12 Wasser (Wasserstoffoxid), H2O In einem gewissen Abstand von

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12 Wasser (Wasserstoffoxid), H2O
In einem gewissen Abstand von der Sonne erstreckt sich eine Zone, in der Temperaturen herrschen,
bei denen Wasser flüssig bleibt. In diesem Gürtel kreist auch die Erde um die Sonne. Ihr
Oberflächenwasser ist überwiegend flüssig, und sie bietet gute Lebensbedingungen. Auf der Venus
oder auf dem Mars kann Wasser nicht in flüssiger Form vorkommen. Auf der Venus ist es wegen der
Nähe zur Sonne zu heiß, auf dem Mars zu kalt, weil der Planet weiter von der Sonne entfernt ist und
nicht genug Masse hat, um eine isolierende Atmosphäre zusammenzuhalten.
Vorkommen:
Die Oberfläche des Planeten Erde wird von Wasser beherrscht. Wasser ist die wichtigste chemische
Verbindung. Wasser ist der wichtigste Bestandteil aller Pflanzen sowie aller Tiere und
Mikroorganismen. Der menschliche Körper besteht zu etwa ²/3 aus H2O, manche Gemüse und Früchte
zu 9/10 und mehr. Alle Lebensprozesse spielen sich in wässerigem Milieu ab (man könnte auch sagen:
sind auf Wasser eingespielt). Die Wasservorräte der Erde sind seit Milliarden von Jahren in ihrer
Gesamtmenge unverändert. Sie liegen bei rund 1,38  1018 m3. In Volumenanteilen gemessen, entfallen
97,4 % davon auf salziges Meerwasser – gut zwei Drittel der Erdoberfläche (71 %) werden von
Ozeanen und Randmeeren bedeckt – und 2,6% auf Süßwasser. Demgegenüber ist der gesamte
Wasservorrat der Atmosphäre mit einem Volumenanteil von 0,001 % verschwindend gering. Dies
entspricht einer Wasserschicht von nur 25 mm auf der Erdoberfläche.
Physikalische Eigenschaften:
In reinstem Zustand ist Wasser eine klare, geruch- und geschmacklose, farblose – in dicker Schicht
jedoch ebenso wie Eis bläulich schimmernde – Flüssigkeit.
Schmp. 0° C = 273,15 K
Sdp. 100° C = 373,15 K
101
Durch den Schmelzpunkt und Siedepunkt des Wassers bei 101,3 kPa ist die Celsius-Temperatur-Skala
festgelegt.
Wasser kommt in Abhängigkeit von den Zustandsgrößen Druck und Temperatur als festes Eis,
flüssiges Wasser und als Wasserdampf vor. Der Zusammenhang zwischen Aggregatzustand, Druck
und Temperatur lässt sich anschaulich im Zustandsdiagramm des Wassers darstellen.
Zustandsdiagramm des Wassers
Dem Zustandsdiagramm des Wassers kann man folgende Informationen entnehmen:
-
Jenseits der Kurven (Dampfdruckkurve, Sublimationskurve und Schmelzkurve) kann Wasser
in recht variablen T- und p-Bereichen in nur jeweils einem Aggregatzustand existieren.
Auf den Kurven sind zwei Phasen koexistent; p und T sind aber festgelegt.
Im Schnittpunkt der drei Kurven, dem „Tripelpunkt“ (6,10 mbar und 0,01° C) sind alle drei
Phasen nebeneinander beständig.
Siede- und Schmelzpunkt bei Normaldruck ergeben sich als Temperatur im Schnittpunkt der
1,013 bar Geraden mit der Schmelzpunkts- bzw. Dampfdruckkurve.
Bei sehr hohen Dampfdrücken erreicht der Wasserdampf die gleiche Dichte wie das flüssige Wasser.
Der Unterschied zwischen der Gasphase und der flüssigen Phase verschwindet, es existiert nur noch
eine einheitliche Phase. Der Punkt, bei dem die einheitliche Phase entsteht und an dem die
Dampfdruckkurve endet, heißt kritischer Punkt. Der zum kritischen Punkt gehörige Druck heißt
kritischer Druck pK,, die zugehörige Temperatur kritische Temperatur TK. Oberhalb der kritischen
Temperatur kann daher Wasserdampf auch bei beliebig hohen Drücken nicht verflüssigt werden. Im
Unterschied zu fast allen Flüssigkeiten sinkt der Schmelzpunkt des Wassers unter Druck und beträgt
z. B. bei 2000 bar –22° C. Das ist eine Folge der Tatsache, dass sich die flüssige Phase beim Gefrieren
ausdehnt (s. u.). Eis kann daher durch Druck verflüssigt werden. Dieses Verhalten erleichtert das
Schlittschuhlaufen ganz ungemein.
