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Aus der Medizinischen Universitätsklinik und Poliklinik
der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau
Die Rolle der Stuhldiagnostik bei Patienten
mit nosokomialer Diarrhoe
INAUGURAL - DISSERTATION
zur
Erlangung des Medizinischen Doktorgrades
der Medizinischen Fakultät
der Albert-Ludwigs-Universität
Freiburg im Breisgau
Vorgelegt 2002
von Jürgen Fehrenbach
geboren in Löffingen
2
Dekan
Prof. Dr. med. M. Schumacher
1. Gutachter
Prof. Dr. med. M. Kist
2. Gutachter
Prof. Dr. med. W.V. Kern
Jahr der Promotion
2003
Für meine Frau Martina
3
I
Inhaltsverzeichnis
I
Inhaltsverzeichnis .......................................................................................................... 3
II
Einführung und Fragestellung ...................................................................................... 4
III
Patientengut, Labormethodik und Datenerhebung ................................................ 6
III. 1
Patientengut ........................................................................................................ 6
III. 2
Labormethodik.................................................................................................... 7
IV
Methodik..................................................................................................................... 9
IV. 1
Retrospektive Untersuchung.............................................................................. 9
IV. 2
Prospektive Untersuchung ................................................................................. 9
IV. 3
Retrospektive Fallserie aus einer 10 Jahres Analyse ..................................12
IV. 4
Statistische Testverfahren ...............................................................................12
V
Ergebnisse ..................................................................................................................13
V. 1 Retrospektive Untersuchung ...............................................................................13
V. 2 Prospektive Untersuchung ..................................................................................19
V. 3 Retrospektive Fallserie aus einer 10 Jahres Analyse......................................27
VI
Fallberichte...............................................................................................................29
VII
Diskussion................................................................................................................33
VIII
Zusammenfassung ..................................................................................................38
IX
Literatur.....................................................................................................................39
X
Veröffentlichung ..........................................................................................................41
XI Danksagungen............................................................................................................42
4
II
Einführung und Fragestellung
Diarrhoe ist ein medizinisches Problem von großer Bedeutung. Unter globaler und
historischer Perspektive sind Durchfallerkrankungen assoziiert mit Armut und
schlechten hygienischen Lebensumständen. Ihre epidemiologische Bedeutung ist
daher am größten in den Entwicklungsländern, wo sie einen beträchtlichen Anteil der
Bevölkerungsmorbidität
und
-mortalität
verursachen.
Aber
auch
in
den
Industrienationen ist die Diarrhoe ein gesundheitspolitisches Problem. Sporadische
und
epidemische
enterische
Infektionen,
übertragen
beispielsweise
durch
landwirtschaftliche Produkte, sind ein anhaltendes Problem im öffentlichen
Gesundheitswesen, und die infektiöse Diarrhoe kann insbesondere bei Kindern und
älteren Patienten eine bedrohliche Erkrankung darstellen.
Eine Durchfallerkrankung, die im Rahmen des Aufenthaltes in einer medizinischen
Institution auftritt, wird als nosokomiale Diarrhoe bezeichnet. Von den meisten
Autoren wird darunter das Auftreten von drei oder mehr ungeformten Stühlen pro Tag
mehr als 72 Stunden nach Klinikeinweisung verstanden (8,22,25,27). Die Inzidenz
der nosokomialen Diarrhoe reicht von 5.5/100 Einweisungen auf Allgemeinstationen
bis über 30/100 Einweisungen in geriatrischen und intensivmedizinischen Stationen.
Ihre Auswirkungen sind beträchtlich: die Hospitalisationsdauer kann sich verlängern
(14), das Risiko für zusätzliche nosokomiale Infekte steigt bis zu fünffach, und die
durchschnittlich anfallenden zusätzlichen Behandlungskosten wurden auf ca. $ 2.000
(11) bis £ 4.000 (21) geschätzt.
Die Differentialdiagnose der Diarrhoe hängt wesentlich von den Begleitumständen
zum Zeitpunkt des Auftretens der Diarrhoe ab. Während kürzlich durchgeführte
Auslandsaufenthalte oder eine Häufung von Durchfällen im Umfeld des Patienten
eine infektiöse Ursache der Diarrhoe wahrscheinlich machen, spricht ein Beginn der
Symptome unter Hospitalisationsbedingungen eher für eine medikamentös,
osmotisch, oder durch C. difficile-Toxin ausgelöste Diarrhoe (14,15). Die Seltenheit
einer bakteriell verursachter Diarrhoe unter stationären Bedingungen spiegelt sich
wider in der niedrigen Rate positiver Stuhluntersuchungen auf pathogene Darmkeime
5
(Stuhlkulturen), die mit 0,6% bis 2,6% angegeben wird (8,9,12,22,25). Zusätzlich
wurde gezeigt, dass die Häufigkeit positiver Befunde in Stuhlkulturen von 6% bei
ambulanten Patienten über 2% bei Patienten mit 1-3 Hospitalisationstagen auf 0%
bei Patienten mit mehr als drei Hospitalisationstagen fällt (8,23). Diese niedrige
Ausbeute resultiert in hohen Laborkosten pro positiver Stuhlkultur. Diese liegen in
den USA 1993 durchschnittlich bei ca. 1.300 $ (8) und machen die positive
Stuhlkultur zu einem der teuersten mikrobiologischen Laborresultaten. Aus diesem
Grund wurde von US-amerikanischen Autoren eine sogenannte 3-Tages-Regel
empfohlen. Danach werden Stuhlkulturen auf enteropathogene Bakterien von
Patienten, die bereits 3 Tage oder länger hospitalisiert sind, nicht verarbeitet (8).
Diese Vorgehensweise würde in den USA nach Berechnungen aus den Jahren 1990
bzw. 1996 zu Einsparungen zwischen 20 und 73 Millionen US $ führen (18,24).
Diese Politik trifft auch im europäischen Raum auf zunehmendes Interesse (2,19,22).
Die zugrundeliegenden Daten wurden zwar in US-amerikanischen Kliniken
verschiedener Größen gewonnen. Ihre Übertragbarkeit auf den europäischen Raum
ist jedoch nicht gewährleistet. Außerdem wurde bisher nicht untersucht, ob klinische
Faktoren mit prädiktivem Wert für eine positive Stuhlkultur existieren. Die vorliegende
Dissertationsschrift hatte daher folgende Fragestellungen:
1.
Wie ist die Ausbeute von Stuhlkulturen für enteropathogene Keime und des
ELISA für C. difficile Toxin bei hospitalisierten Patienten der Medizinischen
Universitätsklinik
Freiburg?
Ist
die
Ausbeute
assoziiert
mit
der
Hospitalisationsdauer?
2.
Gibt es anamnestische, klinische oder laborchemische Faktoren mit
prädiktivem Wert für positive Stuhlkulturen?
3.
Bei welchen Patienten lassen sich auch nach einer Hospitalisationsdauer von
mehr als 72 Stunden enteropathogene Keime in der Stuhlkultur nachweisen?
6
III
Patientengut, Labormethodik und Datenerhebung
III. 1 Patientengut
Die Universitätsklinik Freiburg ist ein Haus der Maximalversorgung mit insgesamt
1749 Betten (Stand 1998). Auf die Medizinische Klinik entfallen davon 355 Betten.
Die Medizinische Klinik ist aufgeteilt in 6 Abteilungen. Die jeweiligen Bettenzahlen
sind aus Tabelle 1 ersichtlich:
Abteilung 1: Hämatologie, Onkologie
Abteilung 2: Gastroenterologie, Hepatologie, Endokrinologie
Abteilung 3: Kardiologie, Angiologie
Betten
Abteilung 4: Nephrologie
Betten
Abteilung 5: Pneumonologie
Betten
Abteilung 6: Rheumatologie/Klinische Immunologie
Gesamt
Betten
102 Betten
81 Betten
68
61
24
19 Betten
355
Tabelle 1: Bettenverteilung der Medizinischen Universitätsklinik Freiburg
Eine Aufstellung der zu den jeweiligen Abteilungen gehörenden Stationen findet sich
in Tabelle 2:
Abteilung 1: Holthusen, Löhr, Naunyn 1 und 2, Opitz, Romberg, Thannhauser
Abteilung 2: von Frerichs 1 und 2, Kußmaul, Popper, Veil
Abteilung 3: De la Camp, Müller, von Frerichs 3, Heilmeyer 1 und 2 (Intensiv)
Abteilung 4: Minkowski, Morawitz, Volhard
Abteilung 5: Brehmer
Abteilung 6: Ehrlich
Medizinische Notaufnahme
Tabelle 2: Stationen der Medizinischen Universitätsklinik Freiburg
Untereinheiten wie Notaufnahme und Intensivstationen werden zum besseren Einblick
in der Studie teilweise gesondert aufgeführt.
