Klinik und Molekulargenetik der hereditären motorischen und sensiblen Neuropathien im Kindesalter Astrid Makowski Dissertation an der RWTH Aachen im Juni 2008 Klinik und Molekulargenetik der hereditären motorischen und sensiblen Neuropathien im Kindesalter Von der Medizinischen Fakultät der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen zur Erlangung des akademischen Grades einer Doktorin der Medizin genehmigte Dissertation vorgelegt von Astrid Makowski aus Heerlen (Niederlande) Berichter: Herr Universitätsprofessor Dr.med. Klaus Zerres Herr Universitätsprofessor Dr.med. Norbert Wagner Tag der mündlichen Prüfung: 19. Juni 2008 Diese Dissertation ist auf den Internetseiten der Hochschulbibliothek online verfügbar. Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ........................................................................................................... 1 2 Grundlagen ........................................................................................................ 2 2.1 Klinisches Erscheinungsbild der HMSN ....................................................... 2 2.2 Elektrophysiologie und Nervenbiopsie ......................................................... 3 2.3 Differentialdiagnosen.................................................................................... 3 2.4 Genetik der HMSN ....................................................................................... 4 2.4.1 Gene und Genorte für die HMSN .......................................................... 5 2.4.2 In dieser Studie untersuchte Gene und Genorte ................................... 8 2.5 Therapie und Prognose der HMSN ............................................................ 10 3 Ziele dieser Studie........................................................................................... 12 4 Patienten, Material und Methoden ................................................................. 13 5 4.1 Patientenkollektiv ....................................................................................... 13 4.2 Untersuchungsstrategie ............................................................................. 29 4.3 Molekulargenetische Untersuchung ........................................................... 30 4.3.1 DNA-Extraktion ................................................................................... 30 4.3.2 Polymerase-Kettenreaktion ................................................................. 30 4.3.3 Mutationsnachweis durch direktes Sequenzieren nach Sanger .......... 30 4.3.4 Mikrosatellitanalysen........................................................................... 31 4.3.5 Single-Strand-Conformation-Polymorphism Analysis.......................... 32 Ergebnisse ....................................................................................................... 33 5.1 Mutationsnachweis..................................................................................... 33 5.1.1 PMP22-Gen ........................................................................................ 33 5.1.2 Cx32 Gen ............................................................................................ 33 5.1.3 GDAP1-Gen ........................................................................................ 33 5.1.4 SBF2-Gen ........................................................................................... 35 5.1.5 KIAA1985-Gen .................................................................................... 35 5.1.6 Weitere HMSN-Gene .......................................................................... 35 5.2 Kopplungsanalysen .................................................................................... 35 5.2.1 CMT4A ................................................................................................ 36 5.2.2 CMT4B1.............................................................................................. 