RUHR-­‐UNIVERSITÄT BOCHUM FAKULTÄT FÜR SOZIALWISSENSCHAFT Urbane Integrationsschleuse Rolle und Funktion sozial passiv segregierter Stadtquartiere und die damit einhergehende Herausforderung für die Stadtpolitik am Beispiel von Mülheim an der Ruhr Masterarbeit Vorgelegt von: Sebastian Kurtenbach Betreut durch: Prof. Dr. Strohmeier und Prof. Dr. Schräpler Bochum, Dezember 2012 Zusammenfassung Ausgehend von der Beobachtung, dass Städte als relativ große, dichte und heterogene Siedlungen durch Zuwanderung und nicht durch Geburtenüberschuss wachsen, fragt die vorliegende Arbeit nach der sozialräumlich verorteten Funktion armutsbelasteter Stadtgebiete für den Integrationsprozess der Zuwanderer. Dazu wird zu Beginn der theoretische Rahmen hinsichtlich dieser Funktionsübernahme durch die Transformation von der industriellen zur postindustriellen Stadt gespannt und es werden die drängendsten Herausforderungen benannt, vor denen Städte heute stehen. Darauf aufbauend wird die zunehmende Differenzierung in urbanen Räumen anhand des Dreistufenmodells von Hamm strukturiert. Aus der funktionalen und sozialen Differenzierung ergibt sich somit in Bezug auf die Fragestellung der Untersuchung die Konzeption der urbanen Integrationsschleuse. Diese bietet Erklärungsansätze, wie Zuwanderung sozialräumlich organisiert wird. Den Ausgangspunkt bildet die Feststellung, dass sich Zuwanderer nicht proportional über die Stadt verteilen, sondern in bestimmte Stadtgebiete ziehen. Dieser Ungleichverteilung liegen Segregationsmechanismen zugrunde. Zugleich findet der Weg zur Integration in die Aufnahmegesellschaft in diesen Gebieten auch räumlich seinen Anfang. Im positiven Sinne finden dort Zuwanderer Bewohner mit ähnlichen Erfahrungen wie die eigenen vor, die ihnen beim Ankommen helfen können. Zudem helfen vorhandene Strukturen wie Arbeitsgelegenheiten, auch ökonomisch Fuß zu fassen. Somit hat die urbane Integrationsschleuse zwei wesentliche Merkmale: die Sockelbevölkerung und die Verteilerfunktion. Die Sockelbevölkerung besteht aus Zuwanderern, die seit längerer Zeit im Gebiet leben und Neuankömmlingen durch Know-­‐how-­‐Transfer und Arbeits-­‐ sowie Wohngelegenheiten helfen können. Die Verteilerfunktion wird daran deutlich, dass es zwar eine hohe Zuwanderungsrate ins Gebiet gibt, die Zugezogenen jedoch nicht lange dort leben. Entweder ziehen sie in ein anderes armutsbelastetes Gebiet oder in ein besseres Gebiet. Im Falle einer urbanen Integrationsschleuse ziehen die meisten in bessere Gebiete. Da urbane Integrationsschleusen die Stadtpolitik vor eine Reihe von Herausforderungen stellen, wurden vier besonders relevante Politikfelder identifiziert. Diese beschreiben zugleich die Aufgaben, die bewältigt werden sollten, um urbane Integrationsschleusen positiv zu gestalten. Das Konzept der urbanen Integrationsschleuse wurde am Beispiel Mülheim an der Ruhr untersucht. Dazu wurden drei Hypothesen aufgestellt. Die erste befasst sich mit der Identifizierung einer urbanen Integrationsschleuse. Die zweite geht von der Existenz einer Sockelbevölkerung aus, und die dritte fokussiert auf die Verteilerfunktion. Alle drei Hypothesen wurden bestätigt. Die Arbeit schließt mit konkreten Handlungsempfehlungen für die Stadt Mülheim an der Ruhr, wie sie mit der urbanen Integrationsschleuse adäquat umgehen kann. Diese Handlungsempfehlungen orientieren sich an den vier besonders relevanten Politikfeldern: Arbeitsmarkt, Integration, Bildung und Stadtentwicklung. Das Fazit fasst die inhaltlichen Erkenntnisse der Arbeit zusammen und liefert zugleich die Grundlage für weiterführende Arbeiten. 2 I N H A L T S V E R ZE I C H N I S TABELLENVERZEICHNIS .............................................................................................................................. 5 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ........................................................................................................................ 6 EINLEITUNG ..................................................................................................................................................... 7 1 STADTSOZIOLOGISCHE GRUNDLAGEN ............................................................................................ 9 1.1 STADT ALS SOZIOLOGISCHER INTERESSENGEGENSTAND ................................................................................. 9 1.2 DIE POSTINDUSTRIELLE STADT ......................................................................................................................... 11 1.2.1 Industrialisierung als Grundvoraussetzung der modernen Stadt .......................................... 12 1.2.2 Fordistische Stadtentwicklung ............................................................................................................... 12 1.2.3 Fünf Herausforderungen der Städte zu Beginn des 21. Jahrhunderts .................................. 14 1.3 DAS DREISTUFENMODELL .................................................................................................................................. 16 1.4 FUNKTIONALE DIFFERENZIERUNG ................................................................................................................... 18 1.4.1 Städtische Funktionsräume ..................................................................................................................... 18 1.4.2 Sozialökologische Theorie der Stadt ................................................................................................... 19 1.4.3 Stadtmodell von Burgess .......................................................................................................................... 20 1.4.4 Zone in transition als urbaner Funktionsraum .............................................................................. 22 1.4.5 Invasions-­‐Sukzessions-­‐Zyklen ................................................................................................................. 23 1.4.6 Kritik an der sozialökologischen Theorie .......................................................................................... 24 1.4.7 Kritische Anmerkung zu Bernd Hamm ............................................................................................... 25 1.4.8 Urbane Integrationsschleuse als zone in transition der postindustriellen Stadt ............. 25 1.5 SOZIALE DIFFERENZIERUNG .............................................................................................................................. 27 1.5.1 Segregation als urbanes Phänomen .................................................................................................... 27 1.5.2 Soziale Segregation ..................................................................................................................................... 29 1.5.3 Ethnische Segregation ............................................................................................................................... 29 1.5.4 Demografische Segregation .................................................................................................................... 30 1.5.5 Überlagerung der Segregationsarten ................................................................................................. 30 1.5.6 Quartier als soziologischer Interessensgegenstand ...................................................................... 31 1.5.7 Armutsquartiere in der postindustriellen Stadt ............................................................................. 33 1.6 KONZEPTION DER URBANEN INTEGRATIONSSCHLEUSE ................................................................................ 35 1.6.1 Der Gebietscharakter der urbanen Integrationsschleuse .......................................................... 38 1.6.2 Die Sockelbevölkerung der urbanen Integrationsschleuse ........................................................ 38 1.6.3 Die Verteilerfunktion der urbanen Integrationsschleuse ........................................................... 39 2 RELEVANTE KOMMUNALPOLITISCHE HANDLUNGSFELDER FÜR DEN UMGANG MIT URBANEN INTEGRATIONSSCHLEUSEN ................................................................................................. 42 2.1 KOMMUNALE ARBEITSMARKTPOLITIK ............................................................................................................ 42 2.2 KOMMUNALE BILDUNGSPOLITIK ....................................................................................................................... 44 2.3 KOMMUNALE INTEGRATIONSPOLITIK .............................................................................................................. 45 2.4 KOMMUNALE STADT-­‐ UND QUARTIERSENTWICKLUNGSPOLITIK ................................................................ 46 2.5 INTEGRIERTES KOMMUNALES HANDELN ALS PARADIGMA ZUM UMGANG MIT URBANEN INTEGRATIONSSCHLEUSEN ............................................................................................................................................. 48 3 METHODISCHE UNTERSUCHUNG ..................................................................................................... 50 3.1 DAS PRAXISBEISPIEL MÜLHEIM AN DER RUHR .............................................................................................. 50 3.2 FORSCHUNGSHYPOTHESEN UND OPERATIONALISIERUNG ........................................................................... 52 3.2.1 Forschungshypothese I – Urbane Integrationsschleuse .............................................................. 52 3.2.2 Forschungshypothese II – Sockelbevölkerung ................................................................................. 53 3.2.3 Forschungshypothese III – Verteilerfunktion .................................................................................. 53 3.3 DATENBESCHREIBUNG UND BESTAND ............................................................................................................. 54 3.4 BESCHREIBUNG DER VORGEHENSWEISE ......................................................................................................... 55 3.4.1 Vorgehensweise des erster Forschungsschritts .............................................................................. 55 3 3.4.2 Vorgehensweise des zweiten Forschungsschritts .......................................................................... 56 3.4.3 Alternative Möglichkeiten der Vorgehensweise ............................................................................. 57 3.5 FORSCHUNGSTEIL 1: ERMITTLUNG DER URBANEN INTEGRATIONSSCHLEUSE ......................................... 58 3.5.1 Datenüberblick .............................................................................................................................................. 59 3.5.2 Untersuchung der Verteilung – Streudiagramme ......................................................................... 61 3.5.3 Untersuchung der Verteilung – GIS ...................................................................................................... 63 3.5.4 Statistische Zusammenhangsuntersuchung mittels Pearsons Korrelationskoeffizient 68 3.5.5 Klassifikation der urbanen Integrationsschleuse .......................................................................... 69 3.6 FORSCHUNGSTEIL 2: UNTERSUCHUNG DER URBANEN INTEGRATIONSSCHLEUSE ................................... 72 3.6.1 Gebietsprofil Altstadt II Südwest ........................................................................................................... 72 3.6.2 Untersuchung der Sockelbevölkerung ................................................................................................ 78 3.6.3 Untersuchung der Wanderungen .......................................................................................................... 80 3.6.4 Untersuchung der innerstädtischen Wanderungsziele ............................................................... 84 4 AUSWERTUNG UND ÜBERTRAGUNG DER FORSCHUNGSERGEBNISSE AUF KOMMUNALPOLITISCHE HANDLUNGSFELDER .................................................................................. 86 4.1 ÜBERPRÜFUNG DER FORSCHUNGSHYPOTHESEN ............................................................................................ 86 4.1.1 Forschungshypothese 1 – Identifikation der urbanen Integrationsschleuse ..................... 86 4.1.2 Forschungshypothese 2 – Untersuchung der Sockelbevölkerung ........................................... 87 4.1.3 Forschungshypothese 3 – Untersuchung der Verteilerfunktion .............................................. 87 4.2 INHALTLICHE INTERPRETATION DER FORSCHUNGSERGEBNISSE ............................................................... 88 4.3 KOMMUNALPOLITISCHE HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN ................................................................................ 89 4.3.1 Handlungsfeld 1: Beschäftigungs-­‐ und Wirtschaftsförderung ................................................. 90 4.3.2 Handlungsfeld 2: Bildungsförderung – Ungleiches ungleich behandeln ............................. 93 4.3.3 Handlungsfeld 3: Integrationspolitik – Humanvermögen sichern ......................................... 95 4.3.4 Handlungsfeld 4: Quartiersentwicklung – Von Bedarfs-­‐ zu Bedürfnisorientierung ....... 96 5 ZUSAMMENFASSUNG UND FAZIT ..................................................................................................... 99 6 VERZEICHNIS GENUTZTER MEDIEN ............................................................................................ 102 6.1 MONOGRAPHIEN/BEITRÄGE IN SAMMELBÄNDEN ....................................................................................... 102 6.2 ARTIKEL AUS FACHZEITSCHRIFTEN ................................................................................................................ 109 6.3 ONLINE-­‐QUELLEN .............................................................................................................................................. 110 7 ANHANG ................................................................................................................................................ 112 8 EIGENSTÄNDIGKEITSERKLÄRUNG ............................................................................................... 113 4 Abbildungsverzeichnis ABBILDUNG 1: STADTMODELL VON BURGESS .................................................................................................................... 21 ABBILDUNG 2: KARTE VON MÜLHEIM AN DER RUHR ....................................................................................................... 51 ABBILDUNG 3: STREUDIAGRAMM BEVÖLKERUNGSANTEIL DER ÜBER 65-­‐JÄHRIGEN UND AUSLÄNDERANTEIL ...... 61 ABBILDUNG 4: STREUDIAGRAMM „BEVÖLKERUNG AB 18 JAHREN MIT EINER WOHNDAUER UNTER 5 JAHREN“ UND „ARBEITSLOSE AN DER BEVÖLKERUNG ZWISCHEN 18 UND 65 JAHRE“ IN MÜLHEIM AN DER RUHR AUF EBENE DER STATISTISCHEN BEZIRKE ...................................................................................................................... 62 ABBILDUNG 5: KARTE ANTEIL DER AB 65 JÄHRIGEN AN DER BEVÖLKERUNG IN MÜLHEIM AN DER RUHR ............. 64 ABBILDUNG 6: KARTE ANTEIL BEVÖLKERUNG AB 18 JAHRE MIT EINER WOHNDAUER UNTER 5 JAHRE IN MÜLHEIM AN DER RUHR ............................................................................................................................................................... 65 ABBILDUNG 7: AUSLÄNDERANTEIL IN MÜLHEIM AN DER RUHR .................................................................................... 66 ABBILDUNG 8: KARTE ARBEITSLOSENANTEIL AN DER BEVÖLKERUNG ZWISCHEN 18 UND 65 JAHRE IN MÜLHEIM AN DER RUHR ............................................................................................................................................................... 67 ABBILDUNG 9: KORRELATIONSMATRIX DER MERKMALE „WOHNDAUER UNTER 5 JAHRE“, „AUSLÄNDERANTEIL“, „ARBEITSLOSE AN DER BEVÖLKERUNG ZWISCHEN 18 UND 65 JAHRE“ UND „ANTEIL DER BEVÖLKERUNG ÜBER 65 JAHRE“ AUF EBENE DER STATISTISCHEN BEZIRKE VON MÜLHEIM AN DER RUHR ZUM MESSZEITPUNKT 31.12.2012 .................................................................................................................................. 68 ABBILDUNG 10: BESCHREIBUNG DER QUINTILSGRUPPEN ............................................................................................... 71 ABBILDUNG 11: DEMOGRAFISCHES PROFIL DES STATISTISCHEN BEZIRKS ALTSTADT II SÜDWEST UND DER GESAMTSTADT MÜLHEIM AN DER RUHR (EIGENE DARSTELLUNG) ..................................................................... 73 ABBILDUNG 12: ETHNISCHES PROFIL DES STATISTISCHEN BEZIRKS ALTSTADT II SÜDWEST UND DER GESAMTSTADT MÜLHEIM AN DER RUHR (EIGENE DARSTELLUNG) ..................................................................... 74 ABBILDUNG 13: FLÄCHENPROFIL DES STATISTISCHEN BEZIRKS ALTSTADT II SÜDWEST UND DER GESAMTSTADT MÜLHEIM AN DER RUHR (EIGENE DARSTELLUNG) ................................................................................................ 75 ABBILDUNG 14: SOZIALES PROFIL DES STATISCHEN BEZIRKS ALTSTADT II SÜDWEST UND DER GESAMTSTADT MÜLHEIM AN DER RUHR (EIGENE DARSTELLUNG) ................................................................................................ 76 ABBILDUNG 15: WANDERUNGSPROFIL DES STATISTISCHEN BEZIRKS ALTSTADT II SÜDWEST UND DER GESAMTSTADT MÜLHEIM AN DER RUHR (EIGENE DARSTELLUNG) ..................................................................... 77 ABBILDUNG 16: SOCKELBEVÖLKERUNG – BEVÖLKERUNGS-­‐ UND AUSLÄNDERANTEIL (EIGENE DARSTELLUNG) .. 78 ABBILDUNG 17: KARTE DER SOCKELBEVÖLKERUNG ........................................................................................................ 79 ABBILDUNG 18: VERTEILERFUNKTION – ALTSTADT II-­‐SÜDWEST UND MÜLHEIM AN DER RUHR (EIGENE DARSTELLUNG) ............................................................................................................................................................ 81 ABBILDUNG 19: ALTERSGRUPPEN DER WANDERNDEN BEVÖLKERUNG (EIGENE DARSTELLUNG) ............................ 83 Tabellenverzeichnis TABELLE 1: GENUTZTE DATENSÄTZE ................................................................................................................................. 54 TABELLE 2: DATEN DER INDIKATOREN „ARBEITSLOSE AN DER BEVÖLKERUNG IM ERWERBSFÄHIGEN ALTER“, „AUSLÄNDERANTEIL“,„BEVÖLKERUNG AB 65 JAHRE“ UND „WOHNDAUER UNTER 5 JAHRE“ IN MÜLHEIM AN DER RUHR AUF EBENE DER STATISTISCHEN BEZIRKE ........................................................................................... 60 TABELLE 3: INDEXTABELLE ZUR IDENTIFIZIERUNG DER URBANEN INTEGRATIONSSCHLEUSE IN MÜLHEIM AN DER RUHR ............................................................................................................................................................................. 70 TABELLE 4: ECKDATEN DES STATISTISCHEN BEZIRKS ALTSTADT II SÜDWEST UND DER GESAMTSTADT MÜLHEIM AN DER RUHR ............................................................................................................................................................... 72 TABELLE 5: WANDERUNGSART UND ERLÄUTERUNG ZUM QUELL-­‐ UND ZIELGEBIET .................................................. 80 TABELLE 6: ALTERS-­‐ UND WANDERUNGSGRUPPEN ......................................................................................................... 82 TABELLE 7: ANTEIL DER UMZÜGE IN EIN GEBIET DER GRUPPEN 1 BIS 4 SOWIE ANTEIL DER UMZÜGE IN EIN GEBIET DER GRUPPE 5 ............................................................................................................................................... 84 5 Abkürzungsverzeichnis AufenthaltG Aufenthaltsgesetz BW Baden-­‐Württemberg d.h. das heißt GG Grundgesetz ggf. gegebenfalls GIS Geografische Informationssysteme ILS Institut für Landes-­‐ und Stadtentwicklungsforschung MwSt Mehrwertsteuer NRW Nordrhein-­‐Westfalen LzPB Landeszentrale für politische Bildung SGB Sozialgesetzbuch vgl. vergleiche u.a. unter anderem z.B. zum Beispiel ZfT Zentrum für Türkeistudien ZEFIR Zentrum für interdisziplinäre Regionalentwicklung 6 Einleitung Heute wie vor hundert Jahren wachsen Städte durch Zuwanderung: in westlichen Ländern durch internationale Zuwanderung und in Schwellenländern durch Landflucht. Jedoch ist der Begriff Stadt als Zuwanderungsziel undifferenziert und zeigt nicht die Herausforderungen und die Realitäten der Zuwanderer und der Stadtpolitik auf. Denn zugewandert wird vorrangig in einige wenige Stadtbezirke einer jeden Stadt. Bereits die Sozialforscher der Chicagoer Schule haben dies durch Begehungen beobachtet und in ihre grundlegenden stadtsoziologischen Arbeiten aufgenommen. Auch heute sehen wir Zeugnisse dieser räumlich konzentrierten Zuwanderung, wie sie z.B. der Journalist Doug Saunders dokumentiert hat. In den städtischen Ankunftsgebieten finden Zuwanderer erste Arbeitsmöglichkeiten, und die „Platzkarte“ für ein Leben in der neuen Umgebung wird hier vergeben. Oftmals sind diese Gebiete armutsgeprägt und zugleich interkulturell. Nur wenige Zuwanderer bleiben längere Zeit in diesen Gebieten. Viele ziehen weiter oder zurück ins Migrationsquellgebiet. Sie alle eint die Hoffnung auf ein besseres Leben für sich oder ihre Familie. Solche Ankunftsorte können also auch als Durchgangsgebiet oder urbane Integrationsschleuse bezeichnet werden, wenn es gelingt, sozialen Aufstieg zu organisieren und erlebbar zu machen. Wenn diese Hoffnung enttäuscht wird, kann es beim Betroffenen zur Resignation kommen. Orte, in denen viele Menschen mit derartigen Erfahrungen leben, sind keine hoffnungsvollen Ankunftsorte mehr; sie haben einen anderen Charakter. Im Englischen gibt es dafür die recht anschauliche Bezeichnung „depressed area“ oder im Französischen den Begriff „relegation“. Es gibt somit zwei Arten von armuts-­‐ und zuwanderungsgeprägten städtischen Gebieten, die sich zugleich in ihrer Funktion voneinander unterscheiden: zum einen die Integrationsschleusen und zum anderen die Orte der Relegation. Für die Stadtpolitik ist es demnach entscheidend zu wissen, welche Orte in ihrer Stadt welches Profil aufweisen und wie angemessene integrationsunterstützende Maßnahmen aussehen können. In diesem Sinne wird der inhaltliche Fokus der Arbeit, die sich als Zielgruppe an Stadtforscher und Kommunalpolitiker richtet, auf die urbanen Integrationsschleusen gelegt. Die Arbeit orientiert sich im Wesentlichen an vier Leitfragen: • Inwieweit haben städtische Teilgebiete, wenn sie sozial passiv segregiert sind, eine soziale Schleusenfunktion inne? • Wie ist eine solche Schleusenfunktion zu operationalisieren? • Welche Bevölkerungsgruppen leben wie lange in der urbanen Integrationsschleuse und wohin wandern sie ggf.? 7 • Wie kann Stadtpolitik auf eine solche Schleusenfunktion unterstützend reagieren? Den theoretischen Hintergrund liefern die ersten beiden Abschnitte der vorliegenden Arbeit. Zunächst werden dabei stadtsoziologische Überlegungen behandelt. Zu ihnen gehört das Verständnis von Segregation sowie soziologischer Stadt-­‐ sowie Quartiersmodelle. Neben den soziologischen Aspekten wird auch die Auseinandersetzung mit kommunalpolitischen Möglichkeiten zur Einwirkung auf urbane Integrationsschleusen anhand einschlägiger Politikfelder beleuchtet. Der dritte Abschnitt erläutert das methodische Vorgehen. Dazu werden zu Beginn drei Forschungshypothesen gebildet und operationalisiert. In zwei Schritten wird anhand des Beispiels Mülheim an der Ruhr untersucht, ob es städtische Gebiete gibt, die eine soziale Schleusenfunktion innehaben, und wie sich diese zeigt. Im vierten Abschnitt werden die Ergebnisse ausgewertet und Handlungsempfehlungen für die Stadtpolitik formuliert, die aus ihnen hervorgehen. Im Fazit werden die Forschungsfragen und Hypothesen abschließend beantwortet. Zur Übersicht werden am Ende der Abschnitte 1 bis 4 die jeweiligen Inhalte kurz stichpunktartig zusammengefasst. Weiterführende Anmerkungen seitens des Autors finden sich in den Fußzeilen. Sofern nicht anders beschrieben, handelt es sich um Daten der Stadt Mülheim an der Ruhr, Referat V.1 Statistik und Stadtforschung. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in der Ausdrucksweise nur die männliche Form benutzt. Frauen sind selbstverständlich in gleicher Weise angesprochen. 8 1 Stadtsoziologische Grundlagen Städte als Orte des Zusammenlebens, als Laboratorien, als Kristallisationspunkte ökonomischer Prozesse und damit als Spiegel der Gesellschaft bieten der Soziologie eine Reihe von Themen und sind bereits dadurch ein vielfältiges Forschungsfeld. Stadt als soziologischer Interessensgegenstand stellt den Forschenden zugleich vor viele Herausforderungen, Fragen und Phänomene. Schon allein die räumlich sinnvolle Abgrenzung einer Stadt ist ein schwieriges Unterfangen1. Um sich diesem komplexen Forschungsgegenstand zu nähern, werden zu Beginn dieses Abschnitts soziologische Überlegungen zur Stadt inklusive einer zweckdienlichen Begriffsdefinition vorgestellt. Zudem wird das Konzept der postindustriellen Stadt erörtert. Darauf aufbauend werden die städtische Struktur und Entwicklungen anhand des Dreistufenmodells von Bernd Hamm beleuchtet. Da aus diesem zwei wesentliche Differenzierungen resultieren, werden beide Richtungen getrennt voneinander ausführlich in unterschiedlichen Aspekten diskutiert. Beide Stränge führen zu einer je eigenen und im nächsten Schritt zur gemeinsamen Konzeption und grundlegenden Operationalisierung der urbanen Integrationsschleuse, was zugleich den Abschluss des Abschnittes bildet. 1.1 Stadt als soziologischer Interessengegenstand Schon zu Beginn der Auseinandersetzung mit dem Forschungsgegenstand „Stadt“ fällt ein grundlegendes Problem auf: Aus soziologischer Sicht ist nicht definiert oder festgelegt, was eine Stadt ist (vgl. u.a. Häußermann/Siebel 2004, S. 11; Eckhardt 2004, S. 7). Es gibt zwar eine Reihe von Versuchen zur Definition von Städten (vgl. u.a. Häußermann/Siebel 1987, S. 7; Friedrichs 1995, S. 17; Weber 2006, S. 833ff.), aber keiner dieser Vorschläge hat sich durchgesetzt oder Gültigkeit erlangt. All diesen und weiteren Stadtdefinitionen sind die drei grundlegenden Eigenschaften gemein, die bereits Lois Wirth beschrieben hat: Größe, Dichte und Heterogenität (vgl. Wirth in Schäfers 2010, S. 84). Somit sind Städte im soziologischen Sinne relativ große Siedlungen, die eine relativ hohe Dichte und eine relativ heterogene Bevölkerung aufweisen. Die soziologische Auseinandersetzung mit der Stadt erschöpft sich jedoch nicht in der Definition des Forschungsgegenstandes selbst. Sie untersucht vielmehr soziale und bedingt umweltbezogene Prozesse im städtischen Raum. Solche spiegeln sich zum Teil auch in ihrer (sozialen) urbanen Struktur wider (vgl. u.a. Friedrichs 1995, S. 17f.; Löw 2010, S. 24f.). Außerdem – und das ist einem Großteil der stadtsoziologischen Fachliteratur gemeinsam – fragt 1 Zur Entwicklung von Städten und zum Stadtverständnis in Abgrenzung von ruralen Räumen bis hin zur nach wie vor aktuellen Diskussion über die Metropolisierung des Stadtbegriffs siehe Häußermann/Siebel 1987. 9 sie auch nach speziellen städtischen Verhaltensweisen von Menschen2. Solche Verhaltensweisen wurden bereits in dem Aufsatz „Die Großstädte und das Geistesleben“ aus dem Jahr 1903 (vgl. Simmel 2010, S. 9ff.), der als einer der ersten stadtsoziologischen Texte gilt3, von Georg Simmel beschrieben (vgl. Häußermann/Siebel 2004, S. 35). Simmel definierte drei typische Eigenschaften des Großstädters: Reserviertheit, Blasiertheit und Intellektualismus (vgl. Siebel 2010, S. 9ff). Er beschreibt die Reserviertheit als Art und Weise, wie sich Großstadtbewohner untereinander begegnen. „Die geistige Haltung des Großstädters zueinander wird man in formaler Hinsicht als Reserviertheit bezeichnen dürfen.