7
Pro Jahr (Stand 1998) sind in der Medizinischen Klinik ca. 19.000 stationäre
Aufnahmen und etwa 121.000 stationäre Belegungstage zu verzeichnen. Die
durchschnittliche Aufenthaltsdauer beträgt 7.3 Tage.
III. 2 Labormethodik
Alle
Stuhlproben
des
Universitätsklinikums
werden
zur
mikrobiologischen
Untersuchung zum Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene in Freiburg
geschickt. Im Stuhllabor des Instituts werden jährlich etwa 12.000 Stuhlkulturen, 4.000
C.
difficile
Toxin
ELISA
und
1.500
parasitologische
Stuhluntersuchungen
durchgeführt, die aus dem Bereich der Universitätsklinik, von Kliniken und Arztpraxen
der weiteren Umgebung sowie vom Gesundheitsamt stammen (Stand 1998).
Die in Kunstoffröhrchen übersandten, nativen Stuhlproben werden im Stuhllabor je
nach Fragestellung auf dem Anforderungsbogen weiterverarbeitet. Als Basisprogramm zur Untersuchung auf pathogene Darmbakterien werden die Stuhlproben
zum einen auf drei verschiedenen Kulturplatten ausgestrichen: Endo-Agar, LeifsonAgar und Cefsulodin-Novobiocin-Irgasan (CIN)-Agar. Außerdem werden zwei
flüssige Anreicherungsmedien, eine Kauffmann- und eine Selenitboullion, beimpft
und nach 24 Stunden auf Endo-Agar, Rambach-Agar und Phenolrot-Agar
ausgestrichen. Die CIN-Agarplatten werden für 48 Stunden bei 30°C, alle anderen
Medien für 24 Stunden bei 37°C inkubiert.
In ausgewählten Fällen werden die Stuhlproben je nach klinischer Fragestellung und
in Abhängigkeit von der Stuhlqualität auf weitere Medien aufgebracht. Dabei handelt
es sich zum einen um eine blutfreie, selektive Campylobacter Agarplatte, welche bei
37°C unter mikroaerophilen Bedingungen für 48 Stunden bebrütet wird, zum anderen
um eine Kälteanreicherung in Saline für 7 Tage bei 4°C. Die Auswahl der auf diese
Weise weiter verarbeiteten Proben erfolgt nach einem Stufenschema (10).
Durch diese Vorgehensweise können folgende Keime angezüchtet werden:
Salmonella spp., Shigella spp., Campylobacter spp. und Yersinia spp., welche zum
Zweck dieser Studie als enteropathogene Bakterien (EPB) bezeichnet werden.
Außerdem werden Aeromonas spp., Plesiomonas spp., Vibrio spp., enterotoxische
und enterohaemorrhagische E. coli (ETEC, EHEC) sowie Überwucherungen von
8
Pseudomonas spp. und Staphylococcus aureus berichtet. Alle Keime, außer
Pseudomonas, werden dabei bis zur Stufe der Spezies bzw. des Serovars
differenziert.
Bei entsprechender Anforderung auf dem Begleitschein wird in der Stuhlprobe
mittels eines encyme linked immuno assey (ELISA) (Ridascreen, R-Biopharm,
Darmstadt) nach den Toxinen A und B von C. difficile gesucht.
9
IV
Methodik
IV. 1 Retrospektive Untersuchung
Um die Häufigkeit und Art der durch die Medizinische Universitätsklinik veranlassten
Stuhluntersuchungen zu ermitteln, wurde der Zeitraum zwischen November 1995 und
Oktober 1996 retrospektiv untersucht. Hierfür wurden aus den Abrechnungsordnern
des Stuhllabors im Institut für Mikrobiologie und Hygiene alle stationären Patienten
sowie Patienten der internistischen Notaufnahme, für die eine Stuhlprobe zur
Untersuchung eingesendet wurde, identifiziert und folgende Daten ermittelt und in
einer Datei erfasst:
• Patienteninitialien
• Geburtsdatum
• Datum der Aufnahme in die Klinik
• Station
• Probenentnahme- bzw. Einsendedatum
• Art der durchgeführten Stuhluntersuchungen
• Erregernachweis.
IV. 2 Prospektive Untersuchung
Im Zeitraum von November 1996 bis Mai 1997 (7 Monate) wurden täglich von allen
stationären Patienten der Medizinischen Universitätsklinik, von denen eine
Stuhlprobe zur Untersuchung eingeschickt wurde, folgende Daten erfasst:
• Patientenname
• Geburtsdatum
• Station
• Labornummer
• Labornummer der letzten Voruntersuchung
• angeforderte Stuhluntersuchungen
• Anforderungsdiagnose
• Art der durchgeführten Untersuchung
10
Am Tag des Eingangs der Probe im Labor wurden die Patienten auf der Station der
Medizinischen Klinik aufgesucht und - nach Absprache mit dem Stationsarzt - zur
klinischen Symptomatik befragt. Zusätzlich wurde die jeweilige Patientenakte zur
Feststellung
weiterer
Befunde
eingesehen.
Von
Besuch
und
Befragung
ausgeschlossen wurden Patienten der Station Löhr (Knochenmark-Transplantation)
sowie HIV-positive Patienten. Die erhobenen Daten sind auf dem folgenden
Fragebogen ersichtlich:
11 Studie
Stuhl-
Name:_______________________
Geb.dat.:_____________________
Station:______________________
Abnahmedat.:_________________
Datum___________
Lab. Nr.__________
stationär seit:
0-24h
25-48h
49-72h
>7 Tg.
4-7 Tg.
Zeit zwischen Einweisung
und Beginn der Diarrhoe:
keine Diarrhoe
0-24h
25-48h
49-72h
>7 Tg
4-7 Tg.
vorbestehend
°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°
Grundleiden/Aufnahmegrund:_______________________________________
Immunsuppression:
→ Art:_________________________
nein
ja
→
HIV-pos.:
nein
unbekannt
CD4-Zahl:____________
ja
°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°
→
Häufung von Diarrhoe im pers. Umfeld:
nein
ja
Reise außerhalb Mitteleuropas
innerhalb 4 Wo vor Einweisung:
_______________
→
nein
wo/wer:_____________
Land/Gebiet:______________
ja
________________
Antibiotika/Antimykotika (syst.) in den letzten 4 Wo. :
Namen:_____________|____________________________________________________________
Eingenommen von-bis: 
°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°
oral
Max. Temp. in den 24h
rekt.
→
vor Kulturentnahme:
<37°C
37-38°C
axill.
aurik.
>38°C
°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°
Bauchschmerz/Druckdolenz:
nein
Nausea/Erbrechen:
ja
nein
ja
°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°
Stuhlkonsistenz:
 →Schweregrad der Diarrhoe:
geformt breiig wässrig
<3/d
Blutige Diarrhoe:
nein
3-8/d
>8/d
Schleimige Diarrhoe:
ja
nein
ja
°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°
letzte Leukozytenzahl:__________ CRP:_____
Neutrophile (falls vh.):______
12
Patienten, die mehrere Wiederholungsuntersuchungen bekommen hatten, wurden
erst nach zwei Wochen erneut besucht. Die erhobenen Daten und das jeweilige
Ergebnis der Stuhluntersuchung wurden ebenfalls in einer Computerdatei zur
weiteren Auswertung gespeichert.
