Trockenes Auge Pharmakologische SICCA-Therapie Von Univ.-Prof. DI Dr. Leopold Schmetterer A us klinischen Studien sind vor allem die Risikofaktoren des trockenen Auges bekannt geworden. Diese beinhalten unter anderem fortgeschrittenes Lebensalter, postmenopausale Hormontherapie, Vitamin-A-Mangel, Mangel an Omega-3-Fettsäuren, Androgenmangel, Lasik, sowie das Tragen von Kontaktlinsen. Zusammen mit den Erkenntnissen aus In-vitro- und Tierstudien wissen wir heute, dass vor allem drei Faktoren im Zentrum der Pathophysiologie des trockenen Auges stehen. Diese beinhalten Tränenfilminstabilität, Inflammation und Hyperosmolarität. 16 Der International Dry Eye Workshop, 2007, hat eine Klassifikation des trockenen Auges vorgeschlagen, die seitdem als Standard angesehen wird. Dabei wird primär zwischen Tränenproduktionsstörung und evaporativem Tränenmangel unterschieden. Zweiteres ist die häufigere Form und stellt etwa 65 Prozent der Fälle dar. Im klinischen Alltag sind häufig Mischformen anzutreffen. Univ.-Prof. DI Dr. Leopold Schmetterer Bei der Tränenproduktionsstörung wird weiters zwischen Sjögren-Patienten (primär oder sekundär) und Non-Sjögren-Patienten (z. B. kongenitale Alakrimie, familiäre Dysautonomie, Tränendrüseninfiltration, Tränen­ drüsenobstruktion) unterschieden. Beim evaporativen Tränenmangel wird zwischen intrinsischen und extrinsischen Faktoren unterschieden. Intrinsische Faktoren können eine Erkrankung der Meibomschen Drüsen, gestörter Lidschluss oder reduzierte Lidschlussfrequenz darstellen. Extrinsische Faktoren beinhalten zum Beispiel Veränderungen der Augenoberfläche durch VitaminA-Mangel, topische Medikation und Aller­ gie, Kontaktlinsen oder allergische Konjunktivitis. Universitätsklinik für Klinische ­Pharma­kologie, Zentrum für Medizinische Technik und ­Physik, Medizinische Universität Wien [email protected] Eine Dysfunktion der Meibomschen Drüsen (MGD) ist nicht ident mit dem evaporativen trockenen Auge. Charakteristisch für die MGD sind die Obstruktion der Mei- M edical N et w ork SP ECIAL September 2012 bomdrüsenöffnungen und terminalen Ganganteile sowie Veränderungen der Sekretion der Meibomdrüsen. Wichtig ist auch, dass die MGD nicht mit der hinteren Blepharitis gleichzusetzten ist. Unter hinterer Blepharitis versteht man Entzündungsvorgänge im Bereich des hinteren Lidrandes. MGD kann eine der Ursachen einer hinteren Blepharitis sein, jedoch gibt es auch andere Gründe. Im Frühstadium kann die MGD asymptomatisch sein. Die MGD wird in zwei Schweregrade eingeteilt. Erstens Zustände mit geringer und zweitens Zustände mit hoher Ausschüttung von Drüsensekret. Zusammenfassend kann die MGD zu einem evaporativen trockenen Auge führen, ist aber diesem nicht gleich zu setzten. Die Therapie des trockenen Auges erfolgt je nach Ätiologie und Schweregrad entweder durch Tropftherapie oder durch chirurgische Interventionen. Auch die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln, wie etwa Omega-3-Fettsäuren, wird diskutiert. Im vorliegenden Artikel liegt der Schwerpunkt auf Tropftherapie. In den USA besteht eine Arzneimittelzulassung für Ciclosporin-A-Augentropfen 0,05% zur kausalen Behandlung des trockenen Auges (Restasis®, Allergan). Ciclosporin-A ist immunsuppressiv und entzündungshemmend. Weiters FOTO: ©stryjek / fotalia.com Das trockene Auge ist eine häufige Erkrankung der Augenoberfläche. Die Prävalenz ist je nach genauer Definition unterschiedlich, man kann jedoch von etwa 15–20 Prozent der