Tunnelionisation in starken Laserfeldern von Ümit Aydin Diplomarbeit in Physik vorgelegt der Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen im September 2002 angefertigt am Institut für Theoretische Physik A Lehr- und Forschungsgebiet Laserphysik Prof. Dr. H.-J. Kull und am Fraunhofer Institut für Lasertechnik An dieser Stelle möchte ich mich bei folgenden Personen bedanken: Prof. H.-J. Kull für die sehr gute und vor allem engagierte Betreuung, Prof. H. Schoeller für die Übernahme des Zweitgutachtens, Jochen Görlinger, Frank Greschik und Nicolas David für die nette Arbeitsatmosphäre, Freunden und Verwandten, die mich während der Diplomarbeit motiviert haben und mir zur Seite standen. Mein besonderer Dank gilt meinen Eltern, die mir mein Studium der Physik ermöglicht haben, sowie meinem Bruder Ferit für die Unterstützung während des gesamten Studiums. i ii Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1 1.1 Tunnelionisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Potentialbarriere im elektrischen Feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.3 Klassische Ionisationsschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.4 Ziel dieser Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2 Eindimensionale Potentialbarriere 11 2.1 Lösung der Schrödinger-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.2 Numerische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 3 Das Wasserstoffatom in einem äußeren elektrischen Feld 3.1 21 Parabolische Koordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3.1.1 Transformationsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3.1.2 Laplace-Operator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 3.2 Separation der Schrödinger-Gleichung in parabolischen Koordinaten . . . . . . . 24 3.3 WKB-Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3.3.1 3.4 3.5 Abschätzung der charakteristischen WKB-Länge . . . . . . . . . . . . . . 28 Potenzreihenentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3.4.1 Reguläre Potenzreihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3.4.2 Allgemeinere Reihenentwicklungen um singuläre Punkte . . . . . . . . . 36 Störungstheorie und Stark-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 4 Randwertproblem der Tunnelionisation 4.1 49 Quasiklassische Näherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 iii 4.2 Numerische Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 4.2.1 Anschluss der Potenzreihe an die WKB-Lösung . . . . . . . . . . . . . . 53 4.2.2 Anschluss nach numerischer Integration der Schrödinger-Gleichung . . . . 60 5 Zusammenfassung 67 A Gaußsches Maßsystem 69 A.1 Einheiten im Gaußschen Maßsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 B Atomare Einheiten 73 Literaturverzeichnis 76 iv Kapitel 1 Einleitung 1.1 Tunnelionisation Die Ionisation eines Atoms in einem Laserfeld kann im quasistatischen Grenzfall durch den quantenmechanischen Tunneleffekt beschrieben werden. Durch das äußere elektrische Feld des Lasers entsteht im Atom eine Potentialbarriere, die von der Wellenfunktion des gebundenen Elektrons durchtunnelt werden kann, obwohl es keine klassisch erlaubten Bahnen gibt. So revolutionär die Entdeckung dieses Effektes auch war, so elementar und selbstverständlich ist er heutzutage in allen Anwendungsgebieten der Quantentheorie. Sie ist uns in vielen Bereichen allgegenwärtig und das nicht nur in der Physik. Viele Ionisations- und Dissoziationsvorgänge beruhen auf dem Tunneleffekt. Die Ionisation eines Atoms kann verschiedenste Ursachen haben. Zum einen können Elektronen aus einem Atomverband durch hochenergetische Elektronen herausgestoßen werden. Andererseits kann auch die Photoionisation durch ein äußeres elektrisches Feld die induzierte Emission eines Elektrons bewirken. Dabei charakterisiert der sogenannte Keldysh-Parameter γ= p 2 |E| 1 ω, E (|E| = Bindungsenergie) (1.1) die Art der Photoionisation (vgl. [1]). Bei kleinen Feldstärken E und hohen Frequenzen ω (γ 1) spricht man von der Multiphotonenionisation, während bei großen Feldstärken (γ 1) die Tunnel- bzw. Feldionisation dominiert. Bei all diesen Vorgängen ist die Ionisationsrate w(E), also die Anzahl der Ionisationen pro Zeiteinheit, welche im allgemeinen von der elektrischen Feldstärke E abhängen kann, die physikalisch interessante Größe. 1 Hier und im folgenden werden atomare Einheiten verwendet. Erläuterungen zu diesen Einheiten sind im Anhang B aufgeführt. 1 Die Theorie der Tunnelionisation wird durch die Tatsache kompliziert, dass der Effekt nicht durch die stationären gebundenen Zustände des Atoms beschrieben werden kann. Gewöhnliche Störungstheorien, die zum Beispiel zur Behandlung des Stark-Effektes verwendet werden, sind daher nicht anwendbar. Das Problem der Tunnelionisation eines Wasserstoffatoms in einem statischen elektrischen Feld wurde bereits in den Anfängen der Quantentheorie untersucht. Im Rahmen einer zeitabhängigen Störungstheorie wurde von Oppenheimer die Übergangsrate vom stationären Grundzustand in die Kontinuumszustände gleicher Energie im äußeren Feld berechnet [2]. Von Lanczos wurde das Problem zeitunabhängig im Rahmen von quasiklassischen Näherungen behandelt [3], [4]. Die quasiklassische Theorie für das Wasserstoffatom im äußeren Feld wird in vereinfachter Form im Lehrbuch von Landau und Lifschitz dargestellt [5]. In atomaren Einheiten folgt für die Ionisationsrate w(E) in einem statischen Feld E das Ergebnis 4 2 . w(E) = exp − E 3E (1.2) Der nichtpertubative Charakter der Tunnelionisation kommt in der nichtanalytischen Abhängigkeit der Tunnelionisationsrate vom elektrischen Feld zum Ausdruck. Aufgrund des Tunneleffektes ergibt sich eine exponentielle Abhängigkeit der Ionisationsrate von der Feldamplitude. Allgemeinere Formeln für die Ionisation von Zuständen mit beliebigen Drehimpulsquantenzahlen l und m wurden von Smirnov und Chibisov [6] von Perelomov, Popov und Terent’ev [7] sowie von Ammosov, Delone und Kraǐnov [8] angegeben. Die letzteren Ergebnisse werden als ADK-Raten bezeichnet und sind als Standard für Vergleiche mit dem Experiment gebräuchlich. Die Gültigkeit der quasiklassischen Näherung ist auf den Tunneleffekt mit exponentiell kleinen Raten beschränkt. In starken Laserfeldern ist diese Näherung nicht mehr erfüllt, da die Potentialbarriere bis zur Energie des gebundenen Elektrons abgesenkt werden kann. Man spricht dann von “Above Barrier Ionization”. Die Tunnelionisation in starken Feldern kann mit zeitabhängigen numerischen Rechnungen auf der Grundlage der Methoden von Kulander berechnet werden [9]. Für Wasserstoff in einem quasistatischen Feld findet man Tunnelionisationsraten, die bei starken Feldern deutlich gegenüber den quasiklassischen Raten reduziert sind [10]. Dieser Effekt wurde auch mit anderen Methoden durch zeitunabhängige Rechnungen bestätigt [11]. In der Arbeit von Schmitz, Boucke und Kull [12] werden klassische Teilchensimulationen zur Photonenionisation in starken Feldern vorgestellt. Die Tunnelionisation des Wasserstoffatoms in intensiven Feldern wurde mittlerweile auch mit Monte Carlo Simulationen untersucht [13]. Ionisationsraten für allgemeine Potentialbarrieren wurden von Gibson, Dunne und Bergquist berechnet [14]. Chu und Cooper konnten mit Hilfe des Floquet-Ansatzes für den HamiltonOperator Ionisationsraten für atomaren Wasserstoff bei der Multiphotonenionisation in starken Laserfeldern ermitteln [15]. Inzwischen gibt es hervorragende Experimente mit guten Messungen der Tunnelionisationsraten 2 in starken Laserfeldern über mehrere Größenordnungen. Die dabei überwiegend verwendeten Atome sind Edelgase. In dem Experiment von Walker, Sheehy, DiMauro, Agostini, Schafer, und Kulander [16] wird insbesondere die “Nonsequential Double Ionization” von Helium behandelt. 1.2 Potentialbarriere im elektrischen Feld Bringt man ein Atom in ein konstantes homogenes äußeres elektrisches Feld, so wird das attraktive Coulomb-Potential des Atoms durch das Potential des elektrischen Feldes deformiert. Die folgende Abbildung zeigt die beiden Potentiale am Beispiel des Wasserstoffatoms. Abbildung 1.1: Coulomb-Potential und das Potential des äußeren E-Feldes (E = 0, 5) Das Gesamtpotential, in dem sich das Elektron dann befindet, ist eine Überlagerung des Atompotentials und des Potentials des elektrischen Feldes. Das Interessante an dieser Überlagerung der Potentiale ist, dass entgegen der Richtung des elektrischen Feldes das Coulomb-Potential abgesenkt wird. Hier entsteht aus dem reinen Coulomb-Potential eine Potentialbarriere. Aus der Quantenmechanik weiß man aber, dass es eine nichtverschwindende Wahrscheinlichkeit 3 dafür gibt, dass ein Elektron durch eine Potentialbarriere tunnelt. Die Überlagerung der beiden Potentiale ist in Grafik 1.2 dargestellt. Abbildung 1.2: Überlagerung der beiden Potentiale (E = 0, 5) Das Potential eines Wasserstoffatoms in einem konstanten externen elektrischen Feld E lautet in atomaren Einheiten V =− Z + E · r. r (1.3) Z ist die Kernladungszahl, die beim Wasserstoffatom 1 gesetzt werden kann. Es ist zweckmäßig zunächst eine allgemeine Kernladungszahl mitzuführen, um später auch andere wasserstoffähnliche Atome durch eine effektive Kernladungszahl beschreiben zu können. Wählt man o. B. d. A. das elektrische Feld als homogen und in z-Richtung, also E = Ee z , vereinfacht sich das Potential zu 4 (1.4) V =− Z + Ez. r (1.5) In Abbildung 1.3 ist der Querschnitt dieses Potentials dargestellt. V zmax z Vmax Coulomb-Potential äußeres elektrisches Feld Gesamtpotential Abbildung 1.3: Querschnitt des Gesamtpotentials Entlang der z-Achse ist das Tunneln des Elektrons am wahrscheinlichsten, da hier die Potentialbarriere die geringste Ausdehnung hat. 1.3 Klassische Ionisationsschwelle Wie in Abbildung 1.3 zu erkennen ist, gibt es entgegen der Richtung des elektrischen Feldes ein Maximum Vmax des Potentials. Alle Elektronen, deren Energieniveaus unterhalb dieser Schwelle liegen können in negativer z-Richtung durch die Potentialbarriere hindurchtunneln. Das Kriterium für die Tunnelionisation ist also E < Vmax . (1.6) 5 Liegt das Energieniveau des Elektrons oberhalb von Vmax , so braucht das Elektron nicht mehr durch die Potentialbarriere zu tunneln damit es zur Ionisation des Wasserstoffatoms kommt. Für den Fall, E > Vmax , (1.7) spricht man von der sogenannten Above Barrier Ionization (ABI). Aus der Quantenmechanik ist bekannt, dass das ungestörte Wasserstoffatom in atomaren Einheiten folgende Energieeigenwerte besitzt En(0) = − 1 , 2n2 (n = Hauptquantenzahl). (1.8) Unter der Annahme, dass sich das Elektron des Wasserstoffatoms im Grundzustand befindet, (0) kann die Above Barrier Ionization erst dann einsetzen, wenn das höchste Niveau E1 = − 12 oberhalb von Vmax liegt. Um das zu erreichen muss die elektrische Feldstärke so lange erhöht werden bis die Absenkung des Coulomb-Potentials in negativer z-Richtung groß genug ist. Mit diesem Kriterium kann die kritische elektrische Feldstärke Ecrit. , bei der die Above Barrier Ionization einsetzt, grob abgeschätzt werden. Für diese Abschätzung ist es ausreichend, wenn das homogene elektrische Feld durch ein radialsymmetrisches der Form E = −Ee r , (E > 0) (1.9) ersetzt wird [17]. Aufgrund der Radialsymmetrie des Zentralfeldes und der daraus resultierenden Drehimpulserhaltung kann die Radialbewegung des Elektrons durch ein effektives Potential Veff = L2 Z − − Er 2 2r r (1.10) beschrieben werden, wobei L den Drehimpuls bezeichnet. Die Abbildung 1.4 zeigt das Gesamtpotential für ein radialsymmetrisches elektrisches Feld. Zur Abschätzung der Ionisationsschwelle unterscheiden wir zwei Grenzfälle. Zuerst wird eine eindimensionale Bewegung (L = 0) danach eine Kreisbewegung (L = 1) des Elektrons angenommen. Für verschwindenden Drehimpuls L = 0 erhält man ein Maximum der Barriere bei rmax = mit 6 r Z E (1.11) √ Vmax = −2 ZE. (1.12) Abbildung 1.4: Gesamtpotential bei radialsymmetrischem elektrischen Feld (E = 0, 5; L = 0) Für die kritische Feldstärke Ecrit. muss nun die Bedingung ! (0) Vmax = E1 = − 1 2 (1.13) erfüllt werden. Damit ergibt sich für die Schwelle zur Above Barrier Ionization Ecrit. = 1 16Z (1.14) bzw. Ecrit. = 0, 0625 (1.15) 7 für das Wasserstoffatom. Da bei dieser Abschätzung die Zentrifugalenergie des gebundenen Elektrons vernachlässigt wurde, betrachten wir jetzt eine zweite Abschätzung für eine Kreisbahn im Minimum des effektiven Potentials (1.10). Nach den Bohrschen Quantisierungsregeln entspricht dem Minimum des effektiven Potentials der Drehimpuls L = 1. Als Ionisationsschwelle definiert man den Punkt, an dem das Minimum des effektiven Potentials mit dem Maximum der Potentialbarriere zusammenfällt. Die Bedingungen für Ecrit. lauten damit ! ∂r Veff = ∂r2 Veff = 0. (1.16) Hieraus ergibt sich eine kritische Feldstärke von Ecrit. = 4 3 Z . 