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Struktur:
Die in mancher Hinsicht anomalen Eigenschaften des Wassers lassen sich auf die Struktur des
H2O-Moleküls zurückführen, in dem die beiden H-Atome unter einem Winkel von 104,5° angeordnet
sind. Die unterschiedlichen Elektronegativitäten von O (3,5) und H (2,2) führen zu einer Polarisierung
der O─H-Bindungen (= Polare Atombindungen), angedeutet durch negative und positive Teilladungen
(= Partiallandungen) - und +. Da die entgegengesetzten elektrischen Pole in ihrer räumlichen Lage

nicht zusammenfallen, bildet das Wassermolekül einen Dipol (   1,85 Debye ).
Struktur (a) und Molekülorbitale (b) von H2O
H
-  O
+
H
1 0 4 ,5 °
H
96
pm
H
+
1 5 1 ,3 p m
a
b
Die Winkelung im H2O-Molekül kann man aufgrund folgender Überlegung verstehen: Die
Elektronenkonfiguration in der Valenzschale des Sauerstoffatoms ist s2 px2 py1 pz1 . Diese vier Orbitale
hybridisieren (= kreuzen) zu vier äquivalenten sp3-Hybridorbitalen. Diese vier Hybridorbitale, von
denen zwei mit einem Elektronenpaar und zwei mit Einzelelektronen besetzt sind, sind in die vier
Ecken eines Tetraeders gerichtet. Die beiden einzelnen besetzten Hybridorbitale überlappen nun mit
den ebenfalls einzeln besetzten s-Orbitalen zweier Wasserstoffatome.
Die geringe Abweichung des Bindungswinkel von Tetraederwinkel (109° 28’) ist bedingt durch die
abstoßenden Kräfte zwischen den beiden freien Elektronenpaaren (Valenzelektronenpaarabstoßungsmodell: freie Elektronenpaare benötigen mehr Platz als bindende Elektronenpaare!)
Der stark polare Charakter des Wassers erklärt die Eignung des Wassers als Lösungsmittel für polare
Stoffe, die elektrolytische Dissoziation von Salzen, Basen und Säuren; die Neigung zur
Komplexbildung, die Hydratation und die Fähigkeit zur Ausbildung von WasserstoffBrückenbindungen und damit auch die Strukturen von flüssigem und festem Wasser.
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Wasserstoffbrückenbindung (Wasserstoffbindung):
Bei einer Reihe kovalenter Wasserstoffbindungen elektronegativer Elemente erfolgt eine Bindung
zwischen den Molekülen durch Wasserstoffbrücken. Dieser spezielle Bindungstyp wird
Wasserstoffbindung (Wasserstoffbrückenbindung) genannt:


X


H


X

H
Zwischen dem positiv geladenen H-Atom des Moleküls HX und dem freien Elektronenpaar eines
X-Atoms eines Nachbarmoleküls kommt es zu einer elektrostatischen Anziehung. Die Anziehung ist
um so größer, je größer die Elektronegativität des X-Atoms und je kleiner das X-Atom ist. Dadurch
wird die X─H-Bindung polarer. Geeignet für starke Wasserstoffbindungen sind die Atome F, O und
N. Cl, S, P und C sind nur zu schwachen Wasserstoffbindungen befähigt.
Die Wasserstoffbrücken X─H......X sind meistens linear angeordnet, da dann die Anziehung H.....X am
größten, die Abstoßung zwischen den X-Atomen am kleinsten ist.
Die Bindungsenergien der Wasserstoffbindungen liegen im Bereich bis 40 kJ/mol. Hinsichtlich der
Bindungsenergie liegt die Wasserstoffbindung zwischen der von der Waals-Bindung und der
Ionenbindung. Wasserstoffbrücken beeinflussen die physikalischen Eigenschaften. Sie erhöhen z. B.
Schmelztemperatur,
Siedetemperatur,
Verdampfungsenthalpie,
Dipolmoment,
elektrische
Feldkonstante und Viskosität.
Die Wasserstoffbrücken führen zu typischen Ketten-, Schicht- und Raumnetzstrukturen (vergl.
Schichtstruktur der Borsäure H3BO3, Kapitel 24; Zickzackketten im kristallinen HF, Kapitel 20).