Gesamtbevölkerung ausgehen. Obwohl das Lebensalter einen Risikofaktor darstellt, sind auch jüngere Personen von der Erkrankung betroffen. In den letzten Jahren wurde Fortschritte im Verständnis der Pathophysiologie der Erkrankung gemacht. Diese basieren einerseits auf klinischen Studien, andererseits aber auch auf Daten aus der Grundlagenforschung. Trockenes Auge werden vor allem bei schweren Formen des trockenen Auges Glucocorticoid-Augentropfen verwendet. Dabei steht die initiale Reduktion der Inflammation im Vordergrund. Selbstverständlich ist aber zu beachten, dass eine Dauertherapie nicht in Frage kommt. Carbomere, Polyvinylalkohol, Carmellose, Dextrane, Macrogole sowie Salze zum Einsatz. Pharmazeutische Wirkstoffe wie Dexpanthenol oder Vitamin A werden teilweise zugefügt. Die Applikation kann mehrmals täglich erfolgen und hängt vom Schweregrad der Symptomatik ab. Augensalben enthalten Substanzen wie Paraffin, Vaseline, Wollwachs oder Dexpanthenol. Im Vordergrund steht hier die Stabilisierung der Lipidschicht des Tränenfilms. Dies ist vor allem bei evaporativem trockenem Auge indiziert, um das Verdunsten der Wasserschicht zu verhindern. Die Hauptoption zur Behandlung des trockenen Auges stellen jedoch nach wie vor Lubrikantien dar. Diese sind als Medizinprodukte in Österreich zugelassen. Dabei kommt eine Vielzahl von Substanzen wie Povidone, Hyaluronsäure, Hypromellose, Generell sind Produkte ohne Konservierungsmittel zu bevorzugen. Insbesondere sind Substanzen die Benzalkoniumchlorid (BAK) beinhalten aufgrund der toxischen Effekte an der Augenoberfläche zu vermeiden. Ein anderer Ansatz bei evaporativem trockenem Auge besteht in der Verwendung von Augensprays. Diese enthalten Phospholipide und werden auf das Lid gesprüht. Dadurch gelangen sie auf den Lidrand und sollen daher die Lipidschicht Fortsetzung > Grafik: www.tearfilm.org/dewsreport/pdfs/TOS-0502-DEWS-noAds.pdf; Seite 75 M edical N etw ork S PE C IA L September 2012 17 Trockenes Auge Pharmakologische SICCA-Therapie des Tränenfilms stabilisieren. Vitamin-A-Augensalben oder -gele wirken der Verhornung am Auge entgegen und sind vor allem bei Vita­min-A-­Mangel indiziert. Bei allen­Salben und Gelen sind allfällige Sehstörungen direkt nach dem Eintropfen zu beachten. Über viele Jahre war im Bereich der Lubrikantien relativ wenig Innovation zu sehen. Das hat sich in den letzten Jahren geändert und mehrere Firmen haben neue Produkte auf den Markt gebracht. Bei Allergan folgt man dem Prinzip der Osmoprotektion. Optive® Augentropfen basieren auf einem dualen Wirkprinzip: Zum einen benetzen die oberflächenaktiven Substanzen Carboxymethylcellulose und Glycerin die Oberfläche und sorgen für eine verbesserte Haftung des Tränenfilmes. Zum anderen dringen die kompatiblen Solute L-Carnithin und Erythritol in die oberen Epithelzellen ein und revitalisieren diese, indem sie das durch hypertonischen Stress gestörte osmotische Gleichgewicht wieder herstellen. Bei Optive Plus® setzt man daneben noch auf eine dritte Wirkkomponente. Quelle: Beratungskarte optima Bei Alcon setzt man bei der Wahl der Konservierungsmittels auf Polyquad®, das im Vergleich zu BAK weniger Nebenwirkungen an der Augenoberfläche zeigt. Auch im Glaukombereich wird bei Travatan® und ­Duotrav® auf diese Form der Konservierung zurück gegriffen. Systane® Balance sind röses Filterschwämmchen sowie eine 0,2 µm Filtermembran verwendet, die ein Mehrfachtropfen ohne Konservierungsmittel ermöglichen. Mit Hyabak® steht