27 (1.17) Somit beträgt für das Wasserstoffatom die kritische Feldstärke Ecrit. , bei der die Above Barrier Ionization einsetzt, ungefähr Ecrit. = 4 ≈ 0, 148. 27 (1.18) Klassische Teilchensimulationen zeigen für Wasserstoff eine Ionisationsschwelle bei E ≈ 0, 15 [12] in guter Übereinstimmung mit der Abschätzung (1.18). 1.4 Ziel dieser Arbeit Das Ziel dieser Arbeit ist die Bestimmung der Tunnelionisationsraten eines Wasserstoffatoms durch die vollständige numerische Lösung des Randwertproblems für die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung in parabolischen Koordinaten. Untersucht wird insbesondere die Feldstärkeabhängigkeit der Ionisationsraten im Bereich starker Laserfelder, in dem die Näherung exponentiell kleiner Raten nicht anwendbar ist. Die Ergebnisse werden mit der quasiklassischen Näherung verglichen. Im ersten Teil dieser Arbeit wird die Tunnelionisation an einem einfachen Modellpotential untersucht. Es wird gezeigt, dass sich die Ionisationsrate eines durch eine Potentialbarriere tunnelnden Teilchens durch den Imaginärteil eines komplexen Energieeigenwertes beschreiben lässt. Anschließend wird der Wahrscheinlichkeitsfluss durch die Potentialbarriere in Abhängigkeit ihrer Breite analysiert. Im zweiten Teil werden Näherungslösungen der stationären Schrödinger-Gleichung eines Wasserstoffatoms im elektrischen Feld vorgestellt. Weiterhin wird die exakte Lösung der SchrödingerGleichung durch einen Potenzreihenansatz in parabolischen Koordinaten hergeleitet. 8 Im letzten Teil wird zunächst die quasiklassische Näherungslösung nach Landau beschrieben. Anschließend wird das Randwertproblem der Tunnelionisation numerisch mit zwei verschiedenen Methoden gelöst. Bei beiden Methoden wird mit Hilfe eines Nullstellenverfahrens die Potenzreihenlösung an die WKB-Lösung angeschlossen, wobei der Anschluss der Potenzreihe an die Näherungslösung im zweiten Verfahren nach numerischer Integration der Differentialgleichung erfolgt. Schließlich werden die ermittelten Ionisationsraten mit dem quasiklassischen Ergebnis verglichen. 9 10 Kapitel 2 Eindimensionale Potentialbarriere Das Randwertproblem der Tunnelionisation soll zunächst am Beispiel einer eindimensionalen rechteckigen Potentialbarriere modellmäßig untersucht werden. Das Modell zeigt, dass die Randbedingungen für eine auslaufende Welle zu komplexen Energieeigenwerten führen, aus denen die Ionisationsrate berechnet werden kann. Untersucht wird an diesem Beispiel das Verhalten der Eigenwerte als Funktion der Höhe bzw. Breite der Barriere. Mit diesem Modell können qualitative Aussagen über die Tunnelionisation gemacht werden, die auch auf das Wasserstoffatom zutreffen. 2.1 Lösung der Schrödinger-Gleichung Die stationäre Schrödinger-Gleichung für die eindimensionale Potentialbarriere lautet Ĥψ(x) = Eψ(x), (2.1) wobei der Hamilton-Operator Ĥ in der Ortsdarstellung die Form Ĥ = − ~ ∂2 + V (x) 2me ∂x2 (2.2) hat. Damit lautet obige Gleichung in atomaren Einheiten ∂2 + 2(E − V (x)) ψ(x) = 0 ∂x2 Das verwendete Modellpotential V (x) hat die Form 11 (2.3) ∞, 0, V (x) = V1 , 0, x < −l −l ≤ x < 0 0≤x<L L ≤ x. (2.4) Es beschreibt einen rechteckigen Potentialtopf der Breite l, der links durch eine unendlich hohe Wand und rechts durch eine Rechteckbarriere der Höhe V1 und Breite L begrenzt wird (Abb. 2.1). Die Sprungstellen des Potentials unterteilen die x-Achse in vier Bereiche, innerhalb derer das Potential jeweils konstant ist. V V1 I II III -l IV L x Abbildung 2.1: Eindimensionale Potentialbarriere Innerhalb der vier Bereiche kann die Schrödinger-Gleichung durch ebene Wellen separat gelöst werden. Allerdings müssen insgesamt fünf Anschlussbedinungen für die Wellenfunktion und für deren Ableitung erfüllt werden. Im ersten Bereich x < −l verschwindet die Wellenfunktion und bei x = −l muss die Randbedingung ψ1 = 0 für eine unendlich hohe Wand erfüllt werden. Die Schrödinger-Gleichung für die anderen Bereiche ist ∂2 2 + k ψ2 (x) = 0, ∂x2 2 ∂ 2 − κ ψ3 (x) = 0, ∂x2 2 ∂ 2 + k ψ4 (x) = 0. ∂x2 12 (2.5) (2.6) (2.7) mit den Definitionen k≡ √ κ≡ 2E, p 2(V1 − E), <e(k), <e(κ) > 0. (2.8) Die Ansätze für die Wellenfunktionen in den verschiedenen Bereichen lauten ψ1 (x) = 0, (2.9) ikx −ikx ψ2 (x) = Ae + Be , κx −κx ψ3 (x) = Ce + De , (2.10) (2.11) ψ4 (x) = Geikx . (2.12) Die Bedingungen an den Anschlussstellen lauten ψ1 (−l) = ψ2 (−l), ψ2 (0) = ψ3 (0), ψ20 (0) = ψ30 (0), ψ3 (L) = ψ4 (L), ψ30 (L) = ψ40 (L). (2.13) (2.14) (2.15) (2.16) (2.17) Mit den obigen Ansätzen ergeben sich dann die Gleichungen 0 = Ae−ikl + Beikl , A + B = C + D, ik(A − B) = κ(C − D), CeκL + De−κL = GeikL , κ(Ce κL −κL − De ) = ikGe ikL (2.18) (2.19) (2.20) (2.21) . (2.22) Aus der Gleichung (2.18) erhält man den Koeffizienten B. Er lautet B = −Ae−2ikl . (2.23) Damit erhält man für die Gleichungen (2.19) und (2.20) A 1 − e−2ikl = C + D, ikA 1 + e−2ikl = κ(C − D), (2.24) (2.25) 13 Aus diesen beiden Gleichungen ergeben sich dann für die Koeffizienten C und D A (ik + κ) + (ik − κ)e−2ikl , 2κ A D=− (ik − κ) + (ik + κ)e−2ikl . 2κ C= (2.26) (2.27) Mit (2.21) erhält man für den Koeffizienten G G= A (ik + κ) + (ik − κ)e−2ikl eκL − (ik − κ) + (ik + κ)e−2ikl e−κL e−ikL 2κ (2.28) A (ik + κ) eκL − e−κL e−2ikl + (ik − κ)(eκL e−2ikl − e−κL ) e−ikL 2κ (2.29) G= Mit diesen Koeffizienten sind die Wellenfunktionen nun eindeutig bis auf die Normierungskonstante A bestimmt. Sie lauten explizit ψ1 (x) = 0, (2.30) ikx −2ikl −ikx ψ2 (x) = A e − e e , A ψ3 (x) = (ik + κ) + (ik − κ)e−2ikl eκx − (ik − κ) + (ik + κ)e−2ikl e−κx , 2κ A ψ4 (x) = (ik + κ) eκL − e−κL e−2ikl + (ik − κ)(eκL e−2ikl − e−κL ) e−ikL eikx . 2κ (2.31) (2.32) (2.33) Obwohl die Wellenfunktion nun eindeutig bestimmt ist, wurde eine der Bedingungsgleichungen noch gar nicht verwendet. Eliminiert man den Koeffizienten G aus den Gleichungen (2.21) und (2.22), bekommt man eine Bedingungsgleichung für die Energie E, die über die Größen k und κ in die Gleichung eingeht. Das heißt, die oben gefundenen Wellenfunktionen gelten nur für Energien, die die folgende Gleichung erfüllen W ≡ C(ik − κ)eκL + D(ik + κ)e−κL = 0 (2.34) bzw. nach Einsetzen der Koeffizienten 14 (ik + κ) + (ik − κ)e−2ikl (ik − κ)eκL − (ik − κ) + (ik + κ)e−2ikl (ik + κ)e−κL = 0. (2.35) Mathematisch gesehen kann der Parameter E als Lösung der obigen Gleichung komplexer Natur sein. Jedoch bedarf es einer physikalischen Erklärung, weshalb der Hamilton-Operator Ĥ für dieses Problem nicht hermitesch, d. h. Ĥ 6= Ĥ † , (2.36) ist. Die verwendete Ausgangsgleichung war die stationäre Schrödinger-Gleichung Ĥψ(x) = Eψ(x). (2.37) Das System, das betrachtet werden soll, befindet sich allerdings gerade nicht in einem solchen Zustand. Die Tunnelionisation bewirkt, dass die Wellenfunktion ψ(x, t) nicht im Potentialtopf lokalisiert ist. Der übliche Ansatz für die Zeitentwicklung der Wellenfunktion ist ψ(x, t) ∼ e−iEt . (2.38) Wenn die Energie E in dieser Zeitentwicklung einen Imaginärteil enthält, kann man den Faktor aufspalten und man erhält ψ(x, t) ∼ e−iEt = e−i<e(E)t e=m(E)t . (2.39) Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons ist durch das Betragsquadrat der Wellenfunktion |ψ(x, t)|2 gegeben. Man erhält 2 t |ψ(x, t)|2 ∼ e−i<e(E)t e=m(E)t = e2=m(E)t = e− τ , τ ≡− 1 . 2=m(E) (2.40) Offensichtlich spielt nur der Imaginärteil der Energie für die Aufenthaltswahrscheinlichkeit eine Rolle. Die Schrödinger-Gleichung Ĥψ(x, t) = iψ̇(x, t) = Eψ(x, t), (2.41) ist zwar mit diesem Ansatz erfüllt, allerdings sieht man an der Aufenthaltswahrscheinlichkeit, dass es sich nicht mehr um einen stationäres Problem handelt. Bei einem abgeschlossenen System macht ein Imaginärteil physikalisch keinen Sinn, da die Aufenthaltswahrscheinlichkeit erhalten sein muss. Der Imaginärteil der Energie ist also die Größe, die den Ionisationsvorgang in einem offenen System zeitlich beschreibt. Die Größe 1 w ≡ = |2=m(E)| τ (2.42) 15 entspricht damit der Ionisationsrate des Elektrons. Dieses Ergebnis kann auch ausgehend von der Kontinuitätsgleichung für die Wahrscheinlichkeitsdichte ρ und dem Wahrscheinlichkeitsstrom j mit ρ ≡ |ψ|2 , j ≡ 1 ∗ (ψ ∇ψ − ψ∇ψ ∗ ) 2i (2.43) verstanden werden. In integraler Form lautet die Kontinuitätsgleichung für ein endliches Volumen V d dt Z dV ρ = − V Z df · j . (2.44) ∂V Im stationären Fall ist die Wahrscheinlichkeitsdichte ρ zeitunabhängig und man erhält keinen Wahrscheinlichkeitsfluss. Betrachtet man allerdings eine Wahrscheinlichkeitsdichte ρ(t), die zeitlich mit der Rate w zerfallen soll, das heißt ∂ρ(t) = −wρ(t) ∂t ρ = Ce−wt , =⇒ (2.45) so ergibt sich für den Wahrscheinlichkeitsfluss − Z df · j = −w ∂V Z dV ρ. (2.46) V Die Zerfallsrate w ist dann gegeben durch das Verhältnis des Wahrscheinlichkeitsflusses aus dem Volumen V durch die gesamte Wahrscheinlichkeit PV innerhalb des Volumens. w= 2.2 R ∂V df · j , PV PV = Z dV ρ. (2.47) V Numerische Analyse Gleichung (2.35) bestimmt den komplexen Energieeigenwert E als Funktion der Parameter l, L und V1 . Durch eine Skalierung E 0 = El2 , V10 = V1 l2 , L L0 = l 16 (2.48) (2.49) (2.50) wird die Beziehung unabhängig vom Parameter l. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit wird l = π gesetzt, so dass die Wellenzahlen des unendlich tiefen Potentialtopfes (L → ∞, V1 → ∞) = n. Für die Barriere wird die Höhe V1 = 50 gewählt. Für L → ∞ ganze Zahlen sind, kn = nπ l 2 gibt es dann genau zehn gebundene Zustände mit den Energien En = n2 , n = 1, . . . , 10. |W| 20 |W| 20 15 15 10 10 5 5 0 0 10 20 30 40 50 0 0 10 20 30 40 50 40 50 Re(E) Re(E) (a) L = 0, 005 (b) L = 0, 01 |W| 40 |W| 30 25 30 20 20 15 10 10 5 0 0 10 20 30 Re(E) (c) L = 0, 05 40 50 0 0 10 20 30 Re(E) (d) L = 0, 1 Abbildung 2.2: Nullstellen für L = 0, 005, L = 0, 01, L = 0, 05 und L = 0, 1 In den obigen Abbildungen wird |W | nach (2.35) als Funktion von <e(E) dargestellt, wobei =m(E) als Parameter variiert wird. Die gesuchten Nullstellen sind die Berührungspunkte der 17 Kurven mit der horizontalen Achse. Sie sind für verschiedene Barrieren mit 0, 005 < L < 0, 1 im Bereich 0 < <e(E) < 50 dargestellt. Man erkennt deutlich, dass es in dem Modellpotential für diese Barrierebreiten jeweils zehn diskrete Zustände mit verschiedenen Ionisationsraten gibt. Um die gefundenen Nullstellen später mit den Ergebnissen für das Wasserstoffatom im elektrischen Feld vergleichen zu können wurden die Real- und Imaginärteile des Energieeigenwertes in Abhängigkeit von der inversen Breite L1 untersucht, da ein stärkeres elektrisches Feld in diesem Modell einer geringeren Barrieredicke entspricht. Die inverse Barrieredicke wurde dabei zwischen 1 < L1 < 2000 in äquidistanten Schritten variiert. Die gefundenen Nullstellen sind in folgender Grafik abgebildet. 