“ (Simmel 2010, S. 16) Blasiertheit wiederum ist eine Reaktion auf die städtische Umwelt. Menschen reagieren, wie er es nennt, mit einer „Steigerung des Nervenlebens“ (Simmel 2010, S. 9) auf die Großstadt. „Sie [die Blasiertheit] ist zunächst die Folge jener rasch wechselnden und in ihren Gegensätzen eng zusammendrängenden Nervenreize, aus denen uns auch die Steigerung der großstädtischen Intellektualität hervorzugehen schien; weshalb denn auch dumme und von vornherein geistig unlebendige Menschen nicht gerade blasiert zu sein pflegen.“ (Simmel 2010, S. 14) Aufgrund der sinnlichen Überforderung eines jeden Einzelnen sind Großstadtbewohner abgestumpft. „Das Wesen der Blasiertheit ist die Abstumpfung gegen die Unterschiede der Dinge, nicht in dem Sinne, daß sie nicht wahrgenommen würden, wie von Stumpfsinnigen, sondern so, daß die Bedeutung und der Wert der Unterschiede der Dinge selbst als nichtig empfunden wird.“ (Simmel 2010, S. 15) Das heißt, dass Großstadtbewohner nur noch relativ selektiv ihre Umwelt wahrnehmen. Simmels Ausführungen zur Blasiertheit sind insbesondere vor dem Hintergrund des damals stark ausgeprägten Stadt-­‐Land-­‐Gegensatzes zu sehen. Die Blasiertheit spiegelt sich auch in seiner Beschreibung der Intellektualität wider. „Daraus wird vor allem der intellektualistische Charakter des großstädtischen Seelenlebens begreiflich, gegenüber dem kleinstädtischen, das vielmehr auf das Gemüt und gefühlsmäßige Beziehungen gestellt ist.“ (Simmel 2010, S. 10) Simmel beschreibt die Stadt somit nicht aus ihrer Größe heraus, sondern aus dem Verhalten, das die Großstadtbewohner zeigen. Somit ergeben sich zwei wichtige Punkte für das soziologische Verständnis für Städte. Erstens sind Städte relativ groß, dicht bebaut, weisen eine relativ gute 2 Die Diskussion um das Städtische ist begründet im Stadt-­‐Land-­‐Gegensatz, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch gegeben war (vgl. Häußermann/Siebel 2004, S. 34). Heute spielen weitere Faktoren wie Globalisierung, Digitalisierung usw. eine zunehmende Rolle (vgl. Sassen 2006, S. 18f.). 3 Schon vor Simmel haben Friedrich Engels und Karl Marx Eigenheiten des städtischen Lebens beschrieben und die Beseitigung des Unterschieds zwischen Stadt und Land als bedeutenden Punkt ihrer Theorie benannt (vgl. Marx/Engels 1969, S. 4). Allerdings hat Simmel diese Eigenheiten als Erster klassifiziert. Weitere Berichte über die Lebenswirklichkeiten in der industriellen Großstadt der frühen Industrialisierung: siehe Reiseberichte zu London aus dem Jahr 1775 von Georg Lichtenberg (vgl. Lichtenberg 1979) oder auch Heinrich Heine (vgl. Heine 2006). 10 Infrastruktur auf etc. Diese dinglichen Merkmale werden als Verstädterung (vgl. Häußermann/Siebel 2004, S. 19) bezeichnet. Zweitens charakterisieren Merkmale, wie sie Simmel beschrieben hat, also jene, die die spezifische Lebensart von Stadtbewohnern betreffen, den Begriff Urbanität. In Europa ging während der Industrialisierung die Verstädterung zeitlich einher mit der Urbanisierung, dies ist aber nicht zwingend der Fall (vgl. Häußermann/Siebel 2004, S. 19). Die Stadtsoziologie betrachtet daher Phänomene städtischen Zusammenlebens unter Berücksichtigung der dinglichen Umwelt sowie auch der Veränderung in ihrer sozialen Struktur. In Teilbereichen der neueren stadtsoziologischen Literatur wird ebenfalls über den Ort des Städtischen gesprochen, also über raumsoziologische Aspekte der Stadt (vgl. u.a. Löw 2010; Löw/Steet/Stoetze 2007). Kern dieser Arbeiten ist es, Raum bzw. Stadt nicht mehr als Container zu begreifen, sondern als im weiteren Sinne als Anordnung von Räumen, die sozial und kommunikativ produziert und gegliedert werden (vgl. Friedrichs 2011, S. 35f.). Selbstverständlich ist, wie Friedrich schreibt, Raum wichtig für soziologische Untersuchungen, aber nicht „das entscheidende Merkmal des Städtischen“(Friedrichs 2011, S. 36). Das ist eher in der urbanen Opportunitätsstruktur zu sehen. Solche Opportunitätsstrukturen sind u.a. „Arbeit, Bevölkerung, Wohnen, Infrastruktur und Normen“. (Friedrichs 2011, S. 36) Die Verteilungen solcher Merkmale sind allerdings nur innerhalb eines klar abgrenzbaren Bereichs, also eines Containers, zu beobachten. Somit wird für die vorliegende Arbeit das Containerkonzept der Stadt akzeptiert. In diesem werden städtische Phänomene lokal verortet. Somit ergibt sich die Möglichkeit, Verteilungen und Prozesse im Raum zu beschreiben (vgl. Friedrichs 2011, S. 35)4. Neben dem Containermodell ist zudem die Berücksichtigung der aktuellen Stadtentwicklung (in Deutschland) für die vorliegende Arbeit von grundlegender Bedeutung. Im Zuge der Industrialisierung sind die Städte gewachsen, und auch die Phase des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg hat an der industriellen Basis der Städte nichts geändert. Heute gibt es zunehmend weniger Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe in (deutschen) Städten. Diese Phase wird als postindustrielle Stadtentwicklung bezeichnet und wird im Folgenden näher erläutert. 1.2 Die postindustrielle Stadt Während im 19. und in weiten Teilen des 20. Jahrhunderts Städte aufgrund der industriellen Entwicklung wuchsen, ist dieser Trend zu Beginn des 21. Jahrhunderts zum Erliegen gekommen (vgl. Siebel 2007, S. 5). Industrielle Arbeitsplätze haben die Städte verlassen, wenn sie überhaupt 4Eine kurze Zusammenfassung der raumsoziologischen Überlegungen von Bourdieu, die in diesem Zusammenhang zu einem vertieften Verständnis beitragen können, findet sich in Teicke 2012, S. 16ff.. 11 noch in Deutschland sind. Diese Phase der postindustriellen Stadt und der mit ihr verbundenen Herausforderungen für die Städte ist nur durch die Berücksichtigung der industriegeprägten Stadtentwicklung zu erklären. 1.2.1 Industrialisierung als Grundvoraussetzung der modernen Stadt Unter Industrialisierung wird die Phase des Übergangs der Güterproduktion von landwirtschaftlichen Erzeugnissen hin zu Massenwaren bezeichnet (vgl. Baum 2012, S. 574). An jeweils spezifisch günstigen Standorten wurden Manufakturen und Fabriken errichtet. Oftmals fanden sich solche Standorte in Städten, da diese bereits eine relativ gute Infrastruktur aufwiesen5. Solche Standorte zogen zunehmend Menschen aus der Region und zum Teil darüber hinaus an. Es kam zur Verstädterung und zur Urbanisierung. Die Arbeiter erwarben ihren Unterhalt nun durch Lohnarbeit und nicht mehr durch Subsistenzwirtschaft. Zumeist lebten die Arbeiter nahe den Fabriken in Wohngebäuden, die als überfüllt und elend beschrieben werden (vgl. Häußermann/Siebel 2004, S. 47). Die Fabriken wiederum wurden relativ nahe am Stadtzentrum errichtet und verfügten zumeist über Verbindungen zur Transportinfrastruktur wie Schienen oder großen Verkehrsstraßen. Aufgrund dieser Dominanz der Ökonomie in der städtischen Entwicklung wird von der industriellen Stadt gesprochen. Auf Basis dieser Anforderungen, die die Industrie an die Städte stellte, wurde Stadtplanung betrieben bzw. gab es Interdependenzen zwischen industriellen Anforderungen und städtebaulicher Planung. Ein Beispiel dafür ist die Schienenanbindung ehemaliger innerstädtischer Industrieanlagen. In Deutschland war dieses Modell bis in die Nachkriegszeit nachweisbar, was sich allerdings mit zunehmender Motorisierung und positiver Lohnentwicklung und der damit verbundenen Mobilität potenzieller Arbeiter änderte. Arbeitsplätze wurden aufgrund des zunehmenden Flächenbedarfs ins Umland verlagert. Diese Entwicklung wird als Fordismus bezeichnet und ist als Übergang zwischen der industriellen und der postindustriellen Stadt anzusehen (vgl. Häußermann/Läpple/Siebel 2007, S. 135f.). 1.2.2 Fordistische Stadtentwicklung Der sogenannte Fordismus geht auf den amerikanischen Unternehmer Henry Ford zurück (vgl. Häußermann/Läpple/Siebel 2007, S. 136) 6 . Er gründete 1903 die Ford Motor Company in 5Ein solches Beispiel bietet die Stadt Wuppertal im Bergischen Land. Es gab in Deutschland jedoch auch andere Entwicklungen, die sich an Rohstoffvorkommen orientierten, wie am Beispiel des Ruhrgebiets zu sehen ist. Weiterführend zur Industrialisierung in Deutschland siehe Hahn 2011. 6Mit dem Fordismus ist der sog. Taylorismus eng verbunden. Siehe dazu Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 136 ff.. 12 Detroit und produzierte dort die ersten Automobile. Der erste Standort befand sich „in einem kleinem Ziegelschuppen und [sie] zog einige Jahre später in derselben Stadt in ein größeres Gebäude.“ (Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 138) Der städtische Standort bot zwei wichtige Vorteile. Zum einen gab es ein schier unerschöpfliches Reservoir an Arbeitskräften und zum anderen war die Stadt ein wichtiger Testmarkt für Ford (vgl. Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 138). Bei Ford wurde standardisiert produziert und die Fertigung in einzelne Schritte zerlegt. So wurde die Massenproduktion eines relativ komplexen Produktes mit un-­‐ bzw. angelernten Arbeitern realisiert. Dadurch sank der Stückpreis des Automobils und die Firma konnte expandieren. Mit zunehmender Produktionskapazität wuchs allerdings auch der Flächenbedarf, was hohe Kosten für neue Grundstücke nach sich zog. Ford entschloss sich, dezentral zu expandieren, d.h. jeder Firmenbereich suchte einen eigenen exurbanen Standort. Dabei berücksichtigte er allerdings nicht nur betriebswirtschaftliche, sondern auch volkswirtschaftliche Aspekte des Unternehmertums. Er zahlte relativ hohe Löhne, um für seine Produkte ein Nachfragepotenzial auf dem Markt zu schaffen. Durch diese Standort-­‐, Lohn-­‐ und Produktionspolitik wurden in den Vorstädten große Betriebsstätten errichtet und industrielle Arbeitsplätze waren nicht mehr von städtischer Umgebung abhängig. Vielmehr spielte die Mobilität eine wichtige Rolle, da viele Arbeiter bei Ford ein eigenes Auto hatten, das sie sich durch hohe Löhne und sinkende Produktkosten leisten konnten. In diesem Zusammenhang wird auch von der Demokratisierung des Automobils gesprochen (vgl. Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 136ff.). Fordistische Stadtentwicklung, also die Emanzipation des industriellen Produktionsortes vom urbanen (Kern-­‐)Raum, trat in Deutschland mit der Massenautomobilisierung der 1960er-­‐ und 1970er-­‐Jahre auf (vgl. Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 136). Mit den Produktionsorten wurden auch zunehmend Wohn-­‐ und Konsumstrukturen in suburbane Standorte verlagert (vgl. Hesse 2004, S. 5). Die Städte wurden zunehmend zu Dienstleistungs-­‐, Verwaltungs-­‐, Bildungs-­‐ und Kulturorten. Die Epoche der fordistischen Stadtentwicklung ist jedoch abgeschlossen, da zahlreiche Firmen ihre Produktion internationalisiert haben, um Lohnkosten einzusparen. Der Fordismus kann ebenfalls als Übergang zwischen der Industrialisierung der Städte und der Internationalisierung der Produktion verstanden werden. Die heutigen Entwicklungen sind nicht mehr klar abzugrenzen und zu benennen. Von daher wird vom Postfordismus oder auch von der postindustriellen Stadt gesprochen (vgl. Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 135). In ihr überlagern sich unterschiedliche Herausforderungen und Problemlagen wie sinkende steuerliche Einnahmen, Armut und zunehmende Alterung. Diese Entwicklungen stellen Städte und Stadtpolitik vor immense Herausforderungen, die im Folgenden aufgezeigt werden. 13 1.2.3 Fünf Herausforderungen der Städte zu Beginn des 21. Jahrhunderts Jede Stadt hat eigene Problemlagen und Ressourcen, mit denen die jeweilige Stadtpolitik umgehen muss. Allerdings zeigen sich zentrale Problemlagen, die allen deutschen Städten gemeinsam sind. Strohmeier hat in Anlehnung an Kaufmann fünf zentrale Herausforderungen für Städte zu Beginn des 21. Jahrhunderts formuliert (vgl. Strohmeier 2007, S. 246): 1. Die ökonomische Herausforderung Zahlreiche Kommunen haben nicht genügend finanzielle Mittel, um allen Anforderungen adäquat gerecht werden zu können. „Sie besteht in der Krise der kommunalen Finanzen und (speziell in der BRD) in der zunehmenden Belastung der Kommunen durch Problemverschiebungen von der Bund-­‐Länder-­‐Ebene.“ (Strohmeier 2007, S. 246) Daraus resultieren zum einen kommunale Haushaltskrisen und zum anderen, damit verbunden, eine notwendige Prioritätensetzung und Sparzwänge der Stadtpolitik (vgl. Strohmeier 2007, S. 247) als ökonomische Herausforderung. 2. Die demografische Herausforderung Tiefgreifende demografische Veränderungen der Bevölkerungsstruktur hin zu immer mehr Senioren 7 und die selektive Abwanderung von Familien aus den Städten ins Umland (Suburbanisierung) 8 bilden gemeinsam die demografische Herausforderung. Innerhalb der Städte sind ebenso Disparitäten in der demografischen Zusammensetzung der Stadtteilbevölkerungen zu erkennen, wie Strohmeier zeigt (vgl. Strohmeier 2006a, S. 15). Insgesamt muss allerdings zunehmend für eine ältere Stadtgesellschaft gesorgt werden. Somit ist zu differenzieren zwischen regionalen und innerstädtischen demografischen Herausforderungen (vgl. Strohmeier 2007, S. 247). 3. Die soziale Herausforderung Bei der sozialen Herausforderung ist eine „Polarisierung der sozialen Lage“ (Strohmeier 2007, S. 246) innerhalb der Städte ein zunehmendes Problem. Arme Haushalte, Isolation und erodierende nachbarschaftliche und familiäre Netzwerke führen in einigen Stadtteilen zu Problemen (vgl. Strohmeier 2007, S. 247), wobei in einigen Teilen der Stadt zunehmend ökonomisch Bessergestellte leben, die sich, falls notwendig, Dienstleistungen hinzukaufen können (Siebel 2007, S. 128). Ausgleichend zu wirken und die soziale Infrastruktur passgenau herzustellen und aufrechtzuerhalten, ist die soziale Herausforderung. 7 Für alle Städte und Gemeinden mit über 5.000 Einwohnern stellt die Bertelsmann Stiftung unter der Website www.wegweiser-­‐kommune.de kostenfrei eine Bevölkerungsprognose bis 2030 zur Verfügung. 8 Weiterführend zur Thematik der Suburbanisierung siehe www.suburbanisierung.de. 14 4. Die kulturelle Herausforderung Die kulturelle Herausforderung ist bedingt durch eine schwindende Identifikation der Bürger mit politischen Entscheidungen und Entscheidungsprozessen. Dies lässt sich an den sinkenden Wahlbeteiligungen bei (Kommunal-­‐)Wahlen ablesen. „In den Armutsvierteln der Städte und in den Stadtteilen mit den höchsten Migrantenanteilen sind in der Kommunalpolitik faktisch nicht mehr repräsentierte ‚demokratiefreie Zonen‘ entstanden, in denen eine Minorität der erwachsenen Bevölkerung am politischen Leben partizipiert.“ (Strohmeier 2007, S. 247) Gründe dafür sind sozial instabile Milieus und Netzwerke sowie Gestaltungspessimismus (vgl. Strohmeier 2007, S. 247). 5. Die internationale Herausforderung Zunehmende internationale Zuwanderung und die Konzentration von Migranten in wenigen innerstädtischen Wohngebieten sind weitverbreitete Phänomene. Allerdings sind die Zuwanderer mit einer Reihe von Problemen konfrontiert. „Der zugewanderte Nachwuchs der Stadtgesellschaft ist besonders von Einkommens-­‐ und Bildungsarmut betroffen, die zudem einander in hohem Maße bedingen.“ (Strohmeier 2007, S. 247) Die Städte stehen vor der Herausforderung, Integration zu organisieren und entsprechende Angebote und Infrastruktur bereitzustellen (vgl. Strohmeier 2007, S. 247). Insbesondere der internationalen Herausforderung kommt, auch vor dem Hintergrund der vier anderen Themen, eine wachsende Bedeutung zu. Migranten sind überdurchschnittlich oft von Armut betroffen, bekommen tendenziell mehr Kinder pro Frau und erzielen geringere Bildungsabschlüsse (vgl. u.a. Hanesch 2001; Strohmeier 2007; Kopp 2009). Die Integration von Zuwanderern ist ein wichtiger Schritt, um den Herausforderungen, vor denen Städte zu Beginn des 21. Jahrhunderts stehen, gerecht zu werden. Bei der Integration, also der Eingliederung eines Individuums in eine gesellschaftliche Majorität9, sind zwei Bereiche zu unterscheiden: die strukturelle und die kulturelle Integration. Die strukturelle Integration meint „die Teilhabe an den Ressourcen und Positionen des Aufnahmelandes“. (Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 315). Die kulturelle Integration meint die Akzeptanz und Verinnerlichung gesellschaftlicher Normen. Dabei bedingt die strukturelle die kulturelle Integration (vgl. Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 315). Demnach besteht die Aufgabe primär darin, Migranten am Wohnungs-­‐ und Arbeitsmarkt gleichberechtigt teilhaben zu lassen. Da sich Migranten in städtischen Teilgebieten konzentrieren, zeigt sich, dass die städtische Struktur differenziert ist. Eine solche Differenzierung eröffnet auch (im wahrsten Sinne des Wortes) Handlungsräume für integrationspolitische Maßnahmen. Das Verständnis der Mechanismen, die 9 Es wird unterstellt, dass es sich dabei um einen Zuwanderer handelt, der dauerhaft am Migrationszielort leben möchte. 15 hinter dieser sozialräumlichen Fragmentierung stehen, ist für die Implikation integrationspolitischer Maßnahmen von grundlegender Bedeutung. Diese Mechanismen der sozialräumlichen Differenzierung werden im Dreistufenmodell von Bernd Hamm deutlich. 1.3 Das Dreistufenmodell Bei der Betrachtung städtischer Strukturen sind Unterschiede der verschiedenen Sozialräume zu erkennen. Es gibt z.B. Bereiche, in denen nur Büros zu finden sind, wie beispielsweise die City of London oder der Central Business District Melbourne. Zudem ist auch eine unterschiedliche Verteilung bzw. Differenzierung der Wohnbevölkerung, abhängig vom Stadtteil, zu erkennen. Beispiele dafür sind die armutsgeprägten französischen Banlieues oder im Gegensatz dazu die reichtumsgeprägten gated communitys in Südafrika. Hamm hat diesen Differenzierungen in seinem Dreistufenmodell Rechnung getragen. Er sieht drei zentrale Differenzierungsmechanismen, die zugleich Verteilungsmechanismen darstellen. 1. Spezialisierung der Funktion als primärer Verteilungsmechanismus Die Spezialisierung oder auch funktionsräumliche Differenzierung ist abhängig vom Wachstum einer Stadt (vgl. Hamm 1977, S. 128). Der wichtigste Antrieb der Spezialisierung städtischer Teilgebiete ist der Bodenpreis, der infolge des Wachstums steigt. „Mit zunehmender Bevölkerungszahl – die ja auch ein ökonomisches Potenzial darstellt – nimmt der Wettbewerb um zentrale Standorte infolge steigender Grundrentenerwartungen zu, und damit gehen die Bodenpreise in die Höhe.“ (Hamm 1977, S. 128) Eine Spezialisierung bedeutet dabei die ökonomisch bedingte Festlegung der Nutzung des jeweiligen Grundstücks (vgl. Hamm 1977, S. 128). Daraus folgt, dass eine Spezialisierung ökonomisch sinnvoll sein muss. Allerdings kann nicht jede Spezialisierung in jeder Stadt auftreten. Ausschlaggebend sind die örtlichen Gegebenheiten. Zum einen wird auf vorgefundene Strukturen wie z.B. historische Stadtkerne oder die lokale Industriestruktur aufgebaut. Zum anderen gibt es physische Voraussetzungen wie Berghänge, Wasserflächen usw., die nicht jede Bodennutzung und damit funktionale Differenzierung zulassen (vgl. Hamm 1977, S. 128f.). Der Grad der Spezialisierung ist abhängig von der Distanz zum Stadtzentrum, das zugleich die stärkste Spezialisierung aufweist. Distanz wird hier nicht verstanden als räumlicher Abstand zwischen zwei Orten, sondern als Zeit-­‐Kosten-­‐Maß (vgl. Hamm 1977, S. 129): Der zeitliche Aufwand X, der in Kauf genommen werden muss, um zum Ort Y zu gelangen, ist entscheidend. Die Spezialisierung als funktionale Differenzierung ist in diesem Modell der primäre Verteilungsmechanismus sozialräumlicher Differenzierung. 16 2. Soziale Segregation als sekundärer Verteilungsmechanismus Hamm berücksichtigt in seinem Dreistufenmodell, dass städtische Strukturen nicht ausschließlich funktionell sind (vgl. Hamm 1977, S. 129). Er definiert als sekundären Mechanismus die Segregation zur Differenzierung sozialräumlicher Strukturen. Mit dieser ist die Verteilung von Wohnstandorten anhand der sozialen Schichtzugehörigkeit gemeint. Sie zeigt sich nach Hamm am deutlichsten bei der Wohnstandortwahl der Unterschicht. Da das Verhältnis von Mietpreis und Einkommen die entscheidende Rolle spielt, ist der Entscheidungsspielraum bei der Wohnstandortwahl relativ gering (vgl. Hamm 1977, S. 130). Segregation nach sozialer Schichtzugehörigkeit ist somit der sekundäre Verteilungsmechanismus. 3. Symbolische Segregation als tertiärer Verteilungsmechanismus Ähnlich wie der sekundäre Verteilungsmechanismus verhält es sich bei der symbolischen oder auch subjektiven, Segregation. Dieser liegt die Beobachtung zugrunde, dass Reiche sich zwar durch das Verhältnis von Einkommen zum Bodenpreis jeden Wohnstandort in der Stadt aussuchen können, jedoch konzentriert in städtischen Räumen leben. Es besteht offenbar eine symbolische Identifikation mit einem Ort (vgl. Hamm 1977, S. 130). Die symbolische Segregation ist damit der tertiäre Verteilungsmechanismus sozialräumlicher Strukturen. Das Dreistufenmodell von Hamm bildet somit den Bezugsrahmen für die sozialräumliche Differenzierung der Stadt. „Nach diesem Bezugsrahmen vollzieht sich also der Prozess der sozialräumlichen Differenzierung in drei Stufen, wobei die primäre Verteilung wichtiger ist als die sekundäre, diese wichtiger als die tertiäre. Die übergeordnete Verteilung begrenzt jeweils objektiv den Spielraum für Standortentscheide der nachfolgenden.“ (Hamm 1977, S. 130) Durch die beschriebenen Verteilungsmechanismen des Dreistufenmodells kommt es zu Differenzierungen zweier Effekte: durch den primären Verteilungsmechanismus zur funktionalen Differenzierung und durch den sekundären und tertiären Verteilungsmechanismus zur sozialen Differenzierung urbaner Strukturen. Daraus resultierend werden für die vorliegende Arbeit die Effekte der funktionalen und der sozialen Differenzierung als zentrale Punkte zur Verteilung städtischer Strukturen berücksichtigt, wobei funktionale Differenzierung der primäre und soziale Differenzierung der sekundäre Steuerungsmechanismus ist. Sie werden im Folgenden jeweils ausführlich diskutiert, da beide, und auch jede für sich genommen, für die Konzeption urbaner Integrationsschleusen von grundlegender theoretischer Bedeutung sind. Die Erkenntnisse aus der funktionalen und sozialen Differenzierung hinsichtlich der urbanen Integrationsschleuse werden anschließend miteinander in Beziehung gesetzt. Dadurch wird die theoretische Grundlage zur Konzeption und Operationalisierung der urbanen Integrationsschleuse gelegt. 17 1.4 Funktionale Differenzierung Funktionale Differenzierung als primärer Mechanismus zur Verteilung städtischer Strukturen produziert räumliche und soziale Strukturen. Durch sie entstehen spezialisierte städtische Teilgebiete wie Bankenviertel oder armutsgeprägte Wohngebiete, und zugleich schafft sie die Voraussetzung zur sozialen Differenzierung. Im Folgenden werden städtische Funktionsräume als Ausdruck funktionaler Differenzierung beschrieben. Zudem wird die sozialökologische Theorie vorgestellt, die funktionale Differenzierungsprozesse strukturiert und die Dynamiken der städtischen (Wachstums-­‐)Entwicklung berücksichtigt. Auf dieser Basis wird das Konzept der urbanen Integrationsschleuse unter Berücksichtigung der sozialökologischen Stadtforschung in einem ersten Schritt konkretisiert. 1.4.1 Städtische Funktionsräume Um eine Stadt in Gänze funktionsfähig zu halten, bedarf es unterschiedlicher Funktionsräume10 wie Wohnbereiche, Geschäfts-­‐ bzw. Industrieareale, Verkehrs-­‐ und Freizeitflächen. „[Segregation] … bezeichnet die räumliche Verteilung unterschiedlicher Funktionen (Arbeiten, Wohnen, Freizeit, Verkehr) in einer Stadt.“ (Werheim 2007, S. 580) Anhand der Betrachtung der Nutzungsintensität, des Bodenpreises und weiterer Hinweise können zusätzliche Differenzierungen getroffen werden (vgl. Hamm 1977, S. 128ff.), so z.B. günstiges Wohnen mit hoher Nutzungsdichte (Hochhaus in einer Trabantensiedlung). Gesteuert wird diese Verteilung von Bodennutzung primär durch den Flächennutzungsplan der Kommune (vgl. Häußermann/Siebel 2004, S. 228). Eine reine Trennung der Funktionen ist nicht immer möglich, sodass es auch sogenannte Mischbauflächen bzw. Mischnutzung gibt (vgl. Schwalbach 2009, S. 43). Ein Beispiel dafür sind Ladenlokale im Erdgeschoss und Wohnnutzung in den darüberliegenden Etagen. Städtische Funktionsräume sind demnach Orte, die eine primäre Funktion erfüllen, ohne dabei andere Funktionen zwingend auszuschließen. Eine solche Differenzierung zeigt sich auf der städtischen Ebene durch die Herausbildung von spezialisierten städtischen Funktionsräumen. Solche sind zum Beispiel Industriegebiete, Wohngebiete oder Geschäftsviertel. Funktionsräumliche Differenzierungen verlaufen nach erkennbaren Mustern. Die sozialökologische Stadtforschung hat solche funktionsräumlichen Differenzierungserscheinungen bereits vor mehr als hundert Jahren erkannt und beschrieben. Ihre Erkenntnisse werden im Folgenden vorgestellt und diskutiert. 10 Die funktionale Differenzierung in Funktionsräume wird auch als funktionale Segregation bezeichnet. Zum Segregationsbegriff siehe Abschnitt 1.5 der vorliegenden Arbeit. 18 1.4.2 Sozialökologische Theorie der Stadt Die sozialökologische Theorie gehört zu den einflussreichsten und bekanntesten soziologischen Stadttheorien (vgl. Schnur 2008, S. 11)11. Sie wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts u.a. von den amerikanischen Soziologen Robert Ezra Park und Ernest Burgess begründet. Sie untersuchten Wachstums-­‐ und Segregationsprozesse am Beispiel der Stadt Chicago 12 . Ihre Methodik orientierte sich am Journalismus und war durch eigenes Begehen und Dokumentieren des Forschungsgebietes geprägt. Bekannt wurde dieses Vorgehen unter dem Schlagwort to see life. Im Kern bedient sich die Sozialökologie Analogien13 aus der Natur (vgl. Häußermann/Siebel 2004, S. 49f). Prozesse aus der Natur werden auf die städtische Umwelt übertragen. Dabei geht es um eine „Interdependenz zwischen Sozialem und Territorialem“. (Schnur 2008, S. 12) Das bedeutet, dass es Orte in der Stadt gibt, die spezifische Funktionen übernehmen (vgl. Schnur 2008, S. 12), wie z.B. Wohnraum für eine spezifische Einwanderergruppe 14 . Solche Funktionsräume werden im Jargon der Sozialökologie als natural area bezeichnet (vgl. Park 1974, S. 90). Sie sind Produkte eines Verteilungsprozesses und aus ökologischen Verhältnissen entstanden (vgl. Schnur 2008, S. 12). „Natural Areas sollten physisch abgrenzbar sein, eine nach sozialen, demografischen oder ethnischen Merkmalen relativ homogene Bevölkerung aufweisen, soziale Normen und Sanktionen besitzen und aggregierte Lebensstile oder Verhaltensweisen, die sich in der Summe von anderen Gebieten unterscheiden.“ (Schnur 2008, S. 13). Sie sind demnach hoch spezialisierte funktionale Räume. Damit bringen sie allerdings auch eigene Verhaltensweisen mit sich, die als Ausdruck der urbanen Kultur zu verstehen sind. Welche konkrete Form und welches Ausmaß die Spezialisierung innerhalb einer Stadt annimmt, hängt dabei vom gesamten innerstädtischen Beziehungsgefüge ab (vgl. McKenzie 1925, S. 77). Eine natural area ist somit nicht isoliert vom gesamtbiotopischen Zusammenhang. Vielmehr bildet die Verquickung mit anderen natural areas das sogenannte web of life (vgl. Park 1936, S. 1). Verbindungen im web of life werden nicht nur durch Kommunikation oder temporäre Mobilität, sondern auch durch Wanderungsbewegungen gehalten (vgl. Park 1936, S. 7ff). Durch die beschriebenen Mechanismen entstehen somit in ihrem sozialen Profil relativ klar voneinander abzugrenzende funktionale Zonen in der Stadt, die sich nach klaren Mustern 11 Selbstverständlich gibt es neben der Sozialökologie noch zahlreiche weitere theoretische Ansätze. Einen guten Überblick bieten u.a. Saunders 1987, Friedrichs 1995, Schäfers 2010 oder auch eingeschränkt auf das europäische Stadtmodell Frey/Koch 2011. 12 Deswegen ist auch die Bezeichnung „Chicago School“ für die sozialökologische Stadtsoziologie geläufig. 