IV. 3 Retrospektive Fallserie aus einer 10 Jahres Analyse
Eine weitere retrospektive Erhebung wurde zur Identifizierung von Risikofaktoren für
eine positive Stuhlkultur bei stationären Patienten durchgeführt. In einer 10-Jahres
Analyse (April 1988 - Oktober 1996 und Juni 1997 – Oktober 1998) wurden die
Krankenakten aller stationären Patienten der gesamten Universitätsklinik Freiburg,
deren Stuhlkultur den Nachweis von enteropathogenen Bakterien erbracht hatte,
eingesehen. Dabei wurden über die o.g. Daten hinaus folgende Informationen
ermittelt:
• Tag des Diarrhoebeginns
• Indikation zur Stuhluntersuchung
• vorbestehende Grundleiden
• Anwendung immunsuppressiver Medikamente
• Konzentration der neutrophilen Granulozyten am Tag der Probenentnahme
IV. 4 Statistische Testverfahren
Vergleiche von Proportionen wurden mittels Χ2 oder Fisher‘s Exact Test
durchgeführt. Die Positivitätsraten des Retrospektiv- und Prospektivteils wurden
mittels Mantel-Haenszel Methode kombiniert.
13
V
Ergebnisse
V. 1 Retrospektive Untersuchung
Im Untersuchungszeitraum von November 1995 bis Oktober 1996 wurden von der
Medizinischen Klinik insgesamt 2696 Stuhlproben von 1182 stationären Patienten
bzw. Patienten der Notaufnahme zur Untersuchung eingesendet. An diesen
Stuhleinsendungen wurden folgende Untersuchungen durchgeführt:
•
2391 Stuhlkulturen (SK) auf enteropathogene Bakterien
•
1588 ELISA auf Toxin von C. difficile
Die Stuhlkulturen auf enteropathogene Bakterien (EPB) kamen von 1154 Patienten
während
1265
stationären
Aufenthalten
(„Behandlungsfällen“),
entsprechend
durchschnittlich 1,9 Untersuchungen/Behandlungsfall. ELISA‘s auf C. difficile Toxin
wurden
bei
667
Patienten
in
722
Behandlungsfällen
(2,2
Untersuchungen/Behandlungsfall) durchgeführt.
Eine Zusammenfassung mit den einzelnen Abteilungen zeigt Tabelle 3:
Abteilung
Abteilung
Abteilung
Abteilung
Abteilung
Abteilung
Notaufn.
Intensiv
Gesamt
1
2
3
4
5
6
SK
Fälle mit SK
ELISA auf C. difficile Toxin
1058
664
79
390
40
50
36
74
2391
377
409
65
256
34
43
33
48
1265
838
375
44
200
24
26
18
63
1588
Fälle mit ELISA auf C. difficile
Toxin
279
203
22
123
19
21
16
39
722
Tabelle 3: Anzahl der durchgeführten Stuhluntersuchungen (SK), Nov. `95 – Okt. `96, Medizinische
Universitätsklinik
V.1.1 Stuhlkulturen
In den 2391 im Zeitraum November 1995 – Oktober 1996 durchgeführten bakteriellen
Stuhlkulturen wurden insgesamt 21 Erstdiagnosen an enteropathogenen Bakterien
erhoben, was einer Ausbeute von 0,9% entspricht.
14
Die Bedeutung des Zeitpunktes der Stuhlabnahme in Bezug zur Patientenaufnahme
in die Klinik wird im Diagramm 1 dargestellt.
100,0%
100%
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
SK
ED EPB
43,6%
17,1%
3,4%
1-3
22,7%
0,7%
4-8
16,6%
0,3%
9-31
0,0%
>31
0,9%
Summe
Hospitalisationsdauer (Tage)
Diagramm 1: Stuhlkulturen (SK) von Patienten der Medizinischen Universitätsklinik, Nov.`95 - Okt.`96
(n=2391), Erstdiagnosen (ED) enteropathogener Bakterien (EPB) in Abhängigkeit der
Hospitalisationsdauer
Während mit fortschreitender Aufenthaltsdauer der Patienten eine Zunahme an
durchgeführten bakteriellen Stuhlkulturen zu verzeichnen ist, nehmen die Befunde an
enteropathogenen Bakterien über die Hospitalisationszeit ab, bei Patienten mit
Probenentnahme nach dem dritten Aufenthaltstag auf unter 1 %. Von Interesse ist
die Frage, ob durch das Durchführen von mehreren Wiederholungsuntersuchungen
beim selben Patienten die Ausbeute an Erstdiagnosen von enteropathogenen
Bakterien erhöht werden kann. Hierzu ist im Diagramm 2 der Prozentsatz an
Erstdiagnosen bei den Wiederholungsuntersuchungen dargestellt.
Tabelle 4 zeigt, wie viele Wiederholungsuntersuchungen im genannten Zeitraum der
Studie jeweils gemacht wurden. Maximal wurden 17 Untersuchungen am gleichen
Patienten durchgeführt.
15
1,6%
1,5%
1,4%
1,2%
1,0%
0,8%
0,6%
0,4%
0,4%
0,2%
0,0%
0,0%
Erstuntersuchung
1. Wiederholung
>2.Wiederholung
Diagramm 2 : Stuhlkulturen von Patienten der Medizinischen Universitätsklinik, Nov.`95 – Okt.`96
(n=2391),
Prozentsatz
von
Erstdiagnosen
enteropathogener
Bakterien
pro
Wiederholungsuntersuchung
Anzahl SK
1265
468
229
135
274
20
2391
Erstuntersuchung
1. Wiederholung
2. Wiederholung
3. Wiederholung
4-10. Wiederholung
>10. Wiederholung
Summe
Anteil an allen SK
52,9%
19,6%
9,6%
5,6%
11,5%
0,8%
100%
Tabelle 4: Anzahl der durchgeführten Erst- und Wiederholungs-Stuhlkulturen (SK) der Medizinischen
Universitätsklinik, November 1995 – Oktober 1996 (n=2391)
Tabelle 4 und Diagramm 2 zeigen, dass knapp die Hälfte der Stuhlkulturen als
Wiederholungsuntersuchungen durchgeführt wurden, davon 19,6% als erstmalige
Wiederholung
mit
einer
Häufigkeit
von
Erstdiagnosen
von
0,4%
(2/468
Untersuchungen). Ab der 2. Wiederholung wurde kein neuer Keim mehr gefunden,
sodass die Ausbeute der Wiederholungsuntersuchungen insgesamt nur 0,18%
beträgt (2 Erstdiagnosen bei 1126 Untersuchungen), während sich in den knapp 53
% (1265) Erstuntersuchungen 1,5% (19) Erstdiagnosen fanden. Somit wurden im
16
untersuchten Zeitraum ca. 90% der ED an enteropathogenen Bakterien in der
Erstuntersuchung gestellt.
Die Verteilung der Stuhlkulturen und ihrer Ausbeute in verschiedenen Altersgruppen
Stuhlkulturen
25,0%
1,7%
1,6%
20,0%
15,0%
1,9%
19,1%
17,5%
18,7%
13,4%
12,8%
1,0%
0,9%
10,0%
5,0%
0,6%
10,9%
0,8%
4,5%
2,4%
0,2%
0,7%
0,0%
0,0%
10-19
20-29
30-39
40-49
50-59
60-69
70-79
80-89
2,0%
1,8%
1,6%
1,4%
1,2%
1,0%
0,8%
0,6%
0,4%
0,2%
0,0%
90 u.
älter
Altersgruppe
Diagramm 3: Stuhlkulturen an Patienten der Medizinischen Universitätsklinik, November 1995 –
Oktober 1996 (n=2391), Erstdiagnose (ED) enteropathogener Bakterien (EPB) in Abhängigkeit von
der Altersgruppe
Die meisten bakteriellen Stuhluntersuchungen wurden bei Patienten im mittleren
Lebensalter durchgeführt. Die relative Ausbeute in diesen Altersgruppen erscheint
dabei tendenziell geringer als jene in höheren und jüngeren Altersgruppen, obwohl
kein signifikanter Zusammenhang zwischen mittlerer Altersgruppe (50-59 Jahre) und
negativem Befund nachzuweisen war.
Erstdiagnosen EPB
ist in Diagramm 3 dargestellt.
