Medical Network Special

Werbung
SI C C A
Die Rolle der Meibomdrüsen
Dysfunktion in
der Pathogenese
des evaporativ
trockenen Auges
Von Dr. Semira Kaya
Jede Meibomdrüse besteht aus vielen
­sekretorischen Acini, die die Meibozyten
enthalten. Meibomdrüsen sind holokrine
Drüsen, deren Sekret von diesen Meibozyten produziert wird. Zuführende kleinere
Ausführungsgänge münden in einen zentralen Ductus, der terminal am hinteren
Lidrand mündet. Die Meibomdrüsen
synthetisieren und sezernieren Lipide und
Proteine, die unmittelbar vor dem Schleimhautübergang am Lidrand exprimiert
werden können. Dort tragen sie durch die
Bildung des L
­ ipidfilms zur Stabilität des
Tränenfilms bei und verhindern damit eine
übermäßige Verdunstung.
Der Lipidfilm selbst besteht aus einer
komplexen Mischung von verschiedenen
polaren und apolaren Lipiden, die unter
anderem Cholesterol-Wachse, Triglyceride,
freie Cholesterole, freie Fettsäuren sowie
Phospholipide enthalten. Die Sekretion der
dicht innervierten Drüsen ist durch Hormone, wie beispielsweise Androgene und
Östrogene geregelt. Die Sekretion e­ rfolgt
während des Lidschlags aktiv durch Kontraktion des Musculus orbicularis sowie
des Riolanschen Muskels, der direkt im
Bereich der Ausführungsgänge lokalisiert
ist.
Die Prävalenz der MGD variiert in rezenten
Studien erheblich. Auffällig ist das
­gehäufte Auftreten in der asiatischen
­Bevölkerung im Vergleich zur kaukasischen
sowie eine erhöhte Prävalenz mit steigen­
dem Lebensalter. Aufgrund dieser demographischen Daten kommt der Therapie
der MGD im Hinblick auf die Behandlung
des t­rockenen Auges immer größere
­Bedeutung zu.
Man unterscheidet bei der MGD eine h
­ yposekretorische, obstruktive FORTSETZUNG >
FOTOS: DR. ERICH FEICHTINGER / MEDICAL NETWORK; BON OPTIC
B
ei der Meibomdrüsen-Dysfunktion
(MGD) handelt es sich um eine
chronische Erkrankung der Meibomdrüsen, die mit einer Obstruktion der Ausführungsgänge bzw. einem Verlust der Funktion einhergehen kann. Eine
qualitative und quantitative Veränderung
der Drüsensekretion ist die Folge. Dies bedingt eine veränderte Zusammensetzung
des Tränenfilms, die zu einer Irritation der
Augenoberfläche führen kann. In Folge
kommt es durch eine prolongierte subklinische Entzündung zu einer chronischen
Erkrankung der Augenoberfläche und den
Symptomen eines trockenen Auges.
Die Meibomdrüsen sind vergleichsweise
große Talgdrüsen, die in der Tarsalplatte
lokalisiert sind. Im Oberlid befinden sich
30 bis 40 und im Unterlid 20 bis 30 funktionelle Einheiten, die im Gegensatz zu anderen Talgdrüsen keinen direkten Kontakt
zu den Haarfollikeln aufweisen.
Dr. Semira Kaya,
Leitung Sicca-Ambulanz der
Univ.-Klinik für Augenheilkunde und
Optometrie, Landeskrankenhaus,
Müllner Hauptstr. 48, 5020 Salzburg
Ambulanzzeiten: Mo, Mi 13–16 Uhr,
nach telefonischer Vereinbarung
Tel. 0662 4482-3737
Fax 0662 4482-3703
Das Sicca-Team: OA Dr. M. Emesz, Dr. S. Kaya, Dr. V. Steiner
p www.medical-network.at
MEDICAL NETWORK 2015 HERBST SPECIAL
17
SI C C A
DIE ROLLE DER MEIBOMDRÜSEN
und hypersekretorische Form. Die hyposekretorische MGD kann beispielsweise
durch Einnahme verschiedener systemischer
Medikamente auftreten und führt aufgrund der verminderten Sekretion der
Drüsen zur Entstehung eines trockenen
Auges. Bei der obstruktiven MGD unterscheidet man die vernarbende und nicht
vernarbende Form. Dabei können die Ausführungsgänge der Meibomdrüsen durch
chronisch inflammatorische Prozesse, wie
z. B. beim okulären Pemphigoid oder Trachom, in ihrer Struktur vernarben und somit zu einem Funktionsverlust der Drüsen
führen. Bei der nicht vernarbenden Form
kommt es durch Hyperkeratinisierung
im Bereich der duktalen Epithelien
zur Verengung, nachfolgend zur Stase und
damit zu einer Eindickung des Sekrets.