50 40 30 Re(E) 20 10 0 0 500 1000 1/ L 1500 2000 Abbildung 2.3: Realteil der Energie Jeder Punkt in dieser Abbildung stellt eine Lösung der Bedingungsgleichung (2.35) für die entsprechende Breite der Barriere dar. Die zehn Energieniveaus in dem betrachteten Energiebereich sind deutlich zu unterscheiden, auch wenn das Computerprogramm nicht bei jeder Barrieredicke eine Nullstelle für jedes Niveau finden konnte. Für die Ionisationsrate w = 2 |=m(E)| ergibt sich folgender Verlauf. 18 20 15 w 10 5 0 0 500 1000 1/ L 1500 2000 Abbildung 2.4: Ionisationsrate w = 2 |=m(E)| 10 1 w 0,1 0,01 0 500 1000 1/ L 1500 2000 Abbildung 2.5: Ionisationsrate w = 2 |=m(E)| (halblogarithmisch) 19 Auch hier sind erneut alle zehn Energieniveaus deutlich zu unterscheiden. Bei großen Barrieredicken sind die Ionisationsraten für alle Niveaus sehr niedrig, da die Tunnelwahrscheinlichkeit gering ist. Für immer schmalere Breiten nehmen die Raten zu bis sie schließlich in eine Sättigung übergehen. Wir werden später sehen, dass, obwohl dieses Potentialmodell sehr idealisiert ist, der qualitative Verlauf der Ionisationsraten mit denen des Wasserstoffatoms im elektrischen Feld übereinstimmt. Das nächste Diagramm zeigt das Betragsquadrat der Wellenfunktion bzw. die Wahrscheinlichkeitsdichte des Teilchens für Barrieredicken im Bereich 2, 8 · 10−6 < L < 0, 5. Die Kurven gehören jeweils zu den Nullstellen des zweiten Niveaus, was auch an der Anzahl der Höcker zu sehen ist. 5 4 3 ρ 2 1 0 -3 -2 -1 x 0 1 2 3 Abbildung 2.6: Wahrscheinlichkeitsdichte Für große Werte von L ist der exponentielle Abfall innerhalb der Potentialbarriere deutlich zu sehen und der Wahrscheinlichkeitsfluss rechts von der Barriere ist sehr klein. Für immer geringere Barrieredicken nimmt das Betragsquadrat innerhalb des Potentialtopfes ab und die Aufenthaltswahrscheinlichkeit rechts von der Barriere zu. Die obigen Ergebnisse verdeutlichen, dass die Beschreibung der Ionisationsrate durch den Imaginärteil der komplexen Energieeigenwerte gerechtfertigt ist. 20 Kapitel 3 Das Wasserstoffatom in einem äußeren elektrischen Feld 3.1 Parabolische Koordinaten Aufgrund der Kugelsymmetrie des Coulomb-Feldes bieten sich für die Beschreibung der Elektronenbewegung im Wasserstoffatom Kugelkoordinaten an. Die Separation der Wellenfunktion ist durch diese angepassten Koordinaten gewährleistet. Bringt man jedoch ein Wasserstoffatom in ein äußeres homogenes elektrisches Feld, so wird die Kugelsymmetrie aufgehoben. Da das äußere Feld eine ausgezeichnete Richtung hat, bleibt noch eine Rotationssymmetrie bezüglich dieser Achse erhalten. Die Separation der Wellenfunktion kann man hier durch die sogenannten parabolischen Koordinaten erreichen. 3.1.1 Transformationsgleichungen Die Transformationsgleichungen von kartesischen Koordinaten (x, y, z) in parabolische Koordinaten (ξ, η, ϕ) lauten x= p ξη cos ϕ, 0 ≤ ξ < ∞, y= p ξη sin ϕ, 0 ≤ η < ∞, 1 z = (ξ − η), 2 −π ≤ ϕ < π. (3.1) (3.2) Für den Betrag des Ortsvektors r = (x, y, z) erhält man r= p x2 + y 2 + z 2 = r ξη + 1 2 1 (ξ − 2ξη + η 2 ) = (ξ + η) 4 2 21 (3.3) Damit ergibt sich für die Rücktransformation η = r − z, ξ = r + z, −∞ < x < ∞, −∞ < y < ∞, ϕ = arctan y x , (3.4) −∞ < z < ∞. (3.5) Die Flächen für konstantes η und ξ stellen Rotationsparaboloide um die z-Achse dar. Die Grenzfälle η = 0 und ξ = 0 entsprechen jeweils der positiven und negativen z-Achse. r z Rotationsparaboloid für konstantes η Rotationsparaboloid für konstantes ξ Abbildung 3.1: Flächen zu konstantem η bzw. ξ Für konstantes η 6= 0 folgt aus den Transformationsgleichungen (3.1) ξη = x2 + y 2 =⇒ ξ= 1 2 x + y2 . η (3.6) Wenn man diesem Ausdruck in die Transformationsgleichung für z einsetzt, erhält man die Beziehung 22 1 z= 2 1 2 x + y2 − η η = 1 x2 + y 2 − η 2 . 2η (3.7) Der Ursprung ist dabei für jedes beliebige η Brennpunkt des Rotationsparaboloids. Analog erhält man für konstantes ξ 6= 0 ξη = x2 + y 2 =⇒ η= 1 2 x + y2 ξ (3.8) bzw. 1 z= 2 3.1.2 1 2 ξ− x + y2 ξ = 1 2 ξ − x2 + y 2 . 2ξ (3.9) Laplace-Operator In parabolischen Koordinaten ist die Bogenlänge dl2 definiert durch dl2 = dx2 + dy 2 + dz 2 = h2ξ dξ 2 + h2η dη 2 + h2ϕ dϕ2 . (3.10) hξ , hη und hϕ sind die metrischen Koeffizienten in parabolischen Koordinaten. Ihre Definitionen sind gegeben durch h2ξ ≡ ∂x ∂ξ 2 ∂y ∂ξ 2 ∂x ∂η ∂y ∂η 2 + ∂z ∂ξ 2 , (3.11) 2 ∂z ≡ + + , ∂η 2 2 2 ∂x ∂y ∂z 2 hϕ ≡ + + . ∂ϕ ∂ϕ ∂ϕ h2η 2 + (3.12) (3.13) Mit den partiellen Ableitungen ∂x 1 = ∂ξ 2 r ∂x 1 = ∂η 2 s η cos ϕ, ξ ξ cos ϕ, η p ∂x = − ξη sin ϕ, ∂ϕ ∂y 1 = ∂ξ 2 r s η sin ϕ, ξ ∂y 1 ξ = sin ϕ, ∂η 2 η ∂y p = ξη cos ϕ, ∂ϕ ∂z 1 = , ∂ξ 2 (3.14) ∂z 1 =− , ∂η 2 (3.15) ∂z =0 ∂ϕ (3.16) 23 lauten die Quadrate der metrischen Koeffizienten η η 1 ξ+η cos2 ϕ + sin2 ϕ + = , 4ξ 4ξ 4 4ξ ξ ξ 1 ξ+η h2η = cos2 ϕ + sin2 ϕ + = , 4η 4η 4 4η h2ϕ = ξη sin2 ϕ + ξη cos2 ϕ = ξη. h2ξ = (3.17) (3.18) (3.19) Für die Bogenlänge in parabolischen Koordinaten gilt damit dl2 = h2ξ dξ 2 + h2η dη 2 + h2ϕ dϕ2 = ξ+η 2 ξ+η 2 dξ + dη + ξηdϕ2 4ξ 4η (3.20) Die allgemeine Definition des Laplace-Operators in diesen Koordinaten ist 1 ∆≡ hξ hη hϕ ⇒ ∂ hη hϕ ∂ ∂ hϕ hξ ∂ ∂ hξ hη ∂ + + ∂ξ hξ ∂ξ ∂η hη ∂η ∂ϕ hϕ ∂ϕ 4 ∆= ξ+η ∂ ∂ξ ∂ ξ ∂ξ ∂ + ∂η ∂ η ∂η + 1 ∂2 . ξη ∂ϕ2 (3.21) (3.22) Das Volumenelement dV = dxdydz lautet in diesen Koordinaten dV = dxdydz = hξ hη hϕ dξdηdϕ. (3.23) Mit den metrischen Koeffizienten hξ , hη und hϕ ergibt sich 1 dV = (ξ + η)dξdηdϕ. 4 3.2 (3.24) Separation der Schrödinger-Gleichung in parabolischen Koordinaten Die Schrödinger-Gleichung für ein Elektron des Wasserstoffatoms in einem homogenen elektrischen Feld E ist gegeben durch Ĥψ = Eψ. 24 (3.25) Der Hamilton-Operator Ĥ für dieses Problem ist in atomaren Einheiten 1 Z 1 Ĥ = − ∆ + V (r ) = − ∆ − + E · r . 2 2 r (3.26) Setzt man das elektrische Feld o. B. d. A. E = E · e z , erhält man Z 1 Ĥ = − ∆ − + Ez. 2 r (3.27) Unter Verwendung von parabolischen Koordinaten lautet die Schrödinger-Gleichung 1 4 ∂ ∂ ∂ ∂ 1 ∂2 2Z E − ξ + η + − + (ξ − η) − E ψ = 0 (3.28) 2 ξ + η ∂ξ ∂ξ ∂η ∂η ξη ∂ϕ2 ξ+η 2 bzw. 2 ∂ ∂ψ ∂ ∂ψ 1 ∂2ψ 2Z E ξ + η + + − (ξ − η) + E ψ = 0. ξ + η ∂ξ ∂ξ ∂η ∂η 2ξη ∂ϕ2 ξ + η 2 (3.29) Für die Wellenfunktion ψ wird der übliche Separationsansatz ψ = f1 (ξ)f2 (η)eimϕ (3.30) gemacht. Nach dem Einsetzen in die Schrödinger-Gleichung erhält man ∂ ∂ξ ∂ ∂ ∂ ξ + η ∂2 imϕ imϕ ξ f1 (ξ)f2 (η)e + η f1 (ξ)f2 (η)e + f1 (ξ)f2 (η)eimϕ 2 ∂ξ ∂η ∂η 4ξη ∂ϕ ξ+η 2Z E + − (ξ − η) + E f1 (ξ)f2 (η)eimϕ = 0. 2 ξ+η 2 (3.31) Die Division durch die komplette Wellenfunktion führt zu 1 ∂ f1 (ξ) ∂ξ ∂ 1 ∂ ∂ ξ+η E ξ f1 (ξ) + η f2 (η) − m2 + Z − (ξ 2 − η 2 ) ∂ξ f2 (η) ∂η ∂η 4ξη 4 ξ+η = 0. +E 2 (3.32) 25 Diese Gleichung lässt sich separieren in einen Anteil, der jeweils nur von ξ bzw. von η abhängt ∂ E m2 E 2 ξ f1 (ξ) + ξ − − ξ ∂ξ 2 4ξ 4 {z } ≡ A(ξ) 1 ∂ ∂ E m2 E 2 + η f2 (η) + η − + η + Z = 0. f2 (η) ∂η ∂η 2 4η 4 | {z } ≡ B(η) 1 ∂ f (ξ) ∂ξ |1 (3.33) Die Ausdrücke A(ξ) und B(η) können nur Konstanten sein. Mit β1 ≡ −A(ξ) = const. und β2 ≡ −B(η) = const. erhält man schließlich folgende drei Gleichungen ∂ E m2 E 2 ξ f1 (ξ) + ξ− − ξ f1 (ξ) = −β1 f1 (ξ), ∂ξ 2 4ξ 4 (3.34) ∂ E m2 E 2 η f2 (η) + η− + η f2 (η) = −β2 f2 (η), ∂η 2 4η 4 (3.35) ∂ ∂ξ ∂ ∂η β1 + β2 = Z. (3.36) Bei den ersten beiden dieser Gleichungen unterscheidet sich lediglich der Term mit dem elektrischen Feld im Vorzeichen. Für verschwindendes elektrisches Feld (E → 0) gehen die Gleichungen in die des reinen Coulomb-Potentials über und werden identisch. Die Gleichungen (3.34) und (3.35) stellen im Prinzip Eigenwertgleichungen für die Parameter β1 und β2 dar. Diese Eigenwerte sind logischerweise abhängig von der Energie E und der äußeren Feldstärke E, d. h. es gilt β1 = β1 (E, E) und β2 = β2 (E, E). Die Beziehung (3.36) stellt damit eine implizite Gleichung für die Energie E = E(E) in Abhängigkeit von der elektrischen Feldstärke dar. 3.3 WKB-Lösungen Die WKB-Methode1 bestimmt Näherungslösungen für Differentialgleichungssysteme mit langsam veränderlichen Koeffizienten. Diese Lösungen werden im folgenden zur Formulierung der Randbedingungen für die auslaufenden Wellen bei der Tunnelionisation verwendet. Um die WKB-Lösungen für die Schrödinger-Gleichungen (3.34) und (3.35) zu ermitteln, ist es zweckmäßig für f1 (ξ) und f2 (η) folgende Substitutionen durchzuführen 1 26 nach Wentzel [18], Kramers [19], Brillouin [20] χ1 (ξ) ≡ p χ2 (η) ≡ ξf1 (ξ), √ ηf2 (η). (3.37) Der Einfachheit wird im folgenden nur der Fall m = 0 betrachtet. Für die beiden SchrödingerGleichungen ergibt sich mit dieser Substitution χ1 (ξ) E E 2 + ξ − ξ + β1 √ = 0, 2 4 ξ ∂ ∂ χ2 (η) E E 2 χ2 (η) η + η + η + β2 √ = 0 √ ∂η ∂η η 2 4 η ∂ ∂ξ ∂ χ1 (ξ) √ ξ ∂ξ ξ (3.38) (3.39) bzw. E E 2 χ1 (ξ) + ξ − ξ + β1 √ = 0, 2 4 ξ ∂ √ 0 χ2 (η) E E 2 χ2 (η) ηχ2 (η) − √ + η + η + β2 √ = 0. ∂η 2 η 2 4 η ∂ ∂ξ p ξχ01 (ξ) χ1 (ξ) − √ 2 ξ (3.40) (3.41) Nach einigen weiteren Umformungen erhält man E E β1 + − ξ+ + 2 4 ξ | {z ≡ k12 (ξ) E E β2 00 χ2 (η) + + η+ + 2 4 η | {z ≡ k22 (η) χ001 (ξ) 1 χ1 (ξ) = 0, 4ξ 2 } 1 χ2 (η) = 0. 4η 2 } (3.42) (3.43) Die allgemeine WKB-Lösung der Gleichung χ001 (ξ) + k12 (ξ)χ1 (ξ) = 0 (3.44) ist von der Form χ1 (ξ) = p A k1 (ξ) Z exp i k1 (ξ)dξ . (3.45) Offensichtlich versagt diese Lösung an den klassischen Umkehrpunkten k1 (ξ) = 0. Die Differentiation dieser WKB-Lösung ergibt 27 χ01 (ξ) = k10 (ξ) ik1 (ξ) − 2k1 (ξ) χ1 (ξ). (3.46) Für langsam veränderliche Koeffizienten kann der zweite Term auf der rechten Seite dieser Gleichung vernachlässigt werden. Die WKB-Bedingung lautet also für die Gleichungen (3.42) und (3.43) |ki0 (ξ)| ki2 (ξ) , i = 1, 2. (3.47) Mit der WKB-Näherung lauten die Ableitungen für χ1 (ξ) und χ2 (η) χ01 (ξ) = ik1 (ξ)χ1 (ξ), χ02 (η) = ik2 (η)χ2 (η). (3.48) Die Rücktransformationen auf die Größen f1 (ξ) und f2 (η) liefern p p 1 f10 (ξ) ξ + √ f1 (ξ) = ik1 (ξ)f1 (ξ) ξ, 2 ξ (3.49) 1 √ √ f20 (η) η + √ f2 (η) = ik2 (η)f2 (η) η. 2 η (3.50) Nach dieser WKB-Näherung lauten die Randbedingungen der drei Differentialgleichungen (3.34), (3.35) und (3.36) für die Parameter β1 , β2 und E s E E β1 1 − ξ+ + 2 2 4 ξ 4ξ ) f1 (ξ) = 0, (3.51) s E E β2 1 + η+ + 2 2 4 η 4η ) f2 (η) = 0, (3.52) f10 (ξ) + ( 1 −i 2ξ f20 (η) + ( 1 −i 2η β1 + β2 = Z. 3.3.1 (3.53) Abschätzung der charakteristischen WKB-Länge Die WKB-Lösungen von Differentialgleichungen der Form y 00 (x) + k 2 (x)y(x) = 0 wie sie in (3.42) und (3.43) auftauchen sind gültig für 28 (3.54) |k 0 (x)| k 2 (x) .2 (3.55) Diese WKB-Bedingung kann auch auf die Koordinate x selbst umgeschrieben werden. Wie man an der WKB-Bedingung sehen kann ist in die WKB-Lösung in der Nähe von Nullstellen der Funktion k 2 (x) nicht gültig. Erst ab einer bestimmten charakteristischen Länge, die von der Funktion k 2 (x) abhängt, kann die WKB-Lösung als gute Näherungslösung angesehen werden. Sei x0 eine Nullstelle von k 2 (x). Dann lässt sich die Funktion um diese Nullstelle nach Taylor in folgender Weise entwickeln ∂ 2 k (x) (x − x0 ) + O x2 . k (x) = k (x)x=x0 + | {z } ∂x x=x0 2 2 (3.56) =0 Mit z ≡ x − x0 und der charakteristischen Länge L≡− !