17
V.1.2 ELISA auf C. difficile Toxin
Im Diagramm 4 ist die prozentuale Verteilung der durchgeführten Tests auf C. difficile
Toxin sowie die Rate an Erstdiagnosen in Abhängigkeit der Hospitalisationsdauer
dargestellt. Die Häufigkeit des Nachweises dieser Toxine bei Patienten mit
Probenentnahme nach dem dritten Kliniktag unterscheidet sich nicht signifikant von
der Häufigkeit bei früherer Probenentnahme:
100,0%
100%
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
ELISA auf C. difficile Toxin
ED C.difficile Toxin
51,8%
22,1%
16,1%
10,0%
6,3%
1-3
3,5%
4-8
6,1%
9-31
5,5%
5,1%
>31
Summe
Hospitalisationsdauer (Tage)
Diagramm 4: ELISA auf C. difficile Toxin A/B an der Medizinischen Universitätsklinik, Nov.`95 Okt.`96 (n=1588), Erstdiagnosen (ED) des Toxins in Abhängigkeit von der Hospitalisationsdauer
Die Durchführung von Wiederholungsuntersuchungen in der Diagnostik von C.
difficile Toxin erbrachte die in Diagramm 5 dargestellten Raten an Erstbefunden.
Maximal wurden 14 Wiederholungsuntersuchungen durchgeführt. Die insgesamt 868
(54,7%) Wiederholungsuntersuchungen ergaben 27 Erstbefunde (3,1%). Einzelne
Erstbefunde wurden noch bis zur 8. Wiederholungsuntersuchung erhoben.
18
50%
45,3%
ELISA auf C. difficile Toxin
40%
ED C.difficile Toxin
30%
20,7%
20%
10%
14%
12,3%
8,3%
3,3%
7,5%
2,6%
5,0%
2,2%
3.
W
ied
er
ho
lun
g
>
3.
W
ied
er
ho
lun
g
2.
W
ied
er
ho
lun
g
1.
W
ied
er
ho
lun
g
Er
stu
nte
rsu
ch
un
g
0%
Diagramm 5: ELISA auf C. difficile Toxin A/B von Patienten der Medizinischen Universitätsklinik,
November 1995 – Oktober 1996 (n=1588). Erstdiagnosen (ED) des Toxins pro Untersuchung.
19
V. 2 Prospektive Untersuchung
Im Zeitraum der prospektiven Analyse (November 1996 - Mai 1997) wurden
insgesamt
1214
Stuhleinsendungen
von
553
stationären
Patienten
der
Medizinischen Klinik während 605 Krankenhausaufenthalten (Behandlungsfällen)
durchgeführt. An diesen Stuhleinsendungen wurden 1025 Untersuchungen auf
bakterielle Durchfallerreger während 555 Behandlungsfällen durchgeführt (1,85
Untersuchungen/Fall) und 759 Tests auf C. difficile Toxin bei 379 Fällen (2,0
Untersuchungen/Fall). Eine Aufstellung mit den einzelnen Abteilungen zeigt Tabelle 5.
SK
Abteilung 1
Abteilung 2
Abteilung 3
Abteilung 4
Abteilung 5
Abteilung 6
Intensiv
Gesamt
494
225
35
157
7
43
64
1025
Fälle mit ELISA auf C. difficile Fälle mit ELISA auf C.
SK
Toxin
difficile Toxin
202
394
168
141
146
78
30
17
16
102
113
66
7
1
1
33
22
13
40
66
37
555
759
379
Tabelle 5: Anzahl der durchgeführten Stuhluntersuchungen, November 1996 - Mai 1997, Abteilungen
der Medizinischen Universitätsklinik Freiburg. SK, Stuhlkultur.
V.2.1 Stuhlkulturen
Die Rate der Erstdiagnosen an enteropathogenen Bakterien war in der prospektiven
Untersuchung mit 1,3% (13 Erstdiagnosen unter 1025 Stuhlkulturen) ähnlich niedrig
wie im Retrospektivteil. In Diagramm 6 ist die Ausbeute an enteropathogenen
Bakterien in Abhängigkeit der Hospitalisationsdauer dargestellt:
20
100,0%
100%
90%
SK
ED EPB
80%
70%
60%
45,3%
50%
40%
30%
20%
10%
21,6%
18,2%
14,9%
3,2%
0,5%
1,3%
0%
1,3%
0%
1-3
4-8
9-31
>31
Summe
Hospitalisationsdauer (Tage)
Diagramm
6: Stuhlkulturen (SK) der Medizinischen Universitätsklinik, November 1996 – Mai 1997 (n=1025).
Erstdiagnosen (ED) enteropathogener Bakterien (EPB) in Abhängigkeit von der Hospitalisationsdauer
Auch hier lässt sich eine Zunahme der durchgeführten Kulturen mit fortschreitender
Klinikaufenthaltsdauer bei Abnahme der Ausbeute an enteropathogenen Bakterien
feststellen. Die Gesamthäufigkeit von Erstdiagnosen enteropathogener Bakterien im
prospektiven Teil der Untersuchung (1,3%) unterschied sich nicht signifikant von
derjenigen im retrospektiven Studienteil (0,9%, p=0,21). Folgende Keime wurden im
Zeitraum der retrospektiven und prospektiven Untersuchung nachgewiesen:
Salmonella species in 17 Fällen, Campylobacter species in 10, Yersinia species in
6, und enterohaemorrhagische E. coli in 1 Fall.
In Tabelle 6 sind die Zahlen der während der prospektiven Untersuchung
durchgeführten Wiederholungsuntersuchungen dargestellt:
21
Erstuntersuchung
1. Wiederholung
2. Wiederholung
3. Wiederholung
4-11. Wiederholung
Summe
SK
568
199
101
60
97
1025
Anteil an allen SK
55,4%
19,4%
9,9%
5,9%
9,5%
100%
ED EPB
10
0
3
0
0
13
ED EPB (%)
1,8%
0,0%
3,0%
0,0%
0,0%
1,3%
Tabelle 6: Anzahl der durchgeführten Erst- und Wiederholungs-Stuhlkulturen (SK) der Medizinischen
Universitätsklinik, November 1996 –Mai 1997 (n=1025) mit Erstdiagnosen (ED) an enteropathogenen
Bakterien (EBP)
Den 568 Erstuntersuchungen (55,4% aller Stuhlkulturen) mit einer Ausbeute von 1,8%
stehen 457 Wiederholungsuntersuchungen (44,6%) mit einer Ausbeute von 0,3%
gegenüber. Für eine Erstdiagnose einer enteropathogenen Bakterienspezies waren
somit ca. 55 Untersuchungen notwendig, während bei den Wiederholungen für eine
Erstdiagnose ca. 333 Stuhlkulturen durchgeführt werden mussten.
Diagramm 7 zeigt die Altersverteilung im Zeitraum der prospektiven Untersuchung
mit jeweiliger Ausbeute an Erstdiagnosen enteropathogener Bakterien:
Stuhlkulturen
25,0%
20,0%
15,0%
10,0%
5,0%
0,0%
4,0%
3,5%
16,7% 2,2%
3,0%
2,2%
13,9%
13,1%
2,5%
13,5%
1,9%
11,1%
2,0%
1,4%
1,5%
0,9%
0,9%
5,3%
2,8% 1,0%
1,3%
0,5%
0,0%
0,0%
0,0%
10-19 20-29 30-39 40-49 50-59 60-69 70-79 80-89 90 u.
älter
22,4%
3,4%
Erstdiagnosen EPB
22
Altersgruppe
Diagramm 7: Stuhlkulturen von Patienten der Medizinischen Universitätsklinik, November 1996 – Mai
1997 (n=1025). Erstdiagnosen (ED) enteropathogener Bakterien (EPB) in Abhängigkeit von der
Altersgruppe
Auch im prospektiven Teil der Studie findet sich eine tendenziell niedrigere
Positivenrate an pathogenen Bakterien in den mittleren Altersgruppen (50-59 Jahre),
den Altersgruppen mit grossem Anteil an allen Stuhlkulturen. Es fand sich jedoch kein
statistisch signifikanter Zusammenhang.