Konsequenz daraus ist die Dilatation der
sezernierenden Acini, die Atrophie der
Meibozyten und damit die dauerhafte
Schädigung der Drüsen. Diese Form ist
beispielsweise häufig bei seborrhoischer
Dermatitis bzw. Acne rosacea zu beobachten. Diese Erkrankungen können auch
zu hypersekretorischen Veränderungen
der Meibomdrüsen führen. Alle Arten der
MGD sind aufgrund der veränderten Zusammensetzung des Tränenfilms an der
Entstehung des trockenen Auges beteiligt.
Zu den systemischen Faktoren, die die
Entstehung einer MGD begünstigen,
­zählen unter anderem die Menopause,
der physiologische Alterungsprozess, das
Sjögren-Syndrom, die Psoriasis vulgaris,
das Parkinson-Syndrom sowie die Acne
­rosacea, um die häufigsten zu nennen.
In Koexistenz mit einer Meibomdrüsen-
18
Dysfunktion finden wir häufig eine anteriore Blepharitis, aber auch die Verwendung von Kontaktlinsen kann die die Entstehung dieser begünstigen. Systemische
Medikamente, wie beispielsweise Antiandrogene, postmenopausale Hormone,
Antihypertensiva, Antidepressiva und
­Retinoide können zur Genese der MGD
beitragen.
Die allgemeine Diagnostik des trockenen
Auges kann um spezielle Testverfahren,
die die MD-Funktion überprüfen, erweitert werden. Zur Beurteilung der MGD
sollten nach klinischer Begutachtung des
vorderen (Schuppen) und hinteren Lidrandes (Vaskularisationen) die Expressionsfähigkeit sowie die Qualität und
­Quantität des Sekrets der Drüsen überprüft werden. Gleichzeitig sollte auf Entzündungszeichen wie Schwellung, Rötung
und Ulzerationen am Lidrand geachtet
werden, sowie auf die Anzahl der Zilien
und deren Stellung. Die Reihenfolge der
Testverfahren sollte so gewählt werden,
dass eine gegenseitige Beeinflussung der
Testergebnisse vorangegangener Testverfahren vermieden wird. Einen wichtigen
Indikator im Zusammenhang mit der
MGD stellt die Marx'sche ­Linie dar, die
sich im Übergang von Haut zur Schleimhaut am hinteren Lidrand befindet und
sich problemlos mit Lissamin­grün anfärben lässt. Eine zunehmender I­rregularität
dieser korreliert mit einer verminderten
Break-up-time. Eine Möglichkeit die
Funktion der Drüsen apparativ zu evaluieren, bietet die Meibographie, die Aufschluss über die Funktionalität der einzelnen Meibomdrüsen gibt.
MEDICAL NETWORK 2015 HERBST SPECIAL p www.medical-network.at
Die MGD kann in unterschiedliche Schweregrade unterteilt werden (siehe Grafik).
Bei milden Formen kann bereits eine
­ausführliche ­Patientenaufklärung über
Ernährung, Umwelteinflüsse und Einflüsse
von systemischer Medikation, kombiniert
mit Lidrandhygiene und gegebenenfalls
Wärme­behandlung zu guten Erfolgen in der
­Therapie führen. Moderate Formen können
eine zusätzliche Anwendung systemischer
Fettsäuren und fetthaltiger lokaler Lubrikantien sowie die lokale antibiotische Therapie
mit Azithromycin bzw. Tetracyclinen erforderlich machen. Schwerere Formen sollten
mit einer lokalen Therapie von Cyclospori­nen
und Steroiden, kombiniert mit einer oralen
antibiotischen Therapie, wie beispielsweise
Tetracyclinen, behandelt werden. Nicht
unerwähnt bleiben sollte auch die chirurgische Therapie zur Korrektur von Lidfehlstellungen oder zur Entfernung von Chala­
zien. Gute Erfolge in der Therapie konnten,
wie in Studien g­ ezeigt, durch das Sondie­
ren der Meibomdrüsen bzw. durch die
­Anwendung des L
­ ipiflow-Systems, erzielt
werden.
Bei milden und moderaten Formen können
Patientenaufklärung, Lidrandpflege, Wärme­
behandlung und lipidhaltige Lubrikantien zu
guten Therapieerfolgen führen
Die MGD kann als häufige Erkrankung nicht
nur in der älteren Bevölkerung, sondern
auch immer öfters altersunabhängig beob­
achtet werden. Die Diagnosefindung bei
der MGD stellt sich aufgrund der Heterogenität der Erkrankung als komplex dar,
zusätzlich fehlt es den zur Verfügung stehenden Untersuchungsverfahren an ausreichender Objektivität. Die Therapie der
MGD richtet sich nach dem Schweregrad
und stellt eine Kombination aus Pflege
und lokaler und systemischer Medikation
dar. Ziel sollte dabei sein, chronische Obstruktionen im Bereich der Ausführungsgänge der Meibomdrüsen zu vermeiden,
um der Entstehung des trockenen Auges
entgegenzuwirken.w
Herunterladen