Magnetismus 29. Juni 2007 A. Michels Technische Physik, Universität des Saarlandes, Saarbrücken E-mail: [email protected] Ziel dieses Versuches ist es, mit den grundlegenden Größen und Begriffen des Magnetismus vertraut zu werden und die verschiedenen Erscheinungsformen magnetischer Materie wie z.B. Dia-, Para-, Superpara- und Ferromagnetismus experimentell zu untersuchen. Die Messmethode, die in diesem Versuch zur Anwendung kommt ist die Magnetometrie, die neben der Neutronenstreuung wohl zu der am häufigsten verwendeten Untersuchungsmethode innerhalb des Magnetismus zählt. Die zu bearbeitenden Versuche werden an einem Vibrating Sample ” Magnetometer“ und einem Extraktionsmagnetometer durchgeführt, deren Messprinzipien Sie vor Beginn des eigentlichen Versuchs mit dem Betreuer diskutieren werden. Bei der Auswahl der Versuche war die Grundidee, dass sowohl gewisse Standardmessungen (Hystereseschleife, Curie-Weiss-Gesetz) repräsentiert sind, aber auch eher neuere Messprozeduren wie z.B. das Field-Cooling“ und das Zero-Field-Cooling“ vorgestellt werden. Die vorliegende Versuchs” ” anleitung behandelt die zur Durchführung der Versuche notwendigen Grundlagen und soll Sie in die Lage versetzen, die Aufgaben (mit Hilfestellung durch den Betreuer) weitgehend selbständig zu bearbeiten. Am Ende der Anleitung finden Sie eine Auswahl von deutsch- und englischsprachigen Lehrbüchern, deren Lektüre empfehlenswert ist. 1 1.1 Grundgrößen und Einheiten Das magnetische Moment Gemäß der Maxwell’schen Theorie des Elektromagnetismus werden Magnetfelder und magnetische Momente von elektrischen Strömen, seien es makroskopische Ströme in Leiterschleifen oder atomare Kreisströme“, erzeugt. Die zentrale Größe innerhalb des Magnetismus stellt ” das magnetische Moment µ dar. Ein Strom I, der in einer geschlossenen Leiterschleife fließt, produziert ein (vektorielles) magnetisches Moment Z µ = I n dA , (1) 1 n I A Abbildung 1: Eine vom Strom I durchflossene Leiterschleife besitzt ein magnetisches Moment µ, welches entweder parallel oder antiparallel zur Richtung der Flächennormalen n der Leiterschleife orientiert ist (zur Richtung, siehe nächster Abschnitt) und dessen Betrag proportional zu I und zur Fläche A der Leiterschleife ist. wobei n den Einheitsvektor in Richtung der Flächennormalen der Leiterschleifenebene darstellt (siehe Abbildung 1). Aus Gleichung (1) ist ersichtlich, dass das magnetische Moment die Einheit Am2 besitzt. Um die Größe magnetischer Momente verschiedener Materialien miteinander vergleichen zu können, ist es sinnvoll verschiedene Referenzmomente“ einzuführen. Hierzu die folgende, ” auf dem Bohr’schen Atommodell beruhende quasiklassische Betrachtung: Wir betrachten ein geladenes Teilchen (Ladung q, Masse m), das einen kreisrunden Orbit mit Radius r um einen als raumfest angenommenen Bezugspunkt durchläuft. Dieses Partikel stellt einen Kreisstrom qv I = 2π r dar, wobei v den Betrag der Bahngeschwindigkeit v des Teilchen bezeichnet. Mit der Geschwindikeit v des Teilchens ist der Bahndrehimpuls L = m r × v verknüpft, sodass sich schließlich für das resultierende magnetische Moment folgender Ausdruck ergibt: µ= q L, 2m (2) d.h. der mechanische Bahndrehimpuls einer Ladung auf einer Kreisbahn ist unmittelbar mit einem magnetischen Bahnmoment verbunden, wobei die Richtung von µ durch die Richtung von L und durch das Vorzeichen der Ladung gegeben ist (vgl. Abbildung 1). Betrachtet man ein mit dem Drehimpuls |L| = } um den Atomkern kreisendes Elektron (Ladung −e, Masse me ), so ist der Betrag des damit verbundenen magnetischen Moments gegeben durch µB = e} ∼ = 9.274 × 10−24 Am2 oder J T−1 , 2 me (3) wobei } dem Planck’schen Wirkungsquantum h dividiert durch 2π entspricht. Die Größe µB wird als das Bohr’sche Magneton bezeichnet und ist gleich dem magnetischen Moment eines mit L = } rotierenden freien Elektrons. Das Bohr’sche Magneton µB dient als Bezugsgröße zum Vergleich atomarer magnetischer Momente. Zum Vergleich von Kernmomenten wird das Kernmagneton µK = 2em}p herangezogen, welches jedoch aufgrund der größeren Protonenmasse mp um einen Faktor 1836 kleiner ist als µB und im Folgenden keine Rolle spielt. 2 Atomare magnetische Momente µa können mit obiger klassischer Betrachtungsweise nicht vollständig verstanden werden, sondern müssen mit den Methoden der Quantenmechanik behandelt werden. Wie z.B. der Stern-Gerlach Versuch oder der Zeeman-Effekt zeigen, haben atomare magnetische Momente (zusätzlich zum Bahndrehimpuls L) ihren Ursprung im Spindrehimpuls S der Elektronen nicht abgeschlossener Elektronenschalen. Die Größe des gemittelten atomaren magnetischen Moments µa ist gegeben durch1 µa = g µB J , (4) wobei g den Landé Faktor bezeichnet, und J ist die aus Spin- und Bahnmomenten zusammengesetze dimensionslose (in Einheiten von } angegebene) Gesamtspinquantenzahl, die sich gemäß den Hundt’schen Regeln der Atomphysik aus der Spindrehimpulsquantenzahl S und der Bahndrehimpulsquantenzahl L zusammensetzt . Sind für ein bestimmtes Atom S und L (und damit auch J) bekannt, so läßt sich der Landé Faktor wie folgt berechnen: g =1+ J(J + 1) + S(S + 1) − L(L + 1) . 2J(J + 1) (5) Für ein reines Spinmoment (L = 0 und J = S) ist somit g = 2 und für ein reines Bahnmoment (S = 0 und J = L) erhält man g = 1. Für von Null verschiedene Werte von S und L nimmt g Werte zwischen 1 und 2 an. Die Meßgröße in den Praktikumsversuchen ist nicht direkt der Betrag eines individuellen atomaren magnetischen Moments µa , sondern vielmehr die Summe N µa einer großen Anzahl N ∼ = 1023 von Momenten. Hieraus ist unmittelbar ersichtlich, dass das totale magnetische Moment m = N µa einer Probe im Sinne der Thermodynamik den Charakter einer extensiven Zustandsgröße hat: Verdoppelt man das Volumen einer Probe, so verdoppelt man die Anzahl der einzelnen atomaren magnetischen Momente und damit auch das totale magnetische Moment. Wie oben bereits erwähnt, hat das magnetische Moment im hier verwendeten SI-Einheitensystem die Einheit Am2 . Häufig jedoch werden magnetische Momente im cgs-Einheitensystem in sogenannten electromagnetic units“ (emu) angegeben. Für die ” Umrechnung von emu nach Am2 gilt: 1 emu , 10−3 Am2 . 1.2 Die Felder B, H und M Die drei Grundfelder des Magnetismus sind die magnetische Induktion oder Flußdichte B, die magnetische Feldstärke H sowie die Magnetisierung M. Im SI-System ist die Einheit von B das Tesla (T), H und M werden in Am−1 angegeben. Zwischen diesen Vektorfeldern besteht die folgende Beziehung: B = µ0 (H + M) , (6) 1 Die hier mitgeteilten atomphysikalischen Grundlagen können z.B. in den Kapiteln 4-6 des Buches Atom” physik“ von T. Mayer-Kuckuk (Teubner, Stuttgart, 1997) nachgelesen werden. 