Elektrizitätslehre – Induktion 30. Induktion 30.1. Grundlegende Experimente − Der magnetische Fluss durch eine Fläche war Φm = r B ∫ ⋅ dA (29 - 13) Fläche − Beleuchten wir nun verschiedene Experimente nach FARADAY (1831), bei denen der magnetische Fluss Φm durch eine Leiterschleife variiert und beobachtet wird, was sich in einem die Fläche umrandenden Draht tut.1 · · · · · Heran- /Wegschieben eines Permanentmagneten Heran-/Wegschieben einer stromdurchflossenen Spule beides ist äquiva lent! Ein-/Ausschalten des Stroms in der Spule Drehung der Leiterschleife im homogenen Magnetfeld Flächenänderung der Leiterschleife Änderung der (eff.) Fläche Änderung r r B /H von jegliche Änderung des magn. Flusses Φm ⇒ Bei einer Änderung des magnetischen Flusses Φm durch die Leiterschleife t2 & m ⋅ dt = Φ m, 2 − Φ m ,1 ∆Φ m = ∫ Φ (1) t1 wird in der Leiterschleife eine Spannung U induziert, so dass 1 Die Experimente im Rahmen der Vorlesung werden mit einer Ringspule statt mit einer Leiterschleife durchgeführt, um den Effekt zu verstärken. Im Prinzip ist dieses Vorgehen dasselbe wie mit einer Leiterschleife, da man eine Spule als Summe von n Leiterschleifen auffassen kann! 56 Elektrizitätslehre – Induktion ∆Φ m = t2 ∫ U ⋅ dt (2) t1 ist. Die Frage nach dem Vorzeichen wird noch zu klären sein! − Es zeigt sich, dass nicht nur die Integrale in Gl. (1) und Gl. (2) gleich sind, sondern zu jedem Zeitpunkt gilt &m Φ − & m ( t ) = U( t ) Φ å æ in der Fläche in der Leiterschleife induzierte Spannung (3) r Die Spannung längs des Drahtes ist gleichbedeutend mit der Existenz eines E -Feldes im Draht. Außerdem liefert eine genaue (experimentelle) Betrachtung das Vorzeichen r U= ∫ E ⋅ dr &m = −Φ (4) entlang Leiterschleife r Das elektrische Feld E existiert natürlich nicht nur in der Leiterschleife, sondern im gesamten Raum, in dem sich der magnetische Fluss Φm ändert. ! Es gibt offenbar an jedem Punkt im Raum einen Zusammenhang zwischen der r& r zeitlichen Änderung des magnetischen B -Feldes, B , und einem dadurch herr vorgerufenen elektrischen Feld E . Analog <25.3.> eine Ergänzung für die Spezialisten zur Frage, wie dieser Zusammenhang aussieht. − ! Wir betrachten den Grenzfall, dass die Leiterschleife nur noch aus einer kleinen Fläche dA besteht. Für diesen Grenzfall gilt r r E ⋅ dr ≡ rot E ⋅ dA ∫ "um dA herum" r Mit der Rotation des E -Feldes1 folgt aus Gl. (4) r &m rot E ⋅ dA = −dΦ (5) Aus Gl. (29 - 13) folgt leicht r dΦ m = B ⋅ dA 1 (6) r r rot E ist eine nach bestimmter Vorschrift gebildete Funktion f( E ) mit Vektorcharakter. 57 Elektrizitätslehre – Induktion abgeleitet nach der Zeit t unter der Annahme, dass das winzige Flächenelement dA sich nicht ändert r& &m =B dΦ ⋅ dA (7) Ein Vergleich der Gl. (5) und (7) ergibt r r& rot E = − B − Die Gl. (4) und (8) sind die integrale und differentielle Schreibweise des Induktionsgesetzes. r Gl. (8) macht deutlich: Zeitliche Änderungen des magnetischen Feldes B sind r stets mit elektrischen Feldern E verknüpft, die senkr& recht auf B stehen. 