37 5.2.3 CMT4B2.............................................................................................. 37 5.2.4 6 CMT4C................................................................................................ 38 5.2.5 CMT4F ................................................................................................ 38 5.2.6 ARCMT2A ........................................................................................... 38 Diskussion ....................................................................................................... 39 6.1 Detektionsrate ............................................................................................ 39 6.2 Mutationsnachweis..................................................................................... 39 6.2.1 PMP22-Duplikation ............................................................................. 39 6.2.2 Cx32-Mutation..................................................................................... 39 6.2.3 GDAP1 ................................................................................................ 41 6.3 Familien mit plausiblen Kopplungsbefunden .............................................. 42 6.4 Genotyp-Phänotyp Korrelationen ............................................................... 42 6.4.1 Cx32.................................................................................................... 42 6.4.2 GDAP1 ................................................................................................ 43 6.4.3 CMT4B2 (SBF2).................................................................................. 43 6.4.4 CMT4C (KIAA1985) ............................................................................ 43 7 Zusammenfassung.......................................................................................... 45 8 Literaturverzeichnis ........................................................................................ 46 9 Verwendete Datenbanken............................................................................... 57 10 Danksagung..................................................................................................... 58 Anhang ....................................................................................................................... I Lebenslauf................................................................................................................ VI 1 Einleitung Die hereditären motorischen und sensiblen Neuropathien fassen eine Gruppe von Krankheiten zusammen, bei denen die peripheren Nerven langsam fortschreitend degenerieren. Fast immer liegt dem, eine Schädigung der Erbanlage zugrunde. Dabei sind die für die Steuerung der Bewegung verantwortlichen motorischen Nervenfasern meist wesentlich stärker betroffen, als die für die Vermittlung von Empfindungen zuständigen sensorische Fasern. Ziel dieser Studie ist die molekulargenetische Charakterisierung von Patienten mit früh beginnenden hereditären motorischen und sensiblen Neuropathien (HMSN). Für Neuropathien im Kindesalter spielen erbliche Ursachen eine wichtige Rolle und sind auch bei sporadisch auftretenden Neuropathien eine wichtige Differentialdiagnose. Durch die Stammbaumanalyse wird eine Differenzierung der zu untersuchenden Gene vorgenommen. Die indirekte Genotypisierung erfolgt bei geeigneter Familienstruktur und führt zu einer Einschränkung der in Frage kommenden Genbereiche. Mittels Sequenzierung werden diese bei positiver Kopplung anschließend auf mögliche Mutationen hin untersucht. Diese Studie zeigt das Spektrum krankheitsassoziierter Genmutationen in einem neuropädiatrischen HMSN-Patientenkollektiv und korreliert die molekulargenetischen Befunde mit den klinischen, neurophysiologischen und neurohistopathologischen Daten. Durch molekulargenetische Untersuchungen kann bislang jedoch nur bei einem Teil der betroffenen Patienten und Familien die molekulare