ZOLLERNALB KLINIKUM gGmbH Zentralapotheke Tel.: 07433 / 9092 - 2651 Weiterführende Informationen zu Anthracyclin-Paravasaten Dazu zählen folgende Zytostatika: Doxorubicin, Epirubicin, Daunorubicin und Idarubicin. Die folgenden Informationen gelten nicht für liposomales Doxorubicin (= Caelyx®). Liposomales Doxorubicin ist nicht als Zytostatikum mit hoher Nekrosewahrscheinlichkeit eingestuft, die Anwendung spezifischer Maßnahmen ist nicht indiziert. Anthrazykline sind antineoplastisch wirkende Substanzen, deren zytotoxische Eigenschaften vor allem durch DNA – Interkalation, Hemmung der Topoisomerase II und intrazellulärer Bildung von Sauerstoffradikalen begründet sind. Diese Radikale können Defekte der Zellmembran induzieren und Apoptose auslösen. Die Häufigkeit von Anthrazyklin – Paravasaten liegt bei 1 bis 5 %. Die Paravasation wird begleitet von: • lokalen Schmerzen • Schwellungen • Erythemen • Nekrosen Standardisiertes Vorgehen: • • • • Umgehend topische Applikation von DMSO 99 % im Bereich des Paravasates und darüber hinaus: Mit Steriltupfer das DMSO im Bereich des Paravasates an den ersten drei Tagen alle 4 Std., ab dem 4. Tag alle 6 Std. auftragen (an der Luft trocknen lassen, nicht verbinden). Dauer: Mind. 3 Tage, besser 14 Tage. Ggf. chirurgisches Debridement, daher frühzeitige chirurgische Mitbeurteilung! Exakte und Ausführliche Dokumentation (s. Dokumentationsbogen) Optional zusätzlich lokale Kühlung für 4 x tgl. 20 Min zur Schmerzlinderung. Aber: Sequentiellen Einsatz zu DMSO beachten wegen gegensätzlichem Wirkungsmechanismus (Vasokonstriktion – Vasodilatation) Dexrazoxan (Savene®): Seit Ende 2006 steht als Antidot bei Anthrazyklin-Paravasaten in den Fällen, bei denen die sonst üblichen Maßnahmen nicht ausreichen, der Topoisomerasehemmer Dexrazoxan zur Verfügung. Im Falle einer Anwendung bei einem Paravasat muss die erste Infusion baldmöglichst mit 1000 mg/m² innerhalb der ersten 6 Std. erfolgen (jedoch nicht in die betroffene Extremität). Eine evt. begonnene Kühlung (s.o.) muss mind. 15 Min vor der Infusion entfernt werden, um in dem betroffenen Paravasatgebiet einen ausreichenden Blutfluss zu gewährleisten. Während des Verabreichungszyklus von Dexrazoxan darf nicht gleichzeitig DMSO und Kühlung angewendet werden. Am 2. Tag werden nochmals 1000 mg/m², am 3. Tag 500 mg/m² jeweils im Abstand von 24 Std. zur vorherigen Infusion infundiert. Eine Anwendung bei Patienten mit Nieren- oder Leberfunktionsstörungen kann derzeit nicht empfohlen werden. Da die Trägerlösung des Savene® einen hohen Kaliumgehalt aufweist, muss ggf. der Serumkaliumgehalt überwacht werden. Dokumentbezeichnung: Inform. zu Anthracyclin-Paravasaten Freigabe erstellt von : OA Dr. Braun / W. Reimann Reimann / Perl Seite 1 erstellt am Version III 30.05.2003 11/2007 Sollte ein Notfallkit (3-Tages-Set zum Preis von z.Zt. 11600 €) benötigt werden, so setzen Sie sich bitte unbedingt vorher mit der Apotheke (Tel. 07433/ 92-2651) in Verbindung. Außerhalb der Dienstzeiten kann im Notfall die Rufnummer eines Apothekers an der Pforte in Balingen erfragt werden. Beurteilung der Therapieoptionen Zu den allgemeinen Zielen einer Behandlung zählen Reduktion der zellulären Anthrazyklin-Aufnahme und verminderte Radikalbildung. Es liegen nur sehr wenige Studien zu diesem Gebiet vor, als Grundlage dienen deshalb vorwiegend publizierte Tierversuche, klinische Erfahrungsberichte und verfügbare Einzelfalldokumente. 1.) Dimethylsulfoxid (DMSO) DMSO beschleunigt den Abtransport von Anthracyclinen durch Penetrationserhöhung, wirkt antihistaminisch und antioxidativ. Der wichtigste Mechanismus ist jedoch die beschleunigte Resorption von Doxorubicin. Bei dermaler Applikation konnte man folgende Wirkungen beobachten, die durch zahlreiche Studien belegt wurden: Analgesie, Vasodilatation, Abnahme der Schwellung, Antiinflammation, erhöhter Blutfluss in der Haut, bakteriostatische Wirkung Auch bei längerer Anwendung keine nennenswerte Hauttoxizität. Die Inzidenz von Gewebsnekrosen kann mit der kombinierten Behandlung von Kälte und DMSO 99% auf 2% gesenkt werden. Vorteile von DMSO: • keinerlei nennenswerte Hauttoxizität • geringe Nebenwirkungen (DMSO – Geruch in der Ausatmungsluft) • geringe Kosten • einfache Applikation • gute Verträglichkeit Zusammenfassung DMSO: Nur 1 bis 2 % der mit DMSO behandelten Patienten entwickelten Hautulzerationen nach Anthrazyklin-Paravasation. Die Substanz weist viele Vorteile auf. DMSO zeigte in Tiermodellen als einziges systematisch untersuchtes Antidot eine effektive Ulkusprophylaxe. Die Rationale einer DMSO – Gabe basiert auf der