−1 ∂ 2 k (x) ∂x x=x0 (3.57) z y(z) = 0. L (3.58) ergibt sich für die Differentialgleichung y 00 (z) − Aus der WKB-Bedingung (3.55) erhält man |k 0 (x)| k 2 (x) bzw. Wegen k 2 (z) ≈ − Lz folgt =⇒ 0 |2k(x)k 0 (x)| = k 2 (x) k 3 (x) 1 k 3 (x) . L 1 2 k 2 (z) = z . 3 L L (3.59) (3.60) (3.61) Schließlich erhält man für die Variable x die WKB-Bedingung 2 vgl. (3.47) 29 z 11 3 L Für k1 (ξ) = s =⇒ β1 1 E E − ξ+ + 2, 2 4 ξ 4ξ 1 |x − x0 | L 3 . k2 (η) = s (3.62) E E β2 1 + η+ + 2 2 4 η 4η (3.63) !−1 ∂ k 2 (η) ∂η 2 η=η0 (3.64) lauten damit die charakteristischen Längen Lξ und Lη Lξ ≡ − !−1 ∂ k 2 (ξ) , ∂ξ 1 ξ=ξ0 Lη ≡ − bzw. Lξ = 3.4 3.4.1 4ξ03 , Eξ03 + 4β1 ξ0 + 2 Lη = 4η03 . −Eη03 + 4β2 η0 + 2 (3.65) Potenzreihenentwicklung Reguläre Potenzreihen Die Lösungen der eindimensionalen Schrödinger-Gleichungen können mit Hilfe von Reihenentwicklungen berechnet werden. Im folgenden wird die erste der beiden Schrödinger-Gleichungen (3.34) betrachtet. Die Lösung der zweiten Gleichung (3.35) erhält man anschließend durch die Ersetzung E → −E. Ausgangspunkt ist also die Gleichung ∂ ∂ξ ∂ E E 2 ξ f1 (ξ) + ξ − ξ + β1 f1 (ξ) = 0 ∂ξ 2 4 (3.66) bzw. ∂2 ∂ E E 2 ξ 2 f1 (ξ) + f1 (ξ) + ξ − ξ + β1 f1 (ξ) = 0. ∂ξ ∂ξ 2 4 Mit f10 (ξ) ≡ ∂ f (ξ) ∂ξ 1 lässt sich diese Gleichung (für ξ 6= 0) in folgender Form schreiben f100 (ξ) 30 (3.67) E 1 0 E β1 + f1 (ξ) + − ξ + + f1 (ξ) = 0. ξ 4 2 ξ (3.68) Diese Differentialgleichung zweiter Ordnung kann durch Reduktion der Ordnung vereinfacht werden. Man definiert y (ξ) ≡ f1 (ξ) f10 (ξ) 0 =⇒ y (ξ) = f10 (ξ) f100 (ξ) (3.69) und erhält folgendes Differentialgleichungssystem erster Ordnung y 0 (ξ) = A(ξ) · y (ξ). (3.70) Dabei ist A(ξ) ein Tensor zweiter Stufe. Explizit lautet das Differentialgleichungssystem f10 (ξ) f100 (ξ) = 0 E ξ 4 − E 2 − 1 − 1ξ β1 ξ f1 (ξ) f10 (ξ) . (3.71) Der Tensor A(ξ) kann als Potenzreihe geschrieben werden. Der übliche Ansatz ist ∞ 1X A(ξ) = Ak ξ k ξ k=0 =⇒ ξA(ξ) = ∞ X Ak ξ k . (3.72) k=0 Die Koeffizienten Ak sind ebenfalls Tensoren, allerdings hängen sie nicht von der Variablen ξ ab. Für dieses Problem lautet der Tensor ξA(ξ) ξA(ξ) = 0 E 2 ξ 4 ξ −1 − E2 ξ − β1 . (3.73) In diesem Tensor tauchen maximal quadratische Terme in ξ auf. Damit tragen in der Summe (3.72) also nur die Koeffizienten A0 , A1 und A2 zum Tensor A(ξ) bei. Diese sind A0 = 0 0 −β1 −1 , A1 = 0 1 − E2 0 , A2 = 0 0 E 0 4 . (3.74) Für y (ξ) wird ebenfalls ein Potenzreihenansatz gemacht y (ξ) = ∞ X n=0 ∞ X an y nξ = ξn, bn n (3.75) n=0 wobei die Koeffizienten y n ebenfalls von ξ unabhängig sind. Die gesuchte Lösung f1 (ξ) setzt sich dann aus der Potenzreihe in der ersten Komponente von y (ξ) zusammen, d. h. 31 f1 (ξ) = ∞ X an ξ n . (3.76) ∞ X bn ξ n . (3.77) n=0 Für f10 (ξ) gilt analog f10 (ξ) = n=0 Mit den Ansätzen für y (ξ) und A(ξ) folgt 1 y 0 (ξ) = A(ξ) · y (ξ) = ξ = ∞ ∞ X X ↑ n=l+k n=k k=0 ∞ X Al ξ l ! l=0 ∞ X y kξ k ! = k=0 An−k y k ξ n−1 = ∞ X ∞ X An−k y k ξ n=0 k=0 n≥k ∞ ∞ X X Al y k ξ l+k−1 l=0 k=0 ∞ X n X n−1 = An−k y k ξ n−1 . (3.78) (3.79) n=0 k=0 Andererseits hat y 0 (ξ) durch den Potenzreihenansatz die Form 0 y (ξ) = ∞ X ny n ξ n−1 . (3.80) n=0 Durch Koeffizientenvergleich der beiden Ausdrücke für y 0 (ξ) erhält man ny n = n X An−k y k (n ∈ IN0 ). (3.81) k=0 Dies ist die Bedingungsgleichung für die Koeffizienten y n . Sie können rekursiv sukzessive bestimmt werden. • n=0: Für die 0. Ordnung der Potenzreihe gilt die Gleichung A0 y 0 = 0 =⇒ 0 0 −β1 −1 a0 b0 =0 Damit lautet der erste Koeffizient in der Potenzreihe 32 =⇒ b0 = −β1 a0 . (3.82) y0 = 1 −β1 a0 . (3.83) Offensichtlich ist die Größe a0 eine beliebige Integrationskonstante. • n=1: In erster Ordnung lautet die Bedingungsgleichung y 1 = A1 y 0 + A0 y 1 (A0 − I)y 1 = −A1 y 0 . =⇒ (3.84) I ist dabei die (2 × 2)-Einheitsmatrix. Explizit lautet obige Gleichung −1 0 −β1 −2 a1 b1 = 0 −1 E 0 2 a0 b0 a1 = b0 = −β1 a0 . =⇒ (3.85) Eingesetzt in die zweite Gleichung −β1 a1 − 2b1 = E a0 2 (3.86) ergibt β12 a0 E − 2b1 = a0 2 =⇒ b1 = β12 E − 2 4 a0 . (3.87) Der Koeffizient y 1 ist also y1 = −β1 β12 − E4 2 a0 . (3.88) • n=2: Die zweite Ordnung der Potenzreihe genügt der Gleichung 2y 2 = A2 y 0 + A1 y 1 + A0 y 2 bzw. (A0 − 2I)y 2 = −A1 y 1 − A2 y 0 . (3.89) In expliziter Form lautet die Gleichung −2 0 −β1 −3 a2 b2 = 0 −1 E 0 2 a1 b1 + 0 0 − E4 0 a0 b0 . (3.90) Die erste Zeile dieser Gleichung liefert 33 b1 a2 = = 2 β12 E − 4 8 a0 . (3.91) Aus der zweiten Zeile bekommt man E E 3b2 = −β1 a2 − a1 + a0 2 4 β1 b2 = − 3 =⇒ =⇒ b2 = β12 E − 4 8 β3 5 E − 1 + Eβ1 + 12 24 12 a0 − E E (−β1 a0 ) + a0 (3.92) 6 12 a0 . (3.93) Der Koeffizient y 2 ist damit y2 = β3 − 121 β12 4 + − E 8 5 Eβ1 24 + E 12 ! a0 . (3.94) • n≥3: Für den allgemeinen Fall, dass n ≥ 3 ist, gilt ny n = n X An−k y k . (3.95) k=0 Da für k ≥ 3 alle Tensoren Ak verschwinden, erhält man ny n = A0 y n + A1 y n−1 + A2 y n−2 bzw. (A0 − nI)y n = −A1 y n−1 − A2 y n−2 . (3.96) Nach Einsetzen der Tensoren erhält man −n 0 −β1 −1 − n an bn = 0 −1 E 0 2 an−1 bn−1 + 0 0 − E4 0 an−2 bn−2 . (3.97) Aus der oberen Zeile folgt bn−1 = nan . Die untere ergibt 34 (3.98) (n + 1)bn = −β1 an − E E an−1 + an−2 . 2 4 (3.99) Wie man leicht erkennen kann gelten diese beiden allgemeinen Beziehungen auch schon für n = 2. Die Gleichung (3.98) kann also umgeschrieben werden in (n ≥ 2). bn = (n + 1)an+1 , (3.100) Mit den letzten beiden Gleichungen lässt sich bn eliminieren, und man erhält folgende Rekursionsformel für die Koeffizienten an . (n + 1)2 an+1 = −β1 an − E E an−1 + an−2 , 2 4 (n ≥ 2). (3.101) Damit ist die Lösung der Differentialgleichung eindeutig bestimmt. Die gesuchte Funktion f1 (ξ) lautet also f1 (ξ) = ∞ X an ξ n = a0 + a1 ξ + a2 ξ 2 + . . . , (3.102) n=0 mit a1 = −β1 a0 , a2 = β12 E − 4 8 a0 (3.103) und (n + 1)2 an+1 = −β1 an − E E an−1 + an−2 , 2 4 (n ≥ 2). (3.104) Wie oben bereits erwähnt wurde, ist a0 lediglich eine Integrationskonstante, die in allen anderen Koeffizienten in linearer Form auftaucht und damit für den qualitativen Verlauf der Potenzreihenlösung unerheblich ist. Die Potenzreihenlösung f1 (ξ) hängt wie erwartet neben der Variablen ξ auch von der Wahl des elektrischen Feldes und von der Energie ab. Darüberhinaus ist die Lösung für f1 (ξ) über den Parameter β1 mit der Lösung für f2 (η) verknüpft. Die Lösung f2 (η) erhält man einfach durch die Ersetzungen ξ −→ η E −→ −E β1 −→ β2 . (3.105) (3.106) (3.107) 35 Die obige Lösung der Differentialgleichung ist eindeutig durch die Potenzreihe und die Rekursionsbeziehung bestimmt. Jedoch hat sie den Nachteil, dass sie nicht die vollständige Lösung der eindimensionalen Schrödinger-Gleichung darstellt. Die Schrödinger-Gleichung ist eine Differentialgleichung zweiter Ordnung, deren Lösung zwei linear unabhängige Anteile und somit auch zwei Integrationskonstanten enthalten muss. Somit stellt die obige Lösung lediglich einen Anteil der vollständigen Lösung der Schrödinger-Gleichung dar. Um beide linear unabhängigen Anteile zu berechnen, reicht der einfache Potenzreihenansatz also nicht aus. 3.4.2 Allgemeinere Reihenentwicklungen um singuläre Punkte Zur Ermittlung der vollständigen Lösung der Schrödinger-Gleichung ist der reine Potenzreihenansatz unzureichend. Um beide linear unabhängigen Lösungen der Schrödinger-Gleichung zu erhalten, muss ein allgemeinerer Ansatz gemacht werden. Die Differentialgleichung für f1 (ξ) aus (3.68) f100 (ξ) E E β1 1 0 + f1 (ξ) + − ξ + + f1 (ξ) = 0. ξ 4 2 ξ (3.108) ist in der Mathematik als Differentialgleichung vom Fuchsschen Typ bekannt [21]. Ihre Besonderheit liegt darin, dass sie eine schwach singuläre Stelle, also einen Pol erster Ordnung, hat. Die vollständige Lösung dieser Differentialgleichung ist dabei von den Eigenwerten des Koeffiziententensors A0 abhängig. Dies wird deutlich, wenn man sich die in (3.81) hergeleitete Rekursionsformel näher betrachtet. ny n = n X An−k y k . (3.109) k=0 Für n = 0 stellt diese Gleichung die Eigenwertgleichung für A0 dar, falls λ = 0 ein Eigenwert von A0 ist. Ansonsten gibt es keine nichttriviale Lösung dieser Gleichung für n = 0. Um den Fall n 6= 0 zu betrachten, ist es zweckmäßig, obige Gleichung umzuschreiben (A0 − nI)y n = − n−1 X An−k y k . (3.110) k=0 Falls n ∈ IN keine Eigenwerte von A0 sind, ist der Ausdruck (A0 −nI) 6= 0, und die Gleichungen lassen sich eindeutig lösen. Für den Fall, dass λ 6= 0 ein Eigenwert von A0 ist probiert man den Ansatz y (ξ) = ξ λ u(ξ). 36 (3.111) Setzt man diesen Ansatz in die Gleichung y 0 (ξ) = A(ξ)y (ξ) (3.112) λξ λ−1 u(ξ) + ξ λ u 0 (ξ) = A(ξ)ξ λ u(ξ) (3.113) ein, so folgt für u(ξ) bzw. 0 u (ξ) = Mit der Potenzreihe A(ξ) = ∞ u 0 (ξ) = 1 ξ P∞ k=0 λ A(ξ) − I u(ξ). ξ (3.114) Ak ξ k erhält man 1X λ Ak ξ k − I ξ k=0 ξ ! 1 u(ξ) = ξ A0 − λI + ∞ X Ak ξ k ! u(ξ). (3.115) k=1 Wie man an dieser Gleichung sehen kann genügt u(ξ) derselben Differentialgleichung wie y (ξ) jedoch mit A0 ersetzt durch A0 − λI. u(ξ) erfüllt also die Differentialgleichung u 0 (ξ) = Ã(ξ)u(ξ) (3.116) mit ∞ λ 1X Ã(ξ) ≡ A(ξ) − I = Ãk ξ k . ξ ξ k=0 Für den hier diskutierten Fall lautet das charakteristische Polynom für A0 −λ 0 −β1 −1 − λ = λ(λ + 1). (3.117) (3.118) Die Eigenwerte von A0 sind damit λ1 = 0 und λ2 = −1. Der im vorigen Abschnitt behandelte Fall war also eine Lösung der Differentialgleichung für den Fall λ1 = 0. Die allgemeinen Lösungen der Differentialgleichung vom Fuchsschen Typ enthalten auch logarithmische Anteile. Sie sind demnach nicht von der Form y (ξ) = ξ λ ∞ X y nξn. (3.119) n=0 37 Um auch diese Lösungen mit solchen Anteilen zu bekommen, führt man die Substitution ξ = es (3.120) λ A(e ) − s I u(es ). e (3.121) durch. Aus (3.116) folgt dann 1 du(es ) = es ds s Man kann sich davon überzeugen, dass die Lösung dieser Differentialgleichung für λ1 = 0 trotz dieses Ansatzes nicht die allgemeine Lösung mit zwei linear unabhängigen Anteilen liefert. Entscheidend dabei ist, dass sich für λ1 = 0 die Koeffizienten Ak nicht ändern. Für diesen Fall sind die Differentialgleichungen für y (ξ) und u(ξ) identisch. Die Wahl von λ2 = −1 führt allerdings zum gewünschten Ziel. In diesem speziellen Fall lautet die Differentialgleichung ∞ X du(es ) = (es A(es ) + I) u(es ) = es Ã(es )u(es ) = Ãk eks u(es ). ds k=0 (3.122) Die Koeffizienten Ak gehen für λ2 = −1 damit über in Ã0 = 1 0 −β1 0 , Ã1 = 0 1 − E2 0 , Ã2 = 0 0 E 0 4 . (3.123) Bis auf einen kleinen Unterschied wird für u(es ) nun fast derselbe Potenzreihenansatz wie im letzten Abschnitt gemacht s u(e ) = ∞ X n=0 ns u n (s)e = ∞ X u n (ln ξ)ξ n , u n ∈ Pq , q ∈ IN0 . (3.124) n=0 Im Gegensatz zum letzten Abschnitt können die Koeffizienten u k (s) nun auch von s bzw. von ln(ξ) abhängen. Dabei ist jedes u n (s) ein Element des Raumes der Vektorpolynome Pq vom Grade q. Mit anderen Worten, jedes u n (s) ist von der Form u n (s) = q X u n,j sj = u n,0 + u n,1 s + u n,2 s2 + · · · + u n,q sq , u n,j ∈ C 2 . (3.125) j=0 Mit diesem Ansatz für u(es ) folgt aus der Differentialgleichung (3.122) ∞ X n=0 38 (u 0n (s) + nu n (s)) ens = ∞ X l=0 Ãl els ! ∞ X k=0 u k (s)eks ! . (3.126) Das auf der rechten Seite stehende Cauchy-Produkt wurde schon einmal in Gleichung (3.79) berechnet. Der Koeffizientenvergleich liefert auch hier u 0n (s) n X + nu n (s) = Ãn−k u k (s). (3.127) k=0 In Komponenten sieht der Ansatz für u(es ) folgendermassen aus s u(e ) = ∞ X ns u n (s)e n=0 ∞ X an (s) = ens . bn (s) (3.128) n=0 Die gesuchte Wellenfunktion f1 (ξ) erhält man nun aus dem Ansatz y (ξ) = f1 (ξ) f10 (ξ) . (3.129) Die Substitution ξ −→ es bedeutet für y (ξ) y (ξ) = f1 (ξ) f10 (ξ) = f1 (ξ) df1 (ξ) dξ = f1 (es ) 1 df1 (es ) es ds ! = 1 u(es ). s e (3.130) df1 (es ) ds folgende Zusam- Mit dem Ansatz für u(es ) aus (3.128) ergeben sich dann für f1 (es ) und menhänge s f1 (e ) = ∞ X an (s)e(n−1)s (3.131) ∞ X bn (s)ens . (3.132) n=0 s df1 (e ) = ds n=0 Aus der Bedingungsgleichung (3.127) können nun die Koeffizienten u n (s) bestimmt werden. • n=0: u 00 (s) = Ã0 u 0 (s) =⇒ a00 (s) b00 (s) = 1 0 −β1 0 a0 (s) b0 (s) . (3.133) Aus der oberen Zeile bekommt man die Gleichung 39 a00 (s) = a0 (s). (3.134) a0 (s) ist ein Polynom vom Grad q. Wenn nun aber ein solches Polynom gleich ihrer Ableitung sein soll, kann das Polynom lediglich identisch Null sein. Die zweite Gleichung liefert mit a0 (s) = 0 b00 (s) = 0 =⇒ b0 (s) = b0,0 = const. (3.135) B0 ≡ b0,0 ist eine Integrationskonstante. Der Koeffizientenvektor u 0 (s) lautet u 0 (s) = 0 1 B0 . (3.136) • n=1: Für n = 1 gilt u 01 (s) + u 1 (s) = Ã1 u 0 (s) + Ã0 u 1 (s) u 01 (s) = (Ã0 − I)u 1 (s) + Ã1 u 0 (s) (3.137) =⇒ bzw. a01 (s) b01 (s) = 0 0 −β1 −1 a1 (s) b1 (s) + 0 1 − E2 0 a0 (s) b0 (s) . (3.138) Damit erhält man aus der ersten Zeile a01 (s) = b0 (s) = B0 =⇒ a1 (s) = a1,0 + B0 s. (3.139) a1,0 ist die zweite Integrationskonstante. Mit A0 ≡ a1,0 und der zweiten Zeile b01 (s) = −β1 a1 (s) − b1 (s) − E a0 (s) 2 (3.140) erhält man b01 (s) = −β1 A0 − β1 B0 s − b1 (s). (3.141) Aus dieser Gleichung sieht man, dass der Koeffizient b1 (s) nur in erster Ordnung von s abhängen kann, das heißt b1 (s) ist von der Form b1 (s) = b1,0 + b1,1 s. 40 (3.142) Mit (3.141) folgt dann b1,1 = −β1 A0 − β1 B0 s − b1,0 − b1,1 s. (3.143) Durch Koeffizientenvergleich sieht man zunächst b1,1 = −β1 B0 . (3.144) b1,0 = β1 (B0 − A0 ). (3.145) Damit folgt Der Koeffizient u 1 (s) ist also u 1 (s) = A0 + B0 s β1 (B0 − A0 ) − β1 B0 s = 1 −β1 A0 + s β1 (1 − s) B0 . (3.146) An dieser Lösung mit zwei Integrationskonstanten sieht man bereits, dass es sich um eine vollständige Lösung mit zwei linear unabhängigen Anteilen handelt. Die Anteile, die linear in s sind stellen die logarithmischen Anteile der Lösung dar, die mit der vorherigen Methode nicht ermittelt werden konnten. • n=2: Aus der Bedingungsgleichung in zweiter Ordnung u 02 (s) + 2u 2 (s) = Ã2 u 0 (s) + Ã1 u 1 (s) + Ã0 u 2 (s) (3.147) u 02 (s) = (Ã0 − 2I)u 2 (s) + Ã1 u 1 (s) + Ã2 u 0 (s). (3.148) folgt In expliziter Form lautet die Gleichung a02 (s) b02 (s) = −1 0 −β1 −2 a2 (s) b2 (s) 0 1 a1 (s) + b1 (s) −E 0 2 0 0 a0 (s) + E . b0 (s) 0 4 (3.149) Aus der ersten Zeile bekommt man 41 a02 (s) = −a2 (s) + b1 (s) =⇒ a02 (s) = −a2 (s) + β1 (B0 − A0 ) − β1 B0 s. (3.150) Damit ist a2 (s) auch linear in s, das heißt a2 (s) = a2,0 + a2,1 s (3.151) a2,1 = −β1 B0 . (3.152) a2,0 = β1 (2B0 − A0 ). (3.153) mit Daraus folgt für a2,0 Die zweite Zeile liefert E E a1 (s) + a0 (s). 2 4 b02 (s) = −β1 a2 (s) − 2b2 (s) − (3.154) Da die Koeffizienten a0 (s), a1 (s) und a2 (s) alle linear in s sind, muss dies auch für b2 (s) gelten. Mit den Ergebnissen für a0 (s), a1 (s) und a2 (s) bekommt man b02 (s) = −β12 (2B0 − A0 ) + β12 B0 s − 2b2 (s) − E E A0 − B0 s. 2 2 (3.155) Für b2,1 ergibt sich dann b2,1 = β12 E − 2 4 B0 . (3.156) b2,0 ist damit b2,0 = β12 E − 2 4 A0 + E 5 2 − β1 B0 . 8 4 (3.157) Für den Koeffizienten u 2 (s) ergibt sich also ! β (2B − A ) − β B s 1 0 0 1 0 2 2 u 2 (s) = β1 β1 E E 5 2 E − A + − β B + − B0 s 0 0 2 4 8 4 1 2 4 −β1 β1 (2 − s) = A + B0 . 0 β12 β12 E E − (1 − 2s) − (5 − 2s) 2 4 8 4 42 (3.158) • n≥3: Im allgemeinen Fall n ≥ 3 gilt die Bedingungsgleichung für die Koeffizienten u n (s) u 0n (s) + nu n (s) = n X Ãn−k u k (s). (3.159) k=0 Auch hier verschwinden für n − k ≥ 3 alle Tensoren Ãk . Die obige Gleichung vereinfacht sich also zu u 0n (s) + nu n (s) = Ã2 u n−2 (s) + Ã1 u n−1 (s) + Ã0 u n (s) (3.160) u 0n (s) = (Ã0 − nI)u n (s) + Ã1 u n−1 (s) + Ã2 u n−2 (s). (3.161) bzw. In expliziter Form lautet diese Gleichung a0n (s) b0n (s) = 1−n 0 −β1 −n an (s) bn (s) 0 1 an−1 (s) + bn−1 (s) −E 0 2 0 0 an−2 (s) + E . bn−2 (s) 0 4 (3.162) Hieraus ergeben sich folgende Rekursionsformeln a0n (s) = (1 − n)an (s) + bn−1 (s) (3.163) und b0n (s) = −β1 an (s) − nbn (s) − E E an−1 (s) + an−2 (s). 2 4 (3.164) Da die Koeffizienten bn (s) für n = 0, 1, 2 linear in s sind, sieht man an der Bedingungsgleichung (3.163), dass auch der Koeffizient a3 linear in s sein muss. Damit sind nun auch alle Koeffizienten an (s) für n = 0, 1, 2, 3 linear in s, und folglich gilt dies auch für b3 (s). Dieselbe Argumentation kann nun auch für alle höheren n durchgeführt werden. Somit sind alle Koeffizienten an (s) und bn (s) von der Form an (s) = an,0 + an,1 s, bn (s) = bn,0 + bn,1 s. (3.165) 43 Mit dieser Information lassen sich die obigen Bedingungsgleichungen umschreiben in an,1 = (1 − n)(an,0 + an,1 s) + bn−1,0 + bn−1,1 s (3.166) und bn,1 = −β1 (an,0 +an,1 s)−n(bn,0 +bn,1 s)− E E (an−1,0 +an−1,1 s)+ (an−2,0 +an−2,1 s). (3.167) 2 4 Der Koeffizientenvergleich in diesen beiden Gleichungen liefert an,1 + (n − 1)an,0 = bn−1,0 , (n − 1)an,1 = bn−1,1 (3.168) (3.169) und E an−1,0 + 2 E = −β1 an,1 − an−1,1 + 2 bn,1 + nbn,0 = −β1 an,0 − nbn,1 E an−2,0 , 4 E an−2,1 . 4 (3.170) (3.171) Mit Hilfe dieser vier Gleichungen können nun alle Koeffizienten an (s) und bn (s) vollständig bestimmt werden. Zur besseren Übersicht ist es sinnvoll, die Gleichungen noch ein wenig umzuschreiben. Für n ≥ 3 können die Gleichungen (3.168) und (3.169) zunächst in folgender Form geschrieben werden 1 1 bn−1,0 − bn−1,1 , n−1 (n − 1)2 1 = bn−1,1 . n−1 an,0 = (3.172) an,1 (3.173) Die Gleichungen (3.170) und (3.171) ergeben bn,0 bn,1 44 1 E E −β1 an,0 − an−1,0 + an−2,0 = n 2 4 1 E E − 2 −β1 an,1 − an−1,1 + an−2,1 n 2 4 1 E E = −β1 an,1 − an−1,1 + an−2,1 . n 2 4 (3.174) (3.175) Man kann sich davon überzeugen, dass die Rekursionsformeln auch schon für n = 2 ihre Gültigkeit haben. Die letzten beiden Gleichungen sind dann gleichwertig zu bn−1,0 bn−1,1 E 1 E = −β1 an−1,0 − an−2,0 + an−3,0 n−1 2 4 1 E E − −β1 an−1,1 − an−2,1 + an−3,1 (n − 1)2 2 4 E E 1 = −β1 an−1,1 − an−2,1 + an−3,1 . n−1 2 4 (3.176) (3.177) Mit diesem Ergebnis können nun die Gleichungen (3.172) und (3.173) so umgeschrieben werden, dass alle Koeffizienten rekursiv durch die an,i (i = 0, 1) beschrieben werden können. an,0 an,1 1 = −β1 an−1,0 − (n − 1)2 2 − −β1 an−1,1 − (n − 1)3 1 = −β1 an−1,1 − (n − 1)2 E an−2,0 + 2 E an−2,1 + 2 E an−2,1 + 2 E an−3,0 4 E an−3,1 4 E an−3,1 . 4 (3.178) (3.179) Die gesuchte Wellenfunktion f1 (ξ) und ihre Ableitung können nun gemäß s f1 (e ) = df1 (es ) = ds ∞ X n=0 ∞ X an (s)e(n−1)s (3.180) bn (s)ens . (3.181) n=0 bzw. f1 (ξ) = ∞ X an (ln(ξ))ξ n−1 (3.182) f10 (ξ) = ∞ X bn (ln(ξ))ξ n−1 (3.183) n=0 n=0 45 bestimmt werden. Wie oben gezeigt wurde sind die Koeffizienten an (s) und bn (s) linear in s bzw. in ln(ξ). Zusammenfassend lautet die vollständige Lösung für die Schrödinger-Gleichung (3.68) f1 (ξ) = P1 (ξ) + ln(ξ)P2 (ξ), f10 (ξ) = Q1 (ξ) + ln(ξ)Q2 (ξ) (3.184) (3.185) mit P1 (ξ) ≡ Q1 (ξ) ≡ ∞ X n=0 ∞ X an,0 ξ n−1 an,1 ξ n−1 , (3.186) bn,1 ξ n−1 , (3.187) a2,0 = β1 (2B0 − A0 ), (3.188) P2 (ξ) ≡ , bn,0 ξ n−1 , ∞ X Q2 (ξ) ≡ n=0 n=0 ∞ X n=0 und a0,0 = 0, an,0 a1,0 = A0 , 1 −β1 an−1,0 − = (n − 1)2 2 − −β1 an−1,1 − (n − 1)3 a0,1 = 0, an,1 b0,0 = B0 , 1 = (n − 1)2 a1,1 = B0 , E an−3,0 4 E an−3,1 , 4 (n ≥ 3), a2,1 = −β1 B0 , E E −β1 an−1,1 − an−2,1 + an−3,1 , 2 4 b1,0 = β1 (B0 − A0 ), bn−1,0 46 E an−2,0 + 2 E an−2,1 + 2 b2,0 = β12 E − 2 4 A0 + 1 E E = −β1 an−1,0 − an−2,0 + an−3,0 n−1 2 4 1 E E − −β1 an−1,1 − an−2,1 + an−3,1 , (n − 1)2 2 4 (3.189) (3.190) (n ≥ 3), (3.191) E 5 2 − β1 B0 , 8 4 (3.192) (n ≥ 3), (3.193) b1,1 = −β1 B0 , b0,1 = 0, bn−1,1 1 = n−1 b2,1 = β12 E − 2 4 E E −β1 an−1,1 − an−2,1 + an−3,1 , 2 4 B0 , (3.194) (n ≥ 3). (3.195) Die Integrationskonstanten A0 und B0 in der Lösung für f1 (ξ) bestimmen die beiden linear unabhängigen Anteile der vollständigen Lösung. Man sieht, dass in den logarithmischen Anteilen die Polynome P2 (ξ) und Q2 (ξ) nur abhängig von der Integrationskonstanten B0 sind, während P1 (ξ) und Q1 (ξ) von beiden Konstanten abhängen. Die Lösung f1 (ξ) und ihre Ableitung f10 (ξ) aus (3.184) bzw. (3.185) kann damit in folgender Form geschrieben werden f1 (ξ) = P1,A0 (ξ) + P1,B0 (ξ) + ln(ξ)P2,B0 (ξ), | {z } | {z } =P1 (ξ) f10 (ξ) =P2 (ξ) = Q1,A0 (ξ) + Q1,B0 (ξ) + ln(ξ)Q2,B0 (ξ). | {z } | {z } =Q1 (ξ) (3.196) (3.197) =Q2 (ξ) Wie oben gezeigt wurde, gehen die Integrationskonstanten A0 und B0 lediglich in linearer Form in diese Polynome ein. Mit A0 p1 (ξ) ≡ P1,A0 (ξ), B0 p2 (ξ) ≡ P1,B0 (ξ) + ln(ξ)P2,B0 (ξ), A0 q1 (ξ) ≡ Q1,A0 (ξ), B0 q2 (ξ) ≡ Q1,B0 (ξ) + ln(ξ)Q2,B0 (ξ) (3.198) (3.199) (3.200) (3.201) f1 (ξ) = A0 p1 (ξ) + B0 p2 (ξ), f10 (ξ) = A0 q1 (ξ) + B0 q2 (ξ). (3.202) (3.203) folgt damit Da die vollständige Lösung der Schrödinger-Gleichung für das Wasserstoffatom in einem elektrischen Feld bekannt ist, kann für gegebene Parameter β1 , β2 und E die Wellenfunktion des Wasserstoffatoms damit angegeben werden. Das besondere Augenmerk liegt insbesondere bei den Wellenfunktionen, die die Tunnelionisation beschreiben. Das heißt, es sind gerade die aus 47 dem Potentialtopf auslaufenden Wellenfunktionen von besonderem Interesse. Der Imaginärteil des Energieeigenwertes E gibt dabei Aufschluss über die feldstärkeabhängige Ionisationsrate. Die Frage, die sich nun jedoch aufdrängt ist, wie die Parameter dieser auslaufenden Wellenfunktionen ermittelt werden können. Um diese Frage beantworten zu können, muss das Randwertproblem der Tunnelionisation gelöst werden. 3.5 Störungstheorie und Stark-Effekt Neben der Ionisationsrate w ist bei der Tunnelionisation das Energieniveau E des ionisierten Elektrons von besonderem Interesse. Die quantenmechanische Störungstheorie liefert hier Näherungslösungen für sehr schwache Feldstärken E 1. Die störungstheoretische Behandlung des Wasserstoffatoms in einem schwachen elektrischen Feld liefert bis zur 2. Ordnung folgendes Ergebnis (vgl. [5]) En,n1 ,n2 ,m 1 3 E2 4 = − 2 + En(n1 − n2 ) + n 17n2 − 3(n1 − n2 )2 − 9m2 + 19 + O(E 3 ). (3.204) 2n } |2 | {z {z } |16 {z } (0) En linearer Stark-Effekt quadratischer Stark-Effekt Dabei sind n die Hauptquantenzahl, n1 und n2 sind die sogenannten parabolischen Quantenzahlen und m ist die magnetische Quantenzahl. Die stationären Zustände des diskreten Spektrums werden durch diese Quantenzahlen beschrieben. Dabei gilt für die Hauptquantenzahl n n = n1 + n2 + |m| + 1. (3.205) Der erste Term in (3.204) stellt den Eigenwert für das ungestörte Wasserstoffatom dar. Das Auftreten des zweiten Terms bezeichnet man als linearen Stark-Effekt, da die Störung des (0) Eigenwertes En linear mit dem anliegenden elektrischen Feld E wächst. Interessant ist der Fall, bei dem die beiden parabolischen Quantenzahlen die gleichen Werte annehmen. Dann nämlich existiert bei beliebigem äußeren elektrischen Feld gar kein linearer Stark-Effekt. Die Abhängigkeit des Energieeigenwertes von der elektrischen Feldstärke En,n1 ,n2 ,m = En,n1 ,n2 ,m (E) wird dann erst durch den quadratischen Stark-Effekt deutlich. Die Störungsrechnung gilt nur für elektrische Feldstärken, bei denen man den zweiten Term gegen den ersten vernachlässigen könnte und damit nur für sehr schwache Feldstärken. Es muss jedoch so stark sein, dass die Stark-Aufspaltung groß genug gegenüber der Feinstrukturaufpaltung (0) ist, die hier vernachlässigt wird. Im Gegensatz zum Term En nimmt die Stark-Aufspaltung mit zunehmender Hauptquantenzahl n zu. Die Störungstheorie wird unbrauchbar, wenn die Starkaufspaltung von der Größenordnung der Energiedifferenzen der betrachteten Energieniveaus wird. Es ist offensichtlich, dass der Stark-Effekt in Wirklichkeit wegen der Ionisierung des Atoms, die bei der Störungstheorie vernachlässigt wurde, viel komplizierter ist. 48 Kapitel 4 Randwertproblem der Tunnelionisation 4.1 Quasiklassische Näherung Mit Hilfe von quasiklassischen Näherungen ist es nach Landau1 möglich, die Ionisationsrate für ein Wasserstoffatoms in einem äußeren elektrischen Feld mit E 1 zu bestimmen. Dabei wird ein Wasserstoffatom in einem homogenen elektrischen Feld E in z-Richtung betrachtet. Dadurch entsteht in negativer z-Richtung ein Potentialwall, durch das das Elektron durchtunneln kann. In parabolischen Koordinaten liegt der Potentialwall in Richtung der η-Koordinate. Um die Ionisationsrate w(E) bestimmen zu können, muss die Wellenfunktion des Wasserstoffatoms für große Werte von η bzw. kleine Werte von ξ bekannt sein. Die Grundzustandswellenfunktion ψG (r ) des Wasserstoffatoms lautet in atomaren Einheiten 1 ψG (r ) = √ e−r π (4.1) ξ+η 1 ψG (ξ, η, ϕ) = √ e− 2 . π (4.2) bzw. in parabolischen Koordinaten Obwohl ein elektrisches Feld vorhanden ist, wird die ξ-Abhängigkeit wie in der Grundzustandswellenfunktion angenommen. Die Ausgangsgleichung für die η-Abhängigkeit ist die SchrödingerGleichung aus (3.43) χ002 (η) 1 E E β2 1 + + η+ + 2 χ2 (η) = 0. 