13 Zur Kritik an der sozialökologischen Theorie siehe Abschnitt 1.4.6 der vorliegenden Arbeit. 14 Die Sozialökologie ist im Hinblick auf wachsende Städte der frühen Industrialisierung entwickelt worden. 19 strukturieren (vgl. Strohmeier 1983, S. 94ff.). Auf Grundlage dieser Überlegungen entwickelte Burgess sein Zonenmodell der Stadt, welches im Folgenden vorgestellt wird. 1.4.3 Stadtmodell von Burgess Das Stadtmodell von Burgess gehört zu den bekanntesten und ältesten Modellen der modernen Stadt. 1923 stellte er es auf einer Tagung der American Sociological Assosiation vor. Das Modell geht von einem aufgeschichteten ringförmigen Aufbau der Gesamtstadt aus (vgl. Strohmeier 1983, S. 97). Burgess entwickelte sein Modell auf Basis der Annahme, dass es eine stetige Variation, ein regelmäßiges Muster, der natural areas in Bezug auf ein Zentrum gebe (vgl. Hamm 1977, S. 33). Sein Modell besteht aus fünf aufgeschichteten Ringen. „Im Zentrum liegt der central business district, dessen Bodennutzung von Handel, Banken und Versicherungsgebäuden bestimmt wird.“ (Strohmeier 1983, S. 98) Für das Zentrum ist auch der Begriff Loop gebräuchlich (vgl. Friedrichs 1995, S. 40). Eine Wohnnutzung ist im Loop idealtypisch nicht vorhanden (vgl. Friedrichs 1995, S. 40). Der zweite Ring wird von der zone in transition gebildet. Dort wohnen Migranten, die in erster Generation in der Stadt leben (vgl. Hamm/Neumann 1996, S. 184). Zudem findet sich dort Gewerbefläche der Leichtindustrie und Einzelhandel (vgl. Friedrichs 1995, S. 40). Friedrichs beschreibt die zone in transition mit Schlagwörtern wie: „Gebiet des Lasters, Vergnügungsviertel, hohe Raten von Geisteskranken, Konzentration von Armut, …“ (Friedrich 1995, S. 40). Die Gebäude dort sind in der Regel in schlechtem Zustand und werden von den Bewohnern, die idealtypisch zur Miete wohnen, „heruntergewohnt“. Dadurch kommt es zu Bodenspekulationen, denn die Hausbesitzer gehen davon aus, dass sie das Gebäude aufgrund des Wachstums der ersten Zone gewinnbringend umwandeln oder veräußern können (vgl. Hamm/Neumann 1996, S. 207). Auf diese Weise wächst die innere Stadt (Loop) in die Gebiete der zone in transition und verändert diese. Die zone in transition wiederum wächst in den dritten Ring hinein, die zone of workingmen’s homes. In diesem Ring leben die Facharbeiter und Immigranten der zweiten Generation bereits in Wohnungen besseren Zustands (vgl. Hamm/Neumann 1996, S. 185). Auch dieser Bereich wächst, gedrückt vom zweiten Ring, in den vierten Ring hinein, die residential zone (vgl. Strohmeier 1983, S. 98). Die residential zone umfasst die besseren Wohngegenden einer Stadt. Sie besteht aus dem „Villenviertel sowie Einfamilienhaus-­‐ und Reihenhausarealen“. (Strohmeier 1983, S. 98). Den letzten Ring bildet die commuters zone, die oftmals auch jenseits der Stadtgrenze liegt (vgl. Strohmeier 1983, S. 98). Der gesamte Stadtaufbau ist somit auf ein Zentrum ausgerichtet, in das zur Arbeit eingependelt und das am Abend wieder verlassen wird. „Deswegen wird dem CBD [Central Business District] auch die Eigenschaft der ,Dominanz‘ zugeschrieben.“ (Hamm 1977, S. 35) 20 Abbildung 1: Stadtmodell von Burgess Quelle: www.mchp-appserv.cpe.umanitoba.ca;abgerufen am30.11.2012 Um das Zentrum der Stadt zu erreichen, müssen somit zum Teil erhebliche Distanzen zurückgelegt werden. Aus diesem Grund ist Mobilität nicht nur ein städtisches Merkmal, sondern auch Grundvoraussetzung zur Entstehung von Urbanität. Sie ist ebenfalls vor dem Hintergrund notwendig, dass sich das Siedlungsgebiet von innen nach außen entwickelt. Durch das Ineinanderwachsen der einzelnen Ringe kommt es auch zu Verdrängungsprozessen in den natural areas. Eine solche Verdrängung ist dem Mechanismus der Bodenrendite geschuldet. Es gibt Nutzungen, die eine höhere Bodenrendite erwarten lassen als andere (vgl. Hamm 1977, S. 129) und damit Spekulationen ermöglichen (vgl. Hamm/Neumann 1996, S. 206). Auf diese Weise können natural areas durch Verdrängung ihre Funktion bzw. Spezialisierung verlieren bzw. verändern. In der Logik der Sozialökologie passiert dies durch Verdrängung beispielsweise, wenn der dritte in den vierten Ring wächst und die dort ansässige Bevölkerung verdrängt und somit den Charakter des Gebietes und der Bewohnerschaft verändert15. Das Modell von Burgess genoss bereits zur damaligen Zeit hohe Aufmerksamkeit und wurde in der Folge weiter modifiziert. Daneben entwickelten Harris und Uhlman sowie Hoyt in Anlehnung an Burgess’ Stadtmodell andere Modelle, die sich aber im Grunde nur insoweit von diesem unterscheiden, dass nicht mehr von Ringen, sondern von Sektoren bzw. Mehrkernen16 ausgegangen wird (vgl. Schnur 2008 S. 12). Aber das Modell von Burgess und die dahinterstehende Theorie wurden auch vielfach kritisiert. Dazu gab es eine Reihe faktorialökologischer Untersuchungen, die alle das Ziel hatten, die sozialökologische Theorie entweder zu widerlegen oder zu untermauern (vgl. Hamm/Neumann 1996, S. 188). Allerdings 15 Wie solche Austauschprozesse vonstattengehen, ist in Abschnitt 1.4.5 der vorliegenden Arbeit beschrieben. 16 Für eine ausführliche Darstellung der genannten Stadtmodelle siehe Schnur 2008, S. 12 oder Teicke 2012, S. 22. 21 ist unbestreitbar, dass es die beschriebenen Funktionsräume gab und gibt, wie besonders an migrantengeprägten Stadtgebieten zu sehen ist. Auf diesen urbanen Funktionsraum wird in der vorliegenden Arbeit besonderes Augenmerk gerichtet. 1.4.4 Zone in transition als urbaner Funktionsraum Burgess beschreibt die zone in transition mit den drastischen Worten: „Within a deteriorating area are rooming-­‐housing, the purgatory of ,lost souls‘“. (Burgess 1984, S. 57) Es sind seiner Auffassung nach Orte der Desintegration, die jedoch auch Kreative anziehen und Wohnraum für Migranten und ärmere Bürger bereithalten. Innerhalb der zone in transition bilden Migranten auch natural areas, die durch monoethnische Gegenden, wie z.B. Little Italy in New York, geprägt werden. Den Einwohnern wird zugeschrieben, dass sie die zone in transition, in die sie vor noch nicht allzu langer Zeit zugezogen sind, bald wieder verlassen wollen, denn mit einem Verlassen des Ortes ist auch ein sozialer Aufstieg verbunden (vgl. Burgess 1984, S. 56). Die zone in transition ist demnach der Ort, an dem Migranten ankommen, in dem sie Orientierung finden und von dem sie schnellstmöglich wieder fortziehen möchten. Sie bietet aber auch Gelegenheit zur Arbeit und ermöglicht soziale Unterstützung (vgl. Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 313ff.). Zwar ist der bauliche Zustand der Wohnungen schlecht und das soziale Milieu tendenziell ethnisch und/oder sozial homogen, doch ist es auch der Ort der Künstler und des Neuen in der Stadt. Neben Angehörigen ethnischer Minoritäten leben dort auch „junge, alleinstehende Erwachsene, die am Beginn ihrer beruflichen und familiären Karriere stehen. Sie sind dort eingezogen, weil sie für die meist schlecht ausgestatteten Altbauwohnungen geringe Mieten zahlen müssen.“ (Hamm/Neumann 1996, S. 206) Auch finden sich Leichtindustrie, Handwerksbetriebe und Vergnügungsstätten in der zone in transition (vgl. Hamm/Neumann 1996, S. 184). Solche Gewerbebetriebe sind oftmals mit Lärm und Emissionen verbunden, die ruhige Wohnverhältnisse eher schwierig machen. Sie ermöglichen den dort ansässigen Bewohnern allerdings ein geringes Einkommen durch erste, auch informelle, Arbeitsmöglichkeiten. Doug Saunders hat in seinen journalistischen Berichten über solche Ankunftsstädte überall auf der Welt dieselben Entwicklungen beschrieben (vgl. Saunders 2011). Es gibt in jeder Stadt ein Gebiet, in dem Migranten ankommen. In einigen Fällen wird dieser Ankunftsort durch diese selbst transformiert. In anderen Quartieren dient er als soziale Schleuse. Gemeinsam ist diesen Orten –und das deckt sich mit den Beschreibungen der Chicagoer Schule, dass sie eine Brückenkopffunktion innehaben. Das bedeutet, wenn in einem Gebiet bereits Migranten aus Land X oder Dorf Y wohnen, werden auch weitere Migranten mit demselben kulturellen 22 Hintergrund hinzuziehen, was wiederum mit der Invasions-­‐Sukzessions-­‐Theorie 17 übereinstimmt. Es gibt in urbanen Strukturen auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts Stadtgebiete, in die Migranten bevorzugt ziehen, wo sie aber nur eine kurze Zeit verweilen, um weiterzuziehen, nachdem sie sich wirtschaftlich und kulturell etabliert haben – so der Idealfall. Ein Quartier, das solche Eigenschaften erfüllt, hat den Charakter einer zone in transition. Solche Entwicklungen sind allerdings weder räumlich noch sozial als statisch anzusehen. Vielmehr sind städtische Funktionsräume, und damit auch urbane Integrationsschleusen, Dynamiken unterworfen. Bereits den Sozialökologen Burgess und Park war bewusst, dass sich unterscheidbare soziale Phänomene in kleineren Gebietseinheiten als der gesamtstädtischen Ebene zeigen (vgl. Park 1974, S. 90). Wie solche Dynamiken ablaufen und wie beispielsweise städtische Funktionsräume wie die zone in transition produziert und verändert werden, wird in der sozialökologischen Stadtforschung mittels Invasion und Sukzession erklärt. 1.4.5 Invasions-­‐Sukzessions-­‐Zyklen Wie beim gesamtstädtischen Modell wird auch innerhalb des Konzepts des Invasions-­‐ Sukzessions-­‐Zyklus davon ausgegangen, dass es sich um ökologische Prozesse handelt, die in Analogie zur Natur zu beschreiben sind. Der Grundgedanke dabei ist, dass in einem Gebiet zu Beginn des Beobachtungszeitraums eine andere Bevölkerungsgruppe lebt als zum Ende des Beobachtungszeitraums (vgl. Hamm/Neumann 1996, S. 212).Durch Wanderungsbewegungen hin zu und fort vom Beobachtungsgebiet ändert sich die Gebietsbevölkerung. „Dies geschieht in der Regel dann, wenn der soziale Status einer der beiden Gruppen[Zuwanderer oder Fortzeihende] sich verändert.“ (Hamm/Neumann 1996, S. 212) Eine solche Statusänderung könnte beispielsweise der soziale Aufstieg einer ethnischen Minorität sein, die sich im Raum manifestiert. In der Fachliteratur wird zum Teil das Beispiel des Zuzugs afroamerikanischer Bewohner in ein von weißen Bewohnern geprägtes Gebiet angesprochen (vgl. Hamm/Neumann 1996, S. 212). Der Invasions-­‐Sukzessions-­‐Zyklus verläuft idealtypisch in mehreren Phasen und beginnt mit dem Zuzug weniger Angehöriger einer Minderheitsgruppe. Nach und nach ziehen weitere Angehörige dieser Minorität nach. Nach einiger Zeit versuchen die Einheimischen dies zu verhindern oder empören sich darüber. „Wenn die Zahl der ,Invasoren‘ aber einen gewissen Umfang (,tipping-­‐point‘) erreicht hat, dann sehen die bisher Ansässigen ihren Widerstand als zwecklos und beginnen fluchtartig das Wohngebiet zu verlassen, in das dann rasch weitere Invasoren nachziehen.“ (Hamm/Neumann 1996, S. 212) Sobald in einem Gebiet die Minderheit zur Mehrheit geworden ist, etabliert sie auch ihre eigene Infrastruktur wie z.B. kulturspezifische 17 Vgl. Abschnitt 1.4.5 23 Geschäfte. Der Verdrängungsprozess der ehemaligen Bevölkerung geht soweit, bis es eine nahezu homogene Quartiersbevölkerung gibt (vgl. Hamm/Neumann 1996, S. 212f.). Auch in diesem Konzept ist das Element der Dominanz zu erkennen, das typisch für die Chicagoer Schule ist. Allerdings ist hier nicht ein Gebiet dominant, sondern eine Bevölkerungsgruppe. Angelehnt an die Logik des Invasions-­‐Sukzessions-­‐Zyklus wurden weitere theoretische Modelle zur Erklärung von Gebietstransformationen entwickelt, dessen geläufigstes sicher das der Gentrification ist18. Anhand all dieser Modelle, ob sie empirisch zu belegen sind oder nicht, wird deutlich, dass funktionale Differenzierung auch von Dynamiken und Wanderungen geprägt ist. 1.4.6 Kritik an der sozialökologischen Theorie Die sozialökologische Theorie wurde oftmals und auch nicht zu Unrecht kritisiert. Erste Kritik kam bereits kurz nach der Veröffentlichung von Burgess’ Stadtmodell auf und hielt bis in die Nachkriegszeit an. Heute gilt die Theorie als weitgehend überholt, hat jedoch nach wie vor einen hohen Einflussfaktor auf das Verständnis von Städten (vgl. Schnur 2008, S. 11). Insbesondere wird der Sozialökologie vorgeworfen, dass sie ideologisch sei, da sie im Konkurrenzkampf oder auch Wettbewerb zwischen den sozialen Gruppen einer Stadt um soziale Güter und Bodennutzung den primären Mechanismus sieht. Ein solches Verständnis würde die Wettbewerbsethik der damaligen Zeit widerspiegeln (vgl. Aliha in Saunders 1987, S. 82). Zudem ist das Stadtmodell von Burgess nur auf Wachstumsbedingungen ausgelegt und liefert keine Erklärungsansätze für schrumpfende Städte, wie sie heute, demografisch bedingt in Europa oder Teilen Asiens, zu beobachten sind(vgl. United Nations 2012, S. 1). Weiterhin wurde das Modell dahin gehend kritisiert, dass es keinen empirisch nachzuweisenden ringförmigen Aufbau einer Stadt gäbe. Diese Kritik ist nicht vollends haltbar, wie Hamm und Neumann schreiben: „Im überwiegenden Teil der Untersuchungen, die sich mit räumlichen Verteilungsmustern beschäftigt haben, liegen methodisch falsche, nämlich rein schematische statt theoretisch angeleitete Operationalisierungen vor. […] Es ist schlicht Unsinn, das Modell der konzentrischen Zonen untersuchen zu wollen, indem mit einem Zirkel Kreise auf eine Karte gezeichnet werden.“ (Hamm/Neumann 1996, S. 191) Vielmehr muss Distanz in diesem Modell als Kosten-­‐Nutzen-­‐Aufwand angesehen werden (vgl. Strohmeier 1983, S. 98). Ein weiterer wichtiger Kritikpunkt ist die Vernachlässigung der Möglichkeit der politischen Einflussnahme auf die Stadtentwicklung (vgl. Schnur 2008, S. 21). Tatsächlich findet eine solche Möglichkeit 18 Zur ausführlichen Erläuterung der Gentrification siehe Schnur 2008, S. 17. Ein Zeugnis der Popularität dieser Theorie bietet Twickel 2010. 24 keine Beachtung, was wiederum für die zeitgenössische Logik spricht, in der die Theorie entwickelt wurde. Zudem wird die Analogie zur Natur als nicht zulässig kritisiert, da es sich nicht um biologische, sondern um soziale Prozesse handele (vgl. Saunders 1987, S. 83). Wie die Kritik an der Sozialökologie zeigt, sind einige, zum Teil grundlegende Punkte den Stadtstrukturen des 21. Jahrhunderts nicht mehr angemessen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es keine Konzepte innerhalb dieser Theorie gibt, die auch heute noch erhebliche Erklärungskraft besitzen. Sie müssen jedoch im Kontext der postindustriellen Stadt angewendet werden. Daher wird für die weitere Arbeit das Konzept der zone in transition sowie des Invasions-­‐Sukzessions-­‐ Zyklus unter Beachtung der genannten Punkte weiterhin akzeptiert. 1.4.7 Kritische Anmerkung zu Bernd Hamm Neben der Kritik an der sozialökologischen Theorie weist auch Hamms theoretische Auseinandersetzung mit der Produktion städtischer Strukturen Kritikpunkte auf. Hamm hat in seiner Erklärung städtischer Prozesse weite Teile der sozialökologischen Stadtforschung nahezu vorbehaltlos übernommen. Jedoch werden dabei zentrale Punkte städtischer Strukturen und Entwicklungen vernachlässigt. Zum einen – und das zeigt auch Hamms Dreistufenmodell – wird immer von wachsenden Städten ausgegangen, und es bestehen keine Erklärungsansätze für schrumpfende urbane Räume. Die Frage bleibt offen, ob die genannten Prozesse auch „rückwärts“ verlaufen, und es werden keine eindeutigen Erklärungsansätze dafür geliefert, dass es in schrumpfenden Städten zu verstärkten Entmischungstendenzen der Wohnbevölkerung kommt. Zum anderen werden ähnlich wie bei der Sozialökologischen Schule gesamtstädtische Strukturen als Ganzes untersucht und dabei die Stadtteil-­‐ bzw. Quartiersebene als zweitrangig behandelt. Dennoch zeigt Hamm in seiner Differenzierungsannahme die herausstechenden Mechanismen städtischer und quartiersbezogener Entwicklungen. Bei der Übertragung dieser Annahmen auf die postindustrielle Stadt des 21. Jahrhunderts in Verbindung mit den daraus resultierenden Herausforderungen zeigt sich in der funktionsräumlichen Ausdifferenzierung diezone in transition als urbane Integrationsschleuse. 1.4.8 Urbane Integrationsschleuse als zone in transition der postindustriellen Stadt Entwickelt wurde die Theorie, die das Konzept der zone in transition beinhaltet, durch Beobachtung amerikanischer Städte zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Es ist sinnvoll, sich den Charakter solcher Stadtviertel zu der Zeit zu vergegenwärtigen, auch um die Entwicklungen in europäischen Städten nachzuvollziehen. 25 Die europäischen Städte erlebten keine internationale, sondern zuvordererst eine nationale Zuwanderung (vgl. Häußermann/Siebel 2004, S. 20). So unterscheidet sich zum einen das Ausmaß und zum anderen auf den ersten Blick die internationale Herausforderung, vor denen Städte standen und stehen (vgl. Strohmeier 2007, S. 246). Bei der Betrachtung der Situation im industriellen Zeitalter sind die Beschreibungen von Engels über die Lage der Arbeiter in England ein eindrucksvolles Zeugnis über solche Ankunftsgebiete. Zwar berichtet er in erster Linie über die mangelnden Hygieneverhältnisse und den niedrigen Wohnstandard, doch wird aus seinen Beschreibungen ebenfalls deutlich, dass die dort ansässige Bevölkerung u.a. dadurch gekennzeichnet ist, dass sie diesen Ort schnellstmöglich wieder verlassen möchte (vgl. Engels 1954, S. 91ff.). Daraus lässt sich schließen, dass solche Arbeiterquartiere der damaligen Zeit bereits von Fluktuation und Dynamik gekennzeichnet waren. Auch gab es zum Teil erhebliche Bevölkerungsbewegungen zwischen Stadt und Land, z.B. in der Erntezeit (vgl. Häußermann/Siebel 2004, S. 22)19. Somit benötigten ärmere Einwohner Wohnraum, der leicht zu bekommen, billig und austauschbar war. Sie strebten aber zugleich nach Wohnraum in „besseren“ Gegenden oder auch wieder zurück in ländlichere Gebiete (vgl. Häußermann/Siebel 2004, S. 22). Im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert und im weiteren Verlauf, mit Einschränkungen bezüglich der beiden Weltkriege, änderte sich dies für kurze Zeit. Durch wirtschaftliches Wachstum und soziale Sicherheit, die einer betrieblichen Sozialpolitik zu verdanken war, kam es zur Spezialisierung städtischer Teilgebiete. Aufgrund dessen ließen sich Arbeiter in eigenen Arbeitergebieten nieder und die Austauschbeziehung mit den Migrationsquellgebieten kam zum Erliegen. In dieser Zeit entstand eine städtische Arbeiterklasse. Dadurch kam es in den Arbeiterquartieren der Großindustrie weder zu sozialer noch zu räumlicher Mobilität (vgl. Ulrich 1985, S. 233ff.). Diese Quartiere entwickelten, bedingt durch soziale Homogenität und zum Teil verwandtschaftliche Beziehungen, eigene feste soziale Netzwerke (vgl. Mackensen et al.1959, S. 223f.). Solche sozial homogenen Gebiete finden sich in (deutschen) Großstädten in dieser Form nicht mehr. Statt Gebieten mit derartig festen sozialen Strukturen gibt es, zumeist sogar in den gleichen städtischen Teilgebieten wie damals, Ankunftsorte. Zwar ist auch dort ein erhebliches Maß an Solidarität und Hilfeleistung zu beobachten, dieses ist aber primär an ethnische und nicht an soziale Zugehörigkeit gebunden (vgl. Ceylan 2006, S. 51). Dort leben die meisten Zuwanderer und die Ärmsten der Stadtgesellschaft. Zuwanderer ziehen tendenziell als 19 Solche Bevölkerungsbewegungen, die auf landwirtschaftliche Gründe zurückzuführen sind, finden sich auch heute noch z.B. in Indien. Dazu weiterführend LZpB BW 2009. Neben solchen gibt es periodische Wanderungsbewegungen zu kulturellen Anlässen, was in China zu den chinesischen Neujahrsfeiertagen zu beobachten ist, die einen erheblichen Bevölkerungsaustausch zwischen Stadt und Land mit sich bringen, weil zu diesem Anlass kurzzeitig alle Menschen in ihre Heimatregionen wandern. Dazu weiterführend Kissinger 2011 oder auch Heberer/Rudolph 2010. 26 Erstes dorthin, und dies zumeist wegen des relativ günstigen Mietpreises. Das wiederum impliziert, dass es sich um relativ arme Zuwanderer handelt. Somit sind solche Übergangsgebiete wie die zone in transition der Chicagoer Schule armutsgeprägte Gebiete. In der industriellen Stadt des 20. Jahrhunderts waren es primär Arbeitsmigranten, die in diese Gebiete zogen. In der postindustriellen Stadt des 21. Jahrhunderts ist dies nicht mehr eindeutig zu klassifizieren. Es überlagern sich unterschiedliche Zuwanderungsströme in Städte und damit auch in solch beschriebene Stadtgebiete. Dazu zählt nach wie vor die Arbeitswanderung, aber auch die Bildungswanderung, insbesondere in Universitätsstädten (vgl. BBSR 2011, S. 16). Die Zugezogenen verbleiben allerdings nicht lange im Stadtteil, sondern verteilen sich nach relativ geringer Wohndauer in andere Wohnorte in-­‐ und außerhalb der Stadt. Somit gibt es, im Sinne der funktionellen Differenzierung, Stadtteile, die eine Ankunfts-­‐ und Verteilerfunktion innehaben. 1.5 Soziale Differenzierung Die soziale Differenzierung als sekundärer Verteilungsmechanismus städtischer Strukturen führt zur Nutzung oder auch Ausgestaltung der durch funktionelle Differenzierung geschaffenen städtischen Strukturen. Durch die soziale Differenzierung werden Wohnstandorte verteilt, und somit werden durch sie auch urbane Integrationsschleusen produziert. Die soziale Differenzierung innerhalb städtischer Räume vollzieht sich auf der Ebene von Stadtteilen und Quartieren. Entlang dieser Punkte zeichnet die folgende Betrachtung die soziale Differenzierung hin zur Konzeption der urbanen Integrationsschleuse als deren Konsequenz nach. 1.5.1 Segregation als urbanes Phänomen Die ungleiche Verteilung unterschiedlicher Gruppen innerhalb eines Gebietes (hier: der Stadt) hat es schon immer gegeben. Beispielsweisewaren im alten Ägypten Teile der Stadt nur der Elite vorbehalten. In den mittelalterlichen Städten Europas waren Städte nach Zünften gegliedert. Das bedeutete, dass nur Angehörige einer Zunft in einem speziell dafür ausgewiesenen Gebiet leben durften (vgl. u.a. Hamm/Neumann 1996, S. 205; Gehne 2012, S. 18f.). Heutzutage gibt es z.B. gated communities, die aufgrund ihrer Bodenpreise nur für Reiche erschwinglich und somit ihnen vorbehalten sind. Es zeigt sich, dass Segregation zwar kein neues, aber nach wie vor ein aktuelles städtisches Phänomen ist. Für ein tieferes Verständnis von Segregation ist es ebenso notwendig zu berücksichtigen, dass nicht überall innerhalb eines Gebietes Menschen leben, d.h. verteilt sein können. Deutlich wird dies, wenn man beachtet, dass auf einer Wasserfläche oder an einem 27 steilen Berghang niemand leben, d.h. keine Bevölkerung konzentriert oder verteilt sein kann. Es sind also nicht ausschließlich gesellschaftlich produzierte Umstände, die zur ungleichen Verteilung und Konzentration von Merkmalen im Merkmalsraum beitragen, sondern auch physisch bestimmte Gegebenheiten. Anders als beim Stadtbegriff findet sich in der soziologischen Literatur ein hohes Maß an Übereinstimmung, was unter Segregation verstanden wird. Gemeint ist damit eine Konzentration homogener Merkmalsträger innerhalb eines heterogenen Merkmalsraumes. Es wird also im Merkmalsraum, z.B. einer Stadt, eine Vielfalt, bezogen auf Merkmale wie z.B. Alter, vorausgesetzt. Wenn es nur Bewohner gäbe, die 30 Jahre alt wären, würden überall Menschen desselben Alters leben, und sie wären somit nicht segregiert. Im soziologischen Wörterbuch findet sich die Definition von Segregation wie folgt: „Segregation, zumeist räumliche Aufteilung von Individuen nach Hautfarbe, Konfession, Geschlecht, Status und anderen Merkmalen, die sich in der Art der Zugangsmöglichkeit zu Wohnbezirken, Schulen, Kirchen, Klubs, öffentlichen Einrichtungen niederschlägt.“ (Wienold 2007, S. 581) In dieser Definition ist bereits der Effekt von Segregation angedeutet: Segregation entscheidet über die Zugangschancen zu gesellschaftlich relevanten Gütern und ist deshalb auch als ein Maß an Ungleichheit innerhalb einer Gesellschaft zu betrachten (vgl. u.a. Friedrichs 1995, S. 79; Häußermann/Siebel 2004, S. 140; Strohmeier 2006a, S. 12). Jedoch wird diese Ungleichheit nicht immer als problematisch gewertet. „Generell wird die räumliche Segregation nur dann als problematisch gesehen, wenn damit Ungleichheit verfestigt oder sogar verstärkt wird.“ (ILS/ZEFIR 2003, S. 3) Auch zu beachten ist, dass zwar oft über segregierte Gebiete gesprochen wird, es sich aber immer um segregierte Personen handelt, die räumlich konzentriert sind. Vielmehr kommt Ungleichheit erst in Räumen, in denen Segregation stattfindet, zum Ausdruck (vgl. Häußermann 2008, S. 336). Grundsätzlich gibt es zwei Wege der Segregation: die aktive, also freiwillige Segregation und die passive, also erzwungene20 Segregation (vgl. Wienold 2007, S. 581.). Aktive Segregation zeigt sich z.B. in dem Phänomen, dass Reiche die am stärksten segregierte Gruppe innerhalb einer Stadt bilden (ILS/ZEFIR 2003, S. 3). Passive Segregation ist in Armutsstadtteilen, in denen die Ärmsten der Stadtgesellschaft leben, zu erkennen. Aus der Einteilung in passive und aktive Segregation resultiert auch der primäre Segregationsmechanismus 21 , der Immobilienmarkt (vgl. Strohmeier 1983, S. 95). In erster Linie werden Standorte durch Marktprozesse verteilt. Beispielsweise sind besonders begehrte Wohnstandorte entsprechend 20 Erzwungene Segregation im Sinne von Apartheid wird für die vorliegende Arbeit nicht berücksichtigt. Dazu weiterführend am Beispiel Südafrikas Adam/Mooley 1998. 21 Die symbolische Segregation als sekundärer Segregationsfaktor wird im Rahmen dieses Abschnitts nicht direkt behandelt. Weiterführend dazu siehe u.a. ILS/ZfT 2008, S. 22ff. 28 teuer und können nur von denjenigen bewohnt werden, die es sich leisten können dort zu leben. So ist der Grad der Segregation auch ein Zeichen dafür, ob es sich tendenziell um einen angespannten Wohnungsmarkt handelt. Denn je entspannter ein Wohnungsmarkt ist, desto stärker ist das Ausmaß der Segregation (vgl. Strohmeier 2006b, S. 1), denn dann können sich auch Menschen mit geringerem Einkommen eher aussuchen, wo sie wohnen möchten. Bei angespannten Wohnungsmärkten können Menschen trotz evtl. steigenden Einkommens zum einen nicht überall in der Stadt eine Wohnung finden, die frei ist, und zum anderen zwingen die Mietpreise zum Verbleib in der günstigeren Wohnung22. Bei einer differenzierten Betrachtung von Segregation als sozialer Differenzierung ist eine Klassifizierung der Segregation nach Merkmalsart ebenfalls sinnvoll. Im Folgenden werden drei relevante Segregationsarten vorgestellt. 1.5.2 Soziale Segregation Soziale Segregation „umschreibt die Verteilung sozialer Gruppen […] in einer Stadt anhand ihres Wohnortes“ (Werheim 2007, S. 580). Beispiele für sozial segregierte Stadtgebiete sind Villenviertel oder auch Stadtteile mit vielen armen Bewohnern. Mit sozialen Gruppen sind hier in erster Linie Einkommensgruppen gemeint. Der zugrunde liegende Verteilungsmechanismus sozialer Gruppen in einer Stadt ist, wie eingangs schon erläutert, der Wohnungsmarkt. Negativ betroffen von sozialer Segregation in deutschen Großstädten sind vor allem Familien bzw. Kinder. Denn in den sozial passiv segregierten großstädtischen Gebieten leben die meisten Familien. Dem liegt das Phänomen zugrunde, dass Familien, die es sich leisten können, aus der Stadt ins Umland ziehen (Suburbanisierung) und tendenziell die ärmeren Familien in der Stadt verbleiben, die zudem die meisten Kinder haben (vgl. Strohmeier 2008, S. 491f.). Gemessen werden kann soziale Segregation z.B. durch den Indikator Arbeitslosenanteil. Jedoch muss dieser Indikator für mehrere Teilgebiete und/oder für die Gesamtstadt vorliegen, um Ungleichheiten zu erkennen. 