Theodor Kocher – ein Seeländer Nobelpreisträger Thomas Kleinmann Nächstes Jahr wird sich zum 80. Mal der Todestag von Theodor Kocher jähren. Er war der erste Chirurg und Schweizer Arzt, der 1909 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet wurde, und zwar für seine Forschungen und Erkenntnisse über Physiologie, Pathologie und Chirurgie der Schilddrüse. Beim einfachen Volk war der gebürtige, in Büren an der Aare heimatberechtigte Berner, bekannt als der Kropfchirurg. Professor Kocher schuf im Laufe seines Wirkens die grosse Berner Chirurgenschule, die weltweit Bekanntheit erlangte. Seine Ausbildungszeit führte ihn nach Berlin, London und Paris, und schon im Alter von 31 Jahren wurde Theodor Kocher 1872 zum ordentlichen Professor an die Universität Bern gewählt, der er sein Leben lang treu blieb. 1880 beispielsweise lehnte er einen Ruf an die Universität von Prag ab. Zwei Jahre zuvor war Professor Kocher nach Deutschland gereist, um moderne Spitäler zu studieren. Als Rektor der Universität Bern setzte er sich in der Folge für den Neubau des Inselspitals ein, das 1884 an seinem heutigen Standort auf der Kreuzmatte eröffnet wurde. In seiner 45-jährigen Tätigkeit Bern war Kocher als Professor und Klinikleiter massgeblich dafür verantwortlich, dass aus der grossen Berner Chirurgenschule viele Generationen von Ärzten und eine Reihe führender Chirurgen des In- und Auslandes hervorgingen. Einen besonderen Namen in der breiten Öffentlichkeit schuf sich Kocher wegen seiner Verdienste um die Kropfforschung. Der Kropf und der damit verbundene Kretinismus waren im 19. Jahrhundert im Bernbiet und in anderen Teilen des Alpenraums sehr verbreitet. Kocher selber führte über 3000 Kropfoperationen durch. Kocher hatte festgestellt, dass für die negativen Folgen die damals praktizierte vollständige Entfernung der Schilddrüse bei operierten Theodor Kocher (Bild: Pressestelle der Universität Bern) Kropfpatienten verantwortlich war. Er 119 verfeinerte die Technik der Kropfchirurgie mittels eines nahezu unblutigen Eingriffs, wobei ein Rest der Schilddrüse belassen wurde. Professor Kochers Leistungen und Verdienste auf dem Gebiet der Kropfforschung trugen ihm 1909 als erstem Chirurgen überhaupt den Nobelpreis für Medizin ein. In späteren Jahren fiel die gleiche Ehre noch fünfmal an Schweizer Mediziner, zuletzt 1979 an Werner Arber. Noch zu Lebzeiten taufte die Stadt Bern die ehemalige Inselgasse in Bern in Theodor-Kocher-Gasse um. Auch in der Stadt Biel erinnert die Theodor-Kocher-Strasse übrigens an den berühmten Chirurgen. In seinem Heimatort Büren an der Aare hingegen – wo für Bundesrat Jakob Stämpfli und den Alpengeologen Bernhard Studer Gedenktafeln anzutreffen sind – trifft man heute noch auf keinen Hinweis auf den weltweit wohl berühmtesten Mann des Aarestädtchens. Professor Kocher starb am 27. Juli 1917, vier Tage nach einer ausserordentlich anstrengenden Operation. In der Stadt Bern weisen neben der Theodor-Kocher-Gasse das Kocherhaus, die Kochervilla, das Kocherspital, der Kocherpark und das Theodor-Kocher-Institut an der Medizinischen Fakultät der Universität Bern auf den grossen Gelehrten und Nobelpreisträger hin. Hauptgrund für die gebietsweise starke Verbreitung des Kropfes war im 19. Jahrhundert der unterschiedliche Jodgehalt im Salz und im Wasser. Begleitet wurde die Krankheit von geistigem Rückstand, Kleinwuchs und Kretinismus. Eine wichtige Rolle spielt bei der Kropferkrankung die Funktion der Schilddrüse. Aufgrund von Kochers Erkenntnissen gibt man dem Kochsalz Jod bei, so dass die Kropferkrankung praktisch verhindert werden kann. Der Jodmangel-Kropf entsteht, wenn die Schilddrüse aus dem Blut zuwenig Jod aufnehmen kann. Sie wird dann von der Hirnanhangdrüse zum Wachstum stimuliert. Auch aus anderen Gründen kann sich die Schilddrüse, die sich vorne am Hals, unterhalb des Kehlkopfes befindet, vergrössern. Kropfleiden waren früher auf fast unerklärliche Weise verbreitet. So wurden in den Jahren 1875 bis 1880 beispielsweise rund 30 Prozent der Rekruten aus dem Kanton Freiburg wegen eines Kropfleidens als dienstuntauglich erklärt. In den benachbarten Waadtländer Gemeinden hingegen belief sich der Anteil von Kropfkranken auf nur drei bis sechs Prozent. Des Rätsels Lösung lag darin begründet, dass Freiburg sein Salz aus den praktisch jodfreien Minen von Rheinfelden, die Waadt hingegen aus der sehr jodhaltigen Saline von Bex bezog. Letztlich waren es also die früheren Salzmonopole, welche die Bevölkerung unter Umständen zu Kropfkranken werden liess. Sprüche Madame de Staël war keine Schönheit; sie besass aber hübsche Arme, die sie gerne entblösste. Sie erklärte: «Man muss sein Gesicht dort zeigen, wo man es hat.» 120