Ursache der Erkrankung aufgeklärt werden. Durch die Identifizierung neuer Mutationen vermittelt diese Studie ein besseres Verständnis der Struktur und der Funktion der Proteine, die für das periphere Nervensystem von Bedeutung sind. Das verbesserte Verständnis der verschiedenen Pathomechanismen bei der Entstehung hereditärer Neuropathien stellt eine wichtige Grundlage für zukünftige Therapieansätze dar. 1 2 Grundlagen Die Hereditären motorischen und sensiblen Neuropathien (HMSN), auch bekannt als Charcot-Marie-Tooth-Krankheit (CMT), umfassen eine klinisch und genetisch heterogene Gruppe von Erkrankungen des peripheren Nervensystems. Mit einer Prävalenz von 1 zu 2500 ist die HMSN die häufigste erbliche neuromuskuläre Krankheit des Menschen (Skre, 1974). 2.1 Klinisches Erscheinungsbild der HMSN Die atrophischen Paresen beginnen normalerweise an den kleinen Fußmuskeln und der Unterschenkelmuskulatur, was zu dem typischen Erscheinungsbild der „Hohlfüße“ bzw. später eines „Klumpfusses“ und „Storchenbeine“ mit „Steppergang“ führt (siehe Abbildung 2.1). Motorische Ausfälle sind in der Regel symmetrisch. Später treten auch atrophische Paresen der Hand- und Unterarmmuskeln auf, während eine Beteiligung proximaler Muskelgruppen seltener ist. Meist fehlen die Muskeleigenreflexe der unteren Extremität bereits bei Erkrankungsbeginn. Sensibilitätsstörungen sind gegenüber den motorischen Defiziten meist deutlich geringer ausgeprägt und zeigen ein strumpf- und handschuhförmiges Verteilungsmuster (Harding et al., 1980). Der Krankheitsverlauf zeigt eine ausgeprägte interfamiliale und intrafamiliale Variabilität. Klinisch sind die verschiedenen Formen der HMSN nicht sicher zu unterscheiden (Thomas, 2000). Abbildung 2.1: Klumpfüsse mit lateraler Schwielenbildung und deutlichen Storchenbeinen 2 2.2 Elektrophysiologie und Nervenbiopsie Die elektrophysiologische Diagnostik, d.h. Elektromyographie (EMG) und Elektroneurographie (ENG), erlaubt eine Unterscheidung in zwei Formen der HMSN. Die demyelinisierende Form, HMSN I, zeigt infolge der Markscheidendegeneration deutlich verzögerte Nervenleitgeschwindigkeiten (NLG) (unter 38 m/s für den motorischen Anteil des N. medianus). Die axonale Form, HMSN II, hat (fast) normale NLG (Dyck et al., 1993). Hingegen zeigt sich infolge des Nervensfaserverlusts eine Verringerung der Amplituden der motorischen Aktionspotentiale. Häufig können die elektrophysiologischen Veränderungen schon vor der Manifestation neurologischer Ausfälle nachgewiesen werden. Eine Nervenbiopsie kann insbesondere aus differentialdiagnostischen Überlegungen notwendig werden. Bei der HMSN I zeigen sich Schädigungen der Myelinscheiden mit segmentaler De- und Remyelinisation und sog. Zwiebelschalen-Formationen, während bei der HMSN II der Verlust der großen myelinisierten Fasern und Gruppen dünner regenerierender Fasern das histologische Bild prägen. 2.3 Differentialdiagnosen Es gibt Reihe von differentialdiagnostischen Überlegungen, die in Abhängigkeit von der Familienanamnese, vom Alter des Patienten, von ihrer Häufigkeit, ihrer klinischen Manifestation und ihrer elektrophysiologischen Besonderheiten abzuklären sind. Während im Kindesalter naturgemäß erbliche Störungen im Vordergrund stehen, spielen im Erwachsenenalter Diabetes mellitus und Alkoholabusus eine wichtige Rolle. Unter anderem kommen in Frage: - Friedreich-Ataxie - distale spinale Muskelatrophie (dSMA) - demyelinisierende Erkrankungen des peripheren- und zentralen Nervensystems, z. B. Adrenoleukodystrophie und metachromatische Leukodystrophien. - Neuropathien im Rahmen einer syndromalen Erkrankung - entzündliche Neuropathien (GBS und CIDP) - Infektionskrankheiten - Exogene Toxine, v. a. Alkohol seltener Suchtmittel, Gewerbegifte, Schädlingsbe- - Serogenetische Polyneuropathie: z. B. nach Impfungen - Stoffwechselstörungen v. a. Diabetes mellitus - Vitaminmangelerscheinungen (Vitamin- B12 und Folsäure-Mangel) kämpfungsmittel und