23
V.2.2 ELISA auf C. difficile Toxin
Die Ergebnisse der prospektiven Untersuchung für C. difficile Toxin finden sich in
den Diagrammen 8 und 9:
100,0%
100%
ELISA auf C. difficile Toxin
80%
ED C. difficileToxin
60%
54,8%
40%
20%
17,5%
16,2%
11,5% 11,5%
7,3%
5,8%
4,5%
6,5%
0%
1-3
4-8
9-31
>31
Summe
Hospitalisationsdauer (Tage)
Diagramm 8: ELISA auf C. difficile Toxin A/B der Medizinischen Universitätsklinik, November 1996 –
Mai 1997 (n=759). Erstdiagnosen (ED) des Toxins in Abhängigkeit von der Hospitalisationsdauer
Auch hier konnte prospektiv bestätigt werden, dass beim Nachweis von C. difficile
Toxin die Rate an positiven Erstbefunden über die Zeit der Aufenthaltsdauer nicht
abnimmt.
24
100,0%
80,0%
60,0%
50,6%
ELISA auf C. difficile Toxin
ED C. difficile Toxin
40,0%
19,5%
20,0%
10,4%
12,9%
10,4%
4,1%
6,6%
0,0%
2,0%
2,0%
0,0%
Erstuntersuchung 1. Wiederholung
2. Wiederholung
3. Wiederholung >3. Wiederholung
Diagramm 9: ELISA auf C. difficile Toxin A/B an Patienten der Medizinischen Universitätsklinik, November
1996 –Mai 1997 (n=759). Erstdiagnosen (ED) des Toxins pro Wiederholungsuntersuchung.
Diagramm 9 zeigt, dass in den Wiederholungsuntersuchungen des prospektiven
Teils
ebenfalls
eine
niedrigere
Ausbeute
(insgesamt
2,4%)
als
in
den
Erstuntersuchungen (10,4%) zu finden war. In diesem Teil der Studie fanden sich
Erstdiagnosen maximal in der 6. Wiederholungsuntersuchung (1) wobei bis zu 11
Wiederholungsuntersuchungen durchgeführt wurden.
25
V.2.3 Prädiktive Faktoren
Inwieweit hat der Zeitpunkt des Auftretens der Diarrhoe Bedeutung für die Ausbeute
an Erstdiagnosen enteropathogener Bakterien? Wir haben dazu alle untersuchten
Patienten im Prospektivteil in Gruppen eingeteilt, wobei hier vor allem die
Unterscheidung der Gruppe mit Diarrhoebeginn vor dem Klinikaufenthalt bzw. am
Tag 1-3, verglichen mit der Gruppe der später Erkrankten interessiert.
Diarrhoebeginn
vor Aufnahme bis Tag 3
Tag 4-7
Tag >7
keine Diarrhoe
ohne Angabe
Gesamtergebnis
Stuhlkulturen
248
88
249
140
72
797
ED EPB
5
1
4
2
1
13
2,0%
1,1%
1,6%
1,4%
1,4%
1,6%
Tabelle 7: Erstdiagnosen (ED) enteropathogener Bakterien (EPB) in Abhängigkeit vom Diarrhoebeginn
Es ergab sich kein signifikanter Zusammenhang (Tabelle 7) zwischen dem Auftreten
von „früher Diarrhoe“ (vor Aufnahme bis Tag 3) mit der Erstdiagnose
enteropathogener Bakterien (ohne C. difficile) im Vergleich zu den Gruppen mit
späterem Auftreten bzw. Abwesenheit von Diarrhoe (p>0.1). Einschränkend ist
hierbei zu bemerken, dass die Angabe dieses Zeitpunktes oft mit grosser
Ungenauigkeit behaftet war (mehrmaliges Auftreten von Diarrhoe-Episoden,
mangelnde Erinnerung)
Ebenso konnte kein Unterschied in den Diarrhoebeginn-Gruppen (Gruppe mit Beginn
vor Aufnahme bis Tag 3 vs. Gruppen mit späterem Beginn) bei den Untersuchungen
auf C. difficile Toxin gefunden werden (Tabelle 8).
Diarrhoebeginn
vor Aufnahme bis Tag 3
Tag 4-7
Tag >7
keine Diarrhoe
ohne Angabe
Gesamtergebnis
ELISA auf C. difficile
Toxin
180
73
246
49
211
759
ED C. difficile Toxin
15
6
21
2
5
49
8,3%
8,2%
8,5%
4,1%
2,4%
6,5%
26
Tabelle 8: Erstdiagnosen von C. difficile Toxin in Abhängigkeit vom Diarrhoebeginn
Hat die Gabe von Antibiotika Einfluss auf die Ausbeute an enteropathogenen
Keimen? Wir unterteilten hierzu in je eine Gruppe mit und ohne stattgehabte
Antibiotikatherapie. In der Gruppe ohne Antibiotika (577) fanden sich 6 (1,0%)
Erstdiagnosen enteropathogener Bakterien gegenüber 7 Positiven von 448 (1,6%) in
der Gruppe ohne Antibiotikum. Somit konnte kein Unterschied in der Ausbeute
gezeigt werden (p>0,1). In den ELISA auf das Toxin von C. difficile fanden sich
hingegen signifikant mehr Erstdiagnosen in der Gruppe, die Antibiotika erhalten
hatte: 43/369 (11,7%), gegenüber 6/390 (1,5%) in der Gruppe ohne Antibiotika
(p<0,001).
Die Analyse der in den ersten drei Tagen nach Klinikaufnahme gewonnenen
Stuhlkulturen erbrachte eine Assoziation zwischen dem Nachweis von
enteropathogenen Bakterien und positiver Familienanamnese bezüglich
stattgehabter oder vorhandener Diarrhoe (p=0,02) sowie kürzlich durchgeführten
Auslandsaufenthalten (p<0,001).
Weitere Faktoren wie Übelkeit und Erbrechen, erhöhte Stuhlfrequenz mit 8 oder mehr
Stuhlgängen pro Tag und erhöhte Temperatur von mind. 38°C waren nicht signifikant
assoziiert mit der Häufigkeit der Erstdiagnose enteropathogener Bakterien (p>0,1).
27
V. 3 Retrospektive Fallserie aus einer 10 Jahres Analyse
Alle stationären Patienten der Universitätsklinik Freiburg, bei denen zwischen 1988 –
1998 bei Stuhlkulturentnahme nach dem dritten Hospitalisationstag erstmalig
enteropathogene Bakterien nachgewiesen worden sind, wurden identifiziert und
durch Aktenstudium charakterisiert. Insgesamt vielen 73 Patienten in diese
Kategorie. Die meisten davon waren in der Klinik für Innere Medizin stationär (68%).
20% waren in der Chirurgischen Klinik hospitalisiert. Bei 68 Patienten liess sich die
Krankenakte einsehen. Die Patienten liessen sich in folgende Kategorien einteilen
(Tabelle 9):
Klinische Charakteristika
Anzahl Patienten
Nosokomiale Diarrhoe
Alter > 65 mit Komorbidität
Neutropenie*
HIV Infektion
Ambulant erworbene Diarrhoe**
Extraintestinale Manifestation einer enteralen
Infektion ***
Asymptomatische Träger
17 (25%)
9 (13%)
7 (10%)
16 (24%)
11 (16%)
8 (12%)
Tabelle 9: Charakteristika von Patienten mit Erstdiagnosen enteropathogener Bakterien mehr als 3
Tage nach Klinikaufnahme (1988-1998)
* Neutrophilenkonzentration <0.5 x 109 /l; ** diagnostiziert auch mehr als 72 Std. nach Klinikaufnahme bei
vorherigem Beginn der Diarrhoe, wenn die Probe nicht innerhalb den ersten 3 Tagen abgenommen wurde
oder die erste Probe negativ war; *** Mesenteriale Lymphadenitis, Cholezystitis, Fieber unklarer Herkunft,
Polyarthritis, Erythema nodosum
Die meisten der 33 Patienten mit nosokomialer Diarrhoe waren ältere Patienten (>65
Jahre) mit chronischen Grundleiden, u.a.
•
Diabetes mellitus mit Sekundärkomplikationen
•
Leberzirrhose
•
Chronische Niereninsuffizienz
•
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung
•
Tetraplegie
28
Es fanden sich keine erstmalig positiven Stuhlkulturen nach Tag 3 der Hospitalisation
bei Patienten unter medikamentöser Immunsuppression, solange die Konzentration
der neutrophilen Granulozyten über 0,5x109/l lag.