3 wobei µ0 = 4π × 10−7 TmA−1 die Permeabilität des Vakuums bezeichnet. Gleichung (6) besitzt Gültigkeit in allen Punkten des Raumes. Insbesondere gilt in solchen Raumpunkten, in denen sich keine magnetisierte Materie befindet, M ≡ 0, und Gleichung (6) reduziert sich dort auf B = µ0 H . (7) Mit anderen Worten, bei Abwesenheit magnetisierter Materie handelt es sich bei B und H lediglich um skalierte Versionen des gleichen Vektorfeldes. Darüberhinaus wird darauf hingewiesen, dass die magnetische Feldstärke H in obigen Gleichungen keinesfalls nur das äußere, an eine Probe angelegte Magnetfeld darstellt, d.h. das Feld, welches etwa von einer stromdurchflossenen Spule erzeugt wird. Vielmehr stellt H (und auch B) die Summe aus dem äußeren Magnetfeld und dem von der Magnetisierung der Probe herrührenden Magnetfeld dar, welches auch als magnetostatisches Streufeld bezeichnet wird. Das magnetostatische Streufeld ist eine komplizierte Größe, die ihre Ursache in der Dipol-Dipol-Wechselwirkung hat und nur unter bestimmten vereinfachenden Annahmen berechnet werden kann (siehe Kapitel 3.1). Für die meisten Materialien (Diamagnete und Paramagnete bei nicht zu tiefen Temperaturen) gilt ein linearer Zusammenhang zwischen der magnetischen Feldstärke H und der durch sie induzierten Magnetisierung M, d.h. es gilt M = χH , (8) wobei die dimensionslose Proportionalitätskonstante χ als die magnetische Suszeptibilität bezeichnet wird.2 Es sei angemerkt, dass für ferromagnetische Materialien (siehe Kapitel 3.1) obiger linearer Zusammenhang zwischen M und H im allgemeinen nicht gültig ist. Ferromagnete zeigen eine Hysterese (siehe Abbildung 6), sodass M keine eindeutige Funktion von H mehr ist. Ferromagnetisches Verhalten ist jedoch eher die Ausnahme, sodass Gleichung (8) für viele Stoffe Gültigkeit besitzt. Setzt man Gleichung (8) in Gleichung (6) ein, so folgt B = µ0 (1 + χ) H = µ0 µr H , (9) womit die ebenfalls dimensionslose magnetische Permeabilität µr = 1 + χ eingeführt wird. Die Suszeptibilität χ (bzw. µr ) beschreibt die Reaktion der Magnetisierung auf ein angelegtes Magnetfeld und eignet sich zur Klassifizierung der verschiedenen Erscheinungsformen magnetischer Materialien: Diamagnetische Substanzen zeigen eine negative Suszeptibilität, deren numerischer Wert für die meisten Festkörper von der Größenordnung −10−5 ist, während Paramagnete sich durch ein positives χ von der Größenordnung +10−3 auszeichnen. Für Ferromagnete (für die Gleichung (8) nicht gilt) wird dennoch häufig eine effektive Suszeptibilität χeff = ∆M ∆H für einen bestimmten Wertebereich des angelegten Feldes definiert, deren Wert magnetfeldabhängig ist und im allgemeinen sehr viel größer als eins ist. 2 Im allgemeinen Fall ist χ eine tensorielle Größe. Diese Eigenschaft spielt jedoch im vorliegenden Praktikumsversuch keine Rolle, sodass χ als ein Skalar angesehen werden kann. 4 Der Zusammenhang zwischen der Messgröße—dem totalen magnetischen Moment m einer R Probe—und dem Betrag M der Magnetisierung M ist durch m = M dV gegeben, wobei sich die Integration über das Volumen V der magnetischen Probe erstreckt. Mit anderen Worten, M kann als die Dichte magnetischer Momente aufgefasst werden (magnetisches Moment pro Volumeneinheit) und hat dementsprechend die Einheit Am−1 bzw. T. Für ein homogenmagnetisches Material mit bekannter Masse und Dichte läßt sich M somit aus experimentellen Daten für das magnetische Moment (in emu oder Am2 ) berechnen. 2 2.1 Dia und Paramagnetismus Vorbemerkungen Konzeptionell unterteilt man den Diamagnetismus ebenso wie den Paramagnetismus in einen Anteil, der jeweils von den an ein Gitteratom quasigebundenen Elektronen herrührt (Langevin’scher Diamagnetismus bzw. Langevin’scher Paramagnetismus), und in einen Beitrag, der seine Ursache in den quasifreien Leitungselektronen hat (Landau’scher Diamagnetismus bzw. Pauli’scher Paramagnetismus). Der erste Beitrag tritt bei Isolatoren auf, während der zweite Beitrag zusätzlich zum ersten Beitrag bei Metallen in Erscheinung tritt. Während der Langevin’sche Diamagnetismus eine Eigenschaft ist, die allen Materialien zu eigen ist, tritt der Langevin’sche Paramagnetismus nur bei solchen Materialien auf, bei denen der totale Spindrehimpuls J = L + S der Atome oder Ionen nicht verschwindet. Die mit dem Langevin’schen Paramagnetismus assoziierte magnetische Suszeptibilität ist von der Größenordnung +10−3 und damit viel größer als die Suszeptibilität des Langevin’schen Diamagnetismus, welche von der Größenordnung −10−5 ist (siehe unten). Haben also die Atome oder Ionen eines Materials ein nichtverschwindendes magnetisches Moment (J 6= 0), so dominiert der Langevin’sche Paramagnetismus das magnetische Verhalten (siehe auch nächster Abschnitt), sofern natürlich keine anderen, stärkeren Wechselwirkungen wie z.B Ferro-, Ferri- oder Antiferromagnetismus vorliegen. In den folgenden beiden Abschnitten werden der Langevin’sche Dia- und Paramagnetismus behandelt. Auf die Herleitung des dia- und paramagnetischen Response des freien Elektronengases eines Metalls wird an dieser Stelle verzichtet. Von Relevanz ist jedoch das folgende wichtige Ergebnis: Die diamagnetische Suszeptibilität der Leitungselektronen eines Metalls (Landau’scher Diamagnetismus) ist vom Betrag her ungefähr ein Drittel mal so groß wie die paramagnetische Suszeptibilität der Leitungselektronen (Pauli’scher Paramagnetismus), sodass die Leitungselektronen in vielen Metallen insgesamt einen paramagnetischen Beitrag zur Gesamtsuszeptibilität beitragen, der von der Größenordnung +10−5 ist. Für ein Metall dessen Gitteratome einen verschwindenden Gesamtspin besitzen (J = 0) entscheidet deshalb die relative Größe zwischen der diamagnetischen Suszeptibilität der Gitteratome (χ ∼ = −10−5 ) und der insgesamt paramagnetischen Suszeptibilität der Leitungselektronen (χ ∼ = +10−5 ) ob das 5 Metall dia- oder paramagnetisch erscheint. Typische metallische Diamagnete sind die Edelmetalle Kupfer, Silber und Gold, nichtmetallische Diamagnete sind z.B. Kochsalz, Wasser und die Edelgase. Beispiele für typische Paramagnete sind Sauerstoff, freie Natriumatome, Mangan oder die Salze der Seltenen Erden. 2.2 Langevin’scher Diamagnetismus Der Diamagnetismus von Isolatoren ist ein elektromagnetisches Induktionsphänomen und kann wiederum im Rahmen des Bohr’schen Atommodells verstanden werden: Die Frequenz ω0 mit der sich ein Elektron in einem kreisrunden Orbit um den Atomkern mit der Ordnungszahl Z und der Ladung +Z e bewegt, ergibt sich aufgrund der Gleichgewichtsbedingung zwischen 2 der Zentrifugalkraft me ω02 r und der Coulomb-Anziehung zwischen Elektron und Kern, 4πZ²e0 r2 , zu s Z e2 ω0 = . (10) 4π ²0 me r3 Beim Einschalten eines äußeren Magnetfeldes B senkrecht zur Leiterschleifenebene wirkt auf das umlaufende Elektron zusätzlich die radial gerichtete Lorentzkraft e ω r B und die neue Kreisfrequenz ω ergibt sich aus der Gleichgewichtsbedingung me ω 2 r = Z e2 + eω rB 4π ²0 r2 (11) als Lösung der quadratischen Gleichung ω 2 − 2 ω ωL − ω02 = 0 , wobei durch ωL = eB 2 me (12) (13) die Larmorfrequenz definiert wird [ωL (B = 1 T) = 8.8 × 1010 s−1 ]. Die Lösung von Gleichung (12) ergibt sich dann unter Beachtung von ωL ¿ ω0 ∼ = 1017 s−1 zu ω∼ = ω0 + ωL . (14) ∼ ω0 +ωL , Das Anschalten des Magnetfeldes bewirkt also eine Frequenzverschiebung ω0 −→ ω = e ωL und damit einhergehend, einen zusätzlichen Kreisstrom I = − 2π , der wiederum gemäß Gleichung (1) mit einem magnetischen Moment µ=− e2 r 2 B 4 me (15) assoziiert ist. Eine genauere Rechnung liefert für einen Isolator (mit N Atomen pro Volumeneinheit V ) die diamagnetische Susptibilität χ= µ0 M N µ0 µ N µ0 e2 Z 2 = =− ha i , B V B V 6 me 6 (16) Abbildung 2: Magnetisches Moment m als Funktion des angelegten Magnetfeldes B für einen diamagnetischen Plastikstrohhalm. wobei ha2 i den mittleren quadratischen Atom- oder Ionenradius bezeichnet. Ein äußeres Magnetfeld induziert also in einem diamagnetischen Material atomare Kreisströme, die wiederum ein magnetisches Feld—die Magnetisierung—produzieren, welches dem erregenden“ äuße” ren Feld entgegengerichtet ist. Das Minuszeichen in Gleichung (16) ist eine direkte Ma29 −3 (für Metalle), ∼ nifestation der Lenz’schen Regel der Elektrodynamik. Mit N V = 10 m µ0 = 4π × 10−7 TmA−1 , e = 1.602 × 10−19 As, me = 9.109 × 10−31 kg und dem Bohr’schen Radius 5.292 × 10−11 m für hai erhält man eine weitgehend von der Temperatur unabhängige Suszeptibilität χ ∼ = −10−6 Z. Abbildung 2 zeigt, in qualitativem Einklang mit Gleichung (16), das diamagnetische Signal eines Plastikstrohhalms, welcher beispielsweise als Probenhalter in einigen unserer Messungen verwendet wird. 2.3 Langevin’scher Paramagnetismus Aus den beiden letzten Abschnitten geht hervor, dass der Langevin’sche Paramagnetismus immer dann das magnetische Verhalten eines Stoffes bestimmt, wenn die Gitteratome oder Ionen des Festkörpers einen resultierenden Gesamtspin J 6= 0 aufweisen