2 4 η 4η vgl. [5] 49 (4.3) Für den Grundzustand lauten die Parameter E = − 12 und β2 = 12 . Damit erhält man χ002 (η) 1 E 1 1 + − + η+ + χ2 (η) = 0. 4 4 2η 4η 2 (4.4) η0 sei ein Wert von η innerhalb des Potentialwalls, wobei für das elektrische Feld die Bedingung 1 η0 E1 gelten soll. Für so ein hinreichend schwaches elektrisches Feld wird angenommen, dass die Gesamtwellenfunktion ψ für η ≥ η0 quasiklassisch ist. Für η < η0 ist E vernachlässigbar klein und die Wellenfunktion ψ geht bei η0 in die Grundzustandswellenfunktion ψG über. Mit dieser Annahme und unter Berücksichtigung der Substitution χ(ξ, η) = √ ηψ. (4.5) lautet die WKB-Lösung der Schrödinger-Gleichung (bis auf die Abhängigkeit des Azimutwinkels ϕ) χ(ξ, η) = η0 |p0 | πp 12 ξ + η0 exp − +i 2 Z η η0 π p(η̃)dη̃ + i 4 (4.6) mit p(η) = s 1 1 1 Eη − + + 2+ , 4 2η 4η 4 p0 ≡ p(η0 ). (4.7) η1 sei die Stelle, bis zu der das Elektron durch den Potentialwall durchtunnelt, d. h. p(η1 ) = 0. (4.8) Im Exponenten der WKB-Lösung muss damit von η0 bis η1 integriert werden. Für die Bestimmung der Ionisationsrate ist die Bestimmung der Wahrscheinlichkeitsdichte |χ(ξ, η)|2 erforderlich. Da p(η) innerhalb des Potentialwalls komplex ist, erhält man für das Betragsquadrat Z η1 η0 |p0 | |χ(ξ, η)| = exp −ξ − η0 − 2 |p(η̃)|dη̃ . πp η0 2 (4.9) Für große Werte von η werden im Vorfaktor die Näherungen 1 |p0 | ≈ , 2 p≈ 1p Eη − 1, 2 (η 1) (4.10) vorgenommen. Im Exponenten wird |p| bis zur nächsten Ordnung entwickelt. Damit gilt für |p(η)| bis zur zweiten Ordnung in η1 50 1p 1 |p(η)| = 1 − Eη − √ +O 2 2η 1 − Eη Die obere Grenze im Integral der WKB-Lösung wird durch man 1 E 1 η2 . (4.11) abgeschätzt. Schließlich erhält ( ) Z 1 Z 1p E E η0 1 √ 1 − E η̃dη̃ + dη̃ . |χ(ξ, η)| ≈ √ exp −ξ − η0 − π Eη − 1 η0 η0 η 1 − E η̃ 2 (4.12) Die Integration ergibt p 3 2 η0 2 |χ(ξ, η)| ≈ √ exp −ξ − η0 − (1 − Eη0 ) + 2 artanh 1 − Eη0 . 3E π Eη − 1 2 (4.13) Für Eη0 1 lauten die führenden Terme im Exponenten η0 2 Eη0 |χ(ξ, η)| ≈ √ exp −ξ − − ln + O(Eη0 ) 3E 4 π Eη − 1 (4.14) 4 2 √ |χ(ξ, η)| ≈ exp −ξ − 3E πE Eη − 1 (4.15) 2 bzw. 2 Die gesuchte Ionisierungsrate ist durch den Wahrscheinlichkeitsstrom durch eine zur z-Achse senkrechte Ebene gegeben. In Zylinderkoordinaten entspricht das w= ∞ Z |ψ|2 vz 2π%d%, (4.16) 0 p √ wobei % = x2 + y 2 = ξη der Radius der betrachteten Ebene ist. Die Geschwindigkeit vz kann man klassisch ermitteln aus 1 ∂2 1 1 1 Eη − χ2 (η) + − − − χ2 (η) = 0. 2 ∂η 2 2 η 2η 2 2 | {z } | {z } = b 12 vz2 (4.17) =V b −E Hieraus folgt vz = 2p(η) ≈ p Eη − 1, (η 1). (4.18) 51 Mit p 1 r η d% = d ξη ≈ dξ, 2 ξ (η 1) (4.19) ergibt sich für die Ionisationsrate w= Z ∞ π |χ(ξ, η)|2 0 p Eη − 1 dξ (4.20) bzw. |χ(ξ, η)|2 eingesetzt w= Z 0 ∞ 4 2 4 2 exp −ξ − dξ = exp − . E 3E E 3E (4.21) Dies ist quasiklassische Näherungslösung für die feldstärkeabhängige Ionisationsrate. 4.2 Numerische Behandlung Obwohl die vollständige mathematische Lösung der Schrödinger-Gleichung für ein Wasserstoffatom im elektrischen Feld (3.66) als Potenzreihe (3.184) bekannt ist, müssen die physikalisch sinnvollen und für den Tunneleffekt relevanten Lösungen aus der Menge aller mathematisch möglichen Ergebnisse herausgesucht werden. Unser Ziel ist es die Feldstärkeabhängigkeit der Ionisationsrate zu ermitteln. Dazu müssen die Energieeigenwerte und die entsprechenden Parameter β1 bzw. β2 aus den Randbedingungen bestimmt werden. Aus den Imaginärteilen der Energieeigenwerte kann schließlich die Ionisationsrate nach (2.42) ermittelt werden. Um diese Lösungen zu bekommen, müssen zwei wesentliche Randbedingen erfüllt werden. Bei näherer Betrachtung der Lösung (3.196) fällt auf, dass sie im Ursprung bei ξ = 0 nicht regulär ist. Die Wellenfunktion muss allerdings aufgrund der Normierbarkeitsbedingung überall regulär sein. Die erste Bedingung des Randwertproblems ist damit also die Vernachlässigung des Anteils, der Terme mit der Integrationskonstanten B0 enthält. Die zweite Bedingung für das Randwertproblem ist, dass die Lösung innerhalb der Potentialbarriere und für |z| → ∞ mit der WKB-Lösung einer auslaufenden Welle übereinstimmen muss. Bei der numerischen Lösung dieses Randwertproblems muss also die WKB-Lösung an die reguläre Potenzreihenlösung der Schrödinger-Gleichung angeschlossen werden. Der Anschluss an die WKB-Lösung soll mit zwei verschiedenen Methoden untersucht werden. Bei der ersten Methode wird lediglich verlangt, dass die Potenzreihenlösung bei einer bestimmten Stelle in die WKB-Lösung übergeht. Im Gegensatz dazu wird bei der zweiten Methode von der WKBLösung ausgegangen. Ausgehend von dieser Lösung wird die Schrödinger-Gleichung numerisch integriert und erst danach an die Potenzreihenlösung angeschlossen. 52 4.2.1 Anschluss der Potenzreihe an die WKB-Lösung Der Ausgangspunkt für den direkten Anschluss der WKB-Lösung an die Potenzreihenlösung sind die Randbedingungen aus (3.51), (3.52) und (3.53) s E E β1 1 − ξ+ + 2 2 4 ξ 4ξ ) f1 (ξ) = 0, (4.22) s E E β2 1 + η+ + 2 2 4 η 4η ) f2 (η) = 0, (4.23) f10 (ξ) + ( 1 −i 2ξ f20 (η) + ( 1 −i 2η β1 + β2 = Z, (4.24) wobei wir für das Wasserstoffatom Z = 1 setzen. Für eine gegebene Feldstärke und für gegebene Anschlussstellen ξ bzw. η können die Potenzreihenlösungen f1 (ξ) und f2 (η) eingesetzt werden. Man erhält schließlich drei implizite Bedingungsgleichungen für die Parameter E, β1 und β2 , die sich numerisch durch ein Nullstellenprogramm lösen lassen. Die Wahl der Anschlusspunkte ξ und η beschränkt sich auf den von der gegebenen Feldstärke abhängigen WKB-Bereich. Um diesen WKB-Bereich festzulegen, müssen zunächst die klassischen Umkehrpunkte bestimmt werden, die durch die Gleichungen k1 (ξ) = s E E β1 1 − ξ+ + 2 = 0, 2 4 ξ 4ξ k2 (η) = s E E β2 1 + η+ + 2 =0 2 4 η 4η (4.25) gegeben sind. Da die Energieeigenwerte und die Parameter β1 und β2 für die auslaufenden Wellen noch nicht bekannt sind, werden für diese Größen in erster Näherung die Werte für den Grundzustand angenommen, d. h. 1 E=− , 2 1 β1 = β2 = . 2 (4.26) Die Umkehrpunkte erfüllen also die Gleichungen s 1 E 1 1 − − ξ+ + 2 = 0, 4 4 2ξ 4ξ s 1 E 1 1 − + η+ + 2 = 0. 4 4 2η 4η (4.27) Die Abbildung 4.1 zeigt die Nullstellen in Abhängigkeit von der Feldstärke E in einem Bereich von 0 ≤ E ≤ 1. 53 100 3 80 2,5 η ξ 2 60 40 1,5 1 0 20 0,2 0,4 ε 0,6 0,8 0 0 1 0,2 0,4 0,6 ε 0,8 1 Abbildung 4.1: Klassische Umkehrpunkte für ξ und η Die Umkehrpunkte für die Koordinate ξ rücken mit wachsendem elektrischen Feld näher an den Koordinatenursprung, da das elektrische Feld das Coulomb-Potential auf dieser Seite erhöht. In Richtung der η-Koordinate gibt es zunächst zwei Nullstellen, die die Breite der Potentialbarriere bestimmen. Die Größe der Potentialbarriere nimmt mit steigendem elektrischen Feld bis zu einem kritischen Punkt ab. Bei einer Feldstärke von 0, 11262 fallen die klassischen Umkehrpunkte zusammen und es gibt keine klassische Potentialbarriere mehr. Die charakteristischen Längen Lξ und Lη aus (3.65) bestimmen den Gültigkeitsbereich der WKB-Lösungen. 5 100 klassische Umkehrpunkte WKB-Grenze 4 75 η ξ3 2 1 0 klassische Umkehrpunkte WKB-Grenze 50 25 0,2 0,4 ε 0,6 0,8 1 0 0 0,05 0,1 ε 0,15 0,2 0,25 Abbildung 4.2: Gültigkeitsbereich der WKB-Lösung in ξ- und η-Richtung Die gestrichelten Kurven in den obigen Abbildungen stellen jeweils die Grenze zum Gültigkeitsbereich der WKB-Lösung dar. Der Sprung der WKB-Grenze in η-Richtung ist auf den Knick in 54 der Kurve für die Umkehrpunkte zurückzuführen, da bei der Berechnung der charakteristischen Länge Lη die Ableitung von k2 (η) eingeht. Um die gesuchten Parameter für die auslaufenden ebenen Wellen zu finden, wurde der Anschluss der Potenzreihenlösung für die Schrödinger-Gleichung an die WKB-Lösung wurde zunächst bei einer festen Feldstärke E = 0, 05 untersucht. Dabei wurden zunächst die Potenzreihenlösungen f1 (ξ) und f2 (η) für die Parameter β1 , β2 und E des Grundzustandes graphisch analysiert. Die Wellenfunktionen sind mit den entsprechenden Barrieren für E = 0, 05 in folgender Abbildung dargestellt. f2(η) 2 f1(ξ) 1 0,8 1 0,6 WKB-Bereich WKB-Bereich 0 0 0,4 10 20 0,2 -1 Barriere 0 0 2 4 ξ 6 8 η 30 40 50 WKB-Bereich Tunnelbarriere 10 -2 Abbildung 4.3: Wellenfunktionen f1 (ξ) und f2 (η) für E = −0, 5, β1 = β2 = 0, 5 Man erkennt, dass die gewählten Parameter nicht diejenigen für die auslaufenden Wellen sind, da die Lösungen innerhalb der Potentialbarrieren und insbesondere in den WKB-Bereichen exponentiell abfallen müssten. Der exponentiell ansteigende Beitrag ist in der Wellenfunktion für f1 (ξ) deutlich zu erkennen. Darüberhinaus sollte die Amplitude der Wellenfunktion f2 (η) hinter der Potentialbarriere wesentlich kleiner sein als vor der Barriere. Es gibt allerdings bei beiden Wellenfunktionen Bereiche in den WKB-Zonen, in denen sie exponentiell abnehmen. Aus diesen Bereichen wurden die jeweiligen Anschlusspunkte ξa und ηa gewählt und an die WKBLösung angeschlossen. Dazu wurde ein Computerprogramm geschrieben, welche mit Hilfe eines Nullstellenprogramms aus [22] die Nullstellen für die WKB-Bedingungen (3.51), (3.52) und (3.53) berechnet hat. Für die Anschlussstellen ξa = 5, 0 und ηa = 6, 0 lagen die Nullstellen bei den Parametern E (1) = −0, 506558, (1) (4.28) (1) (4.29) β1 = 0, 525002. (1) Der Wert für β2 ergibt sich aus der Gleichung (1) β2 = 1 − β1 . 