PD Dr. Andreas Funke, Vorlesung Allgemeine Staatslehre, SS 2011 § 3 / C. John Rawls: Wohlfahrt Lesen: John Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit (aus: von der Pfordten, Rechtsphilosophie, a. a. O., S. 159-172) Vorrede: Warum Rawls und dessen „Theorie der Gerechtigkeit“ in der „Allgemeinen Staatslehre“? I. Allgemeines zu Rawls 1. Leben geb. 1921, gest. 2002 Studium der Philosophie 1950 Promotion 1959 bis 1962 Professor für Philosophie am Massachusetts Institute of Technology 1962 bis 1991 Professor für Philosophie an der Harvard University 2. Primärliteratur A Theory of Justice, 1971 (dt.: Eine Theorie der Gerechtigkeit, 1975) Political Liberalism, 1993 The Law of Peoples, 1999 (dt.: Das Recht der Völker, 2002) Justice as Fairness. A Restatement, 2001 (dt.: Gerechtigkeit als Fairneß. Ein Neuentwurf, 2003) 3. Sekundärliteratur Wolfgang Kersting, Rawls zur Einführung, 3. Aufl. 2008; Ottfried Höffe (Hrsg.), John Rawls: Eine Theorie der Gerechtigkeit [Reihe Klassiker auslegen], 2006; Peter Koller, Neue Theorien des Sozialkontrakts, 1987, Abschn. I; Florian Schwill, John Rawls Theorie der Gerechtigkeit, JA 2002, 433; Max-Emanuel Geis, Das revidierte Konzept der „Gerechtigkeit als Fairneß“ bei John Rawls – materielle oder prozedurale Gerechtigkeitstheorie?, JZ 1995, 324 II. Zum Text (1) Der Urzustand (Abschn. 3 u. 4) (2) Die beiden Grundsätze der Gerechtigkeit (Abschn. 11) Wie ist der zweite Grundsatz zu verstehen? Das Differenzprinzip: „Geht man von den Institutionen aus, wie sie von der gleichen Freiheit für alle und der fairen Chancengleichheit gefordert werden, so sind die besseren Aussichten der Begünstigten genau dann gerecht, wenn sie zur Verbesserung der Aussichten der am wenigsten begünstigten Mitglieder der Gesellschaft beitragen. Der intuitive Gedanke ist der, daß die Gesellschaftsordnung nur dann günstigere Aussichten für Bevorzugte einrichten und sichern darf, wenn das den weniger Begünstigten zum Vorteil gereicht.“ (S. 96) „Das Unterschiedsprinzip bedeutet faktisch, daß man die Verteilung der natürlichen Gaben in gewisser Hinsicht als Gemeinschaftssache betrachtet und in jedem Falle die größeren sozialen und wirtschaftlichen Vorteile aufteilt, die durch die Komplementaritäten dieser Verteilung ermöglicht werden. Wer von der Natur begünstigt ist, sei es, wer es wolle, der darf sich der Früchte nur so weit erfreuen, wie das auch die Lage der Benachteiligten verbessert. Die von der Natur Bevorzugten dürfen keine Vorteile haben, bloß weil sie begabter sind, sondern nur zur Deckung der Kosten ihrer Ausbildung und zu solcher Verwendung ihrer Gaben, daß auch den weniger Begünstigten geholfen wird. Niemand hat seine besseren natürlichen Fähigkei- ten oder einen besseren Startplatz in der Gesellschaft verdient. Doch das ist natürlich kein Grund, diese Unterschiede zu übersehen oder gar zu beseitigen. Vielmehr läßt sich die Grundstruktur so gestalten, daß diese Unterschiede auch den am wenigsten Begünstigten zugute kommen. Man wird also auf das Unterschiedsprinzip geführt, wenn man das Gesellschaftssystem so gestalten möchte, daß niemand von seinem zufälligen Platz in der Verteilung der natürlichen Gaben oder seiner Ausgangsposition in der Gesellschaft Vor- oder Nachteile hat, ohne einen Ausgleich zu geben oder zu empfangen.“ (S. 123) deshalb angepaßte Formulierung des zweiten Grundsatzes: „Soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten sind so zu regeln, daß sie sowohl (a) den am wenigsten Begünstigten die bestmöglichen Aussichten bringen als auch (b) mit Ämtern und Positionen verbunden sind, die allen gemäß der fairen Chancengleichheit offen stehen.“ (S. 104) III. Ausblick: Institutionen – Die Bedeutung der Gerechtigkeitstheorie für die Verfassung Angepaßte Formulierung des ersten Grundsatzes sowie der Vorrangregel (S. 282 f.): „Jedermann hat das gleiche Recht auf das umfangreichste Gesamtsystem von gleichen Grundfreiheiten, das für alle möglich ist.“ „Die Gerechtigkeitsgrundsätze stehen in lexikalischer Ordnung; daher kann die Freiheit nur um der Freiheit willen beschränkt werden, und zwar in zwei Fällen: (a) eine weniger umfangreiche Freiheit muß das Gesamtsystem der Freiheit stärken, an dem alle teilhaben; (b) ungleiche Freiheit muß für die Bürger mit weniger Freiheit annehmbar sein.“ IV. Fazit