Sonnenuntergang.“ • „Es ist nützlicher, einen Sonnenaufgang zu sehen als die Pastoralsymphonie zu hören.“ (Mit der Pastoralsymphonie ist die 6. Sinfonie von L. van Beethoven gemeint, in der Natureindrücke musikalisch umgesetzt werden.) Welche Auffassung des Verhältnisses zwischen Natur und Kunst wird hier vertreten? Hören Sie Ausschnitte aus sinfonischen Werken mit Naturschilderungen. Welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede gibt es in der musikalischen Naturbeschreibung? Welche Rolle spielt dabei die Instrumentation? 54 musik & bildung M3 Transkriptionsübungen Instrumentation Transkribieren Sie anhand der Transpositionstabelle und des Beispiels jeweils eine kurze Phrase der transponierenden Blasinstrumente (Piccoloflöte, Klarinetten in A, Englischhorn, Trompeten in F, Hörner in F) aus der Partitur in Klangnotation. Denken Sie daran, dass die Vorzeichen mit transponiert werden müssen und dass bei Blechblasinstrumenten meist keine Vorzeichen am Anfang des Notensystems stehen. Beispiel für eine Transkription aus der Englischhornstimme Transkribieren Sie eine Phrase der Bratschen aus dem Alt- in den Violinschlüssel und eine Phrase der Fagotte aus dem Tenor- in den Bass-Schlüssel. Schreiben Sie eine Stelle in Particell oder Klavierauszug um. 55 musik & bildung Instrumentation © Eulenburg M4 1. Satz, T. 23-26 Klangmischung Das Notenbeispiel zeigt eine UnisonoMischung von Englischhorn und Trompete, die noch in der Frühromantik undenkbar gewesen wäre, weil die beiden Instrumente ganz unterschiedlichen Klangsphären und Assoziationsbereichen angehörten. Pauken und Harfen übernehmen die Rolle der Bass-Stimme dieser Stelle und erzeugen, besonders durch das Sekund-Tremolo der Pauke, eine verschwimmende Mischung aus zwei benachbarten Basstönen. Spieltechnische Anforderungen Mit dem Vergleich einer Passage der Oboe im 2. Satz von La Mer (unten) mit einem Oboensolo etwa aus einer Haydn-Sinfonie gewinnt man einen Eindruck davon, welche Fortschritte die Instrumentalausbildung innerhalb von vier Musikergenerationen gemacht hatte. M5 Bläser 56 (sehr rascher 3/8-Takt) 2. Satz, T. 20-25 Harmonische Analyse Harfe und Streicher Untersuchen Sie die Harmonik im 1. Satz, T. 119 (Partitur links und vereinfachte Darstellung unten). Zwischen welchen Tonartbereichen pendelt die Harmonik? Finden Sie die hier dargestellten Stimmen in der Partitur. Welche Töne kommen in den Bläsern dazu, welche Rolle spielen sie innerhalb des harmonischen Geschehens? musik & bildung M6 Terz-Motiv Instrumentation Im ersten Satz von La Mer spielt ein dreitöniges Sekund-Terz-Motiv eine wichtige Rolle). © Eulenburg Untersuchen Sie, wie sich das Motiv in der Einleitung bis T. 22 allmählich aus dem klanglichen Hintergrund entwickelt. Wo verdichtet sich das Motiv im ersten Satz zu einem konkreten Motiv? Wo bestimmt es die Substanz des Klanghintergrunds? 57