55 An dieser Lösung sieht man bereits, dass diese Parameter nicht die auslaufenden Wellen beschreiben, da die Wellenfunktion des tunnelnden Elektrons einen Imaginärteil im Energieeigenwert haben müsste. Die folgende Abbildung zeigt den Vergleich der Wellenfunktionen für diese neuen Parameter mit den vorher betrachteten. f1(ξ) 2 1,5 (1) f2(η) 2 (1) E , β1 E=-0,5, β1=0,5 Barriere 1 (1) WKB-Bereich 1 WKB-Bereich 0 0 0,5 10 -1 0 0 2,5 5 7,5 ξ 10 12,5 15 (1) E , β1 E=-0,5, β1=0,5 20 η 30 40 50 WKB-Bereich Tunnelbarriere -2 (1) Abbildung 4.4: Wellenfunktionen f1 (ξ) und f2 (η) für E (1) = −0, 525002, β1 = 0, 474998 Es ist deutlich zu erkennen, dass die neuen Wellenfunktionen innerhalb des WKB-Bereichs viel eher den Erwartungen entsprechen. Allerdings ist erneut ein Anstieg der Wellenfunktion f1 (ξ) zu sehen. Lediglich das Minimum ist zu einem größeren ξ-Wert verschoben. Bei der Wellenfunktion f2 (η) fällt auf, dass die Amplitude hinter der Potentialbarriere wesentlich geringer als vor der Barriere ist, was bei der eben betrachteten Wellenfunktion nicht der Fall war. Insgesamt ist anzumerken, dass die Wahl der neuen Parameter eine deutliche Verbesserung im Gegensatz zu den Parametern für den Grundzustand darstellt. Dieses Verfahren, die richtigen Parameter für die auslaufenden Wellenfunktionen zu ermitteln, wurde sukzessive fortgesetzt, wobei die Wahl der Anschlusspunkte ξa und ηa graphisch erfolgte. Nach einigen Schritten konnte das Nullstellenprogramm auch komplexe Nullstellen ermitteln. Nach neun Schritten konnte keine wesentliche Veränderung der Nullstellen festgestellt werden. Für die Anschlusspunkte ξa = 88, 0 und ηa = 28, 45 konnten folgende Parameter bestimmt werden. E (9) = −0, 506108 − i 3, 81422 · 10−5 , (9) β1 = 0, 525515 + i 1, 74709 · 10−5 . (4.30) Der Imaginärteil des Energieeigenwertes ist den Erwartungen entsprechend negativ. Damit beträgt die Ionisationsrate für E = 0, 05 nach dieser Methode w(0, 05) = 7, 62844 · 10−5 . In folgender Grafik ist der Verlauf der Wellenfunktionen für diese Parameter zu sehen. 56 (4.31) 0,04 0,04 WKB-Bereich 5 -0,02 -0,04 Im(f2(η)) Im(f1(ξ)) 0 0 10 15 ξ WKB-Bereich |f2(η)| 0,02 20 0,01 0 0 Barriere Re(f2(η)) 0,03 Re(f1(ξ)) 0,02 Tunnelbarriere WKB-Bereich 10 20 30 η 40 (9) Abbildung 4.5: Wellenfunktionen f1 (ξ) und f2 (η) für E (9) und β1 Bei dem Realteil der Wellenfunktion f1 (ξ) kann man erkennen, dass er bis zu einem Vorzeichenwechsel zunächst exponentiell abfällt. Offensichtlich ist hier der Koeffizient der exponentiell ansteigenden Lösung zwar sehr klein aber negativ, so dass es kein Minimum mehr gibt. Bei den richtigen Parametern E, β1 und β2 müsste die einlaufende Wellenfunktion nicht mehr zu sehen sein. Dies war jedoch mit dieser Methode numerisch nicht zu realisieren. Der Vorzeichenwechsel der Wellenfunktion zeigt allerdings, dass diese Lösung nicht sehr weit von der wahren entfernt sein kann. Die Wellenfunktion f2 (η) entspricht im WKB-Bereich den Erwartungen. Auch außerhalb der Potentialbarriere zeigt sie den erwarteten Verlauf. Betrachtet man den Betrag der Wellenfunktion, so sieht man, dass er bei größeren η-Werten an einen konstanten Wert zu konvergieren scheint, d. h. es gibt eine endliche Aufenthaltswahrscheinlichkeit für das Elektron in diesem Bereich. Bei großen Werten für η ist eine Verschmierung der Wellenfunktion zu sehen. Diese Ungenauigkeiten sind allerdings numerischer Natur. Die Potenzreihe wurde mit einer Genauigkeit von 10−8 programmiert, d. h. die Lösung wurde als konvergent bezeichnet, wenn ein Reihenglied kleiner als das 10−8 -fache des Absolutbetrages der gesamten Potenzreihe betrug. Die Maximal-Ordnungen der Potenzreihen lagen bei diesen Ergebnissen zwischen 100 und 200. Das bedeutet, es mussten Zahlen der Größenordnung 40100...200 berechnet werden, was aber die Leistungsgrenze des Computers deutlich überschreitet. Auf diese Art wurden weitere Ionisationsraten im Bereich E = 0, 04 − 0, 26 ermittelt. Dabei wurden als Anfangswerte jeweils die Ergebnisse für die vorherige Feldstärke verwendet. Die gefundenen Anschlusspunkte ξa und ηa sind in der Grafik 4.6 dargestellt. Sie liegen alle innerhalb der WKB-Zone. Interessant ist, dass diese Punkte auf einer bestimmten Kurve zu liegen scheinen. Für stärkere Feldstärken konnte auf diese Weise kein zufriedenstellendes Ergebnis erlangt werden. Um aber noch weitere Ionisationsraten für einen größeren Bereich zu erhalten, wurden diese Eichpunkte durch Funktionen angenähert. Die Eichkurven Rξ und Rη sind gegeben durch Rξ ≡ 33, 29E −0,31607 , Rη ≡ 4, 2884E −0,61914 . (4.32) 57 100 80 ξ 100 klass. Umkehrpunkte WKB-Grenze Eichkurve Eichpunkte 60 75 η 40 50 25 20 0 0 klass. Umkehrpunkte WKB-Grenze Eichkurve Eichpunkte 0,05 0,1 0,15 ε 0,2 0 0 0,25 0,05 0,1 0,15 ε 0,2 0,25 Abbildung 4.6: Eichkurven Da die Anschlusspunkte für jede Feldstärke festgelegt waren, konnte das elektrische Feld E in feineren Schritten variiert werden. Vom Startpunkt E = 0, 04, für den die Parameter des Grundzustandes zugrunde gelegt wurden, konnten mit einer Schrittweite von ∆E = 10−4 die Parameter E, β1 und β2 bis zu einer Feldstärke von E = 0, 8 ermittelt werden. Die Ionisationsraten dieser Rechnung sind in folgender Abbildung illustriert. w(ε) 3 numerisches Ergebnis Landau-Rate 2,5 2 1,5 1 0,5 0 0 0,1 0,2 0,3 0,4 ε 0,5 Abbildung 4.7: Ionisationsrate 58 0,6 0,7 0,8 Es ist deutlich zu sehen, dass die numerisch berechnete Ionisationsrate schon ab einer Feldstärke von E = 0, 1 stark von der Landau-Rate abweicht. Um die beiden Ergebnisse vor allem im niedrigen Feldstärkebereich besser vergleichen zu können, werden die Ergebnisse halblogarithmisch aufgetragen. w(ε) 10 0 -1 10 10 numerisches Ergebnis Landau-Rate -2 -3 10 -4 10 -5 10 -6 10 0 0,1 0,2 0,3 0,4 ε 0,5 0,6 0,7 0,8 Abbildung 4.8: Ionisationsrate (halblogarithmisch aufgetragen) Der Vergleich der beiden Ionisationsraten zeigt, dass die numerisch berechnete Lösung für Feldstärken, die kleiner als E = 0, 04 liegen, in die Landau-Lösung überzugehen scheint. Für größere Feldstärken weicht die Landau-Rate allerdings deutlich von dem numerischen Ergebnis ab. Der Verlauf der numerischen Lösung zeigt, dass die Ionisation schon bei sehr niedrigen Feldstärken einsetzt. Bis zu einer Feldstärke von E = 0, 1 ist die Ionisationsrate sehr stark abhängig von dem angelegten elektrischen Feld. Für größere Feldstärken scheint die Ionisation in eine Sättigung überzugehen bis schließlich bei einem Wert von w(E) = 1 die vollständige Ionisation erreicht ist. Der zugehörigen feldstärkeabhängige Parameter <e(E) ist in Abbildung 4.9 dargestellt. Bei schwachen Feldstärken sieht man die quadratische Abhängigkeit, die vom 59 Stark-Effekt her bereits bekannt ist. Die geringe Reichweite der Störungsrechnung wird in diesem Diagramm besonders deutlich. Re(E) -0,5 num. Ergebnis quadr. Stark-Effekt -0,52 -0,54 -0,56 -0,58 -0,6 -0,62 0 0,2 0,4 0,6 ε 0,8 Abbildung 4.9: Realteil der Energie In Abbildung 4.10 sind schließlich die numerische berechneten Parameter β1 und β2 zu sehen. 4.2.2 Anschluss nach numerischer Integration der Schrödinger-Gleichung In diesem Abschnitt soll der Anschluss der WKB-Lösung an die Potenzreihenlösung mit einer anderen Methode erfolgen. Die Ausgangsgleichungen bei dieser Methode sind auch wieder die Randbedingungen aus (3.51) und (3.52) f10 (ξ) + 60 ( 1 −i 2ξ s E E β1 1 − ξ+ + 2 2 4 ξ 4ξ ) f1 (ξ) = 0, (4.33) 0,8 0,2 0,7 0,1 Re(β1) Re(β2) 0,6 0,5 Im(β1) Im(β2) 0 0,4 -0,1 0,3 0,2 0 0,2 0,4 0,8 0,6 ε -0,2 0 0,2 0,4 ε 0,6 0,8 Abbildung 4.10: Real- und Imaginärteil der Parameter β1 und β2 f20 (η) + ( 1 −i 2η s E E β2 1 + η+ + 2 2 4 η 4η ) f2 (η) = 0. (4.34) Es wird angenommen, dass die Wellenfunktionen bzw. ihre Ableitungen in einem hinreichend großen Abstand von den klassischen Umkehrpunkten der Potentialbarrieren an den Stellen ξ1 und η1 diesen WKB-Bedingungen für eine bestimmte Feldstärke genügen. Die exakten Differentialgleichungen werden mit diesen Anfangsbedingungen und gegebenen Anfangsparametern β1 , β2 und E zum Ursprung hin bis zu den Anschlusspunkten ξ2 und η2 numerisch integriert. Die numerisch berechneten Wellenfunktionen f1,num. (ξ2 ) und f2,num. (η2 ) sowie ihre Ableitun0 0 gen f1,num. (ξ2 ) und f2,num. (η2 ) müssen an den Anschlusspunkten mit den Potenzreihenlösungen übereinstimmen. Nach den Gleichungen (3.202) und (3.203) muss also gelten ! (4.35) ! (4.36) f1 (ξ2 ) = A0 p1 (ξ2 ) + B0 p2 (ξ2 ) = f1,num. (ξ2 ), 0 f10 (ξ2 ) = A0 q1 (ξ2 ) + B0 q2 (ξ2 ) = f1,num. (ξ2 ). Für die Wellenfunktion f2 (η) und ihre Ableitung f20 (η) müssen die entsprechenden Bedingungen erfüllt sein. Dieses Gleichungssystem enthält die Integrationskonstanten A0 und B0 als Unbekannte. Die Lösung dieses Gleichungssystems lautet 0 (ξ2 ) q2 (ξ2 )f1,num. (ξ2 ) − p2 (ξ2 )f1,num. , A0 = q2 (ξ2 )p1 (ξ2 ) − p2 (ξ2 )q1 (ξ2 ) 0 p1 (ξ2 )f1,num. (ξ2 ) − q1 (ξ2 )f1,num. (ξ2 ) B0 = . q2 (ξ2 )p1 (ξ2 ) − p2 (ξ2 )q1 (ξ2 ) (4.37) (4.38) 61 Die Lösungen für die η-Koordinate ergeben sich analog. Die Größen A0 und B0 sind jetzt allerdings aufgrund der Potenzreihen noch von den Parametern β1 , β2 und E abhängig. Im vorigen Abschnitt hatten wir gesehen, dass zu den physikalisch sinnvollen Lösungen nur einer der beiden linear unabhängigen Anteile beiträgt, da die Regularität der Wellenfunktion gewährleistet sein muss. Dies bedeutet auch hier, dass die Größe B0 für die Parameter der auslaufenden Wellenfunktionen verschwinden muss. Mit der entsprechenden Bedingungsgleichung für die η-Koordinate und der Bedingung β1 + β2 = 1 (4.39) erhalten wir erneut drei implizite Gleichungen für die drei gesuchten Parameter β1 , β2 und E, deren Lösungen sich mit einem Nullstellenprogramm lösen lassen. Um dieses Problem zu lösen wurde ein Computerprogramm geschrieben und die Feldstärkeabhängigkeit der gesuchten Parameter im Bereich E = 0, 04 − 1, 0 untersucht. Die numerische Integration der Differentialgleichungen für f1 (ξ) und f2 (η) begann für alle Feldstärken bei den Punkten ξ1 = 30, η1 = 150 und endete bei den Anschlusspunkten ξ2 = η2 = 10. Die Anfangswerte der Wellenfunktionen waren f1 (ξ1 ) = 10−6 , f2 (η1 ) = 1, (4.40) wobei die Integrationskonstanten A0 und B0 an dieser Stelle o. B. d. A. A0 = B0 = 1 (4.41) gewählt wurden. Für die Parameter β1 , β2 wurden zu Beginn der Integration die Grundzustandswerte β1 = β2 = 0, 5 angenommen. Der Energieparameter E wurde zwischen E = −0, 01 und E = −1, 0 mit einer Schrittweite von ∆E = 0, 01 variiert. Für jeden Energiewert begann die Integration der Differentialgleichungen mit der Feldstärke E = 0, 04. Anschließend wurden mit dem Nullstellenprogramm die neuen Parameter β1 , β2 und E berechnet. Diese neuen Parameter wurden nun bei der numerischen Integration für die nächsthöhere Feldstärke verwendet, die mit einer Schrittweite von ∆E = 10−3 erhöht wurde. Mit dieser Methode konnte eine Vielzahl von Lösungen gefunden werden, die eine auslaufende Wellenfunktion beschreiben. In den folgenden Abbildungen ist das Ergebnis dieser Rechnung dargestellt. Die Bilder zeigen ein etwas unerwartetes Ergebnis. Die Grafik 4.11 zeigt den Realteil der Energieeigenwerte in Abhängigkeit der Feldstärke E. Das Niveau des Grundzustandes zeigt für kleine Felder zunächst die quadratische Absenkung, die man vom Stark-Effekt bereits kennt. Allerdings spaltet das Energieniveau schon bei Feldstärken in der Größenordnung der klassischen Ionisationsschwelle in ein Band auf. Offensichtlich gibt es ab dieser Schwelle keine diskreten Niveaus mehr, die man gebundenen Zuständen zuordnen kann. In dem Bild sind außerdem drei weitere Bänder zu sehen, die wahrscheinlich von höheren Energieniveaus stammen. Das 62 nächsthöher liegende Energieband scheint von dem Niveau mit n = 2 zu stammen, das für eine verschwindende Feldstärke bei <e(E) = −0, 125 beginnen müsste. Allerdings wird die klassische Ionisationsschwelle für dieses Niveau schon bei viel kleineren Feldstärken überschritten. Der Übergang des diskreten Niveaus in ein Energieband wird bei diesem Niveau aufgrund des eingeschränkten