1.5.3 Ethnische Segregation Ethnische Segregation „umschreibt die Verteilung ethnischer Gruppen in einer Stadt anhand ihres Wohnortes“ (Werheim 2007, S. 580). Beispiele für ethnisch (zum Teil auch kulturell genannte) Segregation sind türkisch geprägte Stadtteile im Ruhrgebiet oder auch sogenannte Chinatowns in US-­‐amerikanischen Städten. Das Ausmaß der ethnischen Segregation allein sagt 22Über den in diesem Kontext wichtigen Zusammenhang zwischen Wohnungsmarkt und demografischer Entwicklung siehe weiterführend Häußermann/Siebel 1987, S. 149ff. oder auch Schnur 2008, S. 29ff. 29 nichts darüber aus, ob es sich um aktive oder passive Segregation handelt. Messbar ist die ethnische Segregation durch den Anteil von Migranten pro 100 Einwohner in einem Gebiet. Dazu sind, wie bei der sozialen Segregation, entsprechende Vergleichsdaten nötig, um das Ausmaß der Ungleichverteilung zu definieren. Auf diese Weise wird eine Vergleichbarkeit zwischen den betrachteten Teilgebieten geschaffen und Segregation verdeutlicht. Um die relative Dimension der Segregation von Minoritäten zu operationalisieren, gibt es den Segregationsindex von Duncan und Duncan, der das Ausmaß der Segregation im jeweiligen städtischen Kontext beschreibt, jedoch keine Vergleichbarkeit zwischen Städten ermöglicht (vgl. Friedrichs 1995, S. 79; Häußermann/Siebel 2004, S. 140f. ; Farwick 2004, S. 257). 1.5.4 Demografische Segregation „Eine spezifische Form in den Städten ist die demografische Segregation, die nach den Merkmalen Alter, Haushaltstyp bzw. Lebenszyklusphase charakterisiert wird. Die Stadtbevölkerung verteilt sich nach Altersgruppen und Haushaltszusammensetzung nicht gleichmäßig über alle Quartiere.“ (ILS/ZEFIR 2003, S. 4) Dieser Definition folgend gibt es Gebiete in einer Stadt, in denen tendenziell eher ältere Menschen wohnen als in anderen Gebieten. Die Möglichkeit zur Operationalisierung besteht durch das Bilden des Medianalters für die interessierenden Gebiete sowie für die Gesamtstadt. Abweichungen vom gesamtstädtischen Durchschnitt und zwischen den einzelnen Teilgebieten sind somit leicht zu erkennen. 1.5.5 Überlagerung der Segregationsarten Die Mechanismen der Ungleichverteilung, die in den verschiedenen Segregationsarten zum Ausdruck kommen, können sich zum Teil auch gegenseitig überlagern bzw. verstärken. „Segregation stellt dabei in der Regel – wie Armut – ein multidimensionales Phänomen dar. Vielfach fallen in städtischen Problemlagen alle drei Erscheinungsformen zusammen und überlagern sich räumlich.“ (ILS/ZEFIR 2003, S. 4) Daraus folgt, dass es Gebiete in der Stadt gibt, in denen unterschiedliche Arten passiver Segregation relativ stark vorkommen. Geprägt sind solche „Armutsgebiete“ von relativ vielen armen, ausländischen und zumeist auch jungen Menschen, wie Strohmeier am Beispiel des Ruhrgebiets veranschaulicht (vgl. Strohmeier 2001, S. 13ff.). Um Segregation zu messen, bedarf es statistischer Verfahren. Eines dieser Verfahren wurde von den US-­‐amerikanischen Forschern Shevky und Bell entwickelt. Ihr bedeutendes Konzept der Operationalisierung verschiedener Segregationsarten ist die Sozialraumanalyse 30 (vgl. Bell/Shevky 1974, S. 128). Dazu werden mittels einer Faktorenanalyse23 drei Indizes für jeden städtischen Teilraum erstellt: soziale Position (soziale Segregation), Verstädterung (demografische Segregation) und Segregation (ethnische Segregation) (vgl. Bell/Shevky 1974, S. 128f)24. Dadurch wird die Lage eines jeden untersuchten Gebietes im „sozialen Raum“ sichtbar gemacht. Wenn die unterschiedlichen Segregationsarten in einem Gebiet verstärkt auftreten, würde das allerdings noch nicht zwingend bedeuten, dass es einen Zusammenhang gibt. Soziale Segregation könnte auch unabhängig von den anderen beiden Segregationsarten in einem Gebiet auftreten. Zumindest für deutsche Großstädte wurde ein solcher Zusammenhang jedoch nachgewiesen. Innerhalb städtischer Räume zeigen sich demnach Polarisierungstendenzen, wodurch sich die von Armut und Reichtum geprägten Gebiete (zunehmend) voneinander unterscheiden lassen. Innerhalb armutsgeprägter Stadtgebiete leben zudem auch die meisten Kinder und die Mehrzahl der Migranten der Stadt(vgl. u.a. Häußermann/Siebel 2001, S. 24ff.; Neu/Strohmeier/Kersting 2004, S. 225ff.). Eine solche Sozialraumanalyse ist jedoch nur ein Abbild der örtlichen Gegebenheiten. Mechanismen, die zu einer Ungleichverteilung führen, werden nicht aufgedeckt. Die Ebene, auf der eine solche Analyse durchgeführt wird, liegt unterhalb der städtischen und oberhalb der Individualebene. Sie wird durch Stadtquartiere gebildet. Was unter Quartier in diesem Zusammenhang zu verstehen wird im Folgenden erläutert. 1.5.6 Quartier als soziologischer Interessensgegenstand Wie bereits die Theorie der Sozialökologie gezeigt hat, sind innerhalb einer Stadt raumbezogene Unterschiede hinsichtlich der Nutzung und Bewohnerschaft festzustellen. Für die soziologische Stadtforschung ergibt sich damit das Problem, welche Einteilung für die städtischen Teilräume vorgenommen werden sollte. Auch kommt eine statische Einteilung eines Stadtgebiets nicht unbedingt den Lebensrealitäten der Bewohner nahe. In der Quartiersforschung als Teil der Stadtforschung können grundsätzlich zwei Auffassungen des Quartiersbegriffs unterschieden werden: zum einen die theoretische Überlegung über das Quartier als lebensweltlicher Ort und zum anderen als statistisches bzw. administratives Gebiet. Beide Sichtweisen schließen sich nicht unbedingt gegenseitig aus und können in einer Gesamtherangehensweise sowohl separat als auch gemeinsam Gültigkeit besitzen. Beide werden im Folgenden vorgestellt und anschließend miteinander verbunden. 23 Auch ist es gebräuchlich, inhaltlich valide Schätzer, wie z.B. die SGB-­‐II-­‐Quote, für den sozialen Rang zu nutzen, um das statistische Verfahren möglichst einfach und überschaubar zu halten. Auch wird so eventuell auftretenden mathematischen Fehlern im Verfahren vorgebeugt. 24 Weiteres zur Sozialraumanalyse siehe u.a. Riege/Schubert 2005 sowie Urban/Weiser 2006. 31 1.5.6.1 Das Quartier als lebensweltlicher Ort Unter Berücksichtigung der Lebenswelt der Bewohnerwerden städtische Teilgebiete als Quartierbezeichnet. Für Quartiere gibt es eine Reihe von Begriffen, wie beispielsweise Bahnhofs-­‐ oder Bankenviertel, um eine Funktion zu beschreiben, aber auch – abhängig von der jeweiligen Stadt – ortseigene Bezeichnungen, wie z.B. Veedel in Köln, Kolonie im Ruhrgebiet oder Kiez in Berlin (vgl. Schnur 2008, S. 8). All diese und auch weitere Begriffe beschreiben einen städtischen Teilraum, der nicht unbedingt mit administrativen Grenzen übereinstimmen muss. Vielmehr orientiert sich eine solche Einteilung an individuellen Sichtweisen oder den Funktionen, die dem jeweiligen Gebiet zugeschrieben werden. Schnur hat vor diesem Hintergrund Quartier wie folgt definiert: „Ein Quartier ist ein kontextuell eingebetteter, durch externe und interne Handlungen sozial konstruierter, jedoch unscharf konturierter Mittelpunkt-­‐Ort alltäglicher Lebenswelten und individueller sozialer Sphären, deren Schnittmengen sich im räumlich-­‐identifikatorischen Zusammenhang eines überschaubaren Wohnumfelds abbilden.“ (Schnur 2008, S. 79) Unter theoretischen Gesichtspunkten ist dies eine, wie er selber schreibt, Fuzzy-­‐Definition (vgl. Schnur 2008, S. 79). Sie hat keine scharfen Grenzen, beschreibt aber die individuelle Einteilung der eigenen Umwelt. Dadurch ist ein Quartier ein lebensweltlicher „Mittelpunktort“, der Ressourcen und Normen für seine Bewohner beinhaltet. Auswirkungen, die auf kumulierte quartiersbezogene Faktoren bzw. Ressourcen zurückzuführen sind, werden als Kontexteffekte verstanden. Solche quartiersbezogenen Kontexteffekte sind insbesondere in sozial belasteten Quartieren zu beobachten, wie Strohmeier zeigt (vgl. Strohmeier 2010, S. 318ff). Somit sind grundlegende theoretische Konzepte, was ein Quartier ist und wie es auf seine Bewohner wirkt, als Ausdruck sozialer Differenzierung vorhanden. Allerdings fehlen nach wie vor Theorien, nach welchen Gesetzmäßigkeiten sich Quartiere entwickeln. Für die vorliegende Arbeit werden im Folgenden Überlegungen skizziert, wie ein Quartier so abgegrenzt werden kann, dass quantitative Stadtforschung umsetzbar wird25. 1.5.6.2 Das Quartier als abgrenzbare Einheit Ein Quartier ist, so die theoretische Vorüberlegung, eine städtische Teileinheit, die zugleich Funktionen wie Wohnraum, Erholungsgelegenheiten, Bildungseinrichtungen usw. beheimatet. Ein Quartier hat demnach eine zusammenhängende Flächenausdehnung, die geringer ist als die gesamte betrachtete Fläche. Diese wiederum ist zu bilden aus der Summe aller Teilflächen, d.h. aller Quartiere. Daher ist jeder Ort in einer Stadt Teil eines Quartiers. Anders als in der 25 Eine ausführliche Darstellung unterschiedlicher Quartierskonzepte bietet Schnur 2008. 32 (theoretisch richtigen) Fuzzy-­‐Definition ist ein Ort bei der Operationalisierung nur Teil eines Quartiers und nicht von mehreren. Solche grundsätzlichen Überlegungen zur Operationalisierung sind nur ein erster Schritt, auf den die Überlegung bezüglich der Größe des Quartiers folgt. Da ein Quartier ein lebensweltlicher Ort ist, kann und darf es nicht so groß sein, dass es von einem Menschen kognitiv nicht mehr zu erfassen ist. Daraus folgt, dass es umso bessere Ergebnisse im Sinne der Vorüberlegungen gibt, je kleiner die betrachtete Einheit ist. Dem stimmt auch Friedrichs zu, wenn er schreibt, dass „je höher wir aggregieren, desto heterogener werden die räumlichen Einheiten und desto ungenauer[…] unsere wissenschaftlichen Aussagen.“ (Friedrichs 1997, S. 20) Dem stehen aber zum Teil datenschutzrechtliche Restriktionen gegenüber. Also sollte im Sinne der wissenschaftlichen Zielführung pragmatisch gearbeitet werden, da auch oftmals die verfügbaren Daten nicht die besten (also kleinräumigsten) Daten sind. Denn oftmals gibt es (in der amtlichen Statistik) Daten auf z.B. Blockdatenebene, diese sind jedoch aus den o.g. Gründen nicht immer verfügbar. Es muss also mit dem gearbeitet werden, was zur Verfügung steht, und das sind meist Angaben in Gebietseinheiten wie „statistische Viertel“26 (vgl. Strohmeier 2001, S. 4). Diese sind zumeist kleiner als die Stadtteilebene und zumeist bilden zwei bis vier solcher Viertel einen Stadtteil. Alle Stadtteile zusammen bilden dann die gesamte Stadt. Daten auf Blockebene wären für statistische Sozialraumanalysen selbstverständlich die zweckdienlichste Variante, diese liegen jedoch nicht für jede Kommune flächendeckend und/oder zugänglich vor. Bei einer empirischen quantitativen Operationalisierung eines Quartiers sollte jedoch nicht vergessen werden, dass es sich dadurch um ein intersubjektiv nachvollziehbares Objekt handelt. 1.5.7 Armutsquartiere in der postindustriellen Stadt Nach diesen theoretischen Konzeptionierungen des Quartiersbegriffs und der anschließenden Überlegung zur Operationalisierung zum Zwecke der quantitativen Forschung wird im Folgenden die Rolle des Quartiers im gesamtstädtischen Kontext betrachtet. Im Vordergrund stehen dabei Quartiere, in denen sich passive soziale, ethnische und demografische Segregationserscheinungen überlagern. Beim Übergang von der industriellen zur postindustriellen Stadt haben sich die Arbeitsplätze und Arbeitsverhältnisse verändert. Aus Arbeitern wurden Angestellte, Normalarbeitsverhältnisse seltener und Beschäftigung im produzierenden Gewerbe die Ausnahme. Diese Entwicklungen schlagen sich in den Städten auch räumlich nieder. Aus einstigen Arbeiterquartieren sind heute oftmals Armutsquartiere geworden, in denen sich die 26 Die Bezeichnung variiert zwischen den Kommunen. 33 beschriebenen Segregationsarten (vgl. Abschnitt 1.5) überlagern. Arbeiterquartiere waren zumeist geprägt von gegenseitiger nachbarschaftlicher Solidarität, Hilfe und sozialer Kontrolle (vgl. u.a. Croon/Utermann 1958; Mackensen et al. 1959; Elias/Scotson 1993). Durch den Rückzug der Produktionsstätten aus den Städten kam es vermehrt zu Fortzügen, was bis dahin die Ausnahme war (vgl. Neu 2007, S. 8). Die nachbarschaftlichen Netzwerke erodierten, und da es sich in diesen Quartieren meist um Wohnungen in schlechtem baulichem Zustand zu geringer Miete handelte, zogen nach und nach sozial schlechter gestellte Haushalte hinzu. Nicht selten waren dies Migrantenhaushalte. Wer in diesem Quartier blieb, konnte sich in der Regel einen Umzug entweder nicht leisten oder wollte aufgrund seines Alters nicht mehr umziehen (vgl. Strohmeier 2008, S. 492). Aber nicht nur ehemalige Arbeiterquartiere sind die Armutsquartiere der postindustriellen Stadt. Großwohnsiedlungen, die nur durch Automobilisierung breiter Bevölkerungsschichten so ermöglicht werden konnten, weisen oftmals ähnliche kumulierte Problemlagen auf. Zumeist sind diese Großwohnsiedlungen an den Stadträndern errichtet und geplant worden für Haushalte mit einem Ernährer, einer Hausfrau und Kindern. Das entsprach dem Rollenbild der damaligen Zeit. Das Auto war notwendig, um die Arbeitsstätte zu erreichen, und die Häuser lagen in Grünanlagen fernab des Stadtzentrums (vgl. Brailich et al. 2008, S. 128ff.). Diese monostrukturelle Wohnweise war allerdings für breite Bevölkerungsschichten nicht lange von Interesse. Da die Mietpreise aufgrund der geringen Nachfrage fielen, zogen auch dorthin nach und nach Migranten und Arme. Somit sind die Armutsquartiere der postindustriellen Stadt zum einen ehemalige Arbeiterquartiere und zum anderen Großwohnsiedlungen der 1960er-­‐ und 1970er-­‐Jahre. Armutsquartiere können allerdings im Sinne der sozialräumlichen Differenzierung zwei unterschiedliche Funktionen erfüllen: entweder die Funktion eines sozialen Relegationsgebietes oder die einer urbanen Integrationsschleuse. Beide Funktionen werden im Folgenden konzeptionell und idealtypisch beschrieben. 1.5.7.1 Typisierung: Armutsquartier als „Relegationsgebiet“ Quartiere, die als Relegationsgebiet oder auch Getto, soziale Endstationen oder Banlieues bezeichnet werden, beheimaten Menschen, die primär von passiver sozialer Segregation betroffen sind (vgl. Wacquant 2004, S. 148f.). Hinzu kommen ethnische wie auch demografische Segregation. Die Wanderungsbeziehungen mit anderen städtischen Quartieren oder über die Stadtgrenze hinaus sind nahezu zum Erliegen gekommen, Umzüge finden, wenn überhaupt, nur innerhalb des Quartiers statt. Trotz geringer Fluktuation sind nachbarschaftliche Hilfsnetzwerke kaum zu beobachten. Austauschbeziehungen finden primär innerhalb von familiären 34 Netzwerken und nur vereinzelt zu Menschen in gleichen Lebenslagen statt. Durch mangelnde Vorbilder ist für die nachwachsende Generation das Normalarbeitsverhältnis ein fremder und der Bezug von Mitteln aus sozialstaatlichen Sicherungssystemen ein vertrauter Zustand. Eine Identifikation mit dem Quartier wird zumeist nur als Trotz oder Abwehrmechanismus hergestellt. Der Wunsch, das Quartier zu verlassen, herrscht zwar vor, doch wird dieser aus ökonomischen Gründen und/oder mangelndem Selbstvertrauen nicht umgesetzt (vgl. Friedrichs/ Blasius 2000, S. 193ff.). 1.5.7.2 Typisierung: Armutsquartier als urbane Integrationsschleuse In urbanen Integrationsschleusen leben, im Sinne der sozialen Differenzierung, primär Menschen, die von passiver sozialer Segregation betroffen sind. Außerdem ist eine ausgeprägte ethnische und demografische Segregation zu beobachten. Es besteht ein reger Wanderungsaustausch mit anderen Stadtquartieren und über die Stadtgrenze hinaus. Zumeist ziehen Migranten in das Gebiet, verlassen es aber auch wieder. Gründe sind die Aufnahme einer Arbeit oder bessere Wohnverhältnisse in einem anderen Quartier. Es bestehen leistungsfähige, meist ethnisch geprägte soziale Netzwerke im Quartier. Unstetige Arbeitsverhältnisse und prekäre Beschäftigungsverhältnisse sind die Regel. Allerdings wird formelle oder auch informelle Erwerbsarbeit von weiten Teilen der Bevölkerung als erstrebenswert angesehen. Eine Identifikation mit dem Quartier besteht nur selektiv bzw. bei der „Sockelbevölkerung“, die nicht fluktuiert und als eine Art sozialer Brückenkopf fungiert (vgl. Eichener 2006, S. 7). Diese hilft den Neuankömmlingen Orientierung zu finden und verschafft zum Teil Zugang zum informellen oder ethnischen Arbeitsmarkt im Quartier. 1.6 Konzeption der urbanen Integrationsschleuse Nach der Auseinandersetzung mit der funktionalen Differenzierung und der sozialen Differenzierung als Verteilungsmechanismen städtischer Strukturen zeigt sich, dass das Konzept der urbanen Integrationsschleuse einen strukturellen Funktionsraum eröffnet, der sozial ausgestaltet wird. Für die weitere Arbeit wird im Folgenden die urbane Integrationsschleuse konzipiert. Wie in der theoretischen Definition beschrieben, ist ein Quartier ein lebensweltlicher Ort der Bewohner. Das lebensweltliche Verständnis beinhaltetet auch Austauschbeziehungen zwischen den Quartieren (vgl. Park 1936, S. 4), denn der Ort kann gewechselt bzw. Ressourcen in anderen Quartieren in Anspruch genommen werden. Für die Bewohner eines Quartiers ist es somit nur bedingt notwendig, dass ein Quartier alle alltagsrelevanten Ressourcen vorhalten muss, da 35 dieses gewechselt oder verlassen werden kann. Andersherum ist eine Art Spezialisierung oder Differenzierung des Ressourcenangebots, z.B. Wohnraumausstattung oder Gastronomiestätten, möglich (vgl. Durkheim 1992, S. 96). Damit hätten Quartiere jeweils nur noch wenige Ressourcen, jedes für sich aber hoch spezialisierte Angebote. Zu beobachten ist dies beispielsweise in Form von Villensiedlungen, Kneipenstraßen oder Szenevierteln. Eine solche „Profilbildung“ eines Quartiers ist aber nicht überall zu beobachten, was zum Teil daran liegt, dass dort Menschen leben, die nicht mobil sind oder sein können. Mobilität ist demnach ein wichtiger urbaner Faktor (vgl. Burgess 1984, S. 59f.), der aber im Kapitalismus an ökonomische Ressourcen gebunden ist. Mit anderen Worten, Mobilität kostet Geld, und das steht Teilen der Stadtbevölkerung nicht immer ausreichend zur Verfügung. Andererseits besteht für einige Bevölkerungsgruppen, je nach Lebenslage, auch keine Notwendigkeit für alltägliche Mobilität. Wenn keine Arbeitsstätte aufgesucht werden muss, muss auch kein Weg dorthin – und damit aus dem Quartier– zurückgelegt werden, oder der Arbeitsplatz ist nur fußläufig vom Wohnort entfernt (vgl. Gebauer 2007, S. 235). Solche Arbeitsstätten sind in (post-­‐)industriellen Städten jedoch die absolute Minderheit. Jene immobilen Bevölkerungsgruppen sind z.B. Arbeitssuchende oder Menschen, die in der Reproduktionsarbeit beschäftigt sind (Häußermann/Siebel 1987, S. 183). Es handelt sich damit vorrangig um Gruppen, die temporär vom ökonomischen Erwerbsprozess ausgeschlossen sind. In Städten sind solche Gruppenangehörige durch Segregationsprozesse räumlich ungleich verteilt, und wie weiter oben bereits aufgezeigt überlagern sich diese Prozesse und Effekte gegenseitig. Es kann also davon ausgegangen werden, dass sich Quartiere von ihren Möglichkeitsstrukturen her, also ihrem alltagsrelevanten Ressourcenangebot, für ihre Bewohner voneinander unterscheiden, was Park folgendermaßen ausdrückt: „Jede große Stadt hat ihr Greenwich Village, genauso wie sie ihre Wallstreet hat.“ (Park 1974, S. 91) Solche spezifischen und quartierseigenen Möglichkeitsstrukturen, die sich im (Container-­‐)Raum verorten, bringen dadurch auch jeweils eigene Handlungsoptionen mit sich (vgl. Friedrichs 2012, S. 36). In einem armutsbelasteten Migrantenviertel beispielsweise gibt es unter Umständen kulturell eigene Gastronomieangebote der unterschiedlichen Minoritäten. Dort finden ungelernte Arbeitskräfte, bedingt durch soziale und ethnische Netzwerke, eher Arbeitsmöglichkeiten als in Bankenvierteln (vgl. Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 313). Dass es solche (nachbarschaftlichen) Netzwerke gibt, haben unterschiedliche Untersuchungen gezeigt (vgl. u.a. Mackensen et al. 1959; Strohmeier 1984; Florida 2003; Ceylan 2006; Bude 2006; Friedrichs/Blasius/Klöckner 2009), wobei kultureller Hintergrund nicht mit ethnischem Hintergrund gleichzusetzen ist. Es ist erwiesen, dass Gruppen derselben kulturellen Zugehörigkeit, z.B. Migranten aus denselben Herkunftsregionen, Beschäftigte in der Kreativindustrie oder auch Arbeiter im Kohlebergbau ihre eigenen informellen Netzwerke 36 bilden. Solche haben individuell eigene Leistungsmöglichkeiten und Zugangsvoraussetzungen. Zudem sind sie auf Face-­‐to-­‐Face-­‐Kontakte angewiesen, was z.B. auch für Kreative und nicht nur für armutsgefährdete Bewohner gilt (vgl. Heider 2011 S. 139). Durch Segregation (ob passiv oder aktiv) werden demnach ähnliche kulturelle Strukturen gebildet, die häufig mit einer homogenen sozialen Lage einhergehen (vgl. Strohmeier 2009, S. 156 ff.). Daraus ist zu schließen, dass es Gebiete geben kann, in denen eine hohe Zahl von Erwerbslosen lebt, die gleichzeitig ausländische Wurzeln haben. Nicht nur die Forscher der Chicagoer Schule haben diesen Zusammenhang beobachtet, sondern er ist auch durch neuere empirische Untersuchungen nachgewiesen worden (u.a. Strohmeier 2001; Häußermann/Siebel 2001; Ceylan 2006; Friedrichs/Triemer 2012). In solchen Gebieten sind oftmals funktionierende ethnisch homogene soziale Netzwerke etabliert (vgl. Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 313). Im Quartier werden somit bewohnerspezifische Ressourcen produziert, die zum Teil speziell auf die Bedürfnisse der unterschiedlichen Nutzergruppen, z.B. derselben Ethnie, ausgerichtet sind (vgl. Ceylan 2006, S. 251). Auf diese Weise werden in Quartieren, in denen sozial und ethnisch passiv segregierte Menschen leben, die alltäglichen Grundbedarfe befriedigt, und die Notwendigkeit der Mobilität schwindet. Zu bedenken ist, dass insbesondere Migranten keine Möglichkeit haben, woanders eine Arbeit zu finden (vgl. Park in Farwick 2009, S. 28f.) oder aufgrund von Diskriminierung eine Wohnung zu mieten, auch wenn die ökonomischen Ressourcen dafür vorhanden wären (vgl. Strohmeier 2006a, S. 18). Zum Teil entspricht eine solche eingeschränkte Mobilität auch den Wünschen eines Teils der Migranten-­‐Community (ILS/ZfT 2008, S. 59). Migranten finden soziale ethnisch homogene Netzwerke vor und können sich relativ leicht in ihnen integrieren und zurechtfinden und müssen keinen, oder nur einen sehr geringen, Mobilitätsaufwand betreiben. Zudem versprechen diese Quartiere Sicherheit und Unterstützung und geben Orientierung in einer fremden Umwelt (vgl. Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 313). Jedoch können sie auch soziale Kontrolle mit sich bringen und Möglichkeiten z.B. der interethnischen Kontaktaufnahme einschränken (vgl. Farwick 2009, S. 230). Zwar sind solche sozialen Netzwerke nichts migrantenspezifisches, jedoch können sie für diese Bevölkerungsgruppe integrationsstützend27 wirken. Die Grundlage solcher Netzwerke bilden Bewohner, die zumeist seit längerer Zeit im Quartier leben. Sie sind ein zentraler Bestandteil des Konzepts der urbanen Integrationsschleuse. 27 Zum Integrationsbegriff und der dazugehörigen Debatte siehe u.a. Luft/Schimany 2010; Löffler 2011. 37 1.6.1 Der Gebietscharakter der urbanen Integrationsschleuse Die urbane Integrationsschleuse ist in ihrem Wesen und ihrer Funktion Ziel-­‐ und Lebensort von Zuwanderern und Menschen mit geringen ökonomischen Ressourcen. Dort leben die meisten Armen, die meisten Ausländer und die meisten Kinder bzw. zugleich die wenigsten Senioren. Armutsgeprägt ist die urbane Integrationsschleuse vor allem deswegen, weil die dort Lebenden zumeist über keine arbeitsmarktrelevanten Qualifikationen verfügen, keine Arbeitserlaubnis besitzen oder noch keine Arbeitsstelle gefunden haben (vgl. Dangschat 1999, S. 16f; Friedrichs 2009, S. 15; Fuhr 2011, S. 552). Ethnisch von Auswanderern geprägt ist die urbane Integrationsschleuse durch ihre Funktion als Ankunftsort. Dorthin wandern überproportional viele Menschen im Vergleich zur Gesamtstadt zu. Die demografische Segregation ist geprägt durch die relative Abwesenheit von Alten. Ihr Anteil ist deswegen in einer urbanen Integrationsschleuse so gering, weil dort Zuwanderer die größte Gruppe stellen und diese zumeist nicht im Rentenalter sind (vgl. Statistisches Bundesamt 2012, S. 11). Zudem ist die Fluktuation in der urbanen Integrationsschleuse bedingt durch Außenwanderungsbewegungen (Zu-­‐ und Fortzüge) hoch, und ein solches Umfeld zählt nicht zu den Wohnstandortpräferenzen von Senioren (vgl. Kaiser/Pohlan 2008, S. 73). Trotz abnehmender Suburbanisierungstendenzen von Familien (vgl. BBSR 2001, S. 4) leben innerhalb von Städten dort, wo die meisten Zuwanderer leben, auch die meisten Kinder, wie zahlreiche Studien belegt haben (vgl. u.a. Strohmeier 2001, 2007, 2008, 2010). Charakterisiert werden kann die urbane Integrationsschleuse demnach mit den Schlagworten: arm, jung, bunt. 1.6.2 Die Sockelbevölkerung der urbanen Integrationsschleuse Das Konzept der Sockelbevölkerung in Zusammenhang mit Migration wird in der einschlägigen Fachliteratur aus unterschiedlichen Blickwinkeln thematisiert (vgl. u.a. von Oppen 1958, S. 15; Haug 2000, S. 6; Heckmann 2009, S. 9; Farwick 2009, S. 43; Wildner 2012, S. 223), ohne allerdings diesen Namen zu verwenden. Unter Sockelbevölkerung sind quartiersansässige Bewohner zu verstehen. In jedem städtischen Teilgebiet finden sich Menschen, die dort seit längerer Zeit leben. Die Ortsansässigkeit war, wie unterschiedliche Studien zeigen, in präindustrieller Zeit auch der Normalfall (vgl. u.a. von Oppen 1958, S. 76; Croon/Utermann 1958; S. 14). Das Konzept der urbanen Integrationsschleuse zeigt allerdings, dass es sich um ein Quartier handelt, in dem sehr viel Fluktuation stattfindet, es also wenige Ortsansässige gibt. Zudem ist der Charakter eines solchen Gebietes von seiner Funktion her bereits stark ethnisch diversifiziert. Daraus ist abzuleiten, dass die Sockelbevölkerung zum einen kleiner ist als diejenige der Gesamtstadt und zum anderen einen höheren Ausländeranteil aufweist. 38 Die Sockelbevölkerung einer urbanen Integrationsschleuse ist allerdings nicht losgelöst von den Zuwanderern zu betrachten. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Sockelbevölkerung den Ankommenden erste Arbeits-­‐ und Wohnmöglichkeiten vermittelt (vgl. Ceylan 2006, S. 86). Zudem finden sie dort Hilfe und Beratung durch informelle, ethnisch geprägte familiäre und/oder nachbarschaftliche Netzwerke. Solche Unterstützungsleistungen, die primär von der Sockelbevölkerung geleistet werden, können Arbeitsmöglichkeiten und Qualifizierungsangebote sein, aber z.B. auch Know-­‐how-­‐Transfer über beispielsweise das Schulsystem, von dem wiederum die Kinder der Zuwanderer profitieren können. Die Sockelbevölkerung fungiert als eine Art Brückenkopf in die alte und als Wegweiser in der neuen Heimat. Sie haben sich im Gebiet der urbanen Integrationsschleuse niedergelassen, halten Kontakt ins Migrationsquellgebiet und sind idealtypisch ökonomisch und sozial, aber nicht vollständig kulturell in ihrer neuen Heimat integriert. Letzteres ist die Voraussetzung dafür, als eine Art Mittler zwischen den Welten, den Ankommenden und der neuen Umwelt, aufzutreten. Durch dieses „Dazwischen“ gelingt es ihnen, Neuankömmlingen den Beginn in der neuen Umwelt zu organisieren. Die Sockelbevölkerung hilft dabei, dass diejenigen, die zuwandern, die Kompetenzen erhalten, die es ihnen ermöglichen, in der Aufnahmegesellschaft Fuß zu fassen. Denn idealtypisch ziehen Zuwanderer nach einer relativ kurzen Aufenthaltsdauer wieder aus dem Gebiet fort und erleben entweder einen sozialen Abstieg oder aber einen Aufstieg. Somit hat die urbane Integrationsschleuse ein zweites gewichtiges Merkmal neben der Brückenkopffunktion der Sockelbevölkerung: die Verteilerfunktion. 1.6.3 Die Verteilerfunktion der urbanen Integrationsschleuse Zuwanderer verbleiben nicht allzu lange in der urbanen Integrationsschleuse, denn wie in der Literatur zur zone in transition der Chicagoer Schule beschrieben, sind die Wohnungen in relativ schlechtem Zustand (vgl. Strohmeier 1983, S. 99) und nicht allzu groß, mitunter auch überbelegt. Im Sinne der urbanen Integrationsschleuse verbleiben Migranten im Integrationsprozess, der ihnen einen gleichberechtigten Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen und Positionen verschafft, dort nicht sehr lange. Nach einigen Jahren ziehen die Migranten meist wieder fort, um in einem anderen Quartier hochwertigeren Wohnraum zu beziehen, den sie sich aufgrund der Qualifikations-­‐ und Arbeitsmöglichkeiten, die sie im Quartier erfahren haben, nun bezahlen können. Wie lange die Aufenthaltsdauer in der urbanen Integrationsschleuse genau ist, hängt von spezifischen, kontextbezogenen Rahmenbedingungen ab und kann zwischen wenigen Monaten und mehreren Generationen liegen (vgl. Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 325). Wer keinen sozialen Aufstieg erlebt etabliert sich im Milieu der verfestigten Armut und lebt zumeist in den urbanen Relegationszonen. 39 Wie die Charakterisierung der urbanen Integrationsschleuse zeigt, sind auf der Quartiersebene unterschiedliche Opportunitätsstrukturen vorhanden, die das Quartier als Ort für Integrationsprozesse formen: • Relative kulturelle, ethnische und/oder soziale Homogenität, da dies zu vermehrten Kontakten zu Menschen in gleichen Lebenslagen führt (vgl. Farwick 2007, S. 230). Hergestellt durch ethnische Segregation. • Vermittlung von Arbeitsmöglichkeiten durch ethnisch homogene Netzwerke innerhalb der ethnischen Ökonomie (vgl. Fincke 2008, S. 139), insbesondere durch die Sockelbevölkerung. • Know-­‐how-­‐Transfer durch ethnisch-­‐homogene Austauschstrukturen wie z.B. türkische Kaffeehäuser (vgl. Ceylan 2001, S. 181), ebenfalls geleistet durch die Sockelbevölkerung. • Günstiger Wohnraum, der unkompliziert und schnell zur Verfügung steht und bei dessen Vergabe Migranten nicht diskriminiert werden (vgl. ILS 2003, S. 16), bedingt durch passive soziale und ethnische Segregation sowie die Leistung der Sockelbevölkerung. • Bildungsangebote, die dem Bedarf von Migranten und deren Kindern besonders angepasst sind, oder anders ausgedrückt: „Ungleiches ungleich behandeln“ (Strohmeier 2007, S. 261), was vor allem bei Quartieren notwendig ist, in denen besonders viele von passiver sozialer und ethnischer Segregation betroffene Menschen leben. Diese Punkte sind zum einen Ausdruck funktionaler sowie sozialer Differenzierung und weisen zugleich auf die politischen Handlungsnotwendigkeiten hin. Diese werden im folgenden Abschnitt, geordnet nach Politikfeldern, schematisch vorgestellt. 40 Zusammenfassung: Abschnitt 1 • Städtische Strukturen manifestieren sich im Raum, der als Container begriffen wird. • Es gibt fünf Herausforderungen für Städte zu Beginn des 21. Jahrhunderts: die ökonomische, die demografische, die soziale, die kulturelle und die internationale Herausforderung. Integration kann einen entscheidenden Beitrag zur Bewältigung dieser Herausforderungen leisten. • Unter Integration wird der gleichberechtigte Zugang zu gesellschaftlichen Gütern und Positionen von Minoritäts-­‐ und Majoritätsangehörigen verstanden. • Die drei unterschiedlichen Segregationsarten ethnische, soziale und demografische Segregation überlagern und verstärken sich zum Teil gegenseitig. • Es gibt den theoretischen und den operationalisierten Quartiersbegriff, die nebeneinander gelten können. • Das Konzept der urbanen Integrationsschleuse als Produkt funktionaler und sozialer Differenzierung, die auf Hamms Dreistufenmodell zurückgeht, berücksichtigt die Überlagerung der drei Segregationsarten zuzüglich hoher Fluktuation. Zudem helfen die vorhandenen Opportunitätsstrukturen beim Integrationsprozess von Zuwanderern. Insbesondere diese setzen eine nichtmobile Teilbevölkerung aus demselben sozialen oder ethnischen Milieu voraus, die eine Brückenkopffunktion erfüllt. 41 2 Relevante kommunalpolitische Handlungsfelder für den Umgang mit urbanen Integrationsschleusen Das Konzept der urbanen Integrationsschleuse ist auch für kommunalpolitisches Handeln bedeutsam, da die Kommune der Ort ist, an dem Menschen politische Entscheidungen unmittelbar in ihren Auswirkungen erfahren. Somit sind kommunalpolitische Entscheidungsträger mit den Herausforderungen, die urbane Integrationsschleusen mit sich bringen, direkt konfrontiert und können aktiv auf die Gestaltung eines solchen Gebietes Einfluss ausüben. Viel mehr als auf der landes-­‐ oder bundespolitischen Ebene28 kann somit auf der kommunalen Ebene auf urbane Integrationsschleusen passgenau eingegangen werden. Für diese sind insbesondere die Politikfelder Arbeit, Bildung, Integration und Quartiersentwicklung von Bedeutung. Jedes dieser Handlungsfelder wird im folgenden Abschnitt mit einem kommunalpolitischen Schwerpunkt schematisch vorgestellt und abschließend zusammenfassend betrachtet. Im Vordergrund steht dabei die Zuspitzung auf die Einflussmöglichkeiten der Kommune im jeweiligen Politikbereich hinsichtlich des Umgangs mit urbanen Integrationsschleusen. 2.1 Kommunale Arbeitsmarktpolitik Arbeitsmarktpolitik als Teil der Sozialpolitik, ist im föderalen Bundesstaat, primär Aufgabe des Bundes (vgl. Frevel/Dietz 2004, S. 77)29. Politische Instrumente der Arbeitsmarktpolitik sind beispielsweise die Arbeitslosenversicherung, aber auch Maßnahmen zur Stützung und Förderung der Konjunktur. Dass der Bund die primäre Aufgabenerfüllung innehat, bedeutet jedoch nicht, dass die Länder keine Arbeitsmarktpolitik betreiben. Sie sind für die Segmente der Berufsbildung (vgl. Hockel/Schwarz 2010, S. 10) und zum Teil der Wirtschaftsförderung (vgl. am Beispiel NRW: www.nrwinvest.com) zuständig. Allerdings haben Kommunen nach Artikel 28 des Grundgesetzes (GG) die sogenannte Allzuständigkeit (vgl. Bogumil/Holtkamp 2006, S. 9; Art. 28 GG). Das bedeutet, sie können sich auch eigene Aufgaben kreieren, die nicht zu ihrem engeren Aufgabenspektrum gehören. Es gibt somit Pflichtaufgaben und freiwillige Aufgaben der Kommunen (vgl. Bogumil/Holtkamp 2006, S. 51; § 6 SGB II). Eine freiwillige Aufgabe ist z.B. ein Stadtteiltreff mit sozialen Angeboten für Arbeitssuchende. Damit gibt es Bereiche in der 28 Die europäische Ebene wird hier außen vorgelassen, da sie, trotz zunehmender Wichtigkeit, keine staatliche Ebene bildet. Dazu weiterführend Münch 2006. 29 Nach Art. 50 GG wirken die Länder an der Gesetzgebung des Bundes mit, sind also nicht von der Gestaltung sozialpolitischer Maßnahmen ausgeschlossen. Allerdings ist der Bund nach Art. 31 GG in der Praxis die gestaltende Kraft der Sozial-­‐ und Arbeitsmarktpolitik. 42 kommunalen Arbeitsmarktpolitik, welche die Gemeinden selber gestalten können, und Segmente, in denen sie Gesetze ausführen, ohne deren Inhalt beeinflussen zu können. Für die vorliegende Arbeit werden im Weiteren nur die freiwilligen Aufgaben der Arbeitsmarktpolitik betrachtet, in denen die Kommunen auch die inhaltlichen Ausgestaltungen selber bestimmen30. Denn in diesem Aufgabensegment sind die entsprechenden Maßnahmen möglich, um urbane Integrationsschleusen auch arbeitsmarktpolitisch zu gestalten. Solche Maßnahmen haben zwar den Vorteil, dass sie passgenau auf die jeweilige Situation bzw. das Quartier zugeschnitten werden können. Andererseits trägt die Kommune alle Kosten selber. Dementsprechend sind für viele Kommunen solche freiwilligen Leistungen schlichtweg nicht zu bezahlen (vgl. Bogumil/Holtkamp 2006, S. 56). Oftmals haben diejenigen Kommunen Schwierigkeiten mit der Finanzierung freiwilliger Aufgaben, in denen solche Leistungen besonders notwendig wären. Somit bleiben Kommunen (nicht nur) im Bereich der Arbeitsmarktpolitikzwei Möglichkeiten: zum einen die Einwerbung von Fördermitteln z.B. bei der Europäischen Union (vgl. ESF 2012), zum anderen kostenneutrale Lösungen. Diese können durch Output-­‐orientierte Organisationsmodelle, die sich am Bedarf der Zielgruppen ausrichten, erreicht werden. Strohmeier stellt die kumulierten positiven Effekte solcher Maßnahmen anhand eines Beispiels aus dem Ruhrgebiet wie folgt dar: „Eine Qualifizierungsmaßnahme alleinerziehender Mütter mit Sozialhilfebezug in einer Ruhrgebietsstadt hat ihre Klientel aus dem Wohnbereich und nicht nach dem Buchstabenprinzip rekrutiert. Auf diese Weise entstand nach weniger als einem Jahr ein lokales Netzwerk von Frauen in ähnlicher Lebenssituation, die noch vor Beginn der Maßnahme ihre soziale Isolation beklagt hatten.“ (Strohmeier 2009, S. 171) Ein solches Netzwerk ist nicht nur wichtig, um Humanvermögen zu bilden, sondern auch um Zugang zu Arbeitsmöglichkeiten und Möglichkeiten zur Kinderbetreuung zu schaffen, damit z.B. erste Gelegenheitsjobs angenommen werden können. Außerdem haben Kommunen auch die Möglichkeit, ihr Know-­‐how zur Verfügung zu stellen, z.B. bei Absichten einer Existenzgründung oder der korrekten Einrichtung einer Betriebsstätte. Damit sind die Möglichkeiten arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen in urbanen Integrationsschleusen durch Drittmitteleinwerbung und Organisationsmodelle auch für finanzschwache Kommunen möglich. Zumeist hängt die Umsetzbarkeit solcher Modelle vom politischen Willen der kommunalen Verwaltungsspitze und des Rates ab (vgl. Bogumil/Holtkamp 2006, S. 68). 30 Neben den beschriebenen Pflichtaufgaben haben Kommunen noch die Möglichkeit, als alleiniger Träger der Leistungen nach dem II. Sozialgesetzbuch aufzutreten (§ 6a, SGB II). Diese Mischform, das sog. Optionsmodell, wird in der vorliegenden Arbeit außen vor gelassen. Weiterführend dazu: Noe 2010 sowie www.kommunenfuerarbeit.de. 43 2.2 Kommunale Bildungspolitik Bildung ist originäre Aufgabe der Bundesländer (vgl. KMK 2012). Allerdings haben Kommunen, als Teil der Länder, damit eine Mitverantwortung in der Bildungspolitik (vgl. Weiß 2009, S. 1). Betrachtet man das Feld der Bildungspolitik genauer, sind unterschiedliche Sektoren auszumachen: 1.) der Elementarbereich, der vorschulische Bildungsangebote beinhaltet, 2.) der schulische Bildungsbereich, 3.) die Berufsbildung und 4.) die Erwachsenen-­‐ und Familienbildung31. Für die positive Gestaltung einer urbanen Integrationsschleuse sind alle Bausteine von Bedeutung. Jedoch hat eine Kommune nicht in allen Bereichen dieselbe inhaltliche Gestaltungsfreiheit. Im Schulbereich hat die Kommune keinen Einfluss auf die inhaltliche Ausrichtung. Sie ist Schulträger und hat als solcher vielmehr die Pflicht, die Schulinfrastruktur vorzuhalten, stellt also nichtlehrendes Personal und ist zuständig für den Schülertransport (vgl. Weiß 2009, S. 2). Durch die Verpflichtung, eine angemessene Schulinfrastruktur bereitzustellen, kann die Kommune Schulstandort-­‐ und unter Einhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen auch Schulformentscheidungen treffen32. Inhaltlich können Kommunen Schulen nur indirekt beeinflussen, beispielsweise durch die Beschäftigung von Schulsozialarbeitern und Psychologen (vgl. Wilhelmsen 2009, S. 89). Allerdings hat sich in einigen Bundesländern durch die Einführung des Modells der offenen Ganztagsschule ein neues kommunales Arbeitsfeld zwischen Jugendhilfe und Schule eröffnet (vgl. Deinet 2010, S. 33). Darüber hinaus besteht auch der Bereich der außerschulischen Bildung. Die Organisation der vorschulischen Bildung variiert erheblich zwischen den Bundesländern (vgl. BMFSJ 2005, S. 510). Das Grundprinzip ist jedoch, dass die Kommunen Personal und Infrastruktur stellen und dafür Mittel von Bund und Ländern erhalten (vgl. Hebborn 2007, S. 10) 33. Dadurch kann eine Kommune aber zugleich stärker auf die inhaltliche Ausgestaltung der Arbeit in den Kindertagesstätten einwirken, auch wenn diese gesetzlichen Rahmenbedingungen unterworfen sind (vgl. § 22 SGB VIII). Den größten inhaltlichen Spielraum haben Kommunen bei der Erwachsenen-­‐ und Familienbildung, da diese nur eingeschränkt gesetzlichen Regelungen 31 Alternativ zu dieser eher an formalen Bildungsinstitutionen orientierten Auffassung von Lernangeboten existiert zudem das Konzept des „Lebenslangen Lernens“, das zusätzlich nonformales und informelles Lernen einschließt. Dazu weiterführend Schuetze 2006. 32 Die Rahmenbedingungen variieren zwischen den Ländern. 33 Für die berufsbildenden Schulen verhält sich die Aufteilung zwischen Ländern und Kommunen genauso wie beim Regelschulsystem (vgl. Hockel/Schwartz 2010, S. 11). 44 unterliegen (vgl. Niedersächsischer Landtag 2007, S. 337), wobei sie allerdings auch die finanziellen Lasten alleine schultern müssen. Dafür ist es den Kommunen und freien Trägern freigestellt, wie sie die Erwachsenen-­‐ und Familienbildung inhaltlich ausgestalten. Für urbane Integrationsschleusen bedeutet dies, dass kommunale Bildungspolitik an den Spielräumen der jeweiligen bildungspolitischen Handlungsfelder ausgerichtet werden muss. Im vorschulischen Bereich sowie im Schulbereich können Kommunen die Integrationsleistungen unterstützen, indem sie eine möglichst hochwertige Infrastruktur vorhalten. Dies impliziert auch eine möglichst gute Ausstattung mit pädagogischen Fachkräften. Zudem ist insbesondere eine qualitativ hochwertige frühkindliche Förderung (vgl. Förster/Taubert 2008, S. 131ff.) ein Baustein, um der nachwachsenden Generation bessere Bildungs-­‐ und damit Zukunftschancen zu ermöglichen (vgl. Geißler 2008, S. 273ff.). Tatsächlich können Kommunen die Erwachsenen-­‐ und Familienbildung passgenau auf die Gegebenheiten in der urbanen Integrationsschleuse ausrichten, wie Beispiele aus dem Programm Soziale Stadt zeigen (vgl. Soziale Stadt 2012). 2.3 Kommunale Integrationspolitik Der Bund hat in Einwanderungsfragen die Gesetzgebungskompetenz, und die Länder haben mittels Polizeigewalt für die Durchführung der Gesetze zu sorgen. Somit bleibt den Kommunen nur die Gestaltung weicher Integrationsfaktoren, oder anders gesagt: Der Bund und die Länder regeln die Zuwanderung, in den Kommunen wird sie zur Integrationsaufgabe. An ihnen hängt Integration allerdings im besonderen Ausmaß, denn Migranten erfahren die jeweiligen Förderungsangebote in ihrer unmittelbaren Lebensumwelt, dem Quartier (vgl. Farwick 2004, S. 254f.). Dieses Umstandes sind sich die meisten Kommunen bewusst und reagieren mit unterschiedlichen politischen Maßnahmen. Solche Maßnahmen unterliegen keinen gesetzlichen Regelungen und sind freiwillige Aufgaben der Kommunen34. Die wachsenden Integrationsbemühungen von Kommunen sind ebenfalls an der Entwicklung dieses Politikfeldes abzulesen, denn seit spätestens 2005 hat sich die Kommunalpolitik von der Ausländer-­‐ zur Integrationspolitik weiterentwickelt (vgl. Heinrich 2012, S. 1). Kommunale Integrationspolitik hat sich somit, auch aufgrund unterschiedlicher öffentlicher und gesellschaftlicher Debatten, als prominentes Politikfeld etabliert (vgl. u.a. Schwarz 2010; Spiegel 2010). Dabei wird sie von den Kommunen oftmals als sogenannte Querschnittsaufgabe 34 Zwar gibt es eine Bundesbeauftragte für Integration, diese hat jedoch keine Kompetenz in der Gesetzgebung (§ 92 AufenthG). Die Länder nehmen sich des Politikfeldes Integrationsförderung ebenfalls an, ohne jedoch Gesetze zu erlassen. Eher werden Projekte und Programme ausgeschrieben, die Kommunen Fördergelder für vorgeplante Integrationsprojekte sichern (vgl. am Beispiel NRW www.integration.nrw.de/foerderung/index.php, abgerufen am 15.11.2012). 45 betrachtet, was allerdings auch dazu führen kann, dass es zu einer organisierten Unverantwortlichkeit kommt (vgl. Banner 1991, S. 6). Dadurch gibt es zwar eine Förderung auf dem Papier, die jedoch keiner gemeinsamen Strategie folgt. Deshalb haben einige Kommunen sogenannte Integrationsbeauftragte35 eingeführt, die sich allerdings in ihrem Aufgabenspektrum und ihren Kompetenzen unterscheiden. Durch einen Ansprechpartner innerhalb der Kommunalverwaltung wird Integrationsarbeit stärker betont und durchsetzungsfähiger (vgl. Detmers 2008, S. 105). Die inhaltliche Ausrichtung der kommunalen Integrationsarbeit ist nicht definiert und eine Kommune kann das Arbeitsfeld im Rahmen der Allzuständigkeit passgenau kreieren (vgl. Gesemann/Roth 2009, S. 12). Dabei reicht die Spannweite von innerer Verwaltungssensibilisierung bis hin zu Quartierskonzepten mit einem breiten Repertoire an sozialen Angeboten (vgl. u.a. Mansury 2007; BMVBS 2010). Eine solche Flexibilität in der Organisation ist Fluch und Segen zugleich. Fluch, weil es weder eine verlässliche Finanzierung für die Kommunen gibt noch eine Möglichkeit, integrationspolitische Leistungen einzufordern. Segen, weil passgenaue Lösungen generiert werden können, die dort greifen, wo sie besonders notwendig sind: nämlich in jenen Quartieren, die die Funktion einer urbanen Integrationsschleuse innehaben (vgl. Mansury 2007, S. 41ff.). Zu den Leistungen kommunaler Integrationspolitik gehört auch die Sprachförderung 36 ,da Sprache ein grundlegender Integrationsfaktor ist, deren Erwerb politisch gefördert werden kann (vgl. Pasler 2007, S. 7). Der Spracherwerb begünstigt die Möglichkeit, eine Arbeitsstelle zu erhalten und zu besseren Schulabschlüssen zu gelangen und fördert somit Teilhabechancen. Kommunale Integrationspolitik soll somit im weiteren Sinne als kommunales Leistungsspektrum verstanden werden, das primär auf die Förderung der Teilhabe von Migranten an relevanten Gütern abzielt. Damit können Kommunen ohne Einschränkungen passgenaue Angebote zur Förderung von Integration und damit auch zur Gestaltung urbaner Integrationsschleusen entwickeln. 2.4 Kommunale Stadt-­‐ und Quartiersentwicklungspolitik Stadt-­‐ und damit auch Quartiersentwicklung gehört nach § 8 Raumordnungsgesetz zu den grundlegenden kommunalen Pflichtaufgaben. Die Gemeinden haben die Aufgaben, Strukturen von öffentlichem Interesse, wie z.B. Straßen, und zum Teil geförderten Wohnraum vorzuhalten. Da es sich meist um sehr kostenintensive Maßnahmen handelt, unterstützen Bund und Länder 35 Die Bezeichnung variiert zwischen den Kommunen. 36 An diesem Punkt gibt es eine inhaltliche Überschneidung mit der kommunalen Bildungspolitik. 46 die Kommunen bei der Erledigung solcher Aufgaben qua Zuweisungen und Förderprogrammen37. Zu den bedeutendsten Förderprogrammen der Quartiersentwicklung in Deutschland38 gehören die Programme Soziale Stadt (vgl. Stolpe 2003, S. 5) sowie Stadtumbau West für die alten (vgl. Boba 2011, S. 9) und Stadtumbau Ost für die neuen Länder (vgl. Ramsauer 2012, S. 3). Die Rechtsgrundlage der Programme beruht auf Art. 104 GG sowie § 171 BauGB, und sie werden von allen drei staatlichen Ebenen finanziert. Beide Programme haben das Ziel, innerhalb eines Projektzeitraums von fünf bis fünfzehn Jahren ein im kommunalen Kontext 39 benachteiligtes Quartier 40 städtebaulich und sozial besonders zu fördern bzw. aufzuwerten. Dazu gehören z.B. Fassadensanierungen und die Aufwertung des öffentlichen Raumes. In Programmgebieten der Sozialen Stadt, genauso wie in Stadtumbauquartieren, werden Bürger, privatwirtschaftliche Akteure, die Wohnungswirtschaft, öffentliche Einrichtungen und soziale Träger bei der Planung und Umsetzung der städtebaulichen Maßnahmen beteiligt (vgl. BMVBS 2008a, S. 19ff). Im Rahmen des Programms Soziale Stadt wird im Quartier für einen begrenzten Umsetzungszeitraum eine Anlaufstelle für die Einwohner des Quartiers eingerichtet. Diese Anlaufstelle ist ebenso Sitz des lokalen Quartiersmanagements, das in der Regel mit Fachkräften aus dem sozialen und dem raumplanerischen Bereich besetzt ist (vgl. Eickhoff 2006, S. 106)41. Für den Bereich der sozialen Maßnahmen stehen im Programm Soziale Stadt ebenfalls finanzielle Mittel zur Verfügung, um unterschiedliche Projekte im Stadtteil anzustoßen und zu etablieren. 37 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird der Fokus auf den Bereich der Förderprogramme gelegt, da dieser es ermöglicht, auf die Herausforderungen, die urbane Integrationsschleusen mit sich bringen, adäquat zu reagieren. Für den Bereich der Regelförderung von Bund und Ländern zur Stadtentwicklung siehe www.bbsr.bund.de/nn_21972/BBSR/DE/Stadtentwicklung/Staedtebaufoerderung/GrundlagenZieleFinanzierung/gr undlagen__node.html?__nnn=true, abgerufen am 16.11.2012. 38 Beispiele von ähnlichen Projekten wie Soziale Stadt aus England, Frankreich, den Niederlanden und den USA finden sich in Häußermann 2009, S. 151ff. 39 Der Prozess zur Aufnahme als Programmquartier für Soziale Stadt am Beispiel NRW siehe www.sozialestadt.nrw.de/antrag_finanzierung/aufnahme.php, abgerufen am 16.11.2012; für Stadtumbau West am Beispiel NRW siehe www.stadtumbaunrw.de, abgerufen am 16.11.2012; für Stadtumbau Ost am Beispiel Mecklenburg-­‐Vorpommerns siehe http://www.lfi-­‐ mv.de/cms2/LFI_prod/LFI/content/de/Foerderungen/Wohnungsbaufoerderung/_Foerderungen/Stadtumbau_Ost__ Rueckbau/index.jsp?&view=911, abgerufen am 16.11.2012. 40 Die Umsetzung orientiert sich an einem Planungsgebiet und nicht zwingend an politischen Grenzen; vgl. z.B. Stadt Bergheim, www.eg-­‐bm.de, abgerufen am 15.11.2012. 41 Aktuelle Debatte zur Finanzierung des Programms Soziale Stadt siehe sozialestadt2011.wordpress.com, abgerufen am 16.11.2012. 47 Der soziale Aspekt ist bei den Stadtumbauprogrammen nur als freiwilliger Bestandteil vorhanden. Viel eher steht die Bewältigung großer städtebaulicher Herausforderungen, wie z.B. Verwertung von Konvergenzflächen, Umnutzung ehemaliger Industrieareale, Rückbau von Großwohnsiedlungen etc., im Vordergrund (vgl. BMVBS 2008a, S. 26). Gesteuert werden die Stadtumbauprogramme sowie die Programmgebiete der Sozialen Stadt auf der kommunalen Ebene, ämter-­‐ bzw. fachbereichsübergreifend. Diese Querschnittsorganisation wird auch als integriertes Handeln bezeichnet (vgl. ISSAB 2008, S. 5). Da solche integrierten Stadtteilentwicklungsprogramme oftmals in Quartieren umgesetzt werden, in denen die meisten Migranten leben (vgl. Strohmeier 2008, S. 488), sind sie somit besonders relevant, um auf urbane Integrationsschleusen zu reagieren. Dazu sind nicht unbedingt die Programme der Stadt-­‐ und Quartiersentwicklung vonnöten, sondern im Kern das integrierte Handeln aller relevanten Akteure. 2.5 Integriertes kommunales Handeln als Paradigma zum Umgang mit urbanen Integrationsschleusen Die Politikbereiche, die im vorigen Abschnitt behandelt worden sind, machen die Themenvielfalt deutlich, die für die (Kommunal-­‐)Politik mit urbanen Integrationsschleusen einhergehen. Schon jedes Feld für sich ist ein komplexes Segment, und die Abstimmung unter den jeweiligen Fachressorts einer Verwaltung im Rahmen eines Projekts ist bereits eine große Herausforderung, wie Programme der Quartiersentwicklung deutlich machen. Dennoch ist das integrierte Handeln unerlässlich, wenn die Rahmenbedingungen für Migranten während ihrer „Durchlaufzeit“ im Quartier optimal gestaltet werden sollen. Im Verbund können Synergieeffekte erreicht und kumulierte positive Effekte für die Bewohner des Quartiers erzielt werden. Wie Beispiele aus den Programmgebieten zeigen, sind insbesondere diejenigen Projekte erfolgreich, die passgenaue Lösungen und eine klare Output-­‐Orientierung aufweisen. Um auf die Herausforderungen urbaner Integrationsschleusen von kommunalpolitischer Seite aus adäquat eingehen zu können, empfiehlt es sich somit, die vier Bereiche Arbeit, Integration, Bildung und Städtebauintegriert und zielorientiert zu betrachten. 48 Zusammenfassung: Abschnitt 2 • Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zur Förderung von Erwerbstätigkeit im Quartier können durch Output-­‐Orientierung in der Kommunalverwaltung gefördert werden. • In der frühkindlichen Bildung sowie im Bereich der offenen Ganztagsschule haben Kommunen begrenzte inhaltliche Entscheidungskompetenz und können somit bedingt urbane Integrationsschleusen unterstützen. • Insbesondere die Bereiche der Familien-­‐ und Erwachsenenbildung gehen mit einem hohen inhaltlichen Spielraum für die Kommune einher. • Integration findet in der Kommune statt und noch viel eher im Quartier. Dort setzen praktische Integrationsbemühungen an, die von der Kommunalpolitik frei gestaltet werden können. • Stadt-­‐ bzw. Quartiersentwicklung ist sozialräumlich integriertes Handeln, das urbane Integrationsschleusen in ihrer Leistungserbringung unterstützen kann. 49 3 Methodische Untersuchung Nach der vorangegangenen theoretischen Diskussion und Konzeption der urbanen Integrationsschleuse wird zu Beginn des folgenden Abschnitts Mülheim an der Ruhr als Praxisbeispiel vorgestellt. Anschließend werden drei Forschungshypothesen aufgestellt, an denen sich die weitere Arbeit orientiert. Die Dokumentation der Forschungsarbeit 42 in chronologischer und inhaltlich logischer Reihenfolge beginnt mit der Operationalisierung der aufgestellten Forschungsthesen. Daran schließt sich die Vorstellung des vorliegenden Datenmaterials an. Im Zuge der Erläuterung des methodischen Vorgehens wird gleichzeitig dargestellt, welche statistischen Methoden alternativ hätten angewendet werden können und welche Indikatoren ausgewählt wurden, um die Forschungshypothesen zu überprüfen. Nach diesen Vorarbeiten folgt die gesamtstädtische Betrachtung der Stadt Mülheim, um dort eine urbane Integrationsschleuse zu identifizieren. Dieses Gebiet wird im zweiten Forschungsteil in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt. 3.1 Das Praxisbeispiel Mülheim an der Ruhr Mülheim an der Ruhr ist eine Großstadt im mittleren Ruhrgebiet mit knapp 170.000 Einwohnern (vgl. Stadt Mülheim an der Ruhr 2012). Die Wurzeln der Stadtgeschichte reichen bis ins Mittelalter zurück. Geprägt wurde Mülheim in seiner heutigen Form besonders durch die Industrialisierung. Wie in den anderen Ruhrgebietsgroßstädten war auch in Mülheim an der Ruhr die Montanindustrie angesiedelt. Mit dem Zechensterben in der Nachkriegszeit setzte der Strukturwandel ein, der bis heute anhält. Die Stadt hat einen dicht besiedelten Kern, durch den die Ruhr fließt, und ländlichere Stadtrandbezirke. Sozial ist die Stadt in Nord und Süd gespalten (Kersting et.al. 2009, S.143). Im nördlichen Teil der Stadt leben eher Arme, Ausländer und deren Kinder, im Süden eher Reiche ohne Zuwanderungsgeschichte und mit tendenziell wenigen Kindern. Den sozialen Problemen in den nördlichen Gebieten wird mit einer Reihe von Maßnahmen wie z.B. dem Programm Soziale Stadt begegnet. Es gibt insgesamt neun Stadtteile, die durch 27 statistische Bezirke gebildet werden (Stadt Mülheim an der Ruhr 2012). Auf diese Ebene der statistischen Bezirke konzentriert sich die vorliegende Untersuchung. Die räumliche Verortung der statistischen Bezirke zeigt Abbildung 2. 42 Die ethischen Grundsätze nach dem Kodex der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (siehe Anhang 3.1) werden selbstverständlich eingehalten. 50 Abbildung 2: Karte von Mülheim an der Ruhr 51 3.2 Forschungshypothesen und Operationalisierung Um die theoretische Diskussion anhand des Beispiels Mülheim an der Ruhr in der Praxis zu testen, werden im Folgenden drei Forschungshypothesen aufgestellt und unter Berücksichtigung des vorliegenden Materials operationalisiert. 3.2.1 Forschungshypothese I – Urbane Integrationsschleuse In Mülheim an der Ruhr lässt sich ein Gebiet identifizieren, das das Profil einer urbanen Integrationsschleuse aufweist. Dazu gehört, dass sich dort soziale, ethnische und demografische Segregation überlagern und zudem hohe Wanderungsraten auftreten. Operationalisierung: Eine urbane Integrationsschleuse hat vier signifikant zusammenhängende Merkmale: 1.) Einen relativ hohen (prozentualen) Anteil von Erwerbslosen an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter. àPassive Soziale Segregation 2.) Einen relativ hohen (prozentualen) Anteil von Ausländern43 an der Gebietsbevölkerung. àEthnische Segregation 3.) Einen relativ geringen (prozentualen) Anteil von Einwohnern über 65 Jahre. àDemografische Segregation 4.) Einen relativ hohen (prozentualen) Anteil der Einwohner mit einer Wohndauer unter fünf Jahren an der jeweiligen Adresse. àFluktuation o Die urbane Integrationsschleuse weist bei allen vier Indikatoren die höchsten Werte auf. Diejenigen Werte werden als hoch angesehen, die im fünften Quintil der Verteilung liegen44. Dazu wird eigens ein additiver Index gebildet. 43 Der Indikator Ausländeranteil ist im Anhang beschrieben. Insbesondere der Aspekt, wer zur Gruppe der Ausländer zählt, wird dort erläutert (siehe Anhang 3.2). 