effektiven Bindung freier Radikale, die eine protektive Wirkung im Bereich der anthrazyklininduzierten Ulzera erklären kann. Hinweis! DMSO sollte wegen lipidlöslicher Eigenschaften NICHT bei einer Paravasation von liposomalem Doxorubicin (= Caelyx®) angewendet werden. Hier ist ggf. die alleinige Anwendung von trockener Kälte über zunächst 1 Std., dann mehrmals tgl. 15 min. empfohlen 2.) Kühlung Eine lokale Kühlung hatte als Monotherapie keinen ausreichenden Effekt auf die Ulkusentstehung nach Anthrazyklin – Extravasation. Die beobachtete Ulkusrate war mit 24 % nur geringfügig niedriger als die ohne Behandlung erwartete Rate von 30 %. Diese Ergebnisse legen nahe, dass die lokale Kühlung alleine in der Behandlung nicht ausreicht. Eispackungen können aber in Kombination angewendet werden; hierbei war in Studien das Risiko einer Ulkusentstehung signifikant geringer. Dokumentbezeichnung: Inform. zu Anthracyclin-Paravasaten Freigabe erstellt von : OA Dr. Braun / W. Reimann Reimann / Perl Seite 2 erstellt am Version III 30.05.2003 11/2007 3.) Kortikosteroide s.c. oder i.d. Man nimmt an, dass Kortikosteroide dem Entzündungsprozess, welcher durch Nekrosen verursacht wird, entgegenwirken. Umstritten ist allerdings, welche Rolle diese Entzündungsreaktionen bei Gewebsnekrosen wirklich spielen. In zwei klinische Studien wurden 9 bzw. 43 Patienten mit Hydrokortison s.c. oder i.d. behandelt. In einer der beiden Studien wurde zusätzlich mit Eispackungen gekühlt, in der anderen Natriumthiosulfat – Lösung eingesetzt. Es traten keinerlei Nekrosen auf, lediglich lokale Symptome wie Schmerzen, Erytheme und kurzzeitige Bewegungseinschränkungen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Erfahrungen meist nur in Kombination mit anderen Behandlungsmaßnahmen gemacht wurden. In diesen Berichten wurden sehr unterschiedliche Hydrokortison – Dosierungen eingesetzt, die von 50 bis 500 mg reichten. Der genaue Wirkungsmechanismus ist noch unbekannt. Es fehlt die nachgewiesene wissenschaftliche Rationale der Behandlung. Außerdem mangelt es an einer Standardisierung der klinischen Anwendung. Die intradermale oder subkutane Anwendung von Kortikosteroiden kann daher nicht zur Behandlung der Anthrazyklin – Extravasation empfohlen werden. In klinischen Fallberichten wurden keine eindeutigen Ergebnisse erzielt, es trat sowohl eine Ulkusreduktion als auch eine Verstärkung der ulcerogenen Wirkung der Anthrazykline auf. Darüber hinaus weisen Ergebnisse tierexperimenteller Untersuchungen darauf hin, dass lokal applizierte Kortikoide selbst eine ulcerogene Wirkung entfalten können. 4.) Natriumbicarbonat Natriumbicarbonat führt nach Injektion zu einer pH-Wert-Änderung. In diesem Zusammenhang wird eine verringerte zelluläre Aufnahme und DNA-Bindung der Anthrazykline postuliert. In einer Studie konnte jedoch gezeigt werden, dass durch den Anstieg von pH 5 auf pH 8 die zelluläre Aufnahme von Anthrazyklinen erhöht und damit die Zytotoxizität noch verstärkt ist. Zusammenfassend muss gesagt werden, dass die lokale Applikation von Natriumbicarbonat nicht empfehlenswert ist. Ausschlaggebend ist die aufgeführte Unwirksamkeit in klinischen Fallberichten. Außerdem gilt die Substanz per se als zytotoxisch bei paravasaler Gabe. 5.) β - adrenerge Verbindungen wie Propranolol und Isoprenalin Erfahrungen wurden mit Tiermodellen gesammelt. Die Übertragbarkeit auf den Menschen ist aufgrund der Unterschiede im Hautaufbau fraglich, so dass keine Empfehlung ausgesprochen werden kann. 6.) Zytokine ( bFGF = basischer Fibroblasten – Wachstumsfaktor; KGF = Keratinozyten – Wachstumsfaktor) Zytokine konnten die Ulkusentstehung nicht vollkommen verhindern. Sie leisteten aber einen Beitrag zur Abheilung etablierter Ulzera. Bisher gelten diese Substanzen für dieses Anwendungsgebiet aber noch als zu wenig erforscht. Dokumentbezeichnung: Inform. zu Anthracyclin-Paravasaten Freigabe erstellt von : OA Dr. Braun / W. Reimann Reimann / Perl Seite 3 erstellt am Version III 30.05.2003 11/2007 Literatur: (vgl. auch Übersicht; Lit. kann in der Apotheke angefordert werden) - Krämer I, Stützle M. Zytostatika-Paravasation – Wie ist vorzugehen?. Krankenhaus pharmazie 2002; 23: 261-8 - Kraft A, Edinger M et al., Anthrazyklin-Extravasate. Onkologe 2000; 6: 674-686 - CD-ROM „Paravasate“ der Firma Pfizer (www.pfizer.de) - Leitlinie „Paravasate“ des Comprehensive Cancer Center Ulm (www.uniklinikulm.de/struktur/zentren/cccu.html) Dokumentbezeichnung: Inform. zu Anthracyclin-Paravasaten Freigabe erstellt von : OA Dr. Braun / W. Reimann Reimann / Perl Seite 4 erstellt am Version III 30.05.2003 11/2007