30.2. − (8) ! Rolle der LORENTZ-Kraft, LENZsche Regel und anderes & m lt. Gl. (4) kann bewirkt werden durch Ein veränderlicher magnetischer Fluss Φ r r& r · Variation des Magnetfeldes B innerhalb der Fläche ( B ≠ 0 ) r · Änderung der Flächengröße bzw. ihrer Orientierung relativ zum Magnetfeld B Manche Induktionsphänomene sind durch die LORENTZ-Kraft zu verstehen, andere nicht. ! 1.) Veränderung der Spulenfläche A im homogenen Magnetfeld · · r r Es tritt eine LORENTZ-Kraft FL im mit v bewegten Leiterstück auf die dort befindlichen Ladungsträger auf.1 ⇒ Strom bzw. Spannung messbar Man kommt zum gleichen Ergebnis, wenn man folgende Argumentationskette betrachtet: r Das mit v bewegte Leiterstück bewirkt pro Zeiteinheit eine Veränderung &m der Spulenfläche A (∆A/∆t) und damit einen veränderlichen Fluss Φ durch A, was nach Gl. (4) zu einer Spannung U bzw. einem Strom I führt. 1 Die in der Skizze gezeichnete Richtung der LORENTZ-Kraft bezieht sich auf positive Ladungsträger! 58 Elektrizitätslehre – Induktion 2.) − Wenn man dagegen ein zeitlich veränr derliches homogenes Magnetfeld B( t ) betrachtet, ist die entstehende Spannung U nur über Gl. (8) verständlich r& ( B erzeugt ein „umlaufendes“ elektrir sches Feld E ) Bringt man in die Spule einen Eisenkern (µ > 1), wird die induzierende Wirkung sehr verstärkt. r Tatsächlich ist also das durch die Materie stark B erhöhte (µ > 1, siehe folgenr de Gleichung) und nicht H für den Induktionsvorgang maßgebend. r r B = µ ⋅ µ0 ⋅ H − ! (29 - 15) Wir analysieren nun das Vorzeichen in Gl. (4): r Beispiel "Einschalten" eines B -Feldes durch eine Leiterschleife durch schnelles Heranführen eines Permanentmagneten: n Die induzierte Spannung U bzw. der daraus resultierende Strom I folgen aus Gl. (4) und der Rechten-Hand-Regel. Der induzierte Strom erzeugt seinerseits ein Magnetfeld. ⇒ Die Leiterschleife wird zum magnetischen Dipol, der so orientiert ist, daß er den herangeführten Magneten abstößt. Der induzierte Strom ist stets so gerichtet, dass sein Magnetfeld der Induktionsursache entgegenwirkt (LENZsche Regel).1 1 ! Der in der LENZschen Regel beschriebene Sachverhalt ist eigentlich trivial, sonst würde sich jeder Induktionsvorgang von selbst „hochschaukeln“. Große Bedeutung erlangt diese Regel jedoch aufgrund ihrer Anschaulichkeit. 59 Elektrizitätslehre – Induktion − r Bis jetzt haben wir Drähte oder Spulen betrachtet. Das E -Feld ist aber überall, r& r wo B ≠ 0 ist. ! ⇒ in massiven Körpern werden (unter Umständen bizarre) dreidimensionale Stromverteilungen induziert, die als Wirbelströme bezeichnet werden. Die sich daraus ergebenden Wirkungen sind: r · mechanische Kraftwirkung zwischen Quelle des primären B -Feldes und dem Körper, in dem die Wirbelströme induziert werden · Umwandlung von elektrischer in Wärmeenergie infolge der endlichen elektrischen Leitfähigkeit (OHMsche Verluste, vgl. <26.4.