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Kapitel 10
Bose-Einstein-Kondensation
Wenn bosonische Teilchen mit genügend Phasenraumdichte vorliegen, so dass der Abstand zwischen den Teilchen kleiner als die de-Broglie Wellenlänge wird, d.h. die Wellen der einzelnen
Teilchen überlappen, kommt es zum Phänomen der Bose-Einstein-Kondensation. Das Kondensat wird dann durch eine einzige, makroskopische Wellenfunktion beschrieben. Dies ist grafisch
in Abbildung 10.1 dargestellt. Als einführende Literatur empfiehlt sich [Lamb1996, Petr1996,
Corn1998].
Abb. 10.1: Grafische Darstellung des Kondensationsprozesses. Quelle: Webseite von W. Ketterles Gruppe am MIT, Boston.
Bisher war der BEC-Effekt nur in Helium bekannt, verknüpft mit dem Phänomen
der Suprafluidität etc.. Allerdings handelt es sich bei flüssigem Helium um ein starkwechselwirkendes System, d.h. die hohe Phasenraumdichte wird erzielt mit hoher räumlicher
Dichte und kurzen de-Broglie-Wellenlängen. Deshalb sind sich die He-Atome sehr nahe und
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die Beschreibung der Atom-Atom Wechselwirkung ist ungleich komplizierter als im Falle eines
sehr verdünnten Gases, wo man hohe Phasenraumdichte mit großen Teilchenabständen und
großen de-Brogliewellenlängen erzielt (siehe Abb. 10.2). Dazu braucht man natürlich ultrakalte
Atome, und es war frühzeitig erkannt worden, dass Laserkühlung die beste Chance dazu bietet
[Cohe1995]. In vieler Hinsicht wurde die rasante Entwicklung von Fallenmethoden in den
letzten zehn Jahren vom Wettlauf zur Herstellung eines Kondensats getrieben.
Abb. 10.2: Die de-Broglie-Wellenlänge und der mittlere Abstand zwischen den Teilchen für eine
Auswahl von Experimenten an Wasserstoff, Para-Exzitonen, Rubidium und Cäsium. Quelle:
Physikalische Blätter.
Für n λ3dB ≥ 2.612 besetzen alle Bosonen den gleichen, tiefsten Zustand, und es findet ein
Phasenübergang statt; n ist hierbei die Teilchendichte (der genaue numerische Faktor hängt
übrigens vom Fallenpotential ab), die de-Broglie Wellenlänge ist
1
h
∝ √
mv
T
2
2π
.
=
mkT
λdB =
(10.1)
Am Beispiel von Natrium in einer MOT (T ≈ 20μK,n ≈ 1011 cm−3 ) kann man sich leicht
überzeugen, dass man die notwendige Phasenraumdichte nicht schaffen kann, da nλ3dB ≈ 10−5
bei weitem zu klein ist. Deshalb muss man die Atome in magnetische oder optische Fallen
umladen. Da diese Fallen jedoch konservative Potentiale nutzen, müssen zusätzliche Mechanismen zur Erhöhung der Phasenraumdichte eingesetzt werden. Der richtige Weg wurde mit dem
sogenannten evaporativen Kühlen gefunden.
Evaporatives Kühlen: Diese Methode wird hier anhand der magnetischen Falle demonstriert. Wie in Abb. 10.3 gezeigt, wird Radiofrequenz der passenden Wellenlänge eingestrahlt,
so dass Teilchen ab einer bestimmten Energie im Fallenpotential so weit nach außen wandern
können, dass die RF einen Spinflip induzieren kann. Effektive schneidet man das Potential somit
bei einer bestimmten Höhe ab. Die heißen Teilchen in der Falle werden also “verdampft”. Zurück
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KAPITEL 10. BOSE-EINSTEIN-KONDENSATION
μ || Β
W
μ || Β
B
μ || Β
J=1/2
hνRF
x
μ || Β
Abb. 10.3: Evaporatives Kühlen in der magnetischen Falle. Die Radiofrequenz induziert Spinflips
bei einer bestimmten Fallenhöhe.
bleibt ein kälteres Ensemble, das zudem noch eine höhere Dichte hat. Wichtig ist, dass man
die Teilchen langsam verdampft, damit die verbleibenden Atome wieder Zeit zum thermalisieren
haben. Dazu wird die RF-Frequenz langsam abgesenkt. Dies ist in Abb. 10.4 verdeutlicht.
Abb. 10.4: Evaporatives Kühlen. Quelle: Webseite der Ertmer-Gruppe, Univ. Hannover.
Wie schon weiter oben erwähnt, hat man das Problem der Spinflips im Zentrum der Falle,
falls man dort ein verschwindendes Feld hat. Da das evaporative Kühlen recht langsam geht
(über viele Sekunden hinweg), sind die Verluste zu hoch. Historisch wurde diese Problem zuerst
mit der sog. TOP-Trap in Boulder gelöst, wo das erste Kondensat hergestellt wurde. Da dieses
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Prinzip technisch etwas unhandlich ist, sollen hier die moderneren Methoden vorgestellt werden.
• Die Atome werden optisch vom Fallenzentrum ferngehalten mit einem blauverstimmten
Lichtstrahl, quasi eine Kombination von magnetischer und optischer Falle, man spricht
vom optischen Propf (Stöpsel). Das resultierende Potential ist in Abb. 10.5 gezeigt.
• Verwendung einer magnetischen Falle ohne Magnetfeldnull, zum Beispiel die Kleeblattfalle
(cloverleaf-trap), benannt nach dem Aussehen der Spulen (Abbn. 10.6 und 10.7).
Abb. 10.5: Schnitt durch das Potential, in dem die Atome gespeichert und verdampft werden.
Es beruht auf der Kombination von einem linearen Magnetfeld, der optischen Dipolkraft eines
blauverstimmten Lasers und Radiowellen. Das Magnetfeld sorgt für die rücktreibende Kraft der
Falle. Da der Feldgradient in axialer Richtung (z) doppelt so groß ist wie derjenige in radialer
Richtung (x), ist das resultierende Potential nicht rotationssymmetrisch und weist zwei Minima
auf. Der steile Höcker im Zentrum der Falle ist der ”optische Stöpsel”. Die Atome werden so vom
Nulldurchgang des Magnetfeldes, dem Loch in der Falle, ferngehalten. Die Radiowellen klappen
den Spin der Atome bei einem einstellbaren Wert des Magnetfeldes um. Dies führt zu einem
Vorzeichenwechsel der magnetischen Kraft. Die Atome werden über diese Kante verdampft
(RF-induzierte Verdampfung).
Mit diesen Methoden war es nun möglich, BEC zu produzieren. Zuerst war die Gruppe
um C. Wieman und E. Cornell am JILA in Boulder/Colorado mit Rubidium erfolgreich, gleich
darauf R. Hulet (Rice U./Houston) mit 7 Li, diese Messung wurde jedoch angezweifelt und erst
ein Jahr später überzeugend wiederholt. Drei Monate nach der Erstentdeckung war dann auch
die Gruppe von Wolfgang Ketterle am MIT mit 23 Na erfolgreich, die dann schnell die Führung
auf diesem Gebiet übernahm. Das Diagramm 10.8 zeigt nochmals die Entwicklung der Phasenraumdichte in den Jahren der Entdeckung von BEC.
Abschließend nun noch einige schöne Bilder rund um BEC: in Bild 10.9 sieht man die zeitliche
Entwicklung eines Kondensats. Die z-Achse ist ein Maß der Anzahl der Atome in Abhänigkeit
ihrer kinetischen Energie entlang der zwei Hauptachsen der Falle. Im ersten Bild sieht man die
Verteilung in der Falle vor der Entstehung des Kondensats. Im zweiten Bild schießt plötzlich
ein schmaler, also kalter, Peak in der Mitte heraus, der nicht einer thermischen Verteilung von
Atomen entspricht — das Kondensat. Treibt man das evaporative Kühlen noch weiter, sind
schließlich in Bild (3) praktisch alle Atome Teil des Kondensats.
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KAPITEL 10. BOSE-EINSTEIN-KONDENSATION
Abb. 10.6: Konfiguration der Kleeblattfalle. Quelle: Webseite der Ketterle-Gruppe am MIT
und [Mewe1996].
Abb. 10.7: Feld der Kleeblattfalle. Achtung: die Abszisse zeigt B − B0 . Quelle: Webseite der
Ketterle-Gruppe am MIT.
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Abb. 10.8: Entwicklung der erzielten Phasenraumdichte, Quelle: Webseite der Ketterle-Gruppe
am MIT.
Zum Erstellen von Bild 10.9 war es notwendig, für jede einzelne Temperaturmessung die Falle
abzuschalten und mit einer ballistischen Flugmessung die Temperatur der Atome zu bestimmen,
d.h. jedesmal wird das Kondensat zerstört. Eine viel effizientere Methode der zerstörungsfreien
Beobachtung der Evolution des Kondensats wurde von Ketterle eingeführt: die Phasenkontrastmethode. Ein von der atomaren Resonanz verstimmter, also wenig Photonen streuender, Laserstrahl durchläuft die Falle, erfährt aber durch die Gegenwart der Atome einen Phasenverschub
(das Fallengas hat ja einen Brechungsindex der vom Vakuumwert verschieden ist). Hinter der
Falle wird dieser Strahl mit einem Referenzstrahl, der nicht durch die Falle ging, überlagert und
zum Interferieren gebracht. Damit kann man die Kondensatsevolution in Echtzeit beobachten,
wie in Abb. 10.10 gezeigt.
Weiterhin kann man zwei Kondensate miteinander interferieren lassen. Man erzeugt diese
z.B. durch einen blauverstimmten Laserstrahl, der die ursprüngliche Falle und das Kondensat
in zwei Teile spaltet, analog zum optischen Pfropf. Dann kann man die Kondensate wieder
zusammenführen und beobachtet Interferenz, wie Bild 10.11 bezeugt.
Seit 1995 gibt es zahlreiche Gruppen, die erfolgreich BEC hergestellt haben, die BECHomepage an der Georgia State University enthält eine aktuelle Liste (Abb. 10.12). Alle Experimente verwenden die gleichen Alkaliatome wie die ersten drei Gruppen mit der Ausnahme
des Wasserstoffexperiments von D. Kleppner am MIT. Mit diesem Experiment hatte in den
70ern die Suche nach BEC in atomaren Gasen angefangen. Da man für Wasserstoff keine MOT
zur Verfügung hat, basierte dieser Versuch ausschließlich auf magnetischen Fallen und evaporativer Kühlung. Da Wasserstoff theoretisch viel einfacher ist als schwere Alkalis, bedarf dieses
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KAPITEL 10. BOSE-EINSTEIN-KONDENSATION
Abb. 10.9: Entstehung eines Kondensats mit fortschreitendem evaporativem Kühlen. Quelle:
Webseite der Ketterle-Gruppe am MIT.
Abb. 10.10: Evolution eines Kondensats beobachtet mit der Phasenkontrastmethode. Die Farbcodierung entspricht dem Phasenverschub und damit der lokalen integrierten Dichte entlang
der Beobachtungsrichtung. Das Kondensat macht sich durch das Erscheinen einer sehr dichten
Komponente in der Fallenmitte bemerkbar. Die Zigarrenform der Atomwolke rührt von den
unterschiedlichen Potentialgradienten in axialer und radialer Richtung in der Kleeblattfalle her.
Quelle: Webseite der Ketterle-Gruppe am MIT.
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Abb. 10.11: Interferenz zweier Kondensate. Quelle: Webseite der Ketterle-Gruppe am MIT.
Experiment besonderer Erwähnung.
Abb. 10.12: Entwicklung der BEC Forschung in den letzten Jahren. Quelle: GSU-Webseite
http://amo.phy.gasou.edu/bec.html/.
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