und keine stärkeren magnetischen Wechselwirkungen präsent sind. Für ein Ensemble von nicht untereinander wechselwirkenden magnetischen Momenten µa (Spins) resultiert aus der Wechselwirkungsenergie −µa · B zwischen µa und einem äußeren Magnetfeld B der Langevin’sche Paramagnetismus. Ohne äußeres Magnetfeld sind die Richtungen der einzelnen (wechselwirkungsfreien) Spins statistisch verteilt, und der Betrag M der Gesamtmagnetisierung der Probe ist im Mittel gleich Null. Bei Anlegen eines Feldes wirkt das Drehmoment µa × B auf die Spins und die Momente beginnen sich entlang B auszurichten. Die Magnetisierung der Probe steigt mit ansteigendem Feld an, solange bis schließlich alle magnetischen Momente entlang B zeigen und 7 M seinen maximalen Wert—die Sättigungsmagnetisierung Ms —annimmt. Die thermische Energie kB T wirkt diesem Ausrichtungsprozess entgegen, der Magnetisierungsprozeß eines Paramagneten wird letztlich durch den konkurrierenden Wettbewerb zwischen magnetischer Feldenergie −µa · B und kB T bestimmt. Um das magnetische Moment und damit die Magnetisierung einer paramagnetischen Probe mit N Atomen oder Ionen pro Volumeneinheit V berechnen zu können, muss man auf das quantenmechanische Ergebnis zurückgreifen, dass in Gegenwart eines homogenen externen Magnetfeldes B = {0, 0, B} der Betrag der Projektion des gemittelten magnetischen Moments µa aus Gleichung (4) (welches in Richtung von −J zeigt) auf die Richtung der Magnetfeldachse, µza = g µB m, die observable Größe darstellt. Die magnetische Quantenzahl m nimmt dabei die (2J + 1)-Werte zwischen −J und +J an. Bei einer gegebenen Temperatur T und Feld B hängt dann der Erwartungswert M der Magnetisierung in Feldrichtung mit dem Erwartungswert hµza i von µa wie folgt zusammen: N z hµa i , (17) V wobei hµza i gemäß den Gesetzen der statistischen Mechanik durch die Boltzmannverteilung ¶ µ m=+J X E g µB m exp − kB T m=−J z (18) hµa i = ¶ µ m=+J X E exp − kB T M= m=−J gegeben ist. Unter Berücksichtigung von E = −µza Bz = −g µB m B und x = Gleichung (18) durch die Zustandssumme Z= m=+J X exp (m x) g µB B kB T läßt sich (19) m=−J ausdrücken, und es folgt: m=+J X hµza i = g µB m exp (m x) m=−J m=+J X = 1 ∂Z . Z ∂x (20) exp (m x) m=−J Gleichung (19) für die Zustandssumme läßt sich weiter umformen zu Z = exp (−J x) 2J X exp (m x) , (21) m=0 und mit Hilfe der endlichen geometrischen Reihe erhält man ³ ´ 2J + 1 x sinh 1 − exp ([2J + 1] x) 2 ³ ´ Z = exp (−J x) = . 1 − exp (x) sinh x 2 8 (22) Abbildung 3: Die Magnetisierungskurve eines paramagnetischen Materials folgt einer Brillouinfunktion BJ (y), die hier für verschiedene Werte der Spinquantenzahl J aufgetragen ist (y = J gkµBBTB ). Einsetzen von Gleichung (22) in Gleichung (20) und Substitution von x durch y = J x liefert schließlich für die Magnetisierung M eines Paramagneten folgenden Ausdruck: M (y) = Ms BJ (y) , (23) wobei mit N N g µB J = µa , V V die Sättigungsmagnetisierung bei T = 0 definiert wird und µ ¶ µ ¶ 2J + 1 2J + 1 1 1 BJ (y) = coth y − coth y 2J 2J 2J 2J Ms = (24) (25) die Brillouinfunktion bezeichnet. Die Brillouinfunktion BJ (y) ist in Abbildung 3 für verschiedene Werte der Quantenzahl J aufgetragen. Insbesondere erhält man für J = 21 , B1/2 (y) = tanh(y) . (26) Wie man sich leicht überzeugen kann, sind typische Werte des Parameters y bei Raumtemperatur und für im Labor erhältliche Feldstärken von der Größenordnung 10−3 , sodass die Näherung coth(y) ≈ y1 + y3 für y ¿ 1 über einen weiten Temperaturbereich Gültigkeit besitzt (vgl. Abbildung 3). Im Rahmen dieser Näherung läßt sich die Magnetisierung schreiben als M= N µ2eff B, V 3 kB T wobei mit µeff = g µB p J(J + 1) 9 (27) (28) das effektive magnetische Moment bezeichnet wird. Man beachte, dass der Wert des effektiven magnetischen Moments µeff , der aus der Anfangssteigung der M (B)-Kurve bestimmt wird, nur im klassischen Limes J → ∞ mit dem Wert des atomaren magnetischen Moments µa , der sich aus der experimentellen Sättigungsmagnetisierung Ms gemäß Gleichung (24) ergibt, übereinstimmt. Für die paramagnetische Anfangssuszeptibilität χ(T ), die folgendermaßen definiert ist, µ0 ∂M χ(T ) = lim , (29) B−→0 ∂B erhält man mit Gleichung (27) das wohlbekannte Curie-Gesetz, χ(T ) = N µ0 µ2eff C = , V 3 kB T T wobei C= N µ0 µ2eff , V 3 kB (30) (31) die Curie-Konstante darstellt. Aus der Messung der Temperaturabhängigkeit von χ läßt sich deshalb µeff bestimmen. Der Wert der Suszeptibilität eines Langevin’schen Paramagneten ist für einen Festkörper bei Raumtemperatur von der Größenordnung +10−3 und damit (im allgemeinen) deutlich größer als der paramagnetische Beitrag der Leitungselektronen (Pauli’scher Paramagnetismus), dessen Größe, χ ∼ = µ0 µ2B g(EF ), durch den Wert der Zustandsdichte g(EF ) an der Fermienergie EF bestimmt wird und der für die meisten Metalle von der Größenordnung +10−5 ist (siehe z.B. Blundell). 3 3.1 Ferromagnetismus Phänomenologie Im Gegensatz zu paramagnetischen Materialien, bei denen die einzelnen atomaren magnetischen Momenten nur mit einem äußeren Magnetfeld jedoch nicht miteinander wechselwirken, gibt es in Ferromagneten eine langreichweitige Wechselwirkung zwischen den einzelnen Spins, die zu der experimentellen Beobachtung führt, dass Ferromagnete, selbst bei Fehlen eines äußeren Magnetfeldes, eine von Null verschiedene spontane Magnetisierung Ms aufweisen. Die Größe Ms wird in der Literatur oft auch als Sättigungsmagnetisierung bezeichnet. Der Wert der spontanen Magnetisierung ist eine Funktion der Kristalltemperatur (siehe Kapitel 3.2) und nimmt als Folge des steigenden Einflusses thermischer Fluktuationen mit ansteigender Temperatur ab. Abbildung 4 zeigt den experimentellen Verlauf der Temperaturabhängigkeit von Ms für Europiumoxid (EuO). Unterhalb der sogenannten CurieTemperatur TC , die in EuO bei ungefähr 77 K liegt, existiert eine von Null verschiedene spontane Magnetisierung, die bei Annäherung an TC kontinuierlich kleiner wird und, wie man erahnen kann, schließlich bei T = TC verschwindet. Die kritische Temperatur TC trennt die ferromagnetische Phase vom paramagnetischen Zustand. In Tabelle 1 sind die Übergang10 Abbildung 4: Temperaturabhängigkeit der spontanen Magnetisierung von Europiumoxid (EuO) [aus B. T. Matthias, R. M. Bozorth and J. H. Van Vleck, Phys. Rev. Lett. 7, 160 (1961)]. TC [K] µa [µB ] µ0 Ms (0) [T] Co 1360 1.72 1.80 Ni 627 0.616 0.66 Fe 1044 2.22 2.19 Gd 293 7.55 2.47 Tb 221 9.34 3.40 Tabelle 1: Curietemperaturen TC , atomare magnetische Momente µa und absolute Sättigungsmagnetisierungen Ms (0) einiger Ferromagnete. stemperaturen, die atomaren magnetischen Momente und die absoluten Sättigungsmagnetisierungen am Temperaturnullpunkt einiger wichtiger Ferromagnete aufgelistet. Ein weiteres fundamentales Charakteristikum ferromagnetischer Materialien, welches ebenfalls direkt experimentell zugänglich ist, ist die Existenz einer ferromagnetischen Domänenstruktur, wie sie in Abbildung 5 für einen Eisen-Einkristall dargestellt ist. Bei Temperaturen unterhalb der Curietemperatur ist der ferromagnetische Kristall in Bereiche (Domänen) mit jeweils homogener Magnetisierung M unterteilt, deren Größe unter anderem von der Größe des Kristalls abhängt, typischerweise jedoch im Bereich von einigen hundert µm liegt. Nach dem französischen Physiker Pierre Weiss werden ferromagnetische Domänen auch als Weiss’sche Bezirke bezeichnet. Die Stärke der sich spontan ohne äußeres Magnetfeld einstellenden Magnetisierung innerhalb eines solchen Weiss’schen Bezirks ist gleich der oben eingeführten spontanen Magnetisierung Ms . Geht man von einer Domäne zu einer benachbarten Domäne über, so ändert sich zwar die Richtung des Magnetisierungvektors M der einzelnen Domänen (vgl. 11 Abbildung 5: Ferromagnetische Domänenstruktur eines Fe-Einkristalls [aus A. Huber und R. Schäfer, Magnetic Domains (Springer, Berlin, 1998)]. Abbildung 6: Hysteresekurve eines Ferromagneten zur Veranschaulichung der Begriffe spontane Magnetisierung Ms , Remanenz Mr und Koerzitivfeldstärke Hc . Abbildung 5), der Betrag von M bleibt jedoch konstant gleich Ms . Die Übergangsbereiche zwischen Domänen bezeichnet man als Domänenwände, deren räumliche Ausdehnung, die Domänenwanddicke, für die bekannten Ferromagnete Co, Fe und Ni zwischen 25 nm und 120 nm liegt. Die gebräuchlichsten Techniken zur Abbildung der Domänenstruktur sind die Bitter-Technik, die Kerr-Mikroskopie, die Lorentz-Mikroskopie, die magnetische Kraftmikroskopie sowie die Rasterelektronenmikroskopie. Abbildung 6 zeigt den Response der Magnetisierung M auf ein von außen angelegtes Magnetfeld H für ein ferromagnetisches Material. Im Gegensatz zu Dia- und Paramagneten (vgl. Abbildungen 2 und 3) ist der Verlauf von M (H) für einen Ferromagneten keine eindeutige Funktion mehr. Nur bei hohen angelegten Feldern, im Bereich der Sättigung, ist der Verlauf reversibel. Bei kleinen und mittleren Feldern hingegen treten Hystereseeffekte in Erscheinung, d.h. erhöht man ausgehend von einem bestimmten Punkt (M ? , H ? ) auf der Kurve das Mag- 12 netfeld (H ? −→ H ? + ∆H), so kommt das System im allgemeinen nicht mehr zum gleichen Ausgangspunkt (M ? , H ? ) zurück, wenn der Wert des Feldes wieder auf den Ausgangswert H ? erniedrigt wird. Dieses Nichtgleichgewichtsphänomen, das auch in anderen Bereichen der Physik beobachtet wird (z.B. bei der Polarisation von Ferroelektrika), bezeichnet man als Hysterese, die Kurve M (H) als Hysteresekurve oder einfach als Magnetisierungskurve. Die charakteristischen Kenngrößen einer Hystereseschleife sind die spontane oder Sättigungsmagnetisierung Ms , die remanente Magnetisierung oder Remanenz Mr und die Koerzitivfeldstärke Hc (siehe Abbildung 6). In Einklang mit ihrer Definition als der im Feld H = 0 bei der Temperatur T im thermodynamischen Gleichgewicht bestehende Wert der Magnetisierung innerhalb einer Domäne wird die spontane Magnetisierung Ms (T ) bestimmt, indem die gemessenen Werte von M (T, H) bei den höchsten Magnetfeldern zu H = 0 extrapoliert werden. Die Art und Weise wie diese Extrapolation zu H = 0 durchgeführt wird hängt mit den Eigenschaften der untersuchten Probe zusammen und ist unter Umständen nicht trivial. Wenn z.B. störende“, immer präsente und durch ein Feld nicht absättigbare paramagneti” sche Beiträge bei hohen Feldern zum tragen kommen, d.h. wenn eine Erhöhung des Feldes zu einem weiteren Anstieg von M gemäß M (H) = χ H führt [vgl. Gleichung (27)], so muss zur Bestimmung von Ms eine Korrektur (z.B. eine lineare Extrapolation zu H = 0) bezüglich dieses Beitrags durchgeführt werden. Wenn solche Beiträge vernachlässigbar sind, dann ist M (H) im Sättigungsbereich eine horizontale Gerade, und der Wert von Ms läßt sich relativ einfach bestimmen. Die Remanenz Mr beschreibt den Wert von M , der sich einstellt, wenn das äußere Feld abgeschaltet wird. Es gilt: Mr ≤ Ms . Die Koerzitivfeldstärke Hc entspricht dem Wert des Feldes, welches notwendig ist, um die Magnetisierung aus dem remanenten Zustand auf den Wert Null zu reduzieren. Materialien mit einer geringen Koerzitivfeldstärke werden als weichmagnetisch und Materialien mit einem großem Hc (heutzutage mehrere Tesla) werden als hartmagnetisch bezeichnet. Die Unterschiede in den Hc -Werten zwischen Weichund Hartmagneten können mehrere Größenordnungen betragen. Weitere Charakteristika von Hystereseschleifen wie z.B. das anfängliche Durchlaufen der sogenannten Neukurve oder die Zuordnung von bestimmten Magnetisierungsprozessen innerhalb der Probe (Domänenwandbewegung, Rotationsprozesse) zu bestimmten Bereichen der Hysteresekurve können mit dem Betreuer während der Versuchsdurchführung diskutiert werden. In der Literatur werden Hystereseschleifen (wie in Abbildung 6) meistens als M (H)Kurven dargestellt, eher selten findet man eine Darstellung in der die magnetische Induktion B als Funktion des angelegten Feldes H aufgetragen ist. Wie man sich leicht überlegen kann, führen diese beiden Arten der Auftragung, abgesehen von einer geänderten Terminologie, zu unterschiedlichen Werten für die oben eingeführten Kenngrößen. Insbesondere zeigt die magnetische Induktion B(H) = µ0 [H + M (H)], im Gegensatz zu M (H), kein Anzeichen eines Sättigungsverhaltens bei hohen Feldern. B(H) ist eine streng monoton steigende Funktion von H, während M (H) bei hohen Feldern (abgesehen von einem möglichen paramagnetischen Beitrag) konstant ist. Für weichmagnetische Materialien, bei denen ein kleines Feld H 13 eine relativ hohe Magnetisierung M À H induziert, ist der Unterschied zwischen einer B(H)und einer M (H)-Auftragung jedoch relativ klein, sodass für kleine Felder B(H) ≈ µ0 M (H) gilt. 3.2 Theorie Eines der ältesten Modelle zur Beschreibung der Temperaturabhängigkeit der spontanen Magnetisierung ist die auf Pierre Weiss zurückgehende Weiss’sche Molekularfeldtheorie, die auch als Mean-Field-Theorie bezeichnet wird. Um den experimentellen Befund des Auftretens einer spontanen Magnetisierung in ferromagnetischen Materialien zu erklären, hat Weiss im Jahre 1907 die Existenz des Molekularfeldes oder Austauschfeldes BM postuliert. Im Rahmen der Mean-Field-Theorie stellt das Molekularfeld ein internes und für alle Atome gleiches effektives Magnetfeld dar, welches für die Ausrichtung von im Gitter benachbarter magnetischer Momente verantwortlich ist. Eine tieferliegende quantenmechanische Rechfertigung für die Einführung dieses Austauschfeldes folgte später im Jahre 1928 durch Werner Heisenberg. Im Rahmen des Heisenberg’schen Modells liegt die Ursache für die Ausbildung einer spontanen Magnetisierung bei H = 0 in der quantenmechanischen Austauschwechselwirkung zwischen den einzelnen magnetischen Momenten. Die Austauschwechselwirkung ist elektrostatischer Natur und für die Austauschenergie Ei,j zweier benachbarter Gitteratome (i, j) mit jeweiligen Spinvektoren Si und Sj gilt, Ei,j = −Ji,j Si · Sj . (32) Die Größe Ji,j wird Austauschintegral oder Austauschkonstante genannt und der Wert von Ji,j , der im allgemeinen experimentell bestimmt wird, hängt vom Überlapp der elektronischen Wellenfunktionen benachbarter Gitteratome ab, d.h. Ji,j parametrisiert die Stärke der Wechselwirkung benachbarter Spins. Weitere Details sind an dieser Stelle nicht relevant und können z.B. in Kapitel 3 des Buches von Aharoni nachgelesen werden. Von Interesse ist jedoch, dass obige Austauschenergie Ei,j für Ji,j > 0 die Parallelstellung von benachbarten Spins favorisiert während für Ji,j < 0 die Antiparallelstellung energetisch günstiger ist. Ferromagnete, bei denen alle Spins parallel sind, haben deshalb eine positive Austauschkonstante, und Antiferromagnete, bei denen benachbarte Spins antiparallel zueinander orientiert sind, besitzen eine negative Austauschkonstante. Wie wir im Folgenden sehen werden, ist die Stärke der Austauschwechselwirkung (auf Längenskalen von der Größenordnung der Einheitszelle) außerordentlich stark, und der Ausrichtungseffekt zwischen benachbarten Spins, der sich experimentell durch die Ausbildung der spontanen Magnetisierung manifestiert, kann nicht etwa durch die Dipolwechselwirkung zwischen benachbarten Gitteratomen erkärt werden. Das Feld, welches ein magnetisches Moment µB am Ort eines Nachbaratoms im Abstand a = einige Å erzeugt, ist von der Größenordnung µ0aµ3 B ∼ = 0.1 T, und ist daher um Größenordnungen kleiner als das Austauschfeld (siehe unten). 14 Im Rest dieses Kapitels werden wir die Weiss’sche Molekularfeldtheorie darlegen, die trotz ihrer stark vereinfachenden Annahmen viele Phänomene auch quantitativ erklären kann. Die zentrale Annahme im Weiss’schen Modell ist, dass das Molekularfeld BM proportional zur Magnetisierung M des Materials ist, B M = λ µ0 M , (33) wobei die temperaturunabhängige Proportionalitätskonstante λ als die Molekularfeldkonstante bezeichnet wird und ein Maß für die Stärke der Wechselwirkung darstellt. Für Ferromagnete ist λ > 0, und für Antiferromagnete ist λ < 0. In Abwesenheit eines äußeren Magnetfeldes wirkt auf jedes atomare magnetische Moment das Molekularfeld BM , es kommt zur Ausrichtung benachbarter Spins, und eine spontane Magnetisierung resultiert. In Gegenwart eines äußeren Magnetfeldes B, ergibt sich das totale effektive Magnetfeld Beff , welches ein einzelnes Gitteratom spürt“ durch lineare Superposition, d.h. ” Beff = B + BM = B + λ µ0 M . (34) Da der zur Herleitung der Magnetisierung eines Weiss’schen Ferromagneten zugrundeliegende Mechanismus ähnlich dem eines Paramagneten ist—Ausrichtung von magnetischen Momenten im Feld Beff entgegen thermischen Fluktuationen—kann der mathematische Formalismus aus Kapitel 2.3 leicht modifiziert übernommen werden. Man muss lediglich das von außen angelegte Feld B durch das neue effektive Feld Beff ersetzen. Für die spontane Magnetisierung Ms eines Weiss’schen Ferromagneten folgt dann [vgl. Gleichung (23)]: Ms (y) = Ms (0) BJ (y) , (35) wobei Ms (0) = N V µa den absoluten Sättigungswert bei T = 0 bezeichnet [vgl. Gleichung (24)] und der Parameter y durch y= µa (B + λ µ0 Ms ) kB T ⇒ Ms = kB T B y− , µa µ0 λ µ0 λ (36) gegeben ist, d.h. das Argument y der Brillouinfunktion hängt über das Austauschfeld von der Magnetisierung ab. Gleichungen (35) und (36) stellen somit ein implizites Gleichungssystem für die spontane Magnetisierung dar, welches numerisch oder graphisch gelöst werden kann. Für die graphische Lösung zeichnet man Ms (y) gemäß Gleichung (35) und Ms (y) gemäß Gleichung (36) in das gleiche Schaubild ein. In Abbildung 7 ist dies für den Fall B = 0 aufgetragen. In dieser Situation ist die Funktion Ms (y) gemäß Gleichung (36) eine Ursprungsgerade, deren Steigung von der Temperatur abhängt. Die Schnittpunkte dieser Geraden mit der Funktion Ms (0) BJ (y) geben Auskunft über die Lösungen von obigem Gleichungssystem. Ist die Steigung der Ursprungsgeraden bei y = 0 identisch mit der Steigung der Funktion Ms (0) BJ (y) an diesem Punkt, so stellt der Schnittpunkt bei y = 0 und Ms = 0 auch die 15 Abbildung 7: Die Funktion Ms (y) gemäß den Gleichungen (35) und (36) bei B = 0. einzige Lösung des Gleichungssystems dar. Unter Verwendung der Näherung für die Brillouinfunktion, BJ (y) ∼ = J+1 3 J y für y ¿ 1, läßt sich diese Aussage durch kB T J +1 = Ms (0) µ0 µa λ 3J (37) ausdrücken. Gleichung (37) definiert die ferromagnetische Curie-Temperatur TC als die Temperatur, die spontan magnetisierte Zustände (Ms 6= 0 bei B = 0) von Zuständen ohne spontane Magnetisierung (Ms = 0 bei B = 0) trennt. Mit Hilfe der Gleichungen (4), (28) und (31) läßt sich TC durch das effektive Moment µeff und durch die Curie-Konsante C ausdrücken, TC = N µ0 µ2eff λ=Cλ . V 3 kB (38) Für Temperaturen T < TC (und B = 0) ist die Steigung der Ursprungsgeraden, Gleichung (36), bei y = 0 kleiner als die dortige Steigung der Funktion Ms (0) BJ (y), und es existieren zwei stabile, nicht verschwindende Lösungen bei ± Ms und eine instabile Lösung bei Ms = 0. Mit anderen Worten, für T < TC existiert eine spontane Magnetisierung, deren Wert für gegebene Quantenzahl J mit sinkender Temperatur ansteigt. Für T > TC existiert hingegen keine spontane Magnetisierung, es ist Ms = 0 bei y = 0 die einzige simultane Lösung des Gleichungssystems (vgl. Abbildung 7). Die mittels Gleichung (38) eingeführte Curie-Temperatur ist aufgrund ihrer Proportionalität zu λ ein Maß für die Stärke der Austauschwechselwirkung eines Materials. Typische experimentelle Werte für die Curie-Konstante C liegen bei wenigen Kelvin, sodass die Molekularfeldkonstante λ von der Größenordnung 102 ist (vgl. Tabelle 1). Zusammen mit typischen Werten für die spontane Magnetisierung µ0 Ms ∼ = 1 T, nimmt dann das Austauschfeld BA 2 3 enorm große Werte zwischen 10 − 10 T an. Obwohl BA formal wie ein Magnetfeld behandelt 16 s (y) Abbildung 8: (a) Reduzierte spontane Magnetisierung M Ms (0) als Funktion der reduzierten Temperatur TTC für verschiedene Werte der Quantenzahl J und für B = 0. (b) Temperaturabhängigkeit der spontanen Magnetisierung bei verschiedenen angelegten Magnetfeldern (J = 1 jeweils). Für B 6= 0 existiert eine von Null verschiedene spontane Magnetisierung bei allen Temperaturen, wohingegen im Nullfeld Ms = 0 für T ≥ TC . wird, stellt es jedoch kein Magnetfeld im Maxwell’schen Sinn dar und taucht demzufolge auch nicht in den Maxwell’schen Gleichungen auf. Das Austauschfeld ist ein fiktives Feld, das von Weiss auf phenomenologische Weise eingeführt wurde, um die experimentellen Befunde der spontanen Magnetisierung und der hohen Übergangstemperaturen erklären zu können. Wie zuvor bereits ausgeführt ist die Dipol-Dipol-Wechselwirkung zwischen benachbarten Gitteratomen von der Größenordnung 0.1 T und damit nicht in der Lage die experimentellen Erscheinungen quantitativ zu erklären. Mit Hilfe des Ausdrucks für TC , Gleichung (38), läßt sich die reduzierte spontane Mags (y) T netisierung M Ms (0) als Funktion der reduzierten Temperatur TC ausdrücken. Die numerische Lösung für die reduzierte Magnetisierung als Funktion der reduzierten Temperatur ist in Abbildung 8a für verschiedene Werte der Quantenzahl J und für B = 0 zu sehen. Abbildung 8a läßt alle zuvor diskutierten Eigenschaften der Funktion BJ (y) erkennen. Für T < TC existiert eine spontane Magnetisierung, die bei Annäherung an TC kontinuierlich gegen Null geht und schließich für T ≥ TC verschwindet. Die spontane Magnetisierung, die den Ordnungsparameter beim Phasenübergang vom para- in den ferromagnetischen Zustand darstellt, zeigt s keine Diskontinuität am kritischen Punkt. Vielmehr ist es die Suszeptibilität χ ∝ ∂M ∂B , die am Phasenübergangspunkt eine Divergenz aufweist (siehe Abbildung 9 und Teilversuch 2). 17 Abbildung 9: Temperaturabhängigkeit der Suszeptibilität χ von Terbium. Bei der paramagnetischen Curie-Temperatur TC ≈ 230 T weist χ(T ) eine Divergenz auf. Da sich im Rahmen der statistischen Mechanik die Magnetisierung aus der ersten Ableitung der Freien Energie nach dem Feld und die Suszeptibilität demnach als die zweite Ableitung der Freien Energie nach dem Feld ergibt, läßt sich für einen Weiss’schen Ferromagneten der Übergang vom para- in den ferromagnetischen Zustand als einen Phasenübergang zweiter Art klassifizieren. Obwohl die Molekularfeldtheorie nicht in der Lage ist experimentell beobachtete Hystereseerscheinungen zu erklären (wie z.B. die in Abbildung 6), gibt sie dennoch die Temperaturabhängigkeit der spontanen Magnetisierung bei hohen Temperaturen für viele Materialien gut wieder. Bei tiefen Temperaturen (T ¿ TC ) verwendet man zur Beschreibung von Ms (T ) das Bloch’sche T 3/2 -Gesetz (ohne Herleitung), " µ ¶3/2 # T Ms (T ) = Ms (T = 0) 1 − K , (39) TC wobei K eine Materialkonstante ist. Hintergrund für dieses Verhalten ist die Anregung von Spinwellen (Magnonen), die hier nicht weiter besprochen werden. Der Effekt eines angelegten Magnetfeldes auf den Verlauf von Ms (T ) besteht darin, den Phasenübergang zu unterdrücken. Wie man sich anhand von Gleichung (36) leicht verdeutlichen kann, erhält man für B 6= 0 keine Ursprungsgerade in Abbildung 7, sondern eine Gerade, die die y-Achse bei kµBa B T > 0 schneidet. Konsequenterweise erhält man dann eine nichtverschwindende spontane Magnetisierung Ms 6= 0 bei allen Temperaturen, d.h. im Rahmen der Molekularfeldtheorie existiert kein Phasenübergang für B 6= 0 (siehe Abbildung 8b). Bei einer Erhöhung der Kristalltemperatur gewinnen thermische Fluktuationen zunehmend an Bedeutung, die Austauschwechselwirkung zwischen den Spins wird aufgehoben und die langreichweitige