>) Praktisch bemerkt man diese Auswirkungen bei erwünschten oder auch nicht erwünschten Vorgängen wie z.B. · Abbremsen/Beschleunigen (WALTENHOFsches Pendel, Wirbelstrombremse, Induktionskanone) · Erwärmung durch Stromfluss − Physikalisch sind die Wirbelströme nichts anderes als Induktionsströme! Die Begriffsbildung zeigt, dass sie hier oft als unerwünscht betrachtet werden. Welches Gegenmittel gibt es ? − ⇒ geschichtete Materialien! Grund: Viele kleine Stromwirbel haben weniger Verlustleistung als wenige große. ! vereinfachter Beweis: Die OHMsche Verlustleistung ergibt sich aus den Gl. (26-14), (26-15) und (26-16) U2 P = I⋅U = I ⋅R = R 2 Unter Ausnutzung der beiden bekannten Beziehungen für die Spannung U und den Widerstand R U = E⋅l l R = ρ⋅ A folgt aus Gl. (26-16) E2 ⋅ l2 ⋅ A P = ρ⋅l V = A⋅l 60 Elektrizitätslehre – Induktion P = E2 ⋅ V ρ P E2 = V ρ â Verlustleistungsdichte (9) r Wir betrachten einen E -Wirbel. Für diesen gilt r E r rot E ≈ d2 mit Gl. (8) folgt & ≈ 2⋅E B d und nach Umformung ⇒ E≈ & d⋅B 2 (10) Setzt man Gl. (10) in Gl. (9) ein, ergibt sich für die Verlustleistungsdichte &2 P d2 ⋅ B ≈ V 4⋅ρ Also: 30.3. − Eine Begrenzung der Wirbelgröße (d.h. von d) durch Schichtung des Materials reduziert die Verlustleistungsdichte („Trafoblech“)! Induktivität; Spule im Stromkreis Jeder Stromkreis erzeugt ein Eigenmagnetfeld und wird daher von einem selbst erzeugten Magnetfluss Φm,s erfüllt. ! Φ m ,s ~ I å (Eigen-)Magnetfluss æ Strom im Stromkreis Die Proportionalitätskonstante heißt Induktivität L Φ m ,s = L ⋅ I (11) Dabei hängt L von der Geometrie sowie der Permeabilität µ der Umgebung ab. 61 Elektrizitätslehre – Induktion − Der Magnetfluss Φm,s erzeugt eine induzierte Spannung USI1, die sich mit Gl. (4) und (11) wie folgt schreiben lässt & m,s = L ⋅ I& U SI = −Φ (12) Dieser Vorgang wird als Selbstinduktion bezeichnet. − Uns interessiert nun Maßeinheit von L. Maßeinheit: & ] = d ⋅ [B] ⋅ [A] = 1 ⋅ Vs ⋅ m 2 = V [Φ dt s m2 Maßeinheit: [&I] = 2 A s SI SI Mit Hilfe von Gl. (12) lässt sich nun die Maßeinheit von L leicht bestimmen Maßeinheit: − [ L] = V J = 2 = Ωs = H ... Henry −1 As A SI Wir berechnen nun die Induktivität einer Spule mit N Windungen, der Querschnittsfläche A und der Länge L , erfüllt mit einem Material der Permeabilität µ. H = I⋅ N l (29 - 16) mit Gl. (29-15) erhält man ⇒ B = µ ⋅ µ0 ⋅ I ⋅ N l (13) Durch jede Windung tritt der Fluss Φ m ,s = B ⋅ A durch alle N Windungen zusammen der Fluss Φ m ,s = N ⋅ B ⋅ A (14) Gl. (13) in Gl. (14) eingesetzt ergibt ⇒ 1 2 Φ m ,s = µ ⋅ µ 0 ⋅ I ⋅ N 2 ⋅ A l (15) Wie in <30.1.> schon erwähnt, erzeugt jegliche Änderung des magnetischen Flusses Φm eine Induktionsspannung, also auch der selbst erzeugte Magnetfluss! Dieses Ergebnis verwundert wegen des Induktionsgesetzes in Form von Gl. (4) überhaupt nicht! 62 Elektrizitätslehre – Induktion Ein Vergleich von Gl. (15) und (11) liefert letztlich ⇒ L = µ ⋅ µ0 ⋅ N 2 ⋅ A l u Kommentar: · Jede leitfähige Elektrode hat eine Kapazität, ein Kondensator ist lediglich auf maximale Kapazität gezüchtet. · Jede stromdurchflossene Leiterschleife hat eine Induktivität, eine Lange Spule mit vielen Windungen ist auf maximale Induktivität gezüchtet. · − (16) Ein hohes µ steigert die Induktivität L (Analogie zu ε beim Kondensator). ! ! Wir untersuchen nun das Verhalten einer Spule im Stromkreis Am Widerstand R liegt also nicht U0 an, sondern U R = I ⋅ R = U 0 − L&I (17) Beim Schließen des Schalters S ist zunächst &I maximal, aber I (noch) Null ⇒ die gesamte Spannung fällt an der Spule L ab U 0 = L ⋅ &I ⇒ I( t ) = U0 ⋅t L Mit zunehmendem Strom I fällt mehr und mehr Spannung