Eine Reihe von Eigenschaften heben das Wasser aus der Gruppe der Wasserstoff-Verbindungen der
dem Sauerstoff benachbarten Elemente heraus: Während alle einkernigen Wasserstoff-Verbindungen
der Nichtmetalle Gase sind, ist Wasser als einzige flüssig (hypotheticher Schmp. –100° C,
hypothetischer Sdp. -80° C); Während viele dieser „Hydride“ toxisch sind, ist Wasser völlig
ungefährlich und bildet sogar den Hauptbestandteil der Körperflüssigkeit aller Organismen
Siedepunkte von H-Verbindungen der HGE
Siedepunkt (in K bei 1 bar)
400
300
200
100
2
3
4
5
Periode
Die zusätzlichen Bindungskräfte durch WB in HF, H2O und NH3
können erst bei anomal hohem Siedepunkt überwunden werden.
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Wasserstoffbrückenbindungen im Eis:
Mikrophotographien natürlicher
Schneekristalle
Wassermoleküle haben eine große Affinität zueinander. Eine positiv geladene Region eines
H2O-Moleküls ist bestrebt, sich zu einem negativ geladenen Bereich eines Nachbarmoleküls hin zu
orientieren. Eis besitzt eine hochgeordnete kristalline Struktur mit einem Maximum an
Wasserstoffbrücken. Flüssiges Wasser hat eine teilweise geordnete Struktur, in der sich ständig
Gruppen von Molekülen über Wasserstoffbrücken zusammenschließen und wieder auflösen. Im
Schnitt ist in flüssigem Wasser jedes Molekül mit 3 bis 4 Nachbarn über Wasserstoffbrücken
verbunden, im Eis sind es 4.
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Eisstruktur mit Wasserstoffbrücken
Die Tetraederstruktur erzeugt Hohlräume.
Im Eis ist jedes O-Atom tetraedrisch von vier H-Atomen umgeben. Zwei dieser H-Atome sind an ein
O-Atom kovalent, zwei durch Wasserstoffbrückenbindung gebunden. Auf diese Weise wird eine
Raumnetzstruktur, die von Hohlräumen durchsetzt ist (relativ „offene Struktur“) gebildet. Der
Übergang des Wassers vom flüssigen in den festen Zustand ist also mit einer Volumenvergrößerung
verbunden.
Dichteanomalie des Wassers:
Während sich fast alle Flüssigkeiten beim Gefrieren zusammenziehen und sich dadurch ihre Dichte
erhöht, dehnt sich Wasser beim Erstarren aus.
Dichte des Wassers zwischen 0 und 20° C:
Temperatur [° C]
Dichte [g/ml]
_______________________________________
0 (Eis)
0 (Wasser)
4
10
20
0,9168
0,99984
1,000000
0,99970
0,99821
Das Dichtemaximum (Volumenminimum) des Wassers liegt bei 4° C. Diese Eigenschaft bewirkt nicht
nur, dass es Eisberge gibt (von denen aufgrund der Dichtedifferenz zwischen Eis und Meerwasser nur
12 % sichtbar sind) und dass – zusammen mit der geringen Wärmeleitfähigkeit des Eises – Gewässer
von der Oberfläche her, nicht aber bis zum Grund gefrieren (Überlebenschance für Organismen),
sondern auch, dass gefrierende Wasserleitungen etc. platzen und Gesteine mit Wassereinschüssen
gesprengt werden können.
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Van – der – Waals Kräfte:
Wassermoleküle bilden im flüssigem Wasser untereinander Wasserstoffbrückenbindungen aus, die
eine geringe Lebensdauer haben (Bruchteile einer Sekunde). Sie werden dauernd gelöst und neu
geknüpft. Für die Aggregation der H2O-Moleküle im flüssigen Wasser sind außerdem
Dipol-Dipol Kräfte verantwortlich.
Anziehungen zwischen Dipolen werden als Van-der-Waals Kräfte bezeichnet. Es sind
zwischenmolekulare Kräfte (Nebenvalenzbindungen, vergl. S. 65) Sie sind elektrostatischer Natur
(vergl. Abb. S. 75 unten). Die Reichweite ist sehr gering – sie ist praktisch auf die nächsten Nachbarn
beschränkt, denn da die Wechselwirkungsenergie proportional r-6 ist, nimmt sie mit wachsendem
Abstand viel schneller ab als die Ionen-Ionen Wechselwirkung (Wechselwirkungsenergie proportional
r-2). Man unterscheidet drei Komponenten der van-der-Waals Kräfte.