ferro- oder antiferromagnetische Ordnung verschwindet. Für Temperatu18 ren T > TC verhalten sich Ferromagnete wie reguläre Paramagnete. Im Nullfeld sind dann die Orientierungen der einzelnen Spins statistisch verteilt und die Magnetisierung ist im Mittel gleich Null. Für kleine angelegte Magnetfelder besteht ein linearer Zusammenhang zwischen dem Feld und der induzierten Magnetisierung [vgl. Gleichung (27)]. Vermittels Gleichung (33) ist die durch ein angelegtes Feld verursachte Magnetisierung wiederum verantwortlich für die Existenz eines (wenn auch relativ schwachen) Molekularfeldes. Ein kleines“ angelegtes Feld ” von 1 T induziert bei einem paramagnetischen Material mit einer typischen Suszeptibilität von der Größenordnung +10−3 eine Magnetisierung von 10−3 T, sodass mit einem charakteristischen Wert der Molekularfeldkonstanten λ ∼ = 100 das Molekularfeld im paramagnetischen Bereich einen Wert von etwa 0.1 T annimmt und damit um mehrere Größenordnungen kleiner ist als das Molekularfeld im ferromagnetischen Zustand. Für die Anfangssuszeptibilität χ eines Weiss’schen Ferromagneten im paramagnetischen Temperaturbereich erhält man unter ∼ J+1 y für y ¿ 1 und unter Beachtung der Gleichungen (35), (36) Zuhilfenahme von BJ (y) = 3J und (38) das Curie-Weiss-Gesetz, χ(T ) = C . T − TC (40) Das Curie-Weiss-Gesetz besitzt Gültigkeit im paramagnetischen Temperaturbereich und beschreibt das Verhalten der Anfangssuszeptibilität für T À TC . Wie man in Abbildung 9 erkennen kann weist χ(T ) bei Annäherung an TC von oben eine Diskontinuität auf. Anhand einer Messung der Temperaturabhängigkeit der Anfangssuszeptibilität im paramagnetischen Bereich und durch eine Auftragung χ−1 (T ) läßt sich die paramagnetische Übergangstemperatur TC (siehe unten) aus dem Achsenabschnitt und die Curie-Konstante C (und damit das effektive magnetische Moment µeff ) aus der Steigung bestimmen [vgl. Gleichung (31)]. Die Bestimmung der Übergangstemperatur TC eines Ferromagneten kann also zum einen durch die Messung der Temperaturabhängigkeit der spontanen Magnetisierung Ms (T ) im Nullfeld und durch anschließende Extrapolation zu Ms = 0 erfolgen, zum anderen kann TC aus einer Messung der Suszeptibilität χ(T ) gemäß Gleichung (40) oberhalb von TC im paramagnetischen Bereich erfolgen. Je nachdem welches Verfahren Anwendung findet wird in der Literatur zwischen der ferromagnetischen Curie-Temperatur und der paramagnetischen CurieTemperatur unterschieden. Obwohl innerhalb der Weiss’schen Theorie beide Verfahren den selben Wert liefern sollten, zeigen Experimente, dass die paramagnetische Curie-Temperatur im allgemeinen größer ist als die ferromagnetische Curie-Temperatur (siehe Abbildung 9 und Teilversuch 2). Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Gleichung (40) einen Sonderfall des verallgemeinerten Curie-Weiss-Gesetzes C χ(T ) = (41) T +θ darstellt, welches sowohl für Ferromagnete oberhalb der Curie-Temperatur TC als auch für Antiferromagnete oberhalb der Néel-Temperatur TN Gültigkeit besitzt. Der Parameter θ in 19 Gleichung (41) ist dabei proportional zum Austauschintegral Ji,j zwischen benachbarten Atomen. Für Ferromagnete ist Ji,j > 0 definiert, und es läßt sich zeigen, dass dann θ < 0 ist, für Antiferromagnete ist Ji,j < 0 und θ > 0. Insbesondere gilt innerhalb der Molekularfeldnäherung θ = −TC für einen einfachen Ferromagneten und θ = TN für einen einfachen Antiferromagneten. 3.3 Methodik Im Experiment hat man es nie mit unendlich ausgedehnten, idealisierten Modellsystemen zu tun. Reale Proben haben immer eine endliche Größe, und daraus resultierende Randeffekte, die in Theorien oft vernachlässigt werden, können Einfluss auf das Ergebnis einer magnetischen Messung haben. Aufgrund der endlichen Ausdehnung einer Probe macht die Magnetisierung an der Oberfläche des Materials einen Sprung, der mit einem das angelegte Feld H schwächenden sogenannten Entmagnetisierungsfeld Hd verbunden ist (siehe unten). Das Entmagnetisierungsfeld Hd , auch magnetostatisches Streufeld genannt, ist eine Funktion der Probenform. Da es generell wünschenswert ist, dass eine bestimmte magnetische Messmethode (z.B. eine Magnetometermessung) nur die intrinsische Eigenschaft des Materials widerspiegelt und nicht etwa von der gewählten Form der Probe abhängt, muss bei den meisten magnetischen Messungen eine Korrektur bezüglich Hd vorgenommen werden. Um verschiedene Messungen an der gleichen Substanz mit Proben unterschiedlicher Form miteinander vergleichen zu können, wird deshalb in der Praxis eine Entmagnetisierungskorrekur vorgenommen. Eine solche Korrektur hat das Ziel, den Effekt der Probenform zu eliminieren und zu den intrinsischen Eigenschaften der Probe zu gelangen. Man trägt dann (für eine homogen magnetisierte Probe) den Betrag M der Magnetisierung nicht mehr als Funktion des Betrags des angelegten Magnetfeldes H auf, sondern als Funktion des Betrags des internen Feldes Hi . Der Zusammenhang zwischen H und Hi ist durch Hi = H + Hd = H − Nd M (42) gegeben, wobei Nd den Entmagnetisierungstensor bezeichnet, dessen Einträge von der Probenform abhängen. Liegt bei einer homogen magnetisierten Probe die Magnetisierung M entlang einer der Hauptachsen der Probe, so ist 0 ≤ Nd ≤ 1 eine skalare Größe, deren numerischer Wert für die meisten geometrischen Formen tabelliert ist. Für die Summe der EntmagnetisieP i rungsfaktoren entlang der drei Hauptachsen einer Probe gilt i=3 i=1 Nd = 1. Aus Gleichung (42) ist unmittelbar ersichtlich, dass das Feld Hi im Inneren der Probe nicht identisch ist mit dem von außen angelegten Magnetfeld H. Die physikalische Ursache des Entmagnetisierungsfeldes ist die magnetische Dipol-DipolWechselwirkung. Das magnetostatische Streufeld Hd entspricht dem Magnetfeld, welches durch die Existenz der einzelnen magnetischen Momente selbst erzeugt wird. Bei einer homogen magnetisierten Probe zeigen alle magnetischen Momente entlang einer Richtung, z.B. entlang der Richtung des äußeren Magnetfeldes. An der Oberfläche dieser Probe tritt jedoch 20 + + + + + + + H + + + H M Hd − − −− − − − −− − Abbildung 10: Eine magnetische Probe, die durch ein homogenes angelegtes Magnetfeld H (entlang einer der Hauptachsen der Probe) homogen magnetisiert ist, produziert ein Entmagnetisierungsfeld Hd , welches dem äußeren Feld (und damit auch der Magnetisierung M des Materials) entgegengerichtet ist. Nur für ein allgemeines Ellipsoid ist das Entmagnetisierungsfeld homogen, d.h. Hd und das interne Feld Hi haben in jedem Punkt im Innern der Probe den gleichen Betrag, und es gilt: Hi = H + Hd . eine Diskontinuität der Magnetisierung auf, da die magnetischen Momente, die sich in unmittelbarer Umgebung der Probenoberfläche befinden ungepaart“ sind. Man sagt dann, dass ” an der Oberfläche (fiktive) magnetische Oberflächenladungen existieren, die dann Quelle des magnetostatischen Streufeldes sind (vgl. Abbildung 10). Nur für ein allgemeines Ellipsoid (Spezialfall: Kugel) ist eine exakte Berechnung des Entmagnetisierungsfaktors möglich, für alle anderen geometrischen Formen wie z.B. Zylinder oder Quader können die Werte für Nd nur näherungsweise bestimmt werden. Ebenso sei noch erwähnt, dass die Angabe des Entmagnetisierungsfeldes durch Hd = −Nd M streng nur für eine homogen magnetisierte Probe gültig ist. Existieren inhomogene Magnetisierungsverteilungen innerhalb der Probe, d.h. hängt die Magnetisierung explizit vom Ort ab, M = M(x), so treten in der Regel zusätzlich zu den Oberflächenladungen noch Volumenladungen, sogenannte Volumendivergenzen auf. Für eine detaillierte Ausführung über magnetostatische Grundlagen wird auf Kapitel 6 des Buches von Aharoni verwiesen. 4 Superparamagnetismus Wie wir in Kapitel 3.2 gesehen haben, sind bei einem Ferromagneten die einzelnen atomaren magnetischen Momente über die quantenmechanische Austauschwechselwirkung miteinander gekoppelt, d.h. es besteht im Gegensatz zum Paramagneten eine direkte oder auch indirekte Kopplung zwischen den einzelnen Spins, die aus Gründen der Energieminimierung die Parallelstellung von benachbarten magnetischen Momenten im Gitter favorisiert. Da die Austauschwechselwirkung das magnetische Verhalten eines Systems auf einer Längenskala von wenigen Nanometern dominiert, sind in ferromagnetischen Partikeln mit einem typischen Durchmes- 21 ser von einigen 10 nm alle Spins parallel zueinander, und man spricht dann von einem sogenannten Eindomänenteilchen. Das Herabskalieren der Dimension eines Ferromagneten in den Nanometerbereich führt also dazu, dass die komplizierte Mehrdomänenstruktur (siehe Abbildung 5) zugunsten einer Eindomänenstruktur verschwindet. Sind die Eindomänenteilchen genügend klein, sodass ihre magnetische Energie vergleichbar ist mit der thermischen Energie kB T , so kann eine spontane, thermische aktivierte Umkehr der Magnetisierung des Teilchens erfolgen. Dieses Phänomen bezeichnet man als superparamagnetische Relaxation, und eine Probe bestehend aus vielen solchen wechselwirkungsfreien Eindomänenteilchen nennt man einen Superparamagneten. Der Name Superparamagnet rührt daher, das der Magnetisierungsprozeß eines Superparamagneten, ähnlich dem eines Paramagneten, durch den Wettbewerb zwischen magnetischer und thermischer Energie bestimmt wird (siehe Kapitel 2.3). Der Unterschied zum Paramagneten besteht darin, dass das magnetische Gesamtmoment eines superparamagnetischen Teilchens (Superspin) aufgrund seiner Größe von etwa 10 nm typischerweise 103 − 104 µB beträgt. Ein Superparamagnet bei dem die Matrix in die die Teilchen eingebettet sind flüssig ist, bezeichnet man als ein Ferrofluid. 4.1 Thermisch aktivierte superparamagnetische Relaxation Superparamagnete oder allgemeiner magnetische Nanopartikel sind Gegenstand beträchtlicher Forschungen, sowohl aus grundlagen- als auch aus technologieorientierter Sicht. Als ein höchst aktuelles Beispiel sei die Untersuchung der Eignung von magnetischen Nanopartikeln zur Konstruktion des sogenannten Quantencomputers genannt. Ein wesentlicher Punkt, der vielen technologisch motivierten Fragestellungen zugrunde liegt, ist dabei die Untersuchung der Relaxationsdynamik eines superparamagnetischen Teilchens. Möchte man z.B. ein magnetisches Nanopartikel zur Datenspeicherung einsetzen und soll die Situation in der der Spin des Partikels in eine bestimmte Richtung zeigt als Spin-up-Zustand“ gekennzeichnet wer” den, so möchte man natürlich vermeiden, dass eine spontane und ungewollte (etwa thermisch aktivierte) Umkehr des Magnetisierungsvektors in den Spin-down-Zustand“ stattfindet. Das ” Verständnis und die Kontrolle des Magnetisierungsumkehrprozesses in Nanopartikeln ist deshalb von hohem Interesse. Teilversuch 4 beschäftigt sich mit der Messung der Temperaturabhängigkeit der Magnetisierung einer superparamagnetischen Probe für zwei unterschiedliche Versuchsdurchführungen. Da zum Verständnis dieses Experiments ein Verständnis der Relaxationsdynamik von superparamagnetischen Partikeln notwendig ist, wird in diesem Abschnitt kurz auf diese Thematik eingegangen. Im Rahmen der Néel-Brown-Theorie ist die Relaxationszeit τ eines superparamagnetischen Teilchens durch µ ¶ U τ = τ0 exp , (43) kB T gegeben, wobei τ0 ∼ = 10−9 s eine charakteristische mikroskopische Relaxationszeit ist, und U beschreibt die Energiebarriere, die der Magnetisierungsvektor zur Umkehr seiner Richtung 22 Abbildung 11: Doppelmuldenpotential, Gleichung (44) für H = 0, zur Veranschaulichung des Prozesses der thermisch aktivierten superparamagnetischen Relaxation. überwinden muss.3 Anschaulich kann man sich den Prozess der thermisch aktivierten superparamagnetischen Relaxation anhand des in Abbildung 11 gezeigten Doppelmuldenpotentials vorstellen. Innerhalb des Teilchens existieren bestimmte Vorzugsrichtungen, sogenannte leichte Richtungen, für die die magnetische Energie minimiert ist. Mit anderen Worten, das Teilchen ist nicht vollständig isotrop, bestimmte Richtungen im Kristallgitter sind gegenüber anderen ausgezeichnet. Demzufolge muss der Ausdruck für die magnetische Energie eines superparamagnetischen Eindomänenteilchens durch einen Energieterm erweitert werden, der eben diese Anisotropie berücksichtigt. Mögliche Ursachen für die Existenz dieser Anisotropie(n) können mit dem Betreuer während des Versuches diskutiert werden. In Gegenwart eines angelegten Magnetfeldes H kann man die totale magnetische Energie U eines Eindomänenteilchens mit Volumen V durch U = K V sin2 β + µ0 V H · M (44) ausdrücken. Die Größe β bezeichnet hierbei den Winkel zwischen dem Magnetisierungsvektor M des Partikels und der leichten Kristallrichtung, und K ist eine temperaturabhängige Materialkonstante (mit der Einheit Jm−3 ), die die Stärke der leichten Richtung beschreibt. Im Nullfeld ist die Energiebarriere gleich K V und die beiden leichten Richtungen sind durch β = 0 und durch β = π festgelegt, d.h. der Grundzustand des Systems ist zweifach entartet (siehe Abbildung 11). Möchte man die Relaxationsdynamik eines superparamagnetischen Teilchens experimentell mit Hilfe eines Magnetometers erfassen, so ist das Verhältnis der Relaxationszeit τ des Teilchens zur charakteristischen Zeitskala t? ∼ = 10 s, die ein Magnetometer zur Messung des 3 Gleichung (43) beschreibt die thermisch aktivierte Relaxation des magnetischen Moments in Gegenwart einer Anisotropieenergiebarriere. Diese Form der Relaxation wird als Néel’sche Relaxation bezeichnet. Zusätzlich zu diesem Mechanismus gibt es in Ferrofluiden noch die sogenannte Brown’sche Relaxation, welche die Rotations-Diffusionsbewegung des Teilchens in der viskosen Flüssigkeit beschreibt. 23 magnetischen Moments benötigt, entscheidend.4 Nimmt der Exponent kBU T in Gleichung (43) so große Werte an (z.B. bei tiefen Temperaturen), sodass τ À t? gilt, so beobachtet man mit dem Magnetometer eine stabile, zeitunabhängige Magnetisierung. Der Magnetisierungsvektor M des Partikels ist dann entlang einer der beiden leichten Richtungen eingerastet, und innerhalb der Meßzeit t? beobachtet man keine Variation von M. Man sagt dann das Teilchen ist geblockt. Umgekehrt, für U ¿ kB T (z.B. bei hohen Temperaturen) kann die Situation τ ¿ t? realisiert werden, und man beobachtet schnelle Fluktuationen (typischerweise 109 pro Sekunde) von M zwischen den beiden leichten Richtungen. Dies ist die Situation, die man als thermisch aktivierte superparamagnetische Relaxation bezeichnet. Wird andererseits durch geeignete Wahl der Temperatur die Situation eingestellt bei der τ ∼ = t? ist, so beobachtet man eine explizit zeitabhängige, relaxierende Magnetisierung M (t). Die Temperatur, die das stabile vom superparamagnetischen Regime trennt, bezeichnet man als die Blockingtemperatur TB , die Sie in Teilversuch 4 für eine superparamagnetische Probe bestimmen werden. 4.2 Magnetisierung und Suszeptibilität eines Superparamagneten Aufgrund der Analogie zwischen dem Para- und dem Superparamagnetismus kann der mathematische Formalismus, der zur Herleitung des Langevin’schen Paramagnetismus geführt hat, nahezu unverändert auf den Superparamagnetismus angewandt werden. Der Unterschied besteht darin, dass nun die Komponente des magnetischen Moments in Feldrichtung nicht mehr gequantelt ist [m = −J, ..., +J, vgl. Gleichung (17)], sondern vielmehr durch den Erwartungswert der kontinuierlichen Funktion Ms cos ϑ gegeben ist, wobei ϑ den Winkel zwischen dem Magnetisierungsvektor M und dem angelegten Feld B bezeichnet. In Analogie zu Gleichung (18) folgt für den Erwartungswert der Funktion cos ϑ, µ ¶ Z 4π µ B cos ϑ cos ϑ exp dΩ M kB T = hcos ϑi = 0 Z 4π , (45) µ ¶ Ms µ B cos ϑ exp dΩ kB T 0 wobei µ das Gesamtmoment eines Superspins darstellt und die Integration sich über die Einheitskugel mit Raumwinkelelement dΩ erstreckt. Gleichung (45) hat als Lösung die sogenannte Langevinfunktion L(y), 1 M = hcos ϑi = L(y) = coth(y) − , Ms y (46) die in Abbildung 3 eingetragen ist und die sich konsistenterweise aus der Brillouinfunktion, Gleichung (25), im Grenzfall J → ∞ ergibt, d.h. B∞ (y) = L(y). y ergibt sich für einen 4 Idealerweise werden in experimentellen Untersuchungen an magnetischen Nanopartikeln mehrere Meßmethoden mit jeweils unterschiedlichen charakteristischen Beobachtungszeitskalen t? kombiniert. Weit verbreitete Untersuchungsmethoden, die in Kombination ein Zeitintervall von etwa 104 − 10−12 s abdecken, sind AC- und DC-Magnetometrie (t? ∼ = 104 − 10−5 s), Muonenspinrelaxation (t? ∼ = 10−5 − 10−7 s), ? ∼ −8 −10 ? ∼ Mössbauerspektroskopie (t = 10 − 10 s) und inelastische Neutronenstreuung (t = 10−7 − 10−12 s). 24 Superparamagneten zu y = kµBBT . Für y ¿ 1 gilt wiederum: L(y) ∼ = y3 und für die (Anfangs)Suszeptibilität χ eines Superparamagneten erhält man das bekannte Curie-Gesetz, χ(T ) = N µ0 µ2 , V 3 kB T (47) wobei N die Anzahl der Partikel mit magnetischem Moment µ im Volumen V bezeichnet. Als Konsequenz der Kopplung einer großen Anzahl von Spins zu einem Superspin ist das Verhältnis kµBBT für einen Superparamagneten sehr viel größer als für einen Paramagneten. Dementsprechend lassen sich Superparamagnete schon mit relativ kleinen Magnetfeldern von der Größenordnung von 1 T sättigen (siehe Versuch 4), wohingegen Paramagnete nur bei sehr tiefen Temperaturen gesättigt werden können. Bei Raumtemperatur können Paramagnete im allgemeinen nicht mit üblichen, im Labor erhältlichen Magnetfeldern gesättigt werden. Um z.B. bei der in Teilversuch 1 zu untersuchenden Gadolinium-Gallium-Garnet-Probe einen Zustand B7/2 (y) = 0.99 einzustellen (g = 2, J = 27 , µa = 7 µB ), ist bei Raumtemperatur ein Feld von ungefähr 744 T von Nöten. 25 Messmethoden In diesem Praktikumsversuch werden Sie die magnetischen Eigenschaften verschiedener Proben untersuchen und analysieren. Zur Charakterisierung der magnetischen Eigenschaften stehen zwei Messapparaturen zur Verfügung: 1. Ein vibrating sample magnetometer VSM der Firma Lake Shore. Die Funktionsweise des VSM beruht darauf, dass die zu untersuchende Probe in einem homogenen, statischen Magnetfeld in Schwingung gebracht wird und die daraus resultierende zeitliche Änderung der magnetischen Flussdichte eine Spannung in den Detektionsspulen induziert. Unter geeigneten Bedingungen ist die induzierte Spannung proportional zum magnetischen Moment der Probe und kann nach Kalibrierung mit einer Eichprobe quantifiziert werden. 2. Extraktionsmagnetometer PPMS der Firma Quantum Design Im Unterschied zum VSM wird bei dem QD Magnetometer die Probe nicht in eine periodische Schwingung versetzt, sondern mehrmals hintereinander aus dem Magnetfeld herausgezogen. Der Vorteil des PPMS ist die Möglichkeit, das magnetische Moment als Funktion der Temperatur zu untersuchen. Aufgaben 1. Messen Sie mit Hilfe des VSM-Magnetometers die Raumtemperaturmagnetisierungskurven von paramagnetischem Gadolinium-Gallium-Granat (GGG, Gd3 Ga5 O12 ). Bestimmen Sie zunächst den Massenanteil von Gadolinium (Gd) an der Gesamtmasse der GGG-Probe, und berechnen Sie anschließend aus den experimentellen Werten für das magnetische Moment (in emu) die Größe µ0 M (in Tesla). Stellen Sie µ0 M (µ0 H) graphisch dar. Zeichnen Sie in das gleiche Schaubild die Funktion µ0 Ms B7/2 , wobei Sie die Sättigungsmagnetisierung Ms (T = 0) aus den angegebenen Werten für das atomare magnetische Moment µa und für die atomare Dichte bestimmen (g = 2). Masse der GGG-Probe: 0.3087 g; Molgewicht Gd: 157.25 g mol−1 ; Molgewicht Ga: 69.72 g mol−1 ; Molgewicht O: 15.999 g mol−1 ; Dichte GGG: 7.08 g cm−3 ; atomares magnetisches Moment Gd: µa = 7 µB ; T = 295 K. 2. Messen Sie mit Hilfe des Extraktionsmagnetometers die Suszeptibilität χ von polykristallinem Terbium (Tb) im Temperaturbereich 200 K ≤ T ≤ 280 K. Bestimmen Sie das effektive magnetische Moment µeff und die paramagnetische Curie-Temperatur TC von Tb aus einem Curie-Weiss-Plot, d.h. aus einer Auftragung χ−1 (T ). Masse der Tb-Probe: 0.0232 g; Dichte Tb: 8.253 g cm−3 ; atomare Dichte Tb: 3.13 × 1028 m−3 . 26 3. Messen Sie mit Hilfe des VSM-Magnetometers die Magnetisierung M einer polykristallinen Cobalt-Probe als Funktion des angelegten Magnetfeldes H für die beiden Situationen in denen die Probe mit ihrer Längsachse parallel bzw. senkrecht zu H orientiert ist. Stellen Sie die beiden Kurven µ0 M (µ0 H) graphisch dar. Führen Sie eine Entmagnetisierungskorrektur (Scherung) durch, d.h. tragen Sie für beide Geometrien die Magnetisierung als Funktion des internen Feldes Hi = H −Nd M auf, wobei Nd den von der Probenform abhängigen Entmagnetisierungsfaktor bezeichnet und M den Wert der Magnetisierung bei dem jeweiligen H-Wert darstellt. Variieren Sie Nd solange, bis die beiden Magnetisierungskurven möglichst übereinP stimmen (Beachte 3i=1 Ndi = 1). Masse der Co-Probe: 0.00946 g; Dichte Co: 8.804 g cm−3 . Überlegen Sie sich, wie sich die Werte der spontanen Magnetisierung, der Remanenz und der Koerzitivfeldstärke unter einer solchen Entmagnetisierungskorrektur verhalten. 4. Messen Sie mit Hilfe des VSM-Magnetometers die Raumtemperaturmagnetisierungskurven zweier superparamagnetischer NiAg-Proben. Es handelt sich bei beiden Proben um dasselbe Ausgangsmaterial aus nanokristallinem 1 % Ni-Ag, das einer Wärmebehandlung über 6 Stunden bei 200◦ C bzw. 320◦ C unterzogen wurden. Passen Sie die Daten der beiden Proben durch eine Langevinfunktion an, und bestimmen Sie so das totale magnetische Moment pro Ni-Partikel und schätzen Sie die Gesamtzahl der Ni-Partikel in der Probe ab. Schätzen Sie aus dem magnetischen Moment und der Sättigungsmagnetisierung die mittlere Größe der Ni-Partikel ab. Welche Auswirkung hatte die Wärmebehandlung bei unterschiedlichen Temperaturen ? Ergänzend erhalten Sie weitere Messdaten zu beiden Proben. Bei diesen Messungen wurden die Proben nach Abkühlen auf 5 K schrittweise wieder in Anwesenheit eines äußeren Feldes bis auf 300 K erwärmt und dabei das magnetische Moment m(T ) gemessen. Das Abkühlen der Proben vor der eigentlichen Messung erfolgte (i) im Nullfeld [Zero-Field-CooledField-Warming-Messung (ZFC-FW)], bzw. (ii) in Gegenwart eines angelegten Magnetfeldes von 10 mT) [Field-Cooled-Field-Warming-Messung (FC-FW)]. Welchen Einfluss hat die unterschiedliche Vorbehandlung während des Abkühlens auf die Magnetisierung der Proben. Bestimmen Sie die sogenannte Blockingtemperatur TB und verknüpfen Sie diese Daten mit den Ergebnissen der Raumtemperaturmagnetisierungskurven. Magnetokristalline Anisotropieenergie Ni: 5000 J/m3 ; atomares magnetisches Moment Ni: µa = 0.606 µB . Ausgewählte Literatur 1. E. Kneller, Ferromagnetismus (Springer, Berlin, 1962). 2. J. D. Jackson, Klassische Elektrodynamik, 2. Auflage (de Gruyter, Berlin, 1983). 3. K. Kopitzki, Einführung in die Festkörperphysik, 3. Auflage (Teubner, Stuttgart, 1993). 4. Ch. Kittel, Einführung in die Festkörperphysik, 12. Auflage (Oldenbourg, München, 1999); Ch. Kittel, Physical Theory of Ferromagnetic Domains, Rev. Mod. Phys. 21, 541 (1949). 27 5. H. Ibach und H. Lüth, Festkörperphysik, 6. Auflage (Springer, Berlin, 2002). 6. W. F. Brown Jr., Magnetostatic Principles in Ferromagnetism (North-Holland Publishing Company, Amsterdam, 1962). 7. B. D. Cullity, Introduction to Magnetic Materials (Addison-Wesley Publishing Company, London, 1972). 8. S. Chikazumi, Physics of Ferromagnetism, 2nd edition (Clarendon Press, Oxford, 1997). 9. A. Aharoni, Introduction to the Theory of Ferromagnetism, 2nd edition (Oxford University Press, Oxford, 2000). 10. S. 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