29
VI
Fallberichte
Im Folgenden werden zwei Fälle von nosokomialer Diarrhoe mit Nachweis eines
enteropathogenen Keimes – Salmonella derby – nach dem dritten Klinikaufenthaltstag vorgestellt.
Fall 1
Die 37-jährige Patientin Z. M. mit invasiv-duktalem Mamma-Karzinom und Lebermetastasen wurde zur Hochdosischemotherapie und autologen Stammzelltransplantation am 2. Januar 1997 stationär aufgenommen. Die Patientin war bei
Aufnahme beschwerdefrei, es wurden keine klinischen oder laborchemischen
Auffälligkeiten festgestellt. Nach 5 Tagen Hochdosischemotherapie entwickelte sie
am Tag 6 Diarrhoe, eine Stuhluntersuchung auf enteropathogene Bakterien vom 7.
Aufenthaltstag war negativ. Wegen eingetretener Neutropenie wurde eine Prophylaxe
mit Cotrimoxazol und Fluconazol eingeleitet. Nach kurzer Besserung der Diarrhoe
kam es am Tag 11 erneut zu fünf wässrigen Stuhlentleerungen. Eine am 14. Januar
1997 (Tag 13) entnommene Stuhlkultur erbrachte den Nachweis von Salmonella
derby, wofür eine Therapie mit Ceftazidim eingeleitet wurde. Die Diarrhoe
persistierte bis Tag 20, ab Tag 13 waren die Stuhlkulturen jedoch negativ. Eine
Zusammenfassung des Krankheitsverlaufs sowie der gegebenen Antibiotika findet
sich in Diagramm 10.
Fall 2
Die 34-jährige Patientin B.-F. H. wurde zur Durchführung einer Hochdosis-Chemotherapie mit Stammzelltransplantation bei invasiv-lobulärem Mamma-Karzinom am 7.
Januar 1997 stationär aufgenommen und in einem Doppelzimmer mit der o.g.
Patientin Z. M. (Fall 1) untergebracht. Sie war beschwerdefrei, klinischer Befund und
Aufnahmelabor waren unauffällig. Zwischen Tag 3 und 7 wurde die Chemotherapie,
am Tag 8 die Stammzelltransplantation komplikationslos durchgeführt. Am 16.
Januar 1997 (Tag 9), dem ersten Tag der Neutropenie, berichtete die Patientin von
30
Nausea, Erbrechen und verminderter Stuhlkonsistenz, weshalb eine Stuhlkultur
angeordnet wurde. Am Tag 10 kam es zu sechs wässrigen Stuhlentleerungen. Am
Tag 13 wurde in der initialen Stuhlkultur Salmonella derby nachgewiesen, auch zwei
weitere Stuhlkulturen der Tage 10 und 11 wurden später positiv. Eine Therapie mit
Ciprofloxacin wurde eingeleitet. Anlässlich septischer Temperaturen am Tag 14
wurden in Blutkulturen Streptokokken nachgewiesen, weshalb zusätzlich Vancomycin
verabreicht wurde. Ab Tag 18 kam es zu allmählichem Leukozytenanstieg, Sistieren
der Durchfälle und Entfieberung. Der Casus ist im Diagramm 11 dargestellt.
Zusammenfassend war es bei beiden Patientinnen zu einer nosokomialen
Salmonellenenteritis unter Agranulozytose gekommen. Der Übertragungsweg bei Fall
1 ist unklar. Entweder war der Keim außerhalb der Klinik erworben und die Patientin
als asymptomatischer Träger aufgenommen worden, oder es handelt sich um eine
sporadische Übertragung des Keimes innerhalb der Klinik. Die Pathogenese bei Fall
2 hingegen entspricht am ehesten einer nosokomialen Übertragung. Dafür sprechen
der enge räumliche Kontakt der beiden Patienten, das zeitliche Zusammentreffen der
Isolationen, sowie die Seltenheit, mit der Salmonella derby ansonsten im Freiburger
Raum nachgewiesen wird. Bei beiden Patientinnen kann aufgrund der Behandlung
mit Protonenpumpenhemmern, prophylaktisch verabreichten Antibiotika sowie einer
anzunehmenden Chemotherapie-assoziierten Mukositis von einem deutlich erhöhten
Risiko für den Erwerb einer enterischen Infektion ausgegangen werden.
31
Fallbericht Pat. Z. M.
SK
40,0 °C
16
Stuhlgang (Anzahl/Tag)
Leucocyten (Tsd/µl)
14 CRP (mg/dl)
Temp
39,5 °C
12
39,0 °C
10
38,5 °C
8
38,0 °C
Stuhlg.
Leuko
6
CRP
Temp
37,5 °C
4
37,0 °C
2
36,5 °C
0
1
2
3
HDC
4
5
6
7
8
SZT
9
10 11 12 13 14 15
16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27
Aufenthaltstag
FLU
COT
IMP
CAZ
CIP
VAN
Diagramm 10: Fallbericht 1. -, negative Stuhlkultur (SK); + =positive Stuhlkultur für Salmonella derby; CAZ Ceftazidim; CIP Ciprofloxazin; FLU Fluconazol;
IMP Imipenem; COT Cotrimoxazo; VAN Vancomycin; HDC Hochdosischemotherapie; SZT Stammzelltransplantation.
32
Fallbericht Pat. B.-F. H.
SK:
40,0 °C
25
39,5 °C
Stuhlgang (Anzahl/Tag)
Leucocyten (Tsd/µl)
CRP (mg/dl)
Temp
20
39,0 °C
15
38,5 °C
38,0 °C
10
Stuhlg.
37,5 °C
5
Leuko
CRP
37,0 °C
Temp
36,5 °C
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
Aufenthaltstag
SZT
HDC
COT FLU
CIP
NET
VAN
Diagramm 11: Fallbericht 2. -, negative Stuhlkultur (SK); +, positive Stuhlkultur mit Salmonella derby; CIP Ciprofloxazin; FLU Fluconazol; NET Netilmicin; COT
Cotrimoxazol
(Sulfametoxazol/Trimetoprim);
VAN
Vancomycin;
HDC
Hochdosis-Chemotherapie;
SZT
Stammzelltransplantation.
33
VII
Diskussion
Enteropathogene Bakterien sind seltene Erreger der nosokomialen Diarrhoe. Im
Zeitraum von 1988 bis 1998 wurde in allen Kliniken des Universitätsklinikums
Freiburg nur bei 73 Patienten nach dem dritten Hospitalisationstag der Erstnachweis
eines enteropathogenen Bakteriums geführt. Darunter hatten sechzehn Patienten die
Diarrhoe vor Klinikeinweisung oder innerhalb der ersten 72 Stunden erworben,
weitere neunzehn Patienten waren entweder asymptomatische Träger oder litten an
einer extraintestinalen Manifestation einer enterischen Infektion. Bei verbleibenden
38 Patienten mit nosokomialer Diarrhoe und geschätzten 5.200.000 Belegungstagen
während des Zehnjahreszeitraums ergibt sich eine annähernde Inzidenz der bakteriell
verursachten nosokomialen Diarrhoe von unter 1/105 Belegungstage.
Entsprechend dieser niedrigen Häufigkeit war die Ausbeute unter den 3.416
Stuhlkulturen von hospitalisierten Patienten in dem 19-Monatszeitraum des
zusammengeführten retrospektiven und prospektiven Teils unserer Studie mit 1,1%
sehr niedrig. Diese Rate liegt im mittleren Bereich der von anderen Autoren
durchgeführten Studien, deren Ausbeute von 0,6% (22,25) über 1,5% (9) bis 2,5%
reicht (8,12). Die bisher vor allem in den USA erhobenen Daten konnten somit
erstmals
in
einer
deutschen
Universitätsklinik
bestätigt
werden.
Ebenfalls
reproduzierbar war die Abhängigkeit der Ausbeute an enteropathogenen Bakterien
von der Dauer der Hospitalisation. Sie nahm von 3,3% bei Probengewinn innerhalb
der ersten 72 Stunden der Hospitalisation auf 0,5% bei Probengewinn nach mehr als
72 Stunden ab. Bei Patienten mit mehr als einmonatiger Hospitalisation betrug die
Ausbeute 0%, obgleich immerhin 16% der eingesandten Stuhlproben aus diesem
Kollektiv stammten. Diese zeitliche Abhängigkeit illustriert, dass bakterielle
enterische meist außerhalb der Klinik erworben werden und die Akquisition im
stationären Bereich eine Seltenheit ist.
Die Daten für den Nachweis des C. difficile Toxins unterscheiden sich deutlich. Die
2.347 durchgeführten ELISA-Tests ergaben in 5,8% der Fälle die Erstdiagnose einer
C. difficile Infektion, wobei die Ausbeute bei länger werdender Hospitalisation nicht
signifikant abnahm (8,2% innerhalb der ersten 72 Stunden vs. 5,5% danach, p>0,1).
34
Auch dieses Ergebnis entspricht den aus US-amerikanischen Zentren bekannten
Zahlen (16,27). Der fehlende Einfluss der Hospitalisationsdauer spiegelt die
Tatsache wider, das sowohl die Kolonisation mit C. difficile als auch die Entwicklung
einer symptomatischen C. difficile-Infektion durch Klinikbedingungen begünstigt
werden. So fanden sich bei Patienten nach stattgehabter Antibiotikatherapie
signifikant mehr Erstdiagnosen des C. difficile Toxins als bei Patienten, die keine
Antibiotika erhalten hatten.
Die sehr niedrige Ausbeute von Stuhlkulturen an hospitalisierten Patienten hat zur
Folge, dass die Kosten pro positiver Stuhlkultur hoch sind und ein positiver
Stuhlkulturbefund unter hospitalisierten Patienten rechnerisch zu den teuersten
mikrobiologischen Befunden gehört (8,12,18,24). Um die Dianostik wirtschaftlicher
zu machen wurde daher vorgeschlagen, die Durchführung von Stuhlkulturen bei
hospitalisierten Patienten auf die ersten 72 Stunden des Klinikaufenthaltes zu
beschränken (8). Diese sogenannte „3-day rule“ wurde bisher von etwa einem Viertel
der US-amerikanischen mikrobiologischen Laboratorien implementiert (18). Für eine
(hypothetische) US-landesweite Umsetzung wurden jährliche Einsparungen zwischen
20 und 73 Mio US$ kalkuliert (18,24).
Trotz der insgesamt niedrigen Ausbeute der Stuhlkulturen können jedoch auch unter
hospitalisierten Patienten klinisch relevante, bakteriell verursachte Enteritiden
auftreten. Nosokomiale Ausbrüche werden regelmäßig sowohl aus den USA als auch
aus Europa berichtet (17,26), und das Risiko sporadischer Enteritiden bei
immunsupprimierten hospitalisierten Patienten wird durch den oben geschilderten
Fall 1 illustriert (20). Durch strikte Anwendung der „3-Tages Regel“ würden solche
Einzelfälle unerkannt bleiben. Ein Verdacht auf nosokomialen Ausbruch und das
Vorliegen von Immunsuppression wurden daher als Ausnahme der „3-day rule“
vorgeschlagen (5,22). Die Praktikabilität dieser Vorschläge wurde jedoch nicht
evaluiert. Nosokomiale Ausbrüche mit enteropathogenen Bakterien können
schleichend ablaufen, über längere Zeit klinisch unvermutet bleiben und erst aufgrund
einer zeitlichen Häufung scheinbar sporadischer Erregerisolate im mikrobiologischen
Labor entdeckt werden. (1,3,7,13). Auch die vorgeschlagene Ausnahmeregelung bei
immunsupprimierten Patienten ist nicht unproblematisch. Die Definition von
35
„Immunsuppression“ ist nicht standardisiert, und unter Anwendung der Definition
eines Standard-Textbuches (6) wären etwa zwei Drittel der im Rahmen unserer
prospektiven Studie erfasten stationären Patienten der Medizinischen Klinik als
immunsupprimiert zu klassifizieren (4).
Wir prüften deshalb, ob neben der Hospitalsationsdauer weitere klinische Faktoren
existieren, die von prädiktivem Wert für eine positive Stuhlkultur sind und als
Kriterium für die Durchführng einer Stuhlkultur dienen können. Wir fanden keinen
signifikanten Zusammenhang zwischen der Isolation von enteropathogenen Bakterien
und Zeitpunkt des Auftretens der Diarrhoe im Verhältnis zur Aufnahme in die Klinik,
Übelkeit und Erbrechen, Stuhlfrequenz über 8/ Tag, Temperatur > 38°C oder
Bauchschmerzen. Lediglich in der Gruppe der innerhalb der ersten drei Tagen nach
Krankenhausaufnahme gewonnenen Stuhlkulturen fand sich eine signifikante
Assoziation zwischen positivem Stuhlkulturergebnis und positiver Familienanamnese
bezüglich kürzlich stattgehabter oder andauernder Diarrhoe (p = 0,02) sowie kürzlich
durchgeführten Auslandsaufenthalten (p<0,001). In einer Studie von Rohner et al (22)
konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen positivem Kulturergebnis und der
Abwesenheit einer Antibiotikatherapie gezeigt werden, mit der plausiblen Erklärung,
dass viele Antibiotika ein kulturelles Wachstum enteropathogener Bakterien
hemmen. Wir konnten diesen Zusammenhang nicht feststellen. Erwartungsgemäß
fand sich jedoch eine signifikante Assoziation von stattgehabter Antibiotikatherapie
mit dem Nachweis von C. difficile Toxin (p<0,001).
Die Analyse der o.g. klinischen Faktoren erlaubt also keine Aussage über die
Wahrscheinlichkeit, mit der Stuhlkulturen bei Patienten mit nosokomialer Diarrhoe
den Nachweis eines enteropathogenen Erregers ergeben. Sie eignen sich daher
nach unseren Daten nicht als Kriterium für die Durchführung einer Stuhlkultur. Als
alternativen Ansatz zur Charakterisierung von Patienten, bei denen auch nach mehr
als 72-stündiger Hospitalisation enteropathogene Bakterien nachgewiesen werden,
führten wir als dritten Studienteil eine retrospektive Analyse aller derartiger Fälle im
gesamten Universitätsklinikum während eines 10-Jahreszeitraums durch. Die 68
Patienten, deren Akten verfügbar waren, konnten nach klinischer Charakteristik in
umschriebene Gruppen eingeteilt werden. In der Gruppe mit nosokomialer Diarrhoe
36
(33 Patienten) fanden sich als grösste Teilgruppe Patienten, die älter als 65 Jahre
waren
und
unter
chronischen
Grundleiden
wie
Diabetes
mellitus
mit
Sekundärkomplikationen, Leberzirrhose, chronischer Nierenisuffizienz, chronisch
obstruktiver Lungenerkrankung oder Tetraplegie litten. Daneben gab es Patienten mit
einer Konzentration der neutrophilen Granulozyten < 0,5x109/l und Patienten mit HIVInfektion. Es fanden sich keine positiven Stuhlkulturen nach Tag 3 der Hospitalisation
bei Patienten mit immunsupprimierenden Medikamenten, sofern die neutrophilen
Granulozyten über 0,5x109/l lagen. Weiterhin fanden sich elf Patienten mit
extraintestinalen, nicht mit Diarrhoe assoziierten Manifestationen einer enterischen
Infektion wie z.B. mesenterialer Lymphadenitis bei Yersinieninfektion, akalkulöse
Cholezystitis durch Salmonellen, Fieber unklarer Herkunft, Polyarthritis und Erythema
nodosum. 16 Patienten hatten eine ambulant erworbene Diarrhoe, die während der
ersten drei Tage der Hospitalisation entweder nicht abgeklärt wurde oder bei der
ersten Stuhlkultur einen negativen Befund ergeben hatte. 8 Patienten waren
asymptomatische Träger. Die durch diese Fallserie identifizierten Charakteristika
dienten als Basis für die Etablierung einer modifizierten 3-Tages Regel, die in einer
Anschlussstudie zunächst in Freiburg und anschliessend in drei anderen
europäischen Zentren unabhängig evaluiert und bestätigt wurde (4).