Wechselwirkung permanenter Dipol-permanenter Dipol (Richteffekt):
Bei der Anziehung von Dipolen mit einem permanenten Dipolmoment kommt es zu einer Ausrichtung
der Dipole (S. 75 unten), die dadurch in einem energieärmeren Zustand übergehen.
Wechselwirkung permanenter Dipol-induzierter Dipol (Induktionseffekt):
Ein permanenter Dipol induziert in einem benachbarten Teilchen ein Dipolmoment, es kommt zu einer
Anziehung. Besitzt das benachbarte Teilchen ein permanentes Dipolmoment, so überlagern sich
Induktionseffekt und Richteffekt.
Wechselwirkung fluktuierender Dipol-induzierter Dipol (Dispersionswechselwirkung, auch LondonKräfte).
In allen Atomen und Molekülen entstehen durch Schwankungen in der Ladungsdichte der Elektronen
flukturierende Dipole. Im Nachbaratom werden durch diese „momentan“ vorhandenen Dipole
gleichgerichtete Dipole induziert, so dass eine Anziehung entsteht. Diese Anziehungskräfte werden
mit zunehmender Größe der Atome bzw. Moleküle stärker, da in diesen die Elektronen leichter
verschiebbar sind und sich damit leichter Dipole induzieren lassen (vergl. Kapitel 20 Halogene). Der
Dispersionseffekt ist zwischen allen Atomen, Ionen und Molekülen wirksam. Die
Dispersionswechselwirkung ist die einzige anziehende Art von Wechselwirkung zwischen EdelgasAtomen.
Van- der-Waals Radien:
Aus den Gleichgewichtsabstand in Molekülkristallen und kristallisierten Edelgasen kann man
van-der-Waals Radien ableiten. Kleinere Abstände im Gitter als die Summe der
van-der-Waals Radien sind Anzeichen für kovalente Bindungskräfte.
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Van-der-Waals-Radien in Angström (Å)
H 1,2
He 1,4
N 1,5
O 1,4
F 1,4
Ne 1,6
P 1,8
S 1,8
Cl 1,8
Ar 1,9
As 1,9
Se 1,9
Br 1,9
Kr 2,0
Te 2,1
I
Xe 2,2
2,0
Kovalente Bindungsabstände und van-der-Waals
Radien im H2O-Molekül
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Wasser als Lösungsmittel:
Die guten Lösungseigenschaften von Wasser für Verbindungen, die aus polaren Molekülen wie
Zucker oder aus Ionen (Salze) aufgebaut sind, beruhen auf seinen Dipoleigenschaften und seiner
Fähigkeit zur Ausbildung von Wasserstoffbrücken. Die bei der Auflösung des Molekülgitters (Zucker)
bzw. Ionengitters (Salz) aufzubringende Energie wird erbracht durch die Stabilisierung der gelösten
Moleküle über die Ausbildung von Wasserstoffbrückenbindungen zwischen H2O und den polaren
Gruppen des Zuckermoleküls (z. B. Hydroxylgruppen und Aldehydgruppe der Glucose) bzw. durch
Hydratation (Hydratisierung) der Ionen, d.h. durch die Anlagerung der negativen Dipolenden an die
Kationen und vice versa, ein Vorgang den man Dissoziation nennt und der zu einer Umhüllung der
Ionen mit einer Hydrathülle, symbolisiert durch „aq“ führt.
Beispiel: NaCl löst sich (dissoziiert) in Wasser
NaCl (s)
+ H2O (l)
Na+ (aq) + Cl- (aq)
HL = +4 kJ/mol
HL = Lösungsenthalpie
Trennung von Na+- und Cl--Ionen
durch H2O-Moleküle
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Na+ (aq)
Cl- (aq)
Die Zahl der hydratisierenden Moleküle hängt von der Größe des Ions und seiner Ladung ab, für die
meisten Ionen ist sie etwa sechs.
Wasser vermindert die Stärke von elektrostatischen Wechselwirkungen gegenüber dem Zustand im
Vakuum, um den Faktor 80- was seiner Dielektrizitätskonstanten entspricht. Wasser hat wegen seiner
Polarität und seiner Fähigkeit, gerichtete Lösungsmittelhüllen (Hydrathüllen) um Ionen zu bilden, eine
außerordentlich hohe Dielektrizitätskonstante. Die gerichteten Hydrathüllen erzeugen eigene
elektrische Felder, die den Feldern der jeweiligen Ionen entgegengerichtet sind. Dadurch schwächt
Wasser die elektrostatische Anziehung zwischen Ionen beträchtlich.