44 Dies bedeutet allerdings nicht, dass theoretisch nicht auch andere Gebiete eine solche Funktion aufweisen könnten. 52 3.2.2 Forschungshypothese II – Sockelbevölkerung Innerhalb eines Gebiets, das die Funktion einer urbanen Integrationsschleuse innehat, gibt es eine Sockelbevölkerung, die nicht umzieht. Sie fungiert als Brückenkopf und bietet erste Orientierung und Hilfen für die Ankommenden. Operationalisierung: • Die Sockelbevölkerung in der urbanen Integrationsschleuse hat eine Wohndauer von mindestens zehn Jahren an der jeweiligen Adresse. o Ihr Bevölkerungsanteil in der urbanen Integrationsschleuse ist kleiner als ihr Bevölkerungsanteil an der Gesamtstadt. • Der Ausländeranteil der gesamtstädtischen Sockelbevölkerung ist in der urbanen Integrationsschleuse höher als der gesamtstädtische Ausländeranteil. • Der Ausländeranteil der Sockelbevölkerung in der urbanen Integrationsschleuse liegt unter dem Ausländeranteil der Gesamtbevölkerung der urbanen Integrationsschleuse. 3.2.3 Forschungshypothese III – Verteilerfunktion Eine urbane Integrationsschleuse hat eine Verteilerfunktion inne. Es findet sich ein hohes Maß an außer-­‐ und innerstädtischer Zu-­‐ und Abwanderung. Durch innerstädtische Umzüge aus dem Gebiet, das die Rolle einer urbanen Integrationsschleuse innehat, geht für die Mehrzahl der Fortziehenden ein sozialer Aufstieg einher. Operationalisierung: • Die Gruppe der Ankommenden ist dreigeteilt: 1. Bildungswanderer 2. Gering qualifizierte ausländische Zuwanderer oder auch Arbeitsmigranten 3. Sonstige Zuwanderer • Die Verteilerfunktion der urbanen Integrationsschleuse wird anhand der Zu-­‐ und Fortwanderung in den Kategorien 1. „Internationale Zuwanderung“, 2. „Nationale Zuwanderung“, 3. „Regionale Zuwanderung“ 4. „Innerstädtische Abwanderung“ gemessen. o Die Annahme gilt als bestätigt, wenn alle gebietsbezogenen Werte über den gesamtstädtischen Werten liegen. 53 • Die Gruppe der Zuziehenden besteht zu mindestens zwei Drittel aus dem demografischen Mittelbau zwischen 18 und 65 Jahren, unabhängig woher sie zuwandern. • Fortzüge aus dem Gebiet, das im städtischen Kontext die Funktion einer urbanen Integrationsschleuse aufweist, werden in Bezug auf einen zu bildenden Index eingeordnet. o Die Annahme gilt als bestätigt, wenn mehr als 60 Prozent der Fortzüge aus dem Gebiet in ein anderes Gebiet mit einem sozialen Aufstieg verbunden sind. 3.3 Datenbeschreibung und Bestand Die Datengrundlage bilden Lieferungen des Referats V.1 Statistik und Stadtforschung der Stadt Mülheim an der Ruhr. Die Daten stammen aus vier verschiedenen Datensätzen, wie Tabelle 1 zeigt. Für den ersten Forschungsschritt wurden Daten für die innere Raumbeobachtung des Bundesamtes für Siedlungs-­‐ und Raumwesen und die Bestandsdaten 2009 verwendet. Für den zweiten Forschungsschritt wurden Daten aus der internen Bewegungs-­‐und Bestandsstatistik zusammengestellt, die aus datenschutzrechtlichen Gründen nur in aggregierter Form veröffentlich werden dürfen. Das Bestandsjahr der Daten, mit Ausnahme der Wanderungsangaben, ist 2010. Bei Wanderungsangaben wurde das Jahr 2009 hinzugenommen. Aus beiden Jahren wurde ggf. das arithmetische Mittel gebildet, um eventuelle Effekte von Extremereignissen, wie z.B. große Umsiedlungsmaßnahmen aufgrund von Abrisstätigkeiten, abzumildern. Die für die Arbeit geeigneten Indikatoren lassen sich in Anlehnung an die vier Dimensionen der Merkmale der urbanen Integrationsschleuse in vier Kategorien einteilen. Eine ausführliche Liste aller verwendeten Indikatoren und der genannten Kategorisierung, inklusive ihrer Berechnung und beschriebenen Bedeutung, befindet sich im Anhang (vgl. Anhang 3.2). Datensatz Datenstand Bestandsdaten 2009 31.12.2009 Innere Raumbeobachtung (IRB) 31.12.2010 Bewegungsdaten 2009 31.12.2009 Bewegungsdaten 2010 31.12.2010 Tabelle 1: Genutzte Datensätze 54 3.4 Beschreibung der Vorgehensweise Die Untersuchung vollzieht sich in zwei Schritten: zunächst wird das vorhandene Datenmaterial ausgewertet, um die urbane Integrationsschleuse von Mülheim an der Ruhr zu identifizieren. Sollte der erste Schritt zu einem positiven Ergebnis kommen, wird in einem zweiten Schritt die urbane Integrationsschleuse mit ihren prägenden Merkmalen, der Sockelbevölkerung und der Verteilerfunktion, untersucht. 3.4.1 Vorgehensweise des erster Forschungsschritts Der erste Teil des ersten Forschungsschritts wird durch die Diskussion der Daten aller vier Merkmale gestaltet. Dabei wird der Abstand des jeweils größten und jeweils kleinsten Wertes zum Mittelwert gemessen, um einen Eindruck von der Verteilung und eventuellen Extremwerten zu erhalten. Der jeweils größte Wert der Verteilung ist das sog. Maximum (max). Der kleinste Wert der Verteilung ist das sog. Minimum (min). Als Mittelwert wird an dieser Stelle der Median genommen. Der Median teilt die Verteilung in zwei gleichgroße Teile und reagiert somit, im Gegensatz zum arithmetischen Mittel, nicht auf Ausreißer (vgl. Gehring/Weins 2009, S. 123). Der Abstand zum Mittelwert ergibt sich somit als Differenz zwischen Maximum und Median bzw. Minimum und Median. Maximum und Minimum werden als Extremwerte angesehen und durch Hervorhebung kenntlich gemacht. Durch die Visualisierung der Streuung, wie sie im zweiten Teil des ersten Forschungsschritts unternommen wird, können die Verteilung und damit auch die vermuteten Zusammenhänge bildlich dargestellt werden. Somit lassen sich auch Fehlschlüsse für die weitere Arbeit korrigieren oder Vermutungen untermauern. Der dritte Teil des ersten Forschungsschritts bildet die Visualisierung der Verteilung der vier genannten Merkmale auf räumlicher Ebene mittels eines Geografischen Informationssystems (GIS). Auf diese Weise können die Trends, die von den Streudiagrammen angezeigt werden, auch räumlich zugeordnet werden. Dazu bedarf es allerdings einer sinnvollen Einteilung bzw. Klassifizierung der vier Verteilungen. Von daher wird das einfache Verfahren der Klassenbildung anhand der Quintile gewählt. Auf diese Weise werden für jede Verteilung jeweils fünf gleichgroße Gruppen gebildet. Somit erhält jeder statistische Bezirk einen Wert zwischen 1 und 5 pro Merkmalsverteilung. Da ein Zusammenhang zwischen den Merkmalen „Wohndauer unter 5 Jahre“, „Ausländeranteil“, „Arbeitslose an Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahre“ und „Anteil der über 65-­‐Jährigen an der Bevölkerung“ vermutet wird, wird dieser im ersten Forschungsschritt anhand des Korrelationskoeffizienten nach Pearsons (Pearsons r, auch Produkt-­‐Moment-­‐Korrelation 55 genannt) untersucht. Dieses Zusammenhangsmaß eignet sich deswegen, da alle genutzten Variablen metrisch skaliert sind (vgl. Kuckartz et al.2010, S. 200). Die Korrelation berechnet sich aus der Kovarianz (kurz: Cov) und der Standardabweichung (kurz: s) der Variablen, deren Zusammenhang überprüft wird. Durch Pearsons Korrelationskoeffizient kann somit nur der statistische Zusammenhang zwischen zwei Variablen bzw. Wertepaaren gemessen werden (vgl. Kellerer 1960, S. 176). Die Ausprägung variiert zwischen -­‐1 und +1, wobei -­‐1 einen stark negativen Zusammenhang (je mehr, desto weniger) und +1 einen stark positiven Zusammenhang (je mehr, desto mehr) bedeutet. 0 sagt aus, dass es überhaupt keinen statistisch messbaren Zusammenhang zwischen den Variablen gibt (vgl. Kühnel/Krebs2010, S. 401). Allerdings bedeutet eine Korrelation nicht zwingend, dass es einen tatsächlichen inhaltlichen Zusammenhang, also eine Kausalität, gibt. Ein Beispiel dafür wäre, wenn eine höhere Geburtenhäufigkeit positiv mit der Storchenpopulation korreliert. Ein inhaltlicher Zusammenhang ist nicht logisch herzustellen. Die Erklärung für die hohe Korrelation wäre, dass Storche in ländlichen Regionen leben und dort die Fertilitätsrate höher ist. Somit ist eine Korrelation ein Hinweis, der ggf. inhaltlich ausgestaltet oder hinterfragt werden muss, um zweckdienlich zu sein; die Überprüfung geht also von der Korrelation hin zur Kausalität. Im abschließenden Teil des ersten Forschungsschritts werden die Verteilungspunkte pro Bezirk aufaddiert. Beim Arbeitslosenanteil, der Fluktuation und dem Ausländeranteil werden die Punkte steigend zum Anteil vergeben. Das heißt, je höher die Eingruppierung, desto mehr Punkte gibt es. Beim Indikator „Anteil der über 65-­‐Jährigen an der Bevölkerung“ ist es aufgrund der theoretischen Vorüberlegungen anders herum, da eine urbane Integrationsschleuse relativ wenige Senioren beheimatet. Somit werden bei diesem Indikator mit steigendem Anteil weniger Punkte vergeben. Das Ergebnis ist damit ein additiver Index. Durch den Index erhält jeder statistische Bezirk einen Wert zwischen 4 und 20 Punkten. Die statistischen Bezirke werden, geordnet nach den Indexpunkten in fünf gleichgroße Gruppen geteilt und die dadurch gewonnen Gruppen inhaltlich beschrieben. 3.4.2 Vorgehensweise des zweiten Forschungsschritts Im zweiten Forschungsschritt steht das Gebiet der urbanen Integrationsschleuse im Mittelpunkt der Betrachtung. Dazu wird zu Beginn der Bezirk im statistischen Profil vorgestellt 45 . Anschließend wird über den Indikator „Wohndauer ab 10 Jahren an der jeweiligen Adresse“ die Sockelbevölkerung untersucht. Er erfasst die Sockelbevölkerung, da davon ausgegangen werden kann, dass mit einer Wohndauer ab 10 Jahren eine subjektive Identifikation mit dem 45 Statistische Profile aller statistischen Bezirke Mülheims an der Ruhr befinden sich im Anhang 3.3. 56 Wohnquartier besteht und Kontakte zu anderen Bewohnern des Quartiers bereits länger Bestand haben können. Untersucht wird die Sockelbevölkerung anhand der Variable Ausländeranteil. Weiterhin wird die Verteilerfunktion der urbanen Integrationsschleuse anhand der Wanderungsbewegungen hin zum und fort vom statistischen Bezirk betrachtet. Dazu wird zuerst die Zuwanderung in den Kategorien „International“, „National“, „Regional“ und „Innerstädtisch“ untersucht. Die Zu-­‐ und Abwanderer werden anhand der Indikatoren Ausländeranteil und Alter beschrieben. Der abschließende Schritt der Untersuchung ist die Beschreibung und Kategorisierung der innerstädtischen Abwanderungsziele mittels des additiven Index des Forschungsteils 1. Es wird davon ausgegangen, dass durch einen Wohnortwechsel in einen Bezirk, der einer höheren Gruppe angehört, ein sozialer Aufstieg einhergeht. Dies ist allerdings nur ein Hinweis und die Gefahr einer ungültigen Verallgemeinerung ist an dieser Stelle in besonderer Weise gegeben. Abschließend wird ausgezählt, wie hoch der Anteil derjenigen war, der in ein „statushöheres“ Gebiet gezogen ist. 3.4.3 Alternative Möglichkeiten der Vorgehensweise Bei der demografischen Segregation ist der Indikator „Anteil der ab 65-­‐Jährigen“ redundant zu „Anteil der unter 18-­‐Jährigen“. Ersterer schlägt jedoch tendenziell eher bei „reicheren“ Gebieten an, da dort mit einer höheren Wahrscheinlichkeit Bewohner, die jetzt Senioren sind, die Stadt in der Familiengründungsphase nicht verlassen haben, im Gegensatz zu Familien mit mittlerem und hohem Einkommen. Somit kommt es zu keiner Betrachtung, die von vornherein von inhaltlich falschen Umständen ausgeht. Der Indikator „Wohndauer unter 5 Jahre an der jeweiligen Adresse“ wurde deswegen gewählt, weil er einfacher zu kommunizieren ist und zugleich inhaltlich valide ist, was für die Handlungsempfehlungen von großer Bedeutung ist. Zur Datenbeschreibung im zweiten Teil des ersten Forschungsschritts hätte auch das arithmetische Mittel verwendet werden können, was allerdings den Nachteil hat, dass es auf Ausreißer reagiert. Zudem ist das gewählte einfache Verfahren auch für Fachfremde nachvollziehbar. Zur Klassifikation der Gebiete könnten multivariate Analysemethoden herangezogen werden. Statt der Gruppierung nach Quintilen hätten entweder z-­‐Werte zugeordnet werden können oder entsprechend standardisierte Werte mittels Faktorenanalyse. Mit diesen hätte zudem auch eine Clusteranalyse durchgeführt werden können. Da es für die Identifizierung und Untersuchung der urbanen Integrationsschleuse allerdings keine explorativen Methoden (vgl. zur Z-­‐Standardisierung: Kühnel/Krebs 2010, S. 631; Zur Faktorenanalyse: Backhaus et al. 2011, S. 330; Zur Clusteranalyse: Bacher/Pöge/Wenzig 2010, 57 S. 22) benötigt, wird auf multivariate Analysemethoden verzichtet. Im zweiten Forschungsschritt wird das betrachtete Gebiet nur mit der Gesamtstadt verglichen und nicht mit anderen Gebieten Mülheims, was den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen würde, auch wenn es durchaus sinnvoll wäre. Die Sockelbevölkerung könnte auch anhand von armutsbezogenen Daten untersucht werden, um ein klareres Bild ihrer sozialen Situation zu erhalten, was allerdings aufgrund der verfügbaren Daten nicht möglich ist. Der Index der Wanderungsanalyse sollte zudem nach dem adressbezogenen Ziel fragen und die Baublöcke betrachten, die Wanderungsziel sind. Dieses Verfahren wäre zwar sinnvoll, jedoch aufgrund datenschutzrechtlicher Restriktionen, aufgrund zu geringer Fallzahl, nicht zulässig. Der Segregationsindikator „Mietpreis pro Quadratmeter“ konnte nicht verwendet werden, obwohl er für Segregationsprozesse ein zentraler Indikator ist. Leider liegt dieser nicht vor. 3.5 Forschungsteil 1: Ermittlung der urbanen Integrationsschleuse Um die urbane Integrationsschleuse zu ermitteln, werden im Folgenden fünf Schritte unternommen. Erstens werden die Daten der vier Merkmale • Anteil der über 65-­‐Jährigen an der Gesamtbevölkerung, • Ausländeranteil, • Wohndauer unter 5 Jahren der Bevölkerung und • Arbeitslose an Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter auf Ebene der statistischen Bezirke der Stadt Mülheim an der Ruhr betrachtet. Dazu werden die vier Merkmale einzeln anhand des Medians und der Spannweite bzw. Minimal-­‐ und Maximalwerte gesichtet und analysiert. Zudem wird die Streuung der Merkmale paarweise dargestellt. Somit ergibt sich schon ein erster Eindruck, welches Gebiet die Funktion einer urbanen Integrationsschleuse innehaben könnte. Anschließend werden diese auf vier thematischen Stadtkarten geovisualisiert. Daraufhin wird ihr Zusammenhang mittels des Korrelationskoeffizienten von Pearson überprüft. Der letzte Forschungsschritt des ersten Teils ist die Klassifizierung der urbanen Integrationsschleuse in Mülheim an der Ruhr anhand eines additiven Verfahrens. Zuletzt werden die Gebiete mittels ihrer Indexwerte klassifiziert. 58 3.5.1 Datenüberblick Der erste Schritt zur Ermittlung einer urbanen Integrationsschleuse ist die differenzierte Betrachtung der vorliegenden Daten. Beim ersten Indikator, „Arbeitslose an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter“, zeigt sich eine Spannweite von 15,13 Prozent, die von 0,98 Prozent in Holthausen-­‐Südost bis zu 16,10 Prozent in Altstadt II Südwest reicht. Der Median der Verteilung beträgt 6,81 Prozent. Insbesondere der Wert von Altstadt II Südwest ist sehr auffällig. Beim zweiten Indikator, dem „Ausländeranteil“, beträgt die Spannweite 31,50 Prozent. Dabei ist der kleinste Wert mit 2,12 Prozent in Holthausen-­‐Südost zu finden und der größte in Altstadt II Südwest mit 33,65 Prozent. Der Median der Verteilung beträgt 8,93 Prozent. Somit ist, wie beim ersten Indikator, Altstadt II Südwest das Gebiet mit einem Extremwert, der auf eine urbane Integrationsschleuse hinweist. Der demografische Indikator, „Anteil der Bevölkerung ab 65 Jahre“, weist eine Spannweite von 15,60 Prozentpunkten auf. Der geringste Wert findet sich mit 17,36 Prozent in Altstadt II Südwest, der größte in Holthausen-­‐Südost mit 32,96 Prozent. Der Median liegt bei 24,33 Prozent. Der Fluktuationsindikator „Wohndauer unter 5 Jahren“ hingegen zeigt wieder ein relativ breit gestreutes Feld. Die Spannweite beträgt 28,01 Prozent. Die beiden Enden der Streuung bilden Holthausen-­‐Südost mit 21,23 Prozent als kleinster und Altstadt I Stadtmitte mit 49,24 Prozent als größter Wert. Der Median der Verteilung beträgt 31,53 Prozent. 59 Arbeitslose an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter Ausländer-­‐ Bevölkerung anteil ab 65 Jahre Altstadt I Nordost 8,43% 10,24% 25,95% 33,80% Altstadt I Stadtmitte 13,00% 29,84% 19,63% 49,24% Altstadt I Südost 10,65% 16,30% 25,46% 40,80% Altstadt I Südwest 5,11% 7,91% 28,33% 42,42% Altstadt II Nord 6,81% 8,97% 24,62% 28,19% Altstadt II Nordost 8,11% 11,46% 23,45% 30,50% Altstadt II Südost 11,74% 19,00% 19,43% 44,00% Altstadt II Südwest 16,10% 33,65% 17,36% 45,04% Broich-­‐Ost 8,89% 9,22% 25,23% 32,13% Broich-­‐West + Waldgebiet 5,62% 7,11% 25,18% 32,05% Dümpten-­‐Ost 7,87% 8,93% 23,57% 26,24% Dümpten-­‐West 7,40% 9,93% 24,40% 33,99% Heißen-­‐Mitte 7,54% 8,68% 22,33% 30,06% Heißen-­‐Nord 3,20% 3,90% 22,20% 24,56% Heißen-­‐Süd 4,71% 4,21% 25,68% 25,56% Holthausen-­‐Nord 2,57% 3,66% 24,25% 25,55% Holthausen-­‐ Südost 0,98% 2,12% 32,96% 21,23% Holthausen-­‐West 2,72% 4,42% 22,83% 30,51% Menden und Ickten 1,64% 2,34% 31,06% 31,93% Saarn-­‐Mitte 4,99% 6,34% 21,81% 30,25% Saarn-­‐Süd 3,21% 2,55% 25,53% 30,52% Saarn-­‐West 2,50% 3,11% 27,49% 24,11% Speldorf-­‐Nordost 7,59% 10,68% 24,33% 35,05% Speldorf-­‐ Nordwest 2,99% 13,78% 21,23% 34,96% Speldorf-­‐Süd 3,57% 4,36% 28,03% 26,48% Styrum-­‐Nord 8,87% 15,41% 19,67% 34,22% Styrum-­‐Süd 9,52% 24,36% 18,18% 31,85% Wohndauer unter 5 Jahre Tabelle 2: Daten der Indikatoren „Arbeitslose an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter“, „Ausländeranteil“,„Bevölkerung ab 65 Jahre“ und „Wohndauer unter 5 Jahre“ in Mülheim an der Ruhr auf Ebene der statistischen Bezirke 60 Aus der Aufstellung wird deutlich, dass bei drei der vier betrachteten Merkmale derselbe Stadtteil, Altstadt II Südwest, die höchsten Werte erzielt. Zudem sind bei diesem Stadtteil bei zwei betrachteten Merkmalen auch die Spitzenwerte relative Extremwerte, wenn man den Median als Lagemaß nimmt. Ein erster Schritt deutet also auf das statistische Viertel Altstadt II Südwest als urbane Integrationsschleuse hin. Zur Visualisierung der Verteilung und Überprüfung der Interpretation wird die Verteilung im Folgenden anhand zweier Streudiagramme visualisiert. 3.5.2 Untersuchung der Verteilung – Streudiagramme Das erste Streudiagramm zeigt die Streuung der Merkmale „Anteil der über 65-­‐Jährigen an der Bevölkerung“ und „Ausländeranteil an der Bevölkerung“ auf Ebene der statistischen Bezirke. Abbildung 3: Streudiagramm Bevölkerungsanteil der über 65-­‐Jährigen und Ausländeranteil 61 Das zweite Streudiagramm zeigt die Streuung der beiden Merkmale „Wohndauer unter 5 Jahren“ der Bevölkerung und „Anteil der Arbeitslosen an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter“. Abbildung 4: Streudiagramm „Bevölkerung ab 18 Jahren mit einer Wohndauer unter 5 Jahren“ und „Arbeitslose an der Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahre“ in Mülheim an der Ruhr auf Ebene der statistischen Bezirke Durch die Streudiagramme wird das Ausmaß des Zusammenhangs der Merkmale in der Verteilung auch visuell deutlich. Zudem bestätigt sich der Trend zunehmend, dass es sich beim statistischen Bezirk Altstadt II Südwest um eine urbane Integrationsschleuse handelt, da sie bei beiden Streudiagrammen das auffälligste Gebiet ist. Beim ersten der beiden Streudiagramme liefert es den Spitzenwert der deutlichen Ausreißer und bestätigt das Bild, das sich bei der Datenuntersuchung bereits ergeben hat. Auch beim zweiten Streudiagramm zeigt sich, dass es sich mit Altstadt I Stadtmitte um den Spitzenwert handelt. Somit ergibt sich ein offensichtlicher Trend, der jedoch bislang nicht abschließend bestätigt werden kann. Es kann ebenso der Fall sein, dass es sich bei Altstadt I Stadtmitte und Altstadt II Südwest jeweils um eine urbane Integrationsschleuse handelt, insbesondere wenn diese direkt 62 aneinandergrenzen. Es wird jedoch weiterhin davon ausgegangen, dass es auf der Ebene der statistischen Bezirke in Mülheim an der Ruhr nur eine urbane Integrationsschleuse gibt. Um den räumlichen Zusammenhang zu untersuchen und ob es sich bei Altstadt II Südwest um die urbane Integrationsschleuse handelt, wird die Verteilung auf vier thematischen Karten visualisiert. 3.5.3 Untersuchung der Verteilung – GIS Die Verteilung wird mittels georeferenzierter Daten auf Ebene der statistischen Bezirke von Mülheim an der Ruhr visualisiert. Dazu wurden für jede Karte bzw. für jeden verwendeten Indikator fünf gleich große Gruppen gebildet. Die Grenzwerte für die Gruppen orientieren sich demnach am 20., 40., 60. und 80. Perzentil der Verteilung. 63 Abbildung 5: Karte Anteil der ab 65 Jährigen an der Bevölkerung in Mülheim an der Ruhr 64 Abbildung 6: Karte Anteil Bevölkerung ab 18 Jahre mit einer Wohndauer unter 5 Jahre in Mülheim an der Ruhr 65 Abbildung 7: Ausländeranteil in Mülheim an der Ruhr 66 Abbildung 8: Karte Arbeitslosenanteil an der Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahre in Mülheim an der Ruhr Es zeigt sich, dass es bei allen Karten einen deutlichen Unterschied zwischen Stadtmitte und Stadtrandgebiet gibt. Die einzige relative Ausnahme bildet die Karte des Indikators „Anteil der über 65-­‐Jährigen an der Bevölkerung“. Dort weist die Innenstadt anteilig mehr Einwohner im Rentenalter auf als die unmittelbar nördlich angrenzenden Gebiete, die in allen anderen Verteilungen gemeinsam die Spitzengruppe bilden. Es zeigen sich somit zwei Trends: Zum einen sind die innenstädtischen Gebiete Wohnorte von Einwohnern, die von passiver Segregation 67 betroffen sind, und zum anderen leben in Altstadt I Stadtmitte deutlich mehr Rentner als in Altstadt II Südwest, was gegen den Charakter einer urbanen Integrationsschleuse spricht. 3.5.4 Statistische Zusammenhangsuntersuchung mittels Pearsons Korrelationskoeffizient Um einen Zusammenhang zwischen den vier genannten Merkmalen zu untersuchen, werden diese anhand des Zusammenhangsmaßes Pearsons r beleuchtet. Dieses Zusammenhangsmaß kann nur bei metrischen Variablen eingesetzt werden und nimmt einen Wert zwischen -­‐1 und +1 an, wobei -­‐1 einen sehr starken negativen Zusammenhang (je mehr, desto weniger) angibt, 0 gar keinen Zusammenhang und +1 einen sehr starken positiven Zusammenhang (je mehr, desto mehr). Arbeitslose an der Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahre Anteil der Bevölkerung über 65 Jahre 0,777** 0,740** -­‐0,472* 0,777** 1 0,889** -­‐0,735** Arbeitslose an der Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahre 0,740** 0,889** 1 -­‐0,664** Anteil der Bevölkerung über 65 Jahre -­‐0,472* -­‐0,735** -­‐0,664** 1 Wohndauer unter 5 Jahre Ausländer-­‐ anteil Wohndauer unter 5 Jahre 1 Ausländer-­‐ anteil * = beidseitige Signifikanz von 0,5 ** = beidseitige Signifikanz von 0,1 Abbildung 9: Korrelationsmatrix der Merkmale „Wohndauer unter 5 Jahre“, „Ausländeranteil“, „Arbeitslose an der Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahre“ und „Anteil der Bevölkerung über 65 Jahre“ auf Ebene der statistischen Bezirke von Mülheim an der Ruhr zum Messzeitpunkt 31.12.2012 Es zeigt sich, dass alle Indikatoren eindeutig miteinander korrelieren: die Wohndauer unter 5 Jahren an der jeweiligen Adresse zu +0,77 mit dem Ausländeranteil und zu +0,74 mit dem Anteil der Arbeitslosen an der Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahre sowie mit -­‐0,47 mit dem Anteil der über 65-­‐Jährigen an der Bevölkerung. Zudem korrelieren der Indikator „Arbeitslose 68 an der Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahre mit +0,89 mit dem Ausländeranteil. Der Ausländeranteil korreliert mit -­‐0,74 negativ mit dem Anteil der über 65 Jährigen. Dieser wiederum korreliert auch negativ mit -­‐0,66 mit dem Anteil der Arbeitslosen an der Bevölkerung. Alle Korrelationen sind hochsignifikant. Das bedeutet, dass da, wo die Fluktuation am höchsten ist, auch die meisten Ausländer leben, die meisten Armen bzw. Arbeitslosen sowie die wenigsten Einwohner im Rentenalter. 3.5.5 Klassifikation der urbanen Integrationsschleuse Zur abschließenden Klassifikation der urbanen Integrationsschleuse wird ein einfaches additives Verfahren verwendet. Dazu werden die Daten, die die fünf gleich großen Gruppen beinhalten, gruppiert. Das heißt, dass die Gruppe im 1. Quintil der Verteilung den Wert 1 zugeordnet bekommt, im 2. Quintil den Wert 2, im 3. Quintil den Wert 3, im 4. Quintil den Wert 4 und im 5. Quintil der Verteilung den Wert 5. Somit erhält jedes Gebiet für jedes der vier untersuchten Merkmale einen Wert zwischen 1 und 5. Diese Werte werden dann pro statistischem Bezirk addiert. Somit ergibt sich ein fiktiver Minimalwert von 4 (1+1+1+1=4) und ein fiktiver Höchstwert von 20 (5+5+5+5=20). Die Ergebnisse sind in folgender Tabelle zusammengefasst: 69 Tabelle 3: Indextabelle zur Identifizierung der urbanen Integrationsschleuse in Mülheim an der Ruhr 70 Nur ein statistischer Bezirk erreicht den Spitzenwert von 20 Indexpunkten. Es ist, wie der erste Trend bereits vermuten ließ, Altstadt II Südwest. Für die weitere Arbeit wird dieses Gebiet differenzierter betrachtet. Allerdings muss auch dieses Gebiet im Kontext mit den anderen Gebieten Mülheims untersucht werden. Daher werden die statistischen Bezirke nach den Quintilen der Indexpunkte kurz typisiert46. Beschreibung der quintilsangehörigen Gebieten Gruppe 1 (4 bis 8 Punkte) Die statistischen Bezirke Mülheims der Gruppe 1 sind an den südlichen und westlichen Stadträndern zu finden. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass dort eher Reiche, Alte und wenige Ausländer leben. Sie bilden, bildlich gesprochen, die „Oberstadt“. Gruppe 2 (9 und 10 Punkte) Die Gebiete der Gruppe 2 sind in den Innenstadtrandgebieten verortet. Sie sind zwar nicht im selben Ausmaß als „Oberstadt“ anzusehen, doch sind sie eher Wohnorte von ökonomisch und sozial Bessergestellten mit tendenziell weniger Kindern. Gruppe 3 (11 bis 13 Punkte) Die statistischen Bezirke der Gruppe 3 bieten ein heterogenes Bild. Einige von ihnen liegen an den Stadträndern, andere in den innenstadtnahen Bereichen. Ihre Sozialstruktur ist ebenfalls heterogen, und somit ist die Gesamtgruppe 3 eher unauffällig. In Bezirken, die dieser Gruppe angehören, leben eher Angehörige der gesellschaftlichen Mittelschicht. Gruppe 4 (14 Punkte) Die statistischen Bezirke der Gruppe 4 liegen, mit einer Ausnahme, alle im östlichen Teil der Stadt und vermehrt an den Stadtrandbereichen. Dort finden sich eine Reihe von sozial belasteten Haushalten, allerdings auch zahlreiche mittelständische Haushalte. Somit kann von einer sozialen Mischung der Gebiete der Gruppe 4 gesprochen werden, auch wenn es deutliche Anzeichen sozialer Belastung gibt. Gruppe 5 (15 bis 20 Punkte) Statistische Bezirke, die der Gruppe 5 angehören, liegen allesamt im nördlichen Teil der Stadt und ziehen sich von der Innenstadt bis an den nördlichen Stadtrand. Dort finden sich eine Reihe von sozial belasteten Haushalten, wenige Alte (viele Kinder) und die meisten Ausländer. Die urbane Integrationsschleuse Mülheims, Altstadt II Südwest, ist Teil dieser Gruppe. Man kann die Gruppe 5, bildlich gesprochen, als „Unterstadt“ bezeichnen. Abbildung 10: Beschreibung der Quintilsgruppen 46 In den Fällen, in denen die Quintilsgruppengrenze zwei Fälle mit derselben Indexpunktezahl zwei unterschiedlichen Quintilen zugeordnet hat, wurde dieser inhaltliche Fehler händisch korrigiert. 71 3.6 Forschungsteil 2: Untersuchung der urbanen Integrationsschleuse Das statistische Gebiet Altstadt II Südwest wurde eindeutig als urbane Integrationsschleuse identifiziert und wird daher im zweiten Teil der Untersuchung in den Mittelpunkt gestellt. Dazu wird das Gebiet zu Beginn anhand einschlägiger Daten und Grafiken beschrieben. In einem zweiten Schritt wird die Sockelbevölkerung, wie in der Forschungshypothese 2 erläutert, betrachtet. Um die Verteilerfunktion des Bezirks zu untersuchen, wird als Drittes mittels deskriptiver Verfahren eine Wanderungsanalyse vorgenommen. Den Abschluss bildet eine Kategorisierung der innerstädtischen Wanderungsziele. 