ein Produkt mit 0,15 Prozent Hyaluronsäure zur Verfügung. schließend entsteht ein besonders stabiler Tränenfilm. Schließlich steht mit ­Systane® Geltropfen ein Benetzungsgel in Tropfenform zur Verfügung. Das Produkt ist vorwiegend für Patienten mit schwerer Symptomatik gedacht und wird ergänzend für die Nacht verabreicht. lipid­haltige Benetzungstropfen, die speziell zur Therapie trockener Augen bei MGD entwickelt wurden. Das Konzept ist hier, den gestörten Lipidanteil im Tränenfilm zu ergänzen und zu stabilisieren. Bei Systane® Ultra handelt es sich um Benetzungstropfen, die Polyethylenglykol, Propylenglykol und Hydroxypropyl-Guar beinhalten. Wie bei anderen Polymeren ist der Wirkeffekt dadurch bedingt, dass sie an der Augenoberfläche haften und sich zu strukturierten dreidimensionalen Netzwerken verbinden. Diese zeichnen sich durch hohe Viskosität und Elastizität aus. Durch seine elastischen Eigenschaften reorganisiert sich das Netzwerk nach jedem Lidschlag und gleicht mechanische Kräfte aus, an18 M edical N et w ork SP ECIAL September 2012 Eine neue zusätzliche Lipidkomponente bewirkt eine Stabilisierung der Lipid­schicht des Tränenfilms. Diese Lipidkomponente enthält Rizinusöl, das die natürlichen Lipide im Tränenfilm ergänzt und dadurch für eine Stabilisierung der Lipidschicht, vor allem bei MGD, sorgt. Die Konservierung erfolgt bei Allergan mit dem Konservierungsmittel Purite®. Dabei handelt es sich um einen stabilisierten Oxo-Chloro-­Komplex, der unter Lichteinfluss in die natürlichen Bestandteile des Tränenfilmes NaCl, H2O und O2 zerfällt und weniger ­toxisch als BAK ist. Thea steht mit dem Abak®-System ein Multi­ dosisbehälter für konservierungsmittel- und phosphatfreie Verabreichung von Lubrikantien zur Verfügung. Dabei wird ein mikropo- Weiters wurde kürzlich mit Thealoz® ein neuartiges Konzept auf den Markt gebracht. Auch dabei greift man auf das Abak®-System zurück. Der Inhaltsstoff ist ein Disaccharid, das in Pflanzen und Insekten natürlich vorkommt, Trehalose. Zwei Einfachzucker sind kovalent über eine glycosidische Bindung verknüpft, was hohe Stabilität und Resistenz gegen Hydrolyse gewährleis­ tet. Trehalose wird von Pflanzen in großer Menge ausgeschüttet, falls diese einem trockenen Milieu ausgesetzt sind. Dabei wird durch Verhinderung der Proteindenaturation und Stabilisierung von Lipiddoppelschichten der Zellmembranen der Zelltod verhindert. Dieses Konzept wird nun auf Hornhautzellen übertragen, so dass diese auch unter trockenen Bedingungen besser überleben können. Croma Pharma wiederum hat Chitosan-NAcetylcysteine (Effecoat®) für die Behandlung des trockenen Auges in die klinische Entwicklung gebracht. Chitosan ist ein poly-kationi­ sches Polysaccharid mit extrem hoher Bio­kompatibilität, dessen mukoadhäsiven Ei­genschaften durch Thiolierung weiter verbessert werden. Es entsteht eine extrem stabile kovalente Bindung zum natürlichen Mucin. Dadurch werden extrem lange Residenzzeiten der Substanz an der Augenoberfläche erreicht. Im Tierversuch war die Substanz bis zu 22 Stunden nach topischer Verabreichung an der Augenoberfläche zu detektieren. Das bedeutet protektiven Effekt der Augenoberfläche für einen ganzen Tag. Dadurch unterscheidet sich die Substanz von allen anderen Lubrikantien, die nur einen relativ kurzfristigen Effekt an der Augenoberfläche erzielen. Tierversuche zeigen ein Reduktion der Inflammation der Augenoberfläche, ers­ te Studien an Probanden ein gutes Verträglichkeitsprofil. k