Das Auflösen von Salzen kann exotherm und endotherm verlaufen:
CaCl2 (s)
NH4NO3 (s)
H2O (l)
H2O (l)
Ca2+ (aq) + 2Cl- (aq)
HL = - 81,3 kJ/mol
NH4+ (aq) + NO3- (aq)
HL = + 15,16 kJ/mol
Elektrolyte
Viele polare Verbindungen lösen sich in Wasser unter Bildung frei beweglicher Ionen. Diese Stoffe
nennt man Elektrolyte, da ihre Lösungen den elektrischen Strom leiten. Träger des elektrischen
Stromes sind Ionen (im Gegensatz zu metallischen Leitern, wo der Stromstransport durch Elektronen
erfolgt). Die positiv geladenen Ionen (Kationen) wandern im elektrischen Feld zur Kathode (negative
Elektrode), die negativ geladenen Ionen (Anionen) zur Anode (positive Elektrode).
110
Leitfähigkeit durch Elektrolyte
In Ionenkristallen liegen im festen Zustand bereits Ionen in bestimmten geometrischen Anordnungen
vor. Beim Lösungsvorgang geht die geometrische Ordnung des Ionenkristalls verloren, es erfolgt eine
Separierung in einzelne Ionen, eine Ionendissoziation. Bei polaren kovalenten Verbindungen wie z. B.
HCl entstehen die Ionen erst durch Reaktion mit dem polaren Wasser:

 
 H
Cl H + O 
H
H 2Ol
H3O+ (aq) + Cl- (aq)
Verbindungen wie Zucker oder Alkohol, deren wässrige Lösungen den elektrischen Strom nicht leiten,
bezeichnet man als Nichtelektrolyte. In diesen Lösungen sind die gelösten Teilchen einzelne Moleküle,
die von H2O-Molekülen umhüllt sind.
Den Salzgehalt von Wasser kann man über Leitfähigkeitsmessung ermitteln. Reines Wasser leitet den
elektrischen Strom fast nicht; bei Zugabe ionogener Stoffe (also z. B. Salze) nimmt die Leitfähigkeit
zu.
Versuch: Glühbirne führt erst dann Strom, wenn der Stromkreis der durch zwei in dest. Wasser
tauchende Elektroden unterbrochen ist, durch Zugabe von Kaliumnitrat geschlossen wird.
111
Versuch: Leitfähigkeitsmessungen mit wässerigen Lösung verschiedener Verbindungen
Lösung
Leitfähigkeit

1 l
 [ S / cm]
R q
13 1)
dest. Wasser
10620 2)
NaCl-Lösung (c = 0,1 mol/l)
14 3)
D-Glucose-Lösung (c = 0,1 mol/l)
24300 4)
HCl (c = 0,01 mol/l)
522 5)
CH3COOH ( c = 0,1 mol/l)
1) In reinem Wasser befinden sich nur sehr wenige Ladungsträger.
Autoprotolyse des Wassers:
H2O + H2O
K = 1,8 . 10-16
H3O+ + OH-
Gelöstes CO2:
CO2 + H2O
CO2 (aq)
HCO3- + H3O+
2) starker Elektrolyt
3) Nichtelektrolyt, Leitfähigkeit durch Autoprotolyse des Wassers und gelöstes CO 2 verursacht
(vergl. 1)
4) Starker Elektrolyt, H3O+ (große Ionenbeweglichkeit, siehe unten)
5) schwacher Elektrolyt
CH3COOH + H2O
H3O+ + CH3COO-
KS = 1,8 . 10-5 mol/l
Sobald ein elektrischer Strom durch eine Elektrolytlösung fließt, wandern die darin befindlichen Ionen
zu der Elektrode entgegengesetzter Ladung. Ihre Geschwindigkeit ist dabei proportional zum
Reibungswiderstand, den das Ion bei der Bewegung durch die Lösung erfährt. Der
Reibungswiderstand selbst ist mit der Größe des geladenen Teilchens verknüpft. Dabei fällt auf, dass
die Ionenbeweglichkeit sowohl von H3O+ als auch von OH- um ein Vielfaches über denen anderer
Ionen liegt. Für H3O+ resultiert diese hohe Beweglichkeit aus der Fähigkeit des Protons schnell von
einem Wassermolekül zum nächsten zu springen. Auch wenn ein einzelnes Hydronium-Ion durch eine
Lösung wandern kannn, wie beispielsweise ein Natrium-Ion, so erhöht doch der beschriebene
Mechanismus des Protonensprungs die tatsächliche Ionenbeweglichkeit um ein Beträchtliches. Die
ungewöhnliche Ionenbeweglichkeit des OH--Ions ist ebenfalls auf Protonensprünge zurückzuführen,
nur ist in diesem Fall die Ionenwanderung entgegengesetzt zur Bewegung des Protonensprungs.