3.6.1 Gebietsprofil Altstadt II Südwest Der statistische Bezirk Altstadt IISüdwest wird anhand einschlägiger Eckdaten, des demografischen Aufbaus, der ethnischen Zusammensetzung, der vorhandenen Flächen, ausgewählter Sozialindikatoren, Fluktuationsklassen und der Anteile der unterschiedlichen Wohngebäudetypen an allen Wohngebäuden beschrieben. 3.6.1.1 Eckdaten Altstadt II Südwest Mülheim an der Ruhr 6.217 164.895 3,77% 100% 40 Jahre 46 Jahre Größte Ausländergruppe: Türken Türken Ausländeranteil: 33,65% 10,63% 639 7.264 16,10% 7,21% Fläche in ha: 279,79 9129 Anteil der Fläche: 3,06% 100% Innerstädtische Zuwanderung: 611 / Außerstädtische Zuwanderung: 431 6745 Innerstädtische Abwanderung: 682 / Außerstädtische Abwanderung: 271 5797 Einwohner: Anteil an allen Einwohnern: Medianalter: Arbeitslose: Arbeitslosenquote: Tabelle 4: Eckdaten des statistischen Bezirks Altstadt II Südwest und der Gesamtstadt Mülheim an der Ruhr 72 Der statistische Bezirk Altstadt II Südwest ist Teil des Stadtteils Eppinghoven und liegt am nördlichen Rand der Mülheimer Innenstadt. Die größte Ausländerpopulation des Bezirks sind, wie in der Gesamtstadt, die türkischstämmigen Zuwanderer. Ausländer sind hier Einwohner mit einer nichtdeutschen Staatsbürgerschaft. Die Arbeitslosigkeit und damit die vermutete Armut im Bezirk liegt weit über dem gesamtstädtischen Wert. Das Wanderungssaldo der Wanderungsbewegungen über die Stadtgrenze ist positiv, d.h. es liegen Wanderungsgewinne vor. Das innerstädtische Wanderungssaldo dagegen ist negativ, d.h. innerstädtisch liegen Wanderungsverluste vor. 3.6.1.2 Demografisches Profil Abbildung 11: Demografisches Profil des statistischen Bezirks Altstadt II Südwest und der Gesamtstadt Mülheim an der Ruhr (eigene Darstellung) Beim statistischen Bezirk Altstadt II Südwest handelt es sich um einen relativ jungen Stadtteil im Mülheimer Norden der Innenstadt. Das Medianalter liegt 6 Jahre unter dem gesamtstädtischen. Dort leben auffällig viele Menschen im erwerbsfähigen Alter, d.h. zwischen 18 und 65 Jahren. Besonders auffällig ist, dass zudem relativ wenige über 65-­‐Jährige in dem statistischen Bezirk leben. Der Anteil der Kinder liegt über dem gesamtstädtischen Niveau. 73 3.6.1.3 Ethnisches Profil Abbildung 12: Ethnisches Profil des statistischen Bezirks Altstadt II Südwest und der Gesamtstadt Mülheim an der Ruhr (eigene Darstellung) Die größte Ausländergruppe im statistischen Bezirk Altstadt II Südwest sind Türken. Sie bilden auch die größte Ausländergruppe in der Gesamtstadt. Danach folgen die beiden ethnischen Gruppen Amerikaner und asiatische GUS-­‐Migranten, jedoch jeweils mit großem Abstand zur größten Ausländergruppe47. Somit gibt es eine dominante Ausländergruppe im Bezirk und weitere anteilsmäßig kleinere ethnische Gruppen. Der Ausländeranteil im Bezirk liegt mit 33,65 Prozent weit über dem gesamtstädtischen von 10,63 Prozent und ist zudem der höchste Wert aller statistischen Bezirke. 47 Der Anteil der EU-­‐Ausländer beinhaltet weitere aufgeführte Ausländergruppen und wird aus diesem Grund inhaltlich nicht beachtet, der Vollständigkeit halber allerdings mit aufgeführt. 74 3.6.1.4 Flächenprofil Abbildung 13: Flächenprofil des statistischen Bezirks Altstadt II Südwest und der Gesamtstadt Mülheim an der Ruhr (eigene Darstellung) Altstadt II Südwest ist ein sehr dicht bebautes Wohngebiet, fast ohne Erholungsflächen. Die Ruhr streift das Gebiet, was den Anteil der Wasserfläche erklärt. Verkehrsflächen weisen mit gut 18 Prozent Anteil die zweitgrößte Flächennutzung auf. Vereinzelt finden sich in diesem Bezirk auch Betriebe bzw. Betriebsflächen. Ein Vergleich mit der Gesamtstadt ist aufgrund der mangelnden inhaltlichen Vergleichbarkeit der Flächenprofile nicht zielführend. 75 3.6.1.5 Soziales Profil Abbildung 14: Soziales Profil des statischen Bezirks Altstadt II Südwest und der Gesamtstadt Mülheim an der Ruhr (eigene Darstellung) Im statistischen Bezirk Altstadt II Südwest leben im Vergleich zum städtischen Durchschnitt sehr viele Arbeitslose. Der Anteil der Haushalte an allen Haushalten mit Kindern ist mit fast 25 Prozent ebenso als sehr hoch anzusehen. In etwa jedem fünften Haushalt in diesem Gebiet lebt mindestens ein Kind. In diesem Bezirk ist somit die Wahrscheinlichkeit, dass mehrere soziale Probleme gleichzeitig auftreten relativ hoch. 76 3.6.1.6 Wanderungsprofil Abbildung 15: Wanderungsprofil des statistischen Bezirks Altstadt II Südwest und der Gesamtstadt Mülheim an der Ruhr (eigene Darstellung) Die Fluktuation im statistischen Bezirk Altstadt II Südwest ist relativ hoch. Mehr als ein Fünftel der Bevölkerung wechselt rechnerisch innerhalb der ersten drei Jahre mindestens einmal die Adresse, mehr als die Hälfte binnen zehn Jahren. Insbesondere die Wohndauer unter 3 Jahren ist überdurchschnittlich hoch. Dies spricht dafür, den Bezirk als Durchgangsstation anzusehen. Gleichzeitig deutet es darauf hin, dass die Herausbildung tragfähiger informeller nachbarschaftlicher Beziehungen relativ schwierig sein könnte. Jedoch gibt es offensichtlich auch einen Anteil der Bevölkerung, der nicht häufig umzieht, also sozial im Bezirk „verwurzelt“ ist. Die Fluktuation nimmt, auch im Vergleich zu den gesamtstädtischen Werten, mit zunehmender Wohndauer ab. 77 3.6.2 Untersuchung der Sockelbevölkerung Eine urbane Integrationsschleuse ist geprägt von hoher Fluktuation, wie schon der erste Forschungsschritt gezeigt hat. Für den Integrationsprozess, insbesondere für Migranten, ist es wichtig, einen ersten Anlaufpunkt und Bekanntschaften in der neuen Umgebung zu haben. Dabei helfen verwandtschaftliche und soziale Netzwerke, die das Ankommen begleiten. Es ist also hilfreich, eine Art Brückenkopf im Quartier zu haben: Menschen, die zur selben sozialen Gruppe gehören, z.B. türkischstämmige Einwanderer, die sich vor Ort auskennen und dort bereits verwurzelt sind. Besonders unterstützend ist es, wenn sie selbst Arbeits-­‐ und Wohnmöglichkeiten zur Verfügung stellen können. Durch Rat und informelle Hilfeleistungen geben sie den Neuankömmlingen Orientierung und sozialen Halt. Zu messen ist die Sockelbevölkerung durch die Wohndauer, die in diesem ansonsten sehr von Fluktuation geprägten Gebiet mehr als 10 Jahre beträgt. Mit dem vorliegenden Material wird außerdem der Ausländeranteil der Sockelbevölkerung sichtbar. Abbildung 16: Sockelbevölkerung – Bevölkerungs-­‐ und Ausländeranteil (eigene Darstellung) Die Sockelbevölkerung der urbanen Integrationsschleuse Altstadt II Südwest ist deutlich kleiner als die der gesamtstädtischen Bevölkerung. Jeder zweite Mülheimer hat eine Verweildauer von mindestens 10 Jahren an derselben Adresse, in der urbanen Integrationsschleuse nur jeder Dritte. Der Ausländeranteil derjenigen, die seit 10 Jahren und mehr an derselben Adresse leben, beträgt auf der gesamtstädtischen Ebene gut 5 Prozentpunkte. In Altstadt II Südwest ist er mit gut 20 Prozentpunkten viermal so hoch. 78 Im Vergleich ist der Ausländeranteil der Gesamtstadt fünf Prozentpunkte höher als jener der gesamtstädtischen Sockelbevölkerung. In Altstadt II Südwest ist der Ausländeranteil 15 Prozentpunkte höher als der der Sockelbevölkerung allein, was die Wahrscheinlichkeit informeller ethnischer Netzwerke erhöht. Abbildung 17: Karte der Sockelbevölkerung 79 3.6.3 Untersuchung der Wanderungen Mobilität als urbanes Merkmal ist in unterschiedlicher Form zu begreifen. Alltägliche Mobilität umfasst z.B. die Entfernung vom Wohnort zum Arbeitsplatz, die zurückgelegt werden muss. Zudem gibt es auch Mobilität durch Wanderung, die sich in Form von Zu-­‐ und Fortzügen niederschlägt. Im Kontext städtischer Integration ist es zumal interessant,welches die Wanderungsquell-­‐ und Wanderungszielgebiete sind. Hierbei ist in internationale, nationale, regionale, innerstädtische und Binnenbezirks-­‐Zu-­‐ und Fortwanderung zu unterscheiden, wie die folgende Übersicht in Bezug auf die vorliegende Arbeit beschreibt: Wanderungsart Quell-­‐ oder Zielgebiet International Außerhalb Deutschland National Innerhalb Deutschland; außerhalb von NRW Regional Innerhalb von NRW; außerhalb von Mülheim an der Ruhr Innerstädtisch Innerhalb von Mülheim an der Ruhr; außerhalb Altstadt II Südwest Innerbezirk Innerhalb von Altstadt II Südwest Tabelle 5: Wanderungsart und Erläuterung zum Quell-­‐ und Zielgebiet Da erwartet wird, dass die urbane Integrationsschleuse eine Art „Verteilerfunktion“ innehat, wird diese anhand der einschlägigen vier Wanderungskategorien „Internationale Zuwanderung“, „Nationale Zuwanderung“, „Regionale Zuwanderung“ und „Innerstädtische Abwanderung“ untersucht. Dazu werden die einzelnen Werte in Relation zur Gesamtbevölkerung des betrachteten Gebiets gesetzt. 80 Abbildung 18: Verteilerfunktion – Altstadt II-­‐Südwest und Mülheim an der Ruhr (eigene Darstellung) Der grafischen Darstellung ist klar zu entnehmen, dass alle Werte von Altstadt II Südwest über dem gesamtstädtischen Mittel liegen, was für eine Verteilerfunktion dieses Quartiers spricht. Bei der differenzierten Betrachtung der vier Gruppen fällt auf, dass die internationale Zuwanderung zwar mit gut 2 Prozentpunkten relativ gering ist, aber den gesamtstädtischen Wert weit übertrifft. Die Zahl ist dahin gehend zu interpretieren, dass 2,27 Prozent derjenigen, die im Mittel 2009 und 2010 in Altstadt II Südwest gelebt haben, im selben Beobachtungszeitraum dorthin zugezogen sind. Auch bei der Zuwanderung aus Deutschland, ohne Nordrhein-­‐Westfalen, liegt Altstadt II Südwest zwar auf niedrigem Niveau, aber dennoch über dem gesamtstädtischen Wert. Das Niveau der regionalen Zuwanderung in das jeweils betrachtete Gebiet ist in Altstadt II Südwest ebenfalls höher als das gesamtstädtische. 81 Die innerstädtische Abwanderung, d.h. der Anteil derjenigen, die im Betrachtungszeitraum durch Abwanderung und Umzug den statistischen Bezirk verlassen haben, ist bei Altstadt II Südwest auf einem deutlich höheren Niveau als in der Gesamtstadt. Zusammengefasst kann somit gesagt werden, dass verhältnismäßig viele Menschen von außerhalb nach Altstadt II Südwest zuziehen. Ebenso wandern verhältnismäßig viele Menschen von Altstadt II Südwest in einen anderen statistischen Bezirk ab. In allen Bereichen liegen die Werte deutlich über dem städtischen Mittel. Nachdem davon ausgegangen werden kann, dass die Verteilerfunktion gegeben ist, wird nun untersucht, wer „verteilt“ wird. Dazu werden die Zu-­‐ und Fortziehenden des statistischen Bezirks Altstadt II Südwest anhand ihrer Altersgruppe klassifiziert und eingeordnet. Dafür dient folgende Übersicht: Altersgruppe Wanderungsgruppe Unter 18 Jahre Familienwanderung 18 bis 25 Jahre Bildungswanderung 26 bis 35 Jahre Familien-­‐ und/oder Arbeitswanderung 36 bis 65 Jahre Arbeitswanderung Über 65 Jahre Alterswanderung Tabelle 6: Alters-­‐ und Wanderungsgruppen Diese Kategorisierung in Wanderungsgruppen ist ausschließlich theoretischer Art. Die Motive, die zur Wanderung führten, sind nicht flächendeckend durch Befragungen erfasst worden. Vielmehr orientiert sich diese Einteilung an aktuellen Befunden der Demografieforschung (vgl. Bertelsmann Stiftung 2012). Wie groß die Altersgruppe an der jeweiligen Wanderungsgruppe ist, zeigt die folgende Grafik: 82 Abbildung 19: Altersgruppen der wandernden Bevölkerung (eigene Darstellung) Bei den Zuziehenden aus dem Ausland gibt es niemanden, der im Rentenalter zugezogen ist. Die Gruppe der 18-­‐ bis 24-­‐Jährigen ist mit über 40 Prozent eindeutig die größte, gefolgt von fast 40 Prozent der 25-­‐ bis 45-­‐Jährigen. Die Gruppe derjenigen, die aus Deutschland (ohne NRW) in den Bezirk zuwandern, ist ebenfalls jung, dennoch überwiegt der Anteil derjenigen, die zwischen 25 und 45 Jahre alt sind. Die regionale Zuwanderung, d.h. aus NRW, ist ähnlich gestaffelt wie die nationale Zuwanderung. Bei den innerstädtischen Fortzügen liegen die Altersgruppen der unter 18-­‐Jährigen und der 18-­‐ bis 25-­‐Jährigen gleichauf. Die größte Gruppe ist die der 25-­‐ bis 45-­‐ Jährigen. Auch Senioren verlassen den Bezirk, auch wenn sie die kleinste Gruppe der Wandernden bilden. Die Verteilerfunktion der urbanen Integrationsschleuse ist Ausdruck dafür, dass dort die „Platzkarte“ für das Leben in der neuen Umgebung entscheidend mitvergeben wird. Die bisherige Betrachtung hat gezeigt, dass dort die Wanderungsbewegungen auf die Funktion und Rolle einer urbanen Integrationsschleuse hindeuten. Um dies näher zu untersuchen, werden nun die Wanderungsziele der innerstädtischen Abwanderung untersucht. 83 3.6.4 Untersuchung der innerstädtischen Wanderungsziele Um sozialen Aufstieg durch Fortzug und damit die vermutete grundlegende Funktion einer urbanen Integrationsschleuse zu messen, werden die innerstädtischen Wanderungsziele, wenn sie außerhalb von Altstadt II Südwest liegen, betrachtet. Dafür werden die Gruppen aus den Indexwerten aus dem Forschungsschritt I hinzugezogen. Der Anteil derjenigen, die von Altstadt II Südwest, einem Gebiet mit 20 Indexpunkten und Teil der Gruppe 5, in ein Gebiet mit maximal 14 Indexpunkten, also nicht Teil der Gruppe 5, ziehen, wird aufaddiert (siehe Abschnitt 3.3.5), sodass das Ergebnis zeigt, wie hoch der Anteil derjenigen ist, die die urbane Integrationsschleuse verlassen haben und dafür in ein „besseres“ Gebiet gezogen sind. Anteil der Umzüge in ein Gebiet der Gruppen 1 bis 4 Anteil der Umzüge in ein Gebiet mit der Gruppe 5 64,30 % 35,70% Tabelle 7: Anteil der Umzüge in ein Gebiet der Gruppen 1 bis 4 sowie Anteil der Umzüge in ein Gebiet der Gruppe 5 Das Ergebnis des additiven Verfahrens zeigt, dass 64,30 Prozent derjenigen, die im Mittel 2009 und 2010 Altstadt II Südwest verlassen haben, in ein statushöheres Gebiet mit maximal 14 Indexpunkten gezogen sind, was als Zeichen des sozialen Aufstiegs interpretiert werden kann48. 48 Allerdings ist dies nur ein Hinweis und sollte idealerweise auf kleinräumiger Ebene, d.h. Blockdatenebene noch einmal überprüft werden. Sozialer Aufstieg sollte zudem idealerweise mit einer Statusänderung von eventuellen Transferleistungen oder gestiegenen Äquivalenzeinkommen des wandernden Haushaltes gemessen werden, was aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich ist. 84 Zusammenfassung: Abschnitt 3 • Mülheim an der Ruhr ist das Praxisbeispiel, in dem das Konzept der urbanen Integrationsschleuse untersucht wird. • Die erste Forschungshypothese geht davon aus, dass es ein identifizierbares Gebiet gibt, das das Profil einer urbanen Integrationsschleuse im Mülheimer Kontext aufweist. Sie hat die höchsten Werte in den Kategorien Soziale, Demografische und Ethnische Segregation sowie Fluktuation. Zur Untersuchung der ersten Forschungshypothese wurden einschlägige Daten beschrieben, geovisualisiert und ein additiver Index gebildet. Durch ihn konnte Altstadt II Südwest als urbane Integrationsschleuse identifiziert werden. • Die zweite Forschungshypothese geht davon aus, dass es eine Sockelbevölkerung in der urbanen Integrationsschleuse gibt. Diese Teilgruppe hat eine Wohndauer über zehn Jahre. Sie hat einen höheren Ausländeranteil als die der Gesamtstadt und ihr Anteil ist kleiner als der der Gesamtstadt. Zur Untersuchung der Sockelbevölkerung wurde ihr Anteil, in Gegenüberstellung zum gesamtstädtischen Niveau, dargestellt und zudem geovisualisiert. • Die dritte Forschungshypothese geht davon aus, dass es eine höhere Zuwanderung in die urbane Integrationsschleuse gibt und zugleich eine höhere innerstädtische Abwanderung. Mindestens zwei Drittel der innerstädtischen Fortzüge haben Gebiete eines höheren sozialen Status zum Ziel und so kann auf einen sozialen Aufstieg der fortziehenden Bevölkerung geschlossen werden der sich räumlich niederschlägt. Die dritte Forschungshypothese wurde anhand der Wanderungsbewegungen „internationale Zuwanderung“, „nationale Zuwanderung“, „regionale Zuwanderung“ und „innerstädtische Wegzüge“ untersucht. Die Wanderungsziele wurden anhand der Indexwerte zur Überprüfung der ersten Forschungshypothese eingeordnet. 85 4 Auswertung und Übertragung der Forschungsergebnisse auf kommunalpolitische Handlungsfelder Nach der theoretischen Konzeption der urbanen Integrationsschleuse und ihrer empirischen Überprüfung am Praxisbeispiel Mülheim an der Ruhr werden im vierten Abschnitt die Forschungshypothesen den Ergebnissen aus dem dritten Abschnitt gegenübergestellt und inhaltlich interpretiert. Zudem werden die Erkenntnisse in konkrete kommunalpolitische Handlungsempfehlungen übersetzt, die sich an den obengenannten Politikbereichen (siehe Abschnitt 2) orientieren. Jede Handlungsempfehlung wird mit einem Praxisbeispiel veranschaulicht. Auch wenn die genannten Beispiele nicht vorbehaltlos auf andere Kontexte übertragen werden können, zeigen sie dennoch, was mit politischem Willen und Engagement umgesetzt werden kann. Den Abschluss bildet das Fazit, in dem die Ergebnisse dieser Arbeit zusammengetragen werden. Ein Ausblick auf mögliche weiterführende Arbeiten sowie eine Stellungnahme des Autors zum bearbeiteten Thema runden die Ausführungen ab. 4.1 Überprüfung der Forschungshypothesen Zur Überprüfung der eingangs aufgestellten Forschungshypothesen werden diese jeweils inhaltlich wiederholt und mit den Forschungsergebnissen verglichen. Die drei Teilergebnisse werden jeweils inhaltlich erläutert und in den Kontext des Konzepts der urbanen Integrationsschleuse gestellt. 4.1.1 Forschungshypothese 1 – Identifikation der urbanen Integrationsschleuse Inhaltliche Aussage Die Forschungshypothese 1 geht davon aus, dass es ein identifizierbares städtisches Teilgebiet gibt, das die Funktion einer urbanen Integrationsschleuse innehat. Diese weist die höchsten Bevölkerungsanteile auf, die von passiver sozialer, ethnischer und demografischer Segregation betroffen sind. Zudem sind für die urbane Integrationsschleuse Spitzenwerte hinsichtlich der Fluktuationsrate zu verzeichnen (vgl. Abschnitt 3.3.5). Ergebnis der Überprüfung Die Annahme wurde in allen Aspekten bestätigt. Zur Ermittlung wurden fünf Forschungsschritte unternommen, die in einem additiven Index mündeten. Mit diesem Index wurde die urbane Integrationsschleuse Altstadt II Südwest als einzige ihrer Art in Mülheim identifiziert. Das Gebiet 86 erreichte (als einziger statistischer Bezirk) sogar den Spitzenwert von 20 möglichen Indexpunkten. 4.1.2 Forschungshypothese 2 – Untersuchung der Sockelbevölkerung Inhaltliche Aussage Die Forschungshypothese zwei geht davon aus, dass es in der urbanen Integrationsschleuse eine Sockelbevölkerung gibt, die das Ankommen der Zuwanderer organisiert und somit als Brückenkopf für sie fungiert. Ergebnis der Überprüfung Die zweite Forschungshypothese wurde bestätigt. Die Sockelbevölkerung von Altstadt II Südwest ist gut 15 Prozentpunkte kleiner als die Sockelbevölkerung der Gesamtstadt. Bei der differenzierten Betrachtung der Sockelbevölkerung sind zwei weitere Punkte festzustellen: Erstens ist der Ausländeranteil der Sockelbevölkerung höher als der Ausländeranteil derjenigen, die auf gesamtstädtischen Niveau seit mindestens 10 Jahren an der jeweiligen Adresse leben. Zweitens ist der Ausländeranteil der Sockelbevölkerung in Altstadt II Südwest geringer als der Ausländeranteil der gesamten Bevölkerung in Altstadt II Südwest. 4.1.3 Forschungshypothese 3 – Untersuchung der Verteilerfunktion Inhaltliche Aussage Die dritte Forschungshypothese geht davon aus, dass die urbane Integrationsschleuse eine Verteilerfunktion innehat. Die Zuwanderung von außerhalb Mülheims in die urbane Integrationsschleuse liegt in allen drei Kategorien, also internationale, nationale und regionale Zuwanderung, über dem gesamtstädtischen Niveau. Die innerstädtische Abwanderung in einen anderen statistischen Bezirk liegt ebenso über dem gesamtstädtischen Niveau. Zudem deutet das Wanderungsmuster darauf hin, dass zwei Drittel derjenigen, die durch einen innerstädtischen Umzug das Gebiet verlassen, einen sozialen Aufstieg erleben, der sich durch Fortzug in einen ökonomisch und/oder sozial bessergestellten Stadtbezirk ausdrückt. Ergebnis der Überprüfung Die dritte Forschungshypothese ist ebenfalls angenommen. Nach Altstadt II Südwest als urbane Integrationsschleuse ziehen anteilig und bezogen auf die Gesamtstadt mehr Menschen von außerhalb Mülheims zu. Ebenso verlassen auch überdurchschnittlich viele Menschen den Bezirk durch einen innerstädtischen Umzug. Auch die Annahme, dass bei der Mehrheit von mindestens 87 zwei Drittel der Fortziehenden ein sozialer Aufstieg stattgefunden hat, kann angenommen werden, wie die Kategorisierung der innerstädtischen Wanderungsziele zeigt. 4.2 Inhaltliche Interpretation der Forschungsergebnisse Es zeigt sich, dass sich das Konzept der urbanen Integrationsschleuse bestätigt hat. Das ist deswegen bemerkenswert, weil es zeigt, dass ein Stadtgebiet, indem relativ viele von passiver sozialer Segregation betroffene Menschen leben, eine wichtige gesamtstädtische Funktion und Rolle innehaben kann. In der urbanen Integrationsschleuse findet der Integrationsprozess in die neue Umwelt seinen Anfang. Doch sind solche Gebiete keine Blackbox, sondern sie weisen spezielle Charakteristika auf. Eines dieser Charakteristika ist die vorhandene Sockelbevölkerung. In ihrer ethnischen Ausprägung unterscheidet sie sich eindeutig von der gesamtstädtischen Bevölkerung mit einer Wohndauer von mindestens 10 Jahren an der jeweiligen Adresse. Vermutlich sind die ausländischen Bürger mit einer Wohndauer von mindestens 10 Jahren an der jeweiligen Adresse in der urbanen Integrationsschleuse auch diejenigen, die das Ankommen neuer Zuwanderer mitorganisieren. Dafür spricht zum einen, dass sie nach wie vor keine deutschen Staatsbürger sind, obwohl sie seit mindestens 10 Jahren an der gleichen Adresse leben. Dies ist ein Hinweis auf eine bestehende Identifikation mit dem Migrationsquellgebiet49. Zum anderen ist die internationale Zuwanderung in die urbane Integrationsschleuse höher als im gesamtstädtischen Durchschnitt. Aber nicht nur die internationale, sondern auch die nationale und die regionale Zuwanderungsrate sind in der urbanen Integrationsschleuse deutlich überdurchschnittlich hoch. Auch dies spricht für ihre Verteilerfunktion. Für ausländische Zuziehende sowie für Bildungs-­‐ und Arbeitswanderer ist diese Zone der erste Anlaufpunkt. Zudem ziehen ebenfalls Ausländer, die bereits in einer anderen Stadt im Auswanderungsland gelebt haben, sich dort aber nicht sozial oder ökonomisch etablieren konnten, unter Umständen in dieses Gebiet. Auch Wanderung aufgrund von Familiengründung, z.B. durch Geburt eines Kindes, ist zu berücksichtigen. Weiterhin ist zu vermuten, dass es in diesem Gebiet relativ unkompliziert und für Ausländer ohne Diskriminierung möglich ist, Wohnraum zu mieten. Das alles macht die urbane Integrationsschleuse zugleich auch zum urbanen Experimentierfeld für Neues in der Stadt, und sie ist somit von Interesse für die kreative Klasse und Studierende. Zwar ist Mülheim an der Ruhr keine klassische Universitätsstadt, doch liegen die Universitäten 49 Dies könnte auch als Zeichen dafür interpretiert werden, dass Menschen trotz langer Wohndauer im Zuzugsland die Staatsbürgerschaft verwehrt wird. 88 Duisburg-­‐Essen, Bochum, Düsseldorf und Dortmund nicht weit entfernt. Dazu kommen noch Fachhochschulen, u.a. auch in Mülheim an der Ruhr selbst. Außerdem ist davon auszugehen, dass die Wohnungen im betrachteten Gebiet in einem relativ schlechten Zustand sind, was sich wiederum auf die Miethöhe auswirken kann. Dadurch wird das Wohnen dort für Studierende, Arbeitssuchende und Künstler nicht nur interessant, sondern auch finanzierbar. Die urbane Integrationsschleuse ist somit nicht nur ein Ort der Integration für Ausländer, sondern ebenso für weitere Zuwanderergruppen wie Arbeits-­‐ und Bildungswanderer. Durch die beobachtete relativ geringe Wohndauer an der jeweiligen Adresse und die innerstädtische Fortzugsrate hat sich zudem die Vermutung der Verteilerfunktion der urbanen Integrationsschleuse bestätigt. Knapp zwei Drittel derjenigen, die im Beobachtungszeitraum den statistischen Bezirk dieser Untersuchung verlassen haben, sind in einen Bezirk gezogen, der ein sozial besseres Profil aufweist. Das bedeutet aber ebenfalls, dass ein Drittel in einen Bezirk fortgezogen ist, der vermutlich eine gleich hohe Anzahl sozial schwächerer Haushalte beheimatet. 4.3 Kommunalpolitische Handlungsempfehlungen Urbane Integrationsschleusen bringen für kommunale Entscheidungsträger eine Reihe von Herausforderungen mit sich. Um ihnen gerecht zu werden und die Funktion solcher Stadtgebiete zu unterstützen, bedarf es passgenauer Lösungen vor Ort. Der Umgang mit urbanen Integrationsschleusen ist primär Aufgabe der kommunalen Ebene. Folgende Punkte können dabei einen adäquaten Umgang mit solchen Gebieten erschweren: • Politische Entscheidungen für urbane Integrationsschleusen wirken sich zumeist in längeren Zeiträumen aus als innerhalb einer Wahlperiode. Somit ist es für politische Akteure relativ unattraktiv, ein erhöhtes Engagement für diese Gebiete aufzubringen. • In urbanen Integrationsschleusen leben relativ wenige stimmberechtigte Bürger, was zu einer mangelnden Artikulation politischer Interessen führt. • Einige Kommunen (insbesondere im Ruhrgebiet und in strukturschwachen Regionen) haben finanzielle Probleme, sodass teure Projekte von der Kommune nicht allein finanziert werden können. • Durch eine Unterstützung der Schleusenfunktion werden keine raumbezogenen messbaren Verbesserungen erreicht, da Bewohner, die einen sozialen Aufstieg erleben, das Gebiet wieder verlassen und durch weitere „Arme“ wieder „ersetzt“ werden. Somit ist eine öffentliche Präsentation von Erfolgen nicht breitenwirksam möglich. 89 Für Mülheim an der Ruhr werden im Folgenden in vier Handlungsfeldern konkrete Handlungsempfehlungen abgegeben und mit Praxisbeispielen verdeutlicht. Dabei steht der statistische Bezirk Altstadt II Südwest im Fokus der Betrachtung. Das bedeutet jedoch nicht, dass Entwicklungen auf gesamtstädtischer Ebene keine Rolle für dieses Quartier spielen können. Die vorgeschlagenen Handlungsempfehlungen machen, aus praktischer Sicht, die Bandbreite der miteinander verknüpften Themen deutlich. Zudem wird durch die Übertragung der Forschungsergebnisse in konkrete Handlungsempfehlungen die Aktualität des Themas sichtbar. 4.3.1 Handlungsfeld 1: Beschäftigungs-­‐ und Wirtschaftsförderung Dem Handlungsfeld Wirtschafts-­‐ und Beschäftigungsförderung wird die größte Bedeutung beigemessen, da davon ausgegangen wird, dass Integration primär über den Arbeitsmarkt erreicht wird. Durch Arbeit wird ökonomisches Kapital erwirtschaftet, das erst die soziale und ökonomische Teilhabe an der Mehrheitsgesellschaft ermöglicht. Arbeitsmarktpolitik ist keine originäre Aufgabe der Kommune und wird, mit Ausnahme der Aufgabenerfüllung als Optionskommune, von der Bundesebene geregelt. Allerdings kann eine Kommune zu wirtschaftsförderlichen Rahmenbedingungen beitragen. An diesem Punkt setzt die Handlungsempfehlung zur Beschäftigungs-­‐ und Wirtschaftsförderung an. Um die wirtschaftliche Beschäftigung im Bezirk zu fördern, bedarf es vonseiten der Kommune einer Mehrebenenstrategie. Zum einen muss zwischen lang-­‐ und kurzfristigen Möglichkeiten der Wirtschafts-­‐ und Beschäftigungsförderung unterschieden werden. Zum anderen müssen die unterschiedlichen Potenziale der Bewohner, Zu-­‐ und Abwanderer berücksichtigt werden50. Da nicht zu erwarten ist, dass sich durch Arbeitgeber und Investoren von außerhalb in absehbarer Zukunft etwas an der Beschäftigungssituation im Quartier ändert, wird auf die Potenziale der Bewohner gebaut. Es sind somit oftmals keine wissensintensiven Arbeitsplätze, die geschaffen werden könnten. Doch bieten sie Auskommen, schaffen Humanvermögen und können beim Integrationsprozess unterstützend wirken. Es empfiehlt sich, langfristige und kleinteilige Förderung sowie Leuchtturmprojekte nebeneinander zu initialisieren. 