Feldstärkebereichs leider nicht deutlich. Die beiden anderen Bänder stammen wahrscheinlich von den Niveaus zu n = 3 bzw. n = 4, jedoch kann hier eine eindeutige Zuordnung nicht getroffen werden. Re(E) 0 Ergebnis mit 1. Methode -0,25 -0,5 -0,75 0 0,2 0,4 ε 0,6 0,8 1 Abbildung 4.11: Realteil der Energie Wie oben bereits erwähnt wurde, stellen alle Punkte Zustände dar, aus denen eine Ionisation des Elektrons erfolgen kann. Für ein Elektron im Grundzustand bedeutet das, dass es bis zur Feldstärke von etwa E ≈ 0, 2 aus dem Niveau n = 1 den Atomverband verlassen kann. Oberhalb dieser Feldstärke ist eine Ionisation aus diesem Niveau nicht möglich. Bei etwa der gleichen Feldstärke sieht man einen Bereich von Lösungen, die das Band des ersten Niveaus mit dem des zweiten verbindet.Es sieht so aus, als ob das Elektron auch aus dem ersten Niveau in das zweite übergehen und anschließend von diesem Niveau aus ionisieren kann. Die blaue Kurve zeigt den Verlauf von <e(E), der mit der vorigen Methode ermittelt werden konnte. Diese 63 Lösungen liegen bis zur klassischen Ionisationsschwelle am oberen Rand des zum Grundzustand gehörenden Energiebandes Es gibt jedoch auch Bereiche, in denen es keine Überlappung der beiden Lösungen gibt. Vermutlich gibt es in dem dargestellten Bereich noch viel mehr Lösungen, die mit den verwendeten Programmen nicht gefunden werden konnten. w(ε) 1 0,8 0,6 0,4 0,2 Ergebnis mit 1. Methode 0 0 0,2 0,4 ε 0,6 0,8 1 Abbildung 4.12: Ionisationsrate w(ε) 0 10 -4 10 -8 10 -12 10 Ergebnis mit 1. Methode -16 10 0 0,2 0,4 ε 0,6 0,8 Abbildung 4.13: Ionisationsrate (halblogarithmisch) 64 1 Die Abbildungen 4.12 und 4.13 zeigen die gefundenen Ionisationsraten in Abhängigkeit der Feldstärke E. Auch hier sind erneut die Energiebänder deutlich zu erkennen. Die Raten des Niveaus n = 1 sind verständlicherweise die niedrigsten, da für dieses Niveau die Tunnelwahrscheinlichkeit am geringsten ist. In der logarithmischen Darstellung sieht man, dass der Verlauf der Bänder qualitativ mit den Ionisationsraten, die mit Hilfe des einfachen Potentialtopfmodells ermittelt wurden, übereinstimmt. Die Bifurkation zwischen den Bändern der ersten beiden Niveaus ist in dieser Grafik ebenfalls zu sehen. Die Lösungen, die mit Hilfe der ersten Methode gefunden wurden, liegen auch hier bis zur Ionisationsschwelle am oberen Rand des ersten Energiebandes. Das folgende Bild zeigt noch einmal den Vergleich zwischen den numerisch ermittelten Ergebnissen mit den quasiklassischen Ionisationsraten nach Landau. w(ε) 0 10 -4 10 -8 10 -12 10 Landau-Rate Ergebnis mit 1. Methode -16 10 0 0,05 0,1 ε 0,15 0,2 Abbildung 4.14: Ionisationsraten im Vergleich Der Vergleich zeigt, dass die gefundenen Ionisationsraten im Bereich bis zur klassischen Ionisationsschwelle kleiner sind als die Landau-Raten. Wie das Ergebnis der ersten Methode bereits verdeutlichte, scheint die quasiklassische Lösung eine gute Näherung bis zu einer Feldstärke E ≈ 0, 04 . . . 0, 05 zu sein. Zwischen E = 0, 05 und der klassischen Ionisationsschwelle bei E ≈ 0, 15 scheint die quasiklassische Näherungslösung zu versagen. Die folgenden Abbildungen 65 zeigen die zu den Energieeigenwerten entsprechenden Parameter β1 und β2 . Re(β1) 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0 Re(β2) 0,2 0,4 ε 0,6 0,8 1 0,8 1 Abbildung 4.15: <e(β1 ), <e(β2 ) 0,2 0,1 Im(β1) 0 Im(β2) -0,1 -0,2 0 0,2 0,4 ε 0,6 Abbildung 4.16: =m(β1 ), =m(β2 ) Wie bei den vorigen Bildern ist auch bei diesen Parametern die Bänderstruktur der Lösungen zu erkennen. Auffällig dabei ist, dass die Struktur bei den Realteilen an den Realteil der Energie erinnert, während die Struktur bei den Imaginärteilen eher der der Ionisationsraten ähnelt. 66 Kapitel 5 Zusammenfassung Im ersten Abschnitt dieser Arbeit wurde das Ionisationsverhalten eines Teilchens im Potentialkasten untersucht. Es wurde gezeigt, dass die Ionisationsrate durch den Imaginärteil eines komplexen Energieeigenwertes beschrieben werden kann. Es stellte sich heraus, dass die Ionisationsraten mit abnehmender Barrieredicke bis zu einer Sättigung ansteigen. Im zweiten Teil wurde die WKB-Lösung der Schrödinger-Gleichung eines Wasserstoffatoms in einem elektrischen Feld ermittelt. Außerdem wurde die exakte Lösung der SchrödingerGleichung in parabolischen Koordinaten mit Hilfe eines Potenzreihenansatzes hergeleitet. Der letzte Teil der Arbeit befasste sich mit dem Randwertproblem der Tunnelionisation. Dabei wurde zunächst die quasiklassische Näherungslösung nach Landau beschrieben. Die Lösung des Randwertproblems erfolgte mit zwei verschiedenen Methoden. Bei der ersten Methode wurde die WKB-Lösung an die Potenzreihenlösung mit Hilfe eines Nullstellenverfahrens angeschlossen. Dabei wurde aus Regularitätsgründen der logarithmische Anteil der allgemeinen Potenzreihenlösung weggelassen. Es konnten Lösungen für auslaufende Wellenfunktionen im Feldstärkebereich zwischen E = 0, 04 und E = 0, 26 gefunden werden. Um das Ionisationsverhalten für noch größere Feldstärken diskutieren zu können, wurden mit Hilfe von Eichkurven die Anschlusspunkte fixiert, wodurch Ionisationsraten bis zu einer Feldstärke von E = 0, 8 ermittelt werden konnten. Die numerisch berechneten Ionisationsraten zeigten im Bereich starker Laserfelder eine Absenkung gegenüber der quasiklassischen Lösung. Bei der zweiten Methode wurde die Schrödinger-Gleichung mit den WKB-Bedingungen als Anfangswerten numerisch integriert und dann an die Potenzreihenlösung angeschlossen. Der Feldstärkebereich, in dem Lösungen des Randwertproblems gefunden wurden, lag hier zwischen E = 0, 04 und E = 1, 0. Das etwas unerwartete Ergebnis zeigte den Übergang von diskreten Energieniveaus gebundener Zustände in eine Bänderstruktur. An den Energieeigenwerten konnte ersehen werden, dass eine Ionisation aus dem Grundzustand des Wasserstoffatoms nur bis zu einer Feldstärke von etwa E = 0, 2 erfolgen kann. Die mit dieser Methode ermittelten Ionisationsraten zeigten ebenfalls eine Absenkung gegenüber der quasiklassischen Näherung im Bereich starker Felder. Des weiteren konnte 67 der qualitative Verlauf der Ionisationsraten, der mit Hilfe des einfachen Potentialtopfmodells vorhergesagt wurde, bestätigt werden. Für künftige Arbeiten wäre es interessant, die Ionisationsraten im schwachen Feldstärkebereich bis E = 0, 04 zu ermitteln und mit der quasiklassischen Näherung zu vergleichen. Gleichzeitig könnten die Ionisationsraten im schwachen Feldstärkebereich eventuell weitere Aufschlüsse über die Bänderstruktur für höhere Energieniveaus geben. 68 Anhang A Gaußsches Maßsystem Die definierende Gleichung für das Gaußsche Maßsystem (auch cgs-System genannt) ist die Kraftgleichung (vgl. [23]) ! ∗ F = Q (E + r˙ × B) = Q | {z } | SI-System 1 ∗ E + r˙ × B . c {z } ∗ (A.1) Gaußsches System Sie beschreibt die Kraft eines elektromagnetischen Feldes auf ein Teilchen mit der Ladung Q. Die physikalischen Größen mit dem Stern symbolisieren die entsprechenden Größen im Gaußschen Maßsystem. c ist die Vakuumlichtgeschwindigkeit mit c= √ 1 , ε o µ0 (A.2) wobei ε0 die Dielektrizitätskonstante und µ0 die Permeabilitätskonstante ist. Die Kraft F muss in beiden Einheitensystemen die gleiche sein. Damit obige Gleichung erfüllt ist, macht man den Ansatz ! Q∗ = κQ. (A.3) κ stellt den einheitenbehafteten Umrechnungsfaktor vom SI-System in das cgs-System dar. Aufgrund der Konsistenz der Gleichung (A.1) muss ferner gelten E∗ = 1 E, κ B∗ = Für die homogenen Maxwell-Gleichungen folgt daraus 69 c B. κ (A.4) ∇ · B ∗ = 0, 1 ∇ × E ∗ + Ḃ = 0, c ∇ · B = 0, (A.5) ∇ × E + Ḃ = 0. (A.6) Für die Ladungsdichte % und die Stromdichte j gelten analog zur Ladung j ∗ = κj . %∗ = κ%, (A.7) Bei den inhomogenen Maxwell-Gleichungen wird in der Gleichung für das D-Feld noch ein Faktor 4π hinzugefügt ∇ · D ∗ = 4π%∗ , ∇ · D = %. (A.8) Mit der Kontinuitätsgleichung erhält man daraus die Wirbelgleichung 1 ∇ × H ∗ − Ḋ c Hier wurde noch der Faktor erhaltenen Beziehungen 1 c ∗ = 4π ∗ j , c ∇ × H − Ḋ = j . (A.9) eingefügt, dessen Motivation später ersichtlich wird. Mit den so D ∗ = 4πκD, κ H ∗ = 4π H c (A.10) und den Relationen D = ε0 E , 1 B µ0 (A.11) H ∗ = 4πε0 κ2 B ∗ . (A.12) H = bekommt man D ∗ = 4πε0 κ2 E ∗ , Mit der Definition κ≡ √ 1 4πε0 (A.13) folgen aus den Gleichungen in (A.12) die einfachen Beziehungen D ∗ = E ∗, 70 H ∗ = B ∗. (A.14) Für die Lösungen der homogenen Maxwell-Gleichungen gilt damit B ∗ = ∇ × A∗ , B =∇×A (A.15) bzw. 1 ∗ E ∗ = − Ȧ − ∇φ∗ , c E = −Ȧ − ∇φ, (A.16) wobei A das Vektorpotential und φ das skalare Potential sind. Aus diesen Gleichungen folgt A∗ = c A, κ 1 φ. κ (A.17) Q . 4πε0 r (A.18) φ∗ = Damit lautet das Potential einer Punktladung φ∗ = Q∗ , r φ= Der Wegfall der Proportionalitätskonstanten in dieser Gleichung und in den Gleichungen (A.12) stellen die Motivation für den Übergang in das Gaußsche Maßsystem dar. A.1 Einheiten im Gaußschen Maßsystem Die Einheiten für die wichtigsten physikalischen Größen lauten im cgs-System: Kraft: g cm kg m = 10−5 2 = 10−5 N. 2 s s (A.19) [E ∗ ] = 1erg = 1dyn cm = 10−7 N m = 10−7 J. (A.20) [F ∗ ] = 1dyn = 1 Energie: Ladung: √ p g [Q ] = 1esu = 1 dyn cm = 1 √ ∗ s cm 3 . (A.21) 71 72 Anhang B Atomare Einheiten Die Verwendung von atomaren Einheiten ist in vielen Gebieten der Physik zweckmäßig. Man erspart sich viele Zwischenrechnungen mit Naturkonstanten. Anstatt diese bei allen Rechnungen mitzuführen kann man am Ende der Rechnungen durch eine Umrechnung wieder in das alte Einheitensystem zurückgehen. Die wichtigen physikalischen Naturkonstanten für die Umrechnung in atomare Einheiten sind: ~ = 1, 05457266 · 10−34 Js = 1, 05457266 · 10−27 ergs, me = 9, 1093897 · 10−31 kg = 9, 1093897 · 10−28 g, e = 1, 60217733 · 10−19 C = 4, 803206799 · 10−10 esu. (B.1) (B.2) (B.3) Aus diesen drei Konstanten lassen sich typische atomare Skalen berechnen. atomare Längenskala: atomare Zeitskala: atomare Energieskala: atomare Skala des elektrischen Feldes: ~2 = 5, 291772483 · 10−9 cm, me e2 ~3 ta ≡ = 2, 41888433 · 10−17 s, me e4 me e4 Ea ≡ 2 = 4, 359748199 · 10−11 erg, ~ √ m2e e5 7 dyn Ea ≡ = 1, 715256043 · 10 . ~4 cm la ≡ Diese Größen entsprechen im SI-System 73 (B.4) (B.5) (B.6) (B.7) la = 5, 291772483 · 10−11 m, ta = 2, 41888433 · 10−17 s, Ea = 4, 359748199 · 10−18 J = 27, 21139613eV, V Ea = 5, 142208251 · 1011 . m (B.8) (B.9) (B.10) (B.11) Beim Übergang ins atomare Einheitensystem wird ~ = me = e = 1 (B.12) gesetzt. Dadurch werden alle atomaren Skalen auf 1 normiert. So erspart man sich bei den Rechnungen die Mitnahme der Einheiten. Lediglich beim Endergebnis wird der Zahlenwert mit der entsprechenden atomaren Größe multipliziert. 74 Literaturverzeichnis [1] L. V. Keldysh: Ionization in the field of a strong electromagnetic wave, Sov. Phys. JETP 20, 1307 (1965) [2] J. R. Oppenheimer: Three notes on the quantum theory of aperiodic effects, Phys. Rev. 13, 66 (1928) [3] C. Lanczos: Zur Theorie des Starkeffekts in hohen Feldern, Z. Physik 62, 518 (1930) [4] C. Lanczos: Zur Intensitätsschwächung der Spektrallinien in hohen elektrischen Feldern, Z. Physik 68, 204 (1931) [5] L. D. Landau und E. M. Lifschitz: Lehrbuch der theoretischen Physik, Bd.III Quantenmechanik, Akademie-Verlag, Berlin (1979) [6] B. M. Smirnov and M. I. Chibisov: The breaking up of atomic particles by an electric field and by electron collisions, Sov. Phys. JETP 22, 585 (1966) [7] A. M. Perelomov, V. S. Popov, and M. V. 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