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Ionenbeweglichkeiten in Wasser bei 25°C
Ion
Beweglichkeit · 10-5 in cm2 · V-1 s-1
H3O+
Li+
Na+
K+
NH4+
Mg2+
Ca2+
OHClBrCH3COOSO42-
362.4
40.1
51.9
76.1
76.0
55.0
61.6
197.6
76.3
78.3
40.9
79.8
Protonensprung-Mechanismus der Wanderung von
Hydronium-Ionen durch wässrige Lösungen
113
Gefrierpunktserniedrigung und Siedepunktserhöhung:
Durch in Wasser gelöste Verbindungen wird das Wasser gewissermaßen verdünnt, so dass im Mittel
weniger H2O-Moleküle aus der Wasseroberfläche austreten und damit bei gegebener Temperatur der
Dampfdruck geringer ist als in reinem Wasser:
Gefrierpunktserniedrigung und
Siedepunktserhöhung
Diese Dampfdruckerniedrigung führt zu einer Gefrierpunktserniedrigung (tg) und einer
Siedepunktserhöhung (ts), die man sich in der Kryoskopie und Ebullioskopie zur
Molmassebestimmung zunutze macht:
Wenn E eine lösungsmittelspezifische Konstante ist und b die Molalität, so gilt das Raoultsche Gesetz:
t = E  b
Ist i der gelöste Stoff und LM das Lösungsmittel, so wird mit b = n(i) / m(LM) und n(i) = m(i) / M(i)
M(i) = E  m(i) / t  m (LM)
Osmose
Eine weitere Eigenschaft von Lösungen, die im wesentlichen von der Konzentration des gelösten
Stoffes und weniger von der Art der gelösten Teilchen abhängt, ist die Osmose.
Bezeichnung für die Diffusion von Lösemittel-Molekülen durch eine semipermeable Trennwand
(Membran) hindurch. Befinden sich beiderseits der Trennwand verschieden konz. Lösungen, so wird
beim Vorliegen einer permeablen Trennwand, die allen Komponenten des Lösungssystems den
Durchtritt gestattet, ein Konzentrationsausgleich nach Art der freien Diffusion erfolgen. Ist jedoch die
Trennwand nur semipermeabel (halbdurchlässig), so wird nur noch Teilen des Systems der Durchtritt
gestattet. Um nun gleiche Konzentrationen zu beiden Seiten der Trennwand herzustellen, wandern
Lösungsmittelmoleküle vom Raum niedrigerer in den Raum höherer Konzentration. Anschaulich
spricht man auch von einem „Verdünnungsbestreben“ der konzentrierten Lösung. Der
Wanderungsvorgang setzt sich so lange fort, bis jeweils gleich viele Lösungsmittelmoleküle nach
beiden Seiten der Trennwand diffundieren.
114
Befand sich die höher konzentrierte Lösung in einem abgeschlossenen System, so wurde durch das
Hereindiffundieren des Lösungsmittels allmählich ein hydrostatischer Überdruck erzeugt, der dem
Verdünnungsbestreben entgegenwirkt. Diesen manometrisch messbaren Druck bezeichnet man als
osmotischen Druck.
Demonstration des osmotischen Druckes
Steigrohr
hydrostat.
Überdruck
B
Zucker-Lsg.
dest. Wasser
semipermeable
Membran
A
a
Schematischer Aufbau der Pfefferschen Zelle
h = Steighöhe des Hg
= osmot. Druck
Hg
Manometerrohr
Lsg. (z. B.
Zuckerwasser)
Tonzylinder
Wasser
b
115
Rote Blutkörperchen
in isotonischer
Lösung
in reinem
Wasser
in konzentrierter
Zuckerlösung
Oben: normales Aussehen in einer isotonischen Lösung
Mitte: in reinem Wasser blähen sich die Zellen auf und platzen schließlich
Unten: in einer konzentrierten Zucker-Lösung schrumpfen die Zellen
(Rasterelektronenmikroskop-Aufnahmen)
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