50 Grundsätzlich wäre es wünschens-­‐ und förderungswert, wenn große Arbeitgeber sich im Quartier niederlassen und Bewohner aus Altstadt II Südwest anstellen würden. Allerdings ist das ein Teil der gesamtstädtischen Förderung und findet in der Handlungsempfehlung zur Wirtschafts-­‐ und Beschäftigungsförderung keinen Niederschlag. 90 4.3.1.1 Handlungsempfehlung zur Beschäftigungs-­‐ und Wirtschaftsförderung Leuchtturmprojekt: Existenzgründerhaus Für alle potenziellen Erwerbstätigen in Altstadt II Südwest wäre die Einrichtung eines Existenzgründerhauses mit flankierenden Angeboten wie Concierge, Gründungsberatung und Coaching, flexibler Büronutzung, gemeinsamer Öffentlichkeitsarbeit und geteilter Infrastrukturnutzung vorteilhaft. Gering Qualifizierte könnten so in Ladenlokalen des Existenzgründerhauses Kleinstgewerbebetriebe eröffnen, wie z.B. eine Werkstatt für Fahrräder oder Elektrokleingeräte. Büroflächen könnten von Start-­‐up-­‐Unternehmen genutzt werden, wie z.B. Hausmeisterserviceangebote oder haushaltsnahe Dienstleistungen. Auch für wissensintensive Dienstleistungen, wie Web-­‐Designer, wäre ein solches Existenzgründerhaus von Interesse. Eine Kooperation mit den Universitäten und/oder Fachhochschulen der Region kann zudem beschäftigungsfördernd wirken. Zudem sollten Teile des Existenzgründerhauses als Co-­‐Working-­‐Arbeitsplätze organisiert werden. Das heißt, dass dort Arbeitsplätze auch für einzelne Tage angemietet werden können. Ein solches Existenzgründerhaus, das auch die Belange gering qualifizierter Arbeitskräfte berücksichtigt, kann als Leuchtturmprojekt eine Strahlkraft für den gesamten Bezirk entfalten. Co-­‐finanziert werden kann ein solches Haus mit Fördermitteln von Europäischer Union, Bund und Land. Langfristige Maßnahmen: Mikroförderung Die lösungsorientierte Beratung potenziell Selbstständiger durch Fachkräfte der Kommune, z.B. der Wirtschaftsförderung, der Bauordnung oder auch des Ordnungsamtes, kann die sachgerechte Einrichtung von Betriebsstätten fördern. Zudem empfiehlt es sich, Liegenschaften, die in städtischer Hand sind, für Existenzgründer günstig zur Verfügung zu stellen. Weiterhin sollte die Kommune darauf hinwirken, dass Existenzgründern in Altstadt II Südwest Kredite gewährt werden und ihnen bei der Beantragungsphase beratend zur Seite gestanden wird. Eine solch kleinteilige, langfristige und fokussierte Arbeitsmarktförderung wird aller Voraussicht nach auf Dauer keine wissensbasierten Dienstleistungen im Quartier verorten können, sondern eher Gastronomie und Einzelhandel. Allerdings können Familien ihr Auskommen auf diese Weise erwirtschaften, Ankömmlinge können eine Anstellung finden, die keine Qualifikation voraussetzt und der kommunale Haushalt wird entlastet. Zudem kommt durch Konsum Kapital in das Quartier. Auch dadurch können Arbeitsplätze geschaffen und erhalten werden. Eine solche Förderung muss allerdings langfristig, das bedeutet mindestens 10 Jahre, laufen und personell werden. Sie verspricht allerdings auch langfristige positive Wirkungen. In Mülheim an der Ruhr kann mit der Mülheim &Business GmbH auf Erfahrungen mit bereits bestehenden Förderungsangeboten für Existenzgründer aufgebaut werden. 91 Ausbildungsförderung und Berufsqualifikation Nicht nur Existenzgründung, sondern auch Berufsausbildung und Berufsqualifikationsmaßnamen sind für eine nachhaltige Beschäftigungsförderung von hoher Wichtigkeit. Zur Förderung von Ausbildungsplätzen ist die Qualifikation vorhandener Betriebe zu Ausbildungsbetrieben anzustreben. Dafür ist auch die Möglichkeit der sogenannten Verbundausbildung in Betracht zu ziehen. Neben der Ausbildungsförderung können Berufsqualifikationsmaßnahmen im Quartier stattfinden. Diese können, wenn sie am Bedarf der Menschen und des Ortes ausgerichtet sind, auch in den Stadtteil hineinwirken. Ein Beispiel wäre die Qualifikation mit Holzarbeiten in einer Stadtteilwerkstatt, in der Holzzäune für das Quartier gebaut werden könnten. Eine solche Stadtteilwerkstatt kann zudem mit einem Sozialkaufhaus verbunden werden. Dorthin können Bürger z.B. nicht mehr funktionstüchtige Elektrogeräte oder Möbel bringen, die dort repariert werden und für einen geringen Preis verkauft werden. Die Verkaufspalette kann zudem durch weitere Sachspenden wie Secondhand-­‐Kleidung oder Schulbücher erweitert werden. Integrierte Betrachtung Handlungsfeld 1 Das vorgeschlagene Existenzgründerhaus sowie die kleinteilige Förderung und Beratung von Existenzgründungen zielt auch darauf ab, dass Ankommende eine Anstellung in den Arbeitsstätten finden, die sie für den weiteren Arbeitsmarkt qualifizieren können. Auch Bildungswanderer können dort, z.B. in der Gastronomie, Jobs finden. Zudem besteht die Möglichkeit, dass Bildungswanderer nach Abschluss ihrer Ausbildung oder ihres Studiums dort ebenfalls ein Start-­‐up-­‐Unternehmen gründen. Sie können ebenso flankierende Maßnahmen und Beratung des Existenzgründerhauses nutzen, wodurch auch das Risiko des Scheiterns verringert werden würde. Dasselbe gilt für gering Qualifizierte oder Facharbeiter aus dem Handwerk, die ein Unternehmen gründen möchten. Durch die Förderung von Ausbildung im Stadtteil kann die Beschäftigungssituation im Bezirk nachhaltig verbessert werden. Zudem ist es notwendig, sinnvolle Qualifikations-­‐ und Fortbildungsmaßnahmen im Quartier zu verorten, damit potenziell Erwerbstätige, die sonst keine Chance auf eine Beschäftigung haben, an den Arbeitsmarkt herangeführt werden können. Wie solche Projekte der Arbeitsmarktförderung umgesetzt werden können, zeigen auch Erfahrungen aus anderen Kommunen. Das Praxisbeispiel aus der Stadt Offenbach verdeutlicht, wie ein Existenzgründerhaus in einem Stadtteil des Programms Soziale Stadt erfolgreich errichtet und verstetigt werden konnte. 92 4.3.1.2 Praxisbeispiel zum Handlungsfeld 1 In der hessischen Stadt Offenbach wurde in einem Programmgebiet der Sozialen Stadt ein Existenzgründerhaus eingerichtet, der sogenannte Gründercampus Ostpol. Dazu wurde, in Kooperation mit der Wohnungswirtschaft, eine Liegenschaft aufgekauft und auf die Bedürfnisse von Existenzgründern hin saniert. Flankierend dazu wurde die Kooperation mit der Offenburger Hochschule gesucht. Auch Studierende sollten in diesen Räumlichkeiten nach Abschluss ihres Studiums die Möglichkeit haben, ein Unternehmen zu gründen. Im Existenzgründerhaus finden sich unterschiedliche Serviceangebote wie IT-­‐Service, Kopierservice und weitere mehr, die gegen ein relativ geringes Entgelt Dienstleistungen für die Existenzgründer anbieten. Die monatlichen Mietkosten der Büros belaufen sich auf 350,00 € zzgl. MwSt. Die Ateliermiete richtet sich nach der Größe. Gemeinschaftlichwerden über die Miete Post-­‐ und Empfangsservice finanziert. Flankiert wird die Existenzgründung im Gründercampus Ostpol durch den sogenannten Ostpolkredit. Dort bekommen Existenzgründer, die möglicherweise bei freien Banken kein Startkapital erhalten, einen Existenzgründungskredit. Finanziert wird diese Kreditvergabe von der Offenburger Sparkasse, der Stadt Offenburg und der KIZ gGmbH. Website des Gründercampus: www.ostpol-­‐gruendercampus.de Website des Ostpolkredits: www.ostpolkredit.de Website des Programms Soziale Stadt in Offenburg: www.soziale-­‐stadt-­‐offenbach.de 4.3.2 Handlungsfeld 2: Bildungsförderung – Ungleiches ungleich behandeln Für die kommunale Bildungsförderung ist der Adressat der Förderung besonders wichtig. Da sich im Bezirk Altstadt II Südwest auch Schulen und vorschulische Bildungseinrichtungen befinden, heißt es den Bedarfen vor Ort angemessen Rechnung zu tragen. Die formalen Bildungseinrichtungen sind dort vor besondere Herausforderungen gestellt und müssen somit auch besonders unterstützt werden. Die konkreten Unterstützungsmaßnahmen sollten in einem moderierten Prozess von Eltern und Lehrkräften gemeinsam entwickelt werden. 4.3.2.1 Handlungsempfehlung zum Handlungsfeld 2 Mülheim an der Ruhr ist mit dem Bildungsbüro, dem Bildungsnetzwerk, Early Excellence und der Bildungskonferenz bereits auf dem richtigen Weg. Für die Bildungsförderung in der urbanen Integrationsschleuse wäre die gezielte Information der Sockelbevölkerung über bestehende Angebote besonders wichtig. Dies kann durch gezielte Ansprachen von Vereinen und Institutionsbeteiligung sowie Bürgerdialoge im Gebiet organisiert werden. Wichtig ist, dass 93 diejenigen, die aktiv am informellen Integrationsprozess beteiligt sind, über Angebote, Informationen und Unterstützungsmöglichkeiten in Mülheim an der Ruhr Bescheid wissen und dieses Wissen bei Bedarf auch weitergeben können. 4.3.2.2 Praxisbeispiel zum Handlungsfeld 2 In der fränkischen Stadt Nürnberg wird im Rahmen des Programms Soziale Stadt eine Vielzahl von sozialen Projekten angeboten. Um möglichst viele Menschen im Programmgebiet zu erreichen, wurde das Projekt „Netzwerk FUNKtionierende Stadtteilöffentlichkeit“ initialisiert. Ziel des Projektes ist es, mittels unterschiedlicher Informationskanäle über die Angebote im Stadtteil zu berichten und so Informationen an eine breitere Öffentlichkeit zu tragen. Das Projekt umfasst drei Bausteine. Erstens werden sogenannte Stadtteillotsen gesucht, die Informationen über Projekte und Angebote im Stadtteil sammeln und auch wieder im Stadtteil verbreiten. Dafür ist ein hohes Maß an Kommunikationsfähigkeit notwendig. Allerdings können somit informell weite Kreise der Stadtteilöffentlichkeit erreicht werden. Der zweite Baustein ist die Einrichtung eines Begegnungsortes in Form eines interkulturellen Stadtteilcafés. Dort können sich Bewohner unterschiedlicher kultureller Herkunft im Stadtteil begegnen, austauschen und Informationen über die angebotenen Projekte erhalten. Das interkulturelle Stadtteilcafé bietet ebenfalls niedrigschwellige Deutschkurse und Kinderbetreuung für Mütter an. Der dritte Baustein des Projektes ist ein Videoprojekt namens LENAU.TV. Die Adressaten sind Jugendliche im Stadtteil, die im Rahmen des Projektes eigene Videos produzieren und veröffentlichen können. Sie befassen sich mit stadtteilspezifischen Themen aus Sicht der Jugendlichen und tragen somit zur Ansprache dieser Zielgruppe bei. Projektwebsite: www.leonhard-­‐schweinau.info 94 4.3.3 Handlungsfeld 3: Integrationspolitik – Humanvermögen sichern Für eine nachhaltige und positive Förderung der Integration von Zuwanderern bedarf es kultureller und sozialer Inklusionsbemühungen51. Beide sind besonders durch Spracherwerb und informelle soziale, nachbarschaftliche und/oder familiäre Netzwerke zu erreichen. 4.3.3.1 Handlungsempfehlung zum Handlungsfeld 3 Der Erwerb der deutschen Sprache muss so früh wie möglich beginnen, bei Kindern bereits im Vorschulalter, wobei die Eltern miteinbezogen werden sollten. Zudem müssen Spracherwerbs-­‐ angebote auch über das Schulalter hinaus für fremdsprachliche Zuwanderer im Quartier angeboten werden. Dazu bedarf es zum einen der Information der Sockelbevölkerung über die Angebote und zum anderen ist konkretes Wissen über die Lebenswirklichkeit der Zuwanderer notwendig, damit passgenaue Angebote entwickelt werden können. Hierdurch können Projekte initialisiert werden, die über die Anforderungen für den Einbürgerungstest hinausreichen. Neben dem Spracherwerb ist die interkulturelle Begegnung zwischen Zuwanderern und länger ansässiger Bevölkerung zu fördern. Außer einmaligen Events bieten sich dafür drei unterschiedliche Wege an: • Erstens die Begegnung durch Umstände derselben Lebenslage, wie z.B. Kinder im selben Alter. Dazu braucht es Orte wie Kinderbetreuungseinrichtungen, die auch elternbezogene Angebote umsetzen. • Zweitens die Themensetzung an Orten der Begegnung im öffentlichen Raum, wie z.B. durch mehrsprachige Informationstafeln neben Bänken an Bushaltestellen oder Spielplätzen. • Drittens die Schaffung gemeinsamer Interessensorte, an denen Kommunikation möglich gemacht wird. Dafür bieten sich sogenannte Nachbarschaftsgärten an, wie sie bereits in vielen Städten zu finden sind. Solche Orte können auch mit Angeboten des Spracherwerbs ergänzt werden. Mülheim an der Ruhr ist mit seinen Erfahrungen aus der Programmumsetzung Soziale Stadt bereits für diese Themenvielfalt sensibilisiert. Es gilt diesen eingeschlagenen Weg reflektiert und zugleich konsequent – auch nach Auslaufen der Landesförderung – langfristig durchzuhalten. 51 Inklusion ist definiert als Konzept für die Teilhabe von Personen an gesellschaftlichen Teilsystemen (vgl. Schimank 2007, S. 296). 95 4.3.3.2 Praxisbeispiel zum Handlungsfeld 3 Der Prinzessinnengarten in Berlin ist ein Beispiel für einen interkulturellen Austauschort. Das Projekt befindet sich im zum Teil armutsgeprägten Stadtteil Kreuzberg und wird von einer Vielzahl von Menschen unterschiedlicher Nationalitäten genutzt. Im sogenannten Prinzessinnengarten können Bürger, ohne eine Parzelle zu mieten, Gemüse, Obst oder Blumen anbauen. Durch gemeinsame Aktivitäten entstehen nachbarschaftliche und interkulturelle Austauschbeziehungen. Der Prinzessinnengarten betreibt mobilen Gartenanbau, da der Boden durch Schwermetalle belastet ist und in seiner Qualität nicht für eine Bepflanzung geeignet ist. Die Pflanzen befinden sich in selbst gebauten Blumenkästen52 oder umgenutzten Behältern verschiedenster Art. Neben dem Anbau von Pflanzen wird dort ein Gartencafé betrieben und Bildungsprojekte z.B. für Schulklassen angeboten. Auf diesem Weg können auch Kinder, die sonst wenig in Kontakt mit Landwirtschaft kommen, einiges über Anbau und Verarbeitung von Lebensmitteln erfahren. Website des Projekts: http: //www.prinzessinnengarten.net 4.3.4 Handlungsfeld 4: Quartiersentwicklung – Von Bedarfs-­‐ zu Bedürfnisorientierung Die städtebauliche Gestaltung und Planung unterliegt zu erheblichen Teilen gesetzlichen Vorgaben. Allerdings können Wünsche und Bedürfnisse der Bewohner in die Gestaltung ihres Quartiers mit einfließen, wenn sie konsequent beteiligt werden. Dazu gehört, dass es nicht nur Beteiligungs-­‐ und Informationsveranstaltungen gibt, wenn konkrete Maßnahmen bereits umgesetzt werden, sondern die Bedürfnisse der Bewohner abgefragt werden und Stadtentwicklung danach ausgerichtet wird. 4.3.4.1 Handlungsempfehlung zum Handlungsfeld 4 Im Rahmen des Programms Soziale Stadt wird dies bereits projektbezogen befolgt. Ein einfaches Beispiel dafür sind abgesenkte Bürgersteige für Kinderwagen, Rollstühle oder Rollatoren, wo dies lebenspraktisch notwendig ist. Bedürfnisse können durch Stadtteilbegehungen mit Bürgern ermittelt werden. Auf diese Weise werden Bürger aktiv zu Mitgestaltern ihres Quartiers, und zugleich treten sie in einen Dialog, der ihnen auch die Grenzen kommunaler Planung vermitteln kann. Die Umkehr der üblichen Planungspraxis von städtebaulichen Bedarfen zu 52 Diese könnten in der Stadtteilwerkstatt gebaut werden; Siehe Abschnitt4.3.1.1 der vorliegenden Arbeit. 96 Bewohnerbedürfnissen ist somit das Credo. Auch hier kann auf positive Erfahrungen aus dem Programm Soziale Stadt oder dem 100-­‐Häuser-­‐Programm der Stadt Mülheim an der Ruhr aufgebaut werden. Die Stadt verfügt bereits über das Know-­‐how, sie kann es auch in weiteren Projekten nutzen. 4.3.4.2 Praxisbeispiel zum Handlungsfeld 4 Die saarländische Landeshauptstadt Saarbrücken hat ein städtebauliches Entwicklungskonzept entwickelt, das die frühe Beteiligung der Bürger bei Planungsvorhaben berücksichtigt. Das Konzept sieht vor, dass es gesamtstädtische Belange gibt, die auf der Stadtteilebene konkretisiert werden sollen. Dazu werden sozialräumlich orientierte integrierte Stadtteilentwicklungskonzepte aufgestellt und jeweils in einem mehrstufigen Verfahren entwickelt. Die erste Stufe bildet ein Fachworkshop von Planern und ortsansässigen Akteuren. Die Ergebnisse werden dem Stadtrat vorgelegt, der weiterhin festlegt, dass vom ersten konkreten Planungsschritt die Bürger ernsthaft miteinbezogen werden müssen. Dazu werden Projektteams gegründet, die mit der ortsansässigen Bevölkerung regelmäßig in Dialog treten. Bei der konkreten Ausgestaltung von Projekten wie z.B. Spielplatzbau ist es durch das städtebauliche Entwicklungskonzept Standard geworden, zielgruppenspezifische Beteiligungsworkshops durchzuführen. Da der Planungsprozess allerdings auch gesetzlichen Regelungen unterworfen ist, können Bürger oftmals nicht als „Entscheider“ eingebunden werden. Allerdings werden durch das Verfahren ihre Wünsche nun stärker berücksichtigt. Wer genau angesprochen wird, hängt jeweils vom Projekt selbst ab. Bei Projekten zur gesamtstädtischen Zukunft, wie z.B. der Gestaltung der Uferpromenade, werden alle Bürger eingeladen, bei stadtteilspezifischen Belangen wiederum lediglich die Anwohner. Durch die frühe Einbindung soll zum einen Konflikten vorgebeugt und zugleich bedürfnisgerechte Planung erreicht werden. Das Beispiel zeigt, dass es einer verwaltungsinternen Steuerung bedarf, um bedürfnisorientiert zu handeln. Projektwebsite: www.saarbruecken.de/de/rathaus/stadtentwicklung/stadtentwicklungskonzept und unterwww.netzwerk-­‐buergerbeteiligung.de/fileadmin/Inhalte/PDF-­‐ Dokumente/newsletter_beitraege/beitrag_kunz_120322.pdf 97 Zusammenfassung: Abschnitt 4 • Die Forschungshypothese 1, die nach dem Vorhandensein einer urbanen Integrationszone fragt, ist bestätigt worden. Es handelt sich dabei um Altstadt II Südwest. • Die Forschungshypothese 2, die nach der Sockelbevölkerung fragt, ist bestätigt worden. Die Sockelbevölkerung ist vorhanden, k leiner als die der Gesamtstadt, und ihr Ausländeranteil ist höher als der der Sockelbevölkerung der Gesamtstadt. • Die Forschungshypothese 3, die nach der Verteilerfunktion der urbanen Integrationsschleuse fragt, ist angenommen, da zwei Drittel derjenigen, die das Gebiet Altstadt II Südwest durch einen innerstädtischen Umzug verlassen haben, in ein „statushöheres“ Gebiet gezogen sind. • Kommunalpolitik hat die Möglichkeiten, mit Leuchtturmprojekten und kleinteiliger Förderung in den Politikbereichen Arbeitsmarkt, Integration, Bildung und Stadtentwicklung z.B. mit einem Existenzgründerhaus oder auch einem Nachbarschaftsgarten die Schleusenfunktion auf unterschiedliche Weise zu unterstützen und damit nachhaltige Gesellschaftspolitik zu betreiben. 98 5 Zusammenfassung und Fazit Fokus der Untersuchung lag auf der Beobachtung, dass es in Städten Bereiche mit vermehrtem Zu-­‐ und Fortzug gibt, die zugleich multiethnisch geprägt sind. Viele, wenn nicht jede Großstadt hat ein solches Gebiet, das unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Allen gemeinsam ist, dass der Integrationsprozess der Zugewanderten räumlich dort beginnt. Wir leben zwar nicht mehr in den Zeiten Georg Simmels, als die Zuwanderung vom Land in die Stadt eine Art Schock war, doch stellt der neue Lebensabschnitt, der mit der Zuwanderung beginnt, jeden Menschen vor neue Herausforderungen. Das gilt insbesondere, wenn es sich um internationale Zuwanderung handelt. Zuwanderer ziehen dann oftmals zu Zuwanderern, was bereits die Forscher der Chicagoer Schule zu Beginn des 20. Jahrhunderts beobachten konnten. Sie nannten diese Orte zone in transition. Wie der erste Abschnitt der Arbeit gezeigt hat, ist diese, wie alle anderen städtischen Strukturen, ein Produkt funktionaler Differenzierung, das durch soziale Differenzierung ausgestaltet wird. Es wandern zwar relativ viele Menschen von außen in dieses Gebiet zu, doch verlassen sie es, wenn sie können, nach relativ kurzer Zeit wieder. Von daher hat dieser Ort für die Menschen eine Schleusenfunktion inne. Es ist die urbane Integrationsschleuse der Stadt. Dort finden Zuwanderer erste Orientierung und die Chance erste Arbeitsgelegenheiten wahrzunehmen. Die urbane Integrationsschleuse kann allerdings nur ihre Funktion erfüllen, wenn es Menschen gibt, die den Zuwanderern grundlegende Wohn-­‐ und Arbeitsmöglichkeiten geben, die sogenannte Sockelbevölkerung53. Diese fungiert als eine Art Brückenkopf in die alte Heimat, denn bei der Sockelbevölkerung handelt es sich ebenfalls um Zuwanderer. Doch leben sie bereits seit längerer Zeit in der urbanen Integrationszone. Sie haben soziale Netzwerke im Stadtteile und kennen die Aufnahmegesellschaft. Dadurch können sie dem Neuankömmling wichtige Informationen geben und Zugang zu informellen nachbarschaftlichen Hilfenetzwerken verschaffen. Nach einiger Zeit, wenn z.B. die Sprache oder auch Qualifikationen erworben worden sind, können die neu Zugewanderten an einem anderen Ort der Stadt eine besser bezahlte Arbeit finden und ziehen weg, da der Wohnraum im Gebiet der urbanen Integrationsschleuse zumeist in schlechtem Zustand ist. Die meisten ziehen entweder, da sie einen sozialen Aufstieg erlebt haben, in sozial besser gestellte Orte, oder sie suchen sich andere Bleibemöglichkeiten, da sie es nicht geschafft haben, sich sozial oder ökonomisch in der neuen Stadt zu etablieren. Somit hat die urbane Integrationsschleuse eine Verteilerfunktion inne. In ihr wird die „Platzkarte“ für die Zukunft eines Zuwanderers entscheidend mitgeprägt. Solche Ankunftsorte bringen daher für die 53 Dietrich von Oppen hat die Sockelbevölkerung als Gruppe als „Stützpunkt“ für nachziehende Verwandte benannt (vgl. von Oppen 1958, S. 17). 99 Kommunalpolitik eine Reihe von Herausforderungen mit sich, die primär die Arbeitsmarkt-­‐, Integrations-­‐, Bildungs-­‐ und Stadtentwicklungspolitik betreffen. Das Konzept der urbanen Integrationsschleuse ist als Antwort auf die erste Leitfrage zu verstehen, die nach Wesen und Leistung passiv sozial segregierter Stadtteile hinsichtlich ihrer sozialen Schleusenfunktion fragt. Aus diesen theoretischen Annahmen wurden Forschungshypothesen formuliert, um am Praxisbeispiel Mülheim an der Ruhr diekonkrete Ausprägung einer urbanen Integrationsschleuse zu untersuchen. Zum einen wurde ein solches Gebiet mit Altstadt II Südwest identifiziert, und zum anderen wurde das Vorhandensein einer Sockelbevölkerung und die tatsächliche Verteilerfunktion analysiert. Zur Operationalisierung wurde für jeden statistischen Bezirk von Mülheim die soziale, die ethnische unddie demografische Segregation gemeinsam mit der Fluktuation betrachtet. Dieses Vorgehen beantwortet die zweite Leitfrage nach der Operationalisierung der Identifikation einer urbanen Integrationsschleuse. Die Ergebnisse bestätigen die theoretischen Annahmen. Die dritte Leitfrage befasst sich mit der Untersuchung, welche Bevölkerungsgruppen dort wie lange leben. Zusammengefasst kann gesagt werden,dass es zumeist ausländische Zuwanderer im bildungs-­‐ und arbeitsrelevanten Alter sind, die eine Wohndauer von unter 5 Jahren an der jeweiligen Adresse haben. Zugleich leben dort aber auch zu einem Drittel Menschen seit mindestens 10 Jahren an der gleichen Adresse. Die Arbeit erschöpft sich nicht allein in der Beantwortung der Hypothesen, sondern bietet auch Handlungsempfehlungen für die Stadt Mülheim an der Ruhr, um zu zeigen, wie auf kommunalpolitischem Wege auf eine urbane Integrationsschleuse reagiert werden kann. Diese Handlungsempfehlungen orientieren sich an den in diesem Bereich relevanten Politikfeldern: Arbeitsmarkt, Integration, Bildung und Stadtentwicklung. Sie zielen auf die nachhaltige Verbesserung der Beschäftigungssituation und damit der Lebensumstände im Quartier ab. Allerdings, und das bleibt zu betonen und beantwortet dabei zugleich die vierte Leitfrage der Arbeit, kann Stadtpolitik mit den vorgeschlagenen und weiteren Maßnahmen wie arbeitsmarktunterstützenden Leistungen oder der Einrichtung interkultureller Begegnungsorte die Schleusenfunktion des Quartiers unterstützen. Aber der politische Wille dazu muss nachhaltig und über die Legislaturperiode hinaus parteiübergreifend vorhanden sein. Es muss auch für gering Qualifizierte in unserer Gesellschaft möglich sein, den Lebensunterhalt zumindest in Teilen aus eigener Kraft zu bestreiten. Bildung und Bildungsförderung ist eine sehr wichtige Investition in die Zukunft, doch solange Bildungsabschlüsse vergeben werden, wird es immer Menschen geben, die den formalen Leistungsanforderungen zum Prüfungszeitpunkt nicht entsprechen und somit keinen Bildungsabschluss erwerben, oder die aus einem anderen Staat zugewandert sind und dort vielleicht nie die Möglichkeit hatten, einen Bildungsabschluss zu erwerben. Auch diese Menschen sollten eine Chance haben, ihr Leben selber gestalten zu 100 können, und dafür bedarf es der Integrationskraft des Arbeitsmarktes und der bewussten politischen Gestaltung. Eine Schleusenfunktion ist in der postindustriellen Stadt weder einmalig noch zu verhindern. Verantwortungsvolle und zukunftsorientierte Politik sollte sich somit der daraus resultierenden Herausforderung bewusst stellen und adäquat reagieren. Zwar ist Stadtpolitik alleine nicht in der Lage, alle Probleme und Herausforderungen in diesem Bereich alleine zu schultern, was allerdings auch keine Legitimation für Nichthandeln ist. Neben diesen Erkenntnissen und den daraus abgeleiteten politischen Handlungsempfehlungen sind im Laufe des Forschungsprozess jedoch auch immer wieder Grenzen deutlich geworden, die in weiteren Forschungsarbeiten anzugehen sind. Dazu gehört der Datenzugang, der zum Teil datenschutzrechtlichen Restriktionen unterliegt. Die Stadt Mülheim an der Ruhr hat ihrerseits alles dazu beigetragen, um diese Arbeit zu unterstützen. Nur wäre es, um z.B. den sozialen Aufstieg zu untersuchen, sinnvoll, in der geschlossenen Statistikstelle die Möglichkeit zu offerieren, adressbezogene Daten auf der Individualebene miteinander zu verknüpfen. In Teilbereichen ist das möglich, jedoch ist es nicht zulässig, adressbezogene Daten mit ALG-­‐II-­‐ Bezug und dem Indikator Migrationshintergrund zu verknüpfen, um ein Beispiel zu nennen. Somit muss sozialer Aufstieg über die Klassifikation von Quell-­‐ und Zielgebiet definiert werden, was zu Irrtümern führen kann. Zudem wäre eine Erweiterung des Methodensets durch qualitative Methoden wünschenswert gewesen, was allerdings den Rahmen der vorliegenden Arbeit bei Weitem gesprengt hätte. Allerdings würde eine lebensweltzentrierte qualitative Forschung dazu beitragen, ein tieferes individualbezogenes Verständnis der urbanen Integrationsschleuse zu erhalten. Darüber hinaus sollten in weiteren Untersuchungen mehrere Fallbeispiele untersucht werden und hierbei das städtebauliche Profil mit berücksichtigt werden. Dazu gehört auch – und das war im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht möglich –, dass Orte der Relegation/sozialen Endstation mit untersucht werden, da auch sie ein ähnliches soziales Profil aufweisen wie die urbane Integrationsschleuse. Durch die gemeinsame Untersuchung beider Konzepte in einer Arbeit würden auch die raumbezogenen integrationsfördernden Mechanismen sichtbar gemacht werden können. Alles in allem zeigt die Arbeit, dass sozial passiv segregierte Stadtteile eine wichtige Funktion und Rolle für die gesamtstädtische Struktur innehaben. Es sollte nicht als gesellschaftliche Aufgabe angesehen werden, solche Orte zu verhindern. Vielmehr muss es Ziel sein, dass jeder die Möglichkeiten, die die urbane Integrationsschleuse nachweislich bietet, bestmöglich nutzen kann und niemand, egal woher er kommt, dort länger lebt, als er möchte. Dazu muss Zuwanderern ermöglicht werden durch eigene Leistung sozialen Aufstieg zu erreichen. Urbane Integrationsschleusen übernehmen dafür eine grundlegende Funktion und Rolle, die es von Seiten politischer Akteure zu nutzen gilt. 101 6 Verzeichnis genutzter Medien 6.1 Monographien/Beiträge in Sammelbänden Adam, Heribert/Moodley, Kogile (1998): Südafrika ohne Apartheid?, Frankfurt am Main Apolte, Thomas / Funcke, Antje (Hrsg.) (2008): Frühkindliche Bildung und Betreuung – Reformen aus ökonomischer, pädagogischer und psychologischer Perspektive, Baden-­‐Baden Bacher, Johann / Pöge, Andreas / Wenzig, Knut (2010): Clusteranalyse – Anwendungsorientierte Einführung in Klassifikationsverfahren, München Backhaus, Klaus / Erichson, Bernd / Plinke, Wulff / Weiber, Rolf (2011): Multivariate Analysemethoden. 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Bochum, den -­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐ (Unterschrift) 113