Eine übliche Vorgehensweise bei der Abklärung von Diarrhoe in der Klinik ist die
Durchführung von Wiederholungsuntersuchungen. Ein großer Teil der eingesendeten
Untersuchungen in beiden Studienteilen bestand aus Wiederholungsuntersuchungen.
Den 1833 Erstuntersuchungen (53,7%) mit einer Ausbeute von 1,6% stehen 1538
Wiederholungsuntersuchungen (46,3%) mit einer Ausbeute von 0,3% Erstdiagnosen
gegenüber. Somit waren für eine Erstdiagnose eines Enteropathogenen ca. 63
Erstuntersuchungen notwendig, während bei den Wiederholungen für eine
Erstdiagnose ca. 308 Stuhlkulturen durchgeführt werden mussten. Ab der 3.
Wiederholungsuntersuchung war keine Neudiagnose eines Enteropathogenen mehr
zu finden. Nach Erfahrungen anderer Autoren (22,25) sind bis zu 3 Stuhlkulturen
notwendig, um 99% der enteropathogenen Bakterien zu finden. In den gepoolten
Daten
von
Retro-
und
Prospektivteil
der
Studie
konnten nach der 1.
Wiederholungsuntersuchung (entspr. die zweite Untersuchung) 91,2% und nach der
37
2. Wiederholung 100% der enteropathogenen Bakterien erfasst werden. Die
Vorgehensweise, mittels häufigerer Wiederholung der Untersuchung – in der Studie
bis zu 16 (!) Wiederholungen – bei negativem Stuhlbefund weiter nach
enteropathogenen Bakterien zu suchen, erscheint aufgrund dieser Ergebnisse nicht
effizient und unökonomisch.
Anders verhält es sich bei den Untersuchungen auf C. difficile Toxin: Zwar erbrachten
auch hier die 1104 (45,3%) Erstuntersuchungen in 8,3% (100) Erstdiagnosen,
gegenüber den 1243 (54,7%) Wiederholungsuntersuchungen mit nur 3,1% (36)
Erstdiagnosen, jedoch fanden sich einzelne Erstdiagnosen noch bis zur 8.
Wiederholungsuntersuchung. Der Grund dafür dürfte im häufig nosokomialen Erwerb
der Erkrankung liegen.
Abschließend soll auf einige Limitationen der Studie eingegangen werden. Der
größere Teil der Studie wurde retrospektiv anhand der Unterlagen des Stuhllabors
des Mikrobiologischen Institutes der Universität Freiburg erhoben. Der in dieser
Studie im Vergleich zur vorliegenden Literatur zum ersten mal prospektiv erhobene
Teil zeigte jedoch bezüglich der Rate an erstmalig festgestellten positiven Resultaten
keinen signifikanten Unterschied zum Retrospektivteil (p=0,21). Der Retrospektivteil
konnte somit prospektiv bestätigt und die Ergebnisse zusammengefasst werden.
Einige klinische Daten im Prospektivteil der Studie wurden durch Anamnese
erhoben. Subjektive Einflüsse seitens der befragten Patienten und auch
Befragereinflüsse sind daher möglich. Durch die Befragung mittels standardisierten
Befragungsbogens wurde jedoch eine möglichst objektive Erhebung angestrebt.
Außerdem
wurde jeweils versucht, die Angaben mittels Patientenakte zu
objektivieren. Das Ergebnis der Stuhlkultur beim jeweils befragten Patienten war
dem Befrager zum Zeitpunkt des Interviews nicht bekannt. Bei der Studie handelt es
sich um eine konsekutive Sammlung von stationären Patienten einer einzelnen
Medizinischen Universitätsklinik. Obgleich die Ergebnisse in auffälliger Ähnlichkeit zu
früher veröffentlichten Serien aus anderen Industrieländern stehen, ist die
Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere medizinische Einrichtungen, speziell
solche mit anderen Patientenkollektiven, nicht sicher.
38
VIII
Zusammenfassung
Die Stuhldiagnostik der nosokomialen Diarrhoe, definiert als das Auftreten von drei
oder mehr ungeformten Stühlen mindestens 72 Stunden nach Aufnahme ins
Krankenhaus ist in der Praxis häufig wenig rationell und ökonomisch. Die
Stuhluntersuchung auf enteropathogene Bakterien (ohne C. difficile) hat eine niedrige
Ausbeute an positiven Resultaten, die bei zunehmender Hospitalisationsdauer von
initial 3.3% (innerhalb der ersten 72 Stunden) auf 0% (nach mehr als 31 Tagen)
abnimmt. Die Untersuchungen auf das Toxin von C. difficile hingegen zeigen bei
generell höherer Ausbeute (5,5%) keine Ab- oder Zunahme der Ausbeute im Verlauf
der Hospitalisation.
Neben nichtinfektiösen Ursachen, sollten daher beim Patienten mit nosokomialer
Diarrhoe, insbesondere bei innerhalb der letzten 4 Wochen vorausgegangener oder
noch vorhandener Antibiotikatherapie, die Infektion mit C. difficile in Betracht
gezogen und bei Verdacht der Stuhl auf die Toxine A und B untersucht werden.
Die Stuhlkultur auf enteropathogene Bakterien sollte sich im Rahmen der
nosokomialen Diarrhoe auf besondere Ausnahmefälle die durch weitere Analysen
noch näher zu definieren sind – wie beispielsweise Immunsuppression im Rahmen
von Agranulozytose oder bestehender Verdacht auf Übertragung – beschränken.
Durch eine in dieser Weise rationalisierte Diagnostik bei nosokomialer Diarrhoe
könnte eine erhebliche Einsparung von sowohl finanziellen Mitteln als auch
Arbeitsaufwand erreicht werden.
39
IX
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41
X
Veröffentlichungen
Die vorliegende Arbeit ist Bestandteil von den folgenden beiden Veröffentlichungen:
1. Philippczik G, Fehrenbach J, Steinbrückner B, et al., 1999. Nosocomial
diarrhea caused by Salmonella derby infection in two patients on
chemotherapy. Clin Microbiol Infect; 5:586-8.
2. Bauer TM, Lalvani A, Fehrenbach J, et al., 2001. Derivation and validation of
guidelines for stool cultures for enteropathogenic bacteria other than
Clostridium difficile in hospitalized adults. JAMA;285:313-9.
42
XI Danksagungen
An erster Stelle möchte ich Herrn Dr. med. Tilman Bauer danken für die Anregung
des Themas, seine grosse Initiative und hervorragende Unterstützung bei der
Durchführung der Studie, für seine kritischen Anregungen bei der Auswertung der
Daten, die äusserst fruchtbare Zusammenarbeit mit ihm und ganz besonders für die
hilfreiche und kritische Durchsicht der Arbeit. Er hatte allzeit ein offenes Ohr für alle
Anliegen und Fragen.
Insbesondere danke ich Herrn Prof. Dr. M. Kist für die Übernahme des Gutachtens
und der Doktorvaterschaft, die Überlassung der Daten aus dem Stuhllabor und dass
er mir die Gelegenheit gab, Ergebnisse der Studie an verschiedenen
Verantstaltungen des Institutes für Mikrobiologie vorzustellen.
Herrn Prof. Dr. W. V. Kern möchte ich für die Übernahme der Zweitkorrektur herzlich
danken.
Herrn Dr. B. Steinbrückner danke ich für die Unterstützung und Ratschläge bei der
Durchführung der Studie insbesondere im Institut für Mikrobiologie sowie bei der
Herstellung des Posters für den DGHM - Kongress in Berlin.
Allen Mitarbeiterinnen des Stuhllabors des Institutes für Mikrobiologie danke ich für
ihre hervorragende Kooperation und die allzeit freundliche Aufnahme im Labor.
Besonders danke ich meiner Kollegin und Partnerin in der Studie Frau Gabi
Philipczik, mit der die Zusammenarbeit immer grosse Freude bereitete. Ich wünsche
ihr viel Erfolg und Durchhaltevermögen für ihren Studienteil.
Nicht zuletzt möchte ich insbesondere meiner geliebten Frau danken, für ihr
immerwährendes Verständnis, auch in arbeitsreichen Zeiten und dass sie mir
unentwegt Motivationsimpulse gegeben hat.
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