am Widerstand R ab und weniger an der Spule L ⇒ &I sinkt allmählich und der Strom I geht in Sättigung über gemäß I = U0 R Die vollständige Lösung von Gl. (17) lautet letztlich ⇒ I( t ) = mit τ= U0 R t − 1 − e τ (18) L ... Zeitkonstante R Kommentar: Bei großer Induktivität L / kleinem Widerstand R (Elektromagneten!) kann τ einige Minuten betragen! u 63 Elektrizitätslehre – Induktion Öffnungsfunken · Beim Einschalten ist das maximale &I (dies ist &I(0) ) begrenzt auf U0 &I max = L Dies folgt aus den eben angestellten Überlegungen zum Verhalten einer Spule im Stromkreis, U0 ist dabei primär. · Anders beim Ausschalten (Öffnen) des Stromkreises: Hier ist der bis zuletzt fließende Strom I Sät = U0 R primär und sein zwangsweise sehr schneller Abfall &I führt bei großem L auf eine unter Umständen sehr hohe Induktionsspannung U SI = − L ⋅ &I die sich über dem sich öffnenden Schalter abfällt. Es entsteht ein Öffnungsfunken bzw. eine Bogenentladung mit Materialabtrag! − Was geschieht bei einer Parallelschaltung von Spule und Widerstand? Im stationären Zustand liegt am Widerstand R sowie an der Spule L + RL (RL ist der OHMsche Widerstand der Spule) jeweils dieselbe Spannung an. 64 Elektrizitätslehre – Induktion Wenn der Innenwiderstand der Spannungsquelle Ri vernachlässigbar ist, beträgt diese Spannung U0. Interessant ist folgendes Phänomen: Wenn beim Öffnen des Schalters S der Strom I zusammenbricht, entsteht ein großes &I und eine Selbstinduktionsspannung USI, die einen neuen Strom in der Masche M schafft, der folgender Differentialgleichung gehorcht: U SI = − L ⋅ &I = I ⋅ (R + R L ) (19) Das Lösen der Differentialgleichung (19) führt auf − t I( t ) = I 0 ⋅ e τ I0 ... Strom in der Spule vor dem Abschalten t ... . Zeit seit dem Öffnen des Schalters S mit τ= 30.4. − − ⇒ (20) L ... Zeitkonstante R + RL Energiedichte im Magnetfeld Betrachtungsweise: Das Fließen des „Abschaltstromes“ lt. Gl. (20) geht einher mit dem Abbau des Magnetfeldes in der Spule. Dies ist interpretierbar als Umwandlung von magnetischer Feldenergie in JOULEsche Wärme in den Widerständen R und RL. ! Umgekehrt verkörpert das langsame Ansteigen des Stromes lt. Gl. (18) den Aufbau des Magnetfeldes. ! Wir berechnen die magnetische Feldenergie über die Betrachtung der durch den Strom lt. Gl. (20) in Wärme umgewandelte Energiemenge WJ: ∞ WJ = ∫ I 2 ⋅ (R + R L ) ⋅ dt 1 0 Mit I2 lt. Gl. (20) entsteht ∞ WJ = ∫ I 0 e 2 − 2t τ ⋅ (R + R L ) ⋅ dt 0 Das Lösen des Integrals führt schließlich auf WJ = 1 1 2 ⋅ I0 ⋅ L 2 Der Index „J“ steht für JOULEsche Wärme und dient der Unterscheidung von der Energie des Magnetfeldes! 65 Elektrizitätslehre – Induktion Mit Gl. (16) für L folgt WJ = 1 2 A ⋅ I0 ⋅ µ ⋅ µ0 ⋅ I ⋅ N 2 ⋅ 2 l (21) Wir sortieren lediglich um WJ = N ⋅ I0 N ⋅ I0 1 ⋅ µ ⋅ µ0 ⋅ ⋅ ⋅A⋅l 2 l l V = A⋅l Mit Gl. (13) und (29 - 16) folgt daraus WJ = ! 1 ⋅ B ⋅ H ⋅ V = Wmagn 2 (22) Aus diesem Ausdruck folgt die Energiedichte des magnetischen Feldes w magn = Wmagn V = 1 ⋅B⋅H 2 (23) die analog zu Gl. (28 - 16) für das elektrische Feld ist. Sie ist - ebenso wie Gl. (28 - 16) für das elektrische Feld - allgemeingültig, obwohl sie hier für einen Sonderfall hergeleitet wurde. 66