Arzneistoffe 3 - Neoplasien und Paraneoplasien - Kollagenosen, Vaskulitiden - Fokale Nervenläsionen 2.4 Genetik der HMSN Die meisten Fälle der HMSN werden autosomal dominant oder X-chromosomal vererbt (Vance, 2000). So wird die HMSN I zu 75% durch Duplikationen des PMP22Gens, zu 10% durch Cx32-Mutationen und zu 5% durch MPZ-Mutationen verursacht. Der HMSN II liegen in 30% der Fälle Mutationen im MFN2-Gen, zu 10% Cx32Veränderungen und zu 5% MPZ-Mutationen zu Grunde. Diese Detektionsrate gilt für Patienten mit einer entsprechenden Familienanamnese, bei sporadischen Fällen sind die Detektionsraten deutlich niedriger. Die autosomal rezessive HMSN (AR-HMSN oder ARCMT) ist in Westeuropa selten (1:100.000), macht aber in Regionen und Bevölkerungsgruppen mit zahlreichen Verwandtenehen 30-50% der HMSN-Fälle aus. 4 2.4.1 Gene und Genorte für die HMSN Einen Überblick über die derzeit bekannten Genorte und Gene vermitteln Abbildung 2.2 und die Tabellen Tabelle 2.1 - Tabelle 2.3. MFN2 YARS GARS DI-CMTC HSPB KIAA 1985 FGD4 CMT4H DMN2 CMT2G CMT2C CMT2L HSPB8 Abbildung 2.2: Chromosomale Lokalisation der HMSN-Genorte (modifizierte Darstelling nach Inherited Peripheral Neuropathy Mutation Database). 5 Bezeichnung Genlokus Gen Elektrophysiologie/Histologie Häufigkeit Besonderheit CMT1A 17p11.2 PMP22 demyelinisierend 75% selten auch autosomal rezessive Mutationen CMT1B 1q22-q23 MPZ demyelinisierend, axonal 5% selten auch autosomal rezessive Mutationen CMT1C 16p13 LITAF demyelinisierend selten CMT1D = CMT4E 10q21 EGR2 demyelinisierend selten CMT2A 1p36 MFN2 axonal 30% CMT2B 3q13-q22 RAB7 axonal selten ausgeprägte sensible Ausfälle, Mutilationen CMT2C 12q23-q24 n.b. axonal selten Stimmbandlähmung CMT2D 7p15 GARS axonal selten CMT2E 8p21 NEFL demyelinisierend, axonal selten CMT2F 7q11-q21 HSPB1 axonal n.b. CMT2G 12q12 n.b. axonal n.b. CMT2L 12q24 HSPB8 axonal n.b. DI-CMTA 10q24 n.b. gemischt n.b. DI-CMTB 19p12 DNM2 gemischt n.b. DI-CMTC 1p34 YARS gemischt n.b. Tabelle 2.1: auch autosomal rezessive Mutationen Gene und Genorte der AD-HMSN n.b.: nicht bekannt 6 Bezeichnung Genlokus Gen Elektrophysiologie/ Histologie Häufigkeit CMT4A 8q13.3q21.1 GDAP1 demyelinisierend, axonal, gemischt 20% CMT4B1 11q22 MTMR2 demyelinisierend n.b. fokal gefaltete Myelinscheiden CMT4B2 11p15 SBF2/ MTMR13 demyelinisierend n.b. fokal gefaltete Myelinscheiden CMT4C 5q32 KIAA1985 demyelinisierend 20% Basallaminazwiebelschalen CMT4D = HMSNL 8q24.3 NDRG1 demyelinisierend selten Typ Lom, GypsyFamilien, oft Hörstörung CMT4F 19q13 PRX demyelinisierend n.b. ausgeprägte sensible Ausfälle CMT4G = HMSNR 10q23.2 n.b. demyelinisierend n.b. Typ Russe, Gypsy-Familien CMT4H 12p11.21q13.11 FGD4 demyelinisierend n.b. fokal gefaltete Myelinscheiden ARCMT2A 1q21.2 LMNA axonal selten ARCMT2B 19q13.113.3 n.b. axonal selten Tabelle 2.2: Besonderheit eine Familie aus Costa-Rica Gene und Genorte der AR-HMSN n.b.: nicht bekannt Bezeichnung Genlokus Gen Elektrophysiologie/ Histologie Häufigkeit CMTX Xq13.1 CX32/ GJB1 demyelinisierend, axonal, gemischt 10% der demyeli-nisierende und axonale Formen Tabelle 2.3: Gene und Genorte der X-chromosomalen HMSN 7 2.4.2 In dieser Studie untersuchte Gene und Genorte PMP22 Das Gen für das Periphere Myelin Protein 22 (CMT1A) ist auf Chromosom 17p11.2 lokalisiert. Der 160 Aminosäuren umfassende Leserahmen wird durch vier Exone kodiert. Das Genprodukt PMP22 ist ein hydrophobes Membranprotein, das im kompakten Myelin vorkommt. Die Duplikation des PMP22-Gens ist die häufigste Ursache der HMSN I. Deletionen dieses Gens sind bei ca. 80% der Fälle mit Hereditärer Neuropathie mit Neigung zu Drucklähmung (HNPP) nachweisbar. Sehr selten verursachen PMP22-Punktmutationen auch autosomal-rezessive Neuropathien (Nellessen, 2003; Nelis et al., 1999). CX32 Das Connexin32- / Cx32-Gen auf Chromosom Xq13.1 kodiert eine Gap-JunctionUntereinheit. Gap-Junctions dienen in der Schwannzelle möglicherweise dem schnellen Transport kleiner Moleküle zwischen Zellkörper und den Myelinschichten (Bruzzone et al.,1997). Die X-chromosomale HMSN macht ungefähr 10% aller hereditären sensomotorischen Neuropathien aus (Hanemann et al., 2003). Cx32Mutationen können sowohl zu axonalen als auch demyelinisierenden HMSN-Formen führen (Bergmann, 2000). MPZ Das Gen für das Myelin Zero Protein (MPZ/P0) liegt auf Chromosom 1q22-q23. MPZ macht 40-50% des Gesamtproteins des peripheren Nervensystems aus und vermittelt vermutlich die Adhäsion und Kompaktierung des Myelins. MPZ-Mutationen können sowohl axonale als auch demyelinisierende HMSN-Formen auslösen (Nelis et al., 1999; Senderek, 2002). EGR2 Das Early Growth Resonse 2- / EGR2-Gen liegt auf Chromosom 10q21.1-q22.1. Es kodiert einen Transkriptionsfaktor, der Gene kontrolliert, die bei der Myelinisierung des peripheren Nervensystems eine wichtige Rolle spielen. Sowohl dominante als auch rezessive Vererbungsmuster sind bekannt. Dieses Gen ist auch für weitere Phänotypen wie die kongenitale Hypomyelinisierungsneuropathie verantwortlich (Musso et al., 2003; Warner et al., 1999; Young et al., 2003). 8 CMT4A / GDAP1 Das GDAP1-Gen befindet sich auf Chromosom 8q21. Es besteht aus 6 Exonen, die ein Transskript mit einem offenen Leserahmen von 358 Aminosäuren kodieren (Baxter et al., 2002; Cuesta et al., 2002; Liu et al., 1999). GDAP1 wird sowohl in den Schwannschen Zellen als auch in Neuronen exprimiert und ist in der äußeren Membran der Mitochondrien lokalisiert. Das GDAP1-Protein ist an der Fragmentierung (Fission) der Mitochondrien beteiligt (Niemann et al., 2005; Pedrola et al., 2005). GDAP1-Mutationen verursachen ca. 20% der AR-HMSN-Fälle (Nelis et al., 2001). In Nervenbiopsien können axonale, demyelinisierende und gemischte Neuropathien diagnostiziert werden. CMT4B1 / MTMR2 Das MTMR2-Gen liegt auf Chromosom 11q22 und besteht aus 18 Exonen. MTMR2 kodiert eine ubiquitär exprimierte Phosphatase (myotubularin related protein 2, MTMR2), deren bevorzugtes Substrat phosphatidylinositol (3,5)-biphosphat (PI(3,5)P2) ist. PI(3,5)P2 ist ein Regulator der Membranhomöostase und des vesikulären Transports. Die Dysfunktion von MTMR2 in Schwannschen Zellen verursacht Veränderungen des Myelins (sog. fokale Myelinauffaltungen), die auf eine Störung der Membransynthese hindeuten könnten (Bolino et al., 2000; Bolini et al., 2004; Houlden et al., 2001). CMT4B2 / SBF2 Der CMT4B2-Lokus liegt auf Chromosom 11p15. Die histopathologischen Merkmale der Nervenbiopsie von CMT4B2-Patienten sind, ähnlich wie bei den CMT4B1Patienten, die sog. fokal gefalteten Myelinscheiden. Das SBF2-Gen wird in verschiedenen Geweben (auch im peripheren Nervengewebe) exprimiert. SBF2 gehört wie MTMR2 zur Gruppe der myotubularin-related Proteine (Senderek et al., 2003b). CMT4C / KIAA1985 Die CMT4C ist eine frühkindliche demyelinisierende Form der AR-HMSN, die mit einer früh beginnenden Skoliose und mit einer charakteristischen Pathologie der Schwannschen Zellen einhergeht. KIAA1985 liegt auf Chromosom 5q32 und kodiert ein bis jetzt uncharakterisiertes Transkript. Das CMT4C-Gen wird stark im peripheren Nervengewebe exprimiert. Das translatierte Protein definiert eine neue Proteinfamilie mit bisher unbekannter Funktion, aber mit Orthologen in Wirbeltieren. Sequenzvergleiche legen nahe, dass Mitglieder dieser Proteinfamilie die Formation von Proteinkomplexen vermitteln (Senderek et al., 2003a). 9 CMT4F / PRX Das PRX-Gen liegt auf Chromosom 19q13.1-13.2. Es kodiert zwei Formen von Periaxin, das ´long´ (L)- und ´short´ (S)-Periaxin, die sich in ihrer Größe unterscheiden. Periaxin ist an der Bildung des Sarcoglykan-Dystroglykan-Komplexes an der Schwann-Zellmembran beteiligt (Guilbot et al., 2001; Kijima et al., 2004; Takashima et al., 2002). ARCMT2A / LMNA Das LMNA-Gen auf Chromosom 1 kodiert das Intermediärfilament Lamin A/C, das ein wesentlicher Bestandteil der Kernlamina ist. LMNA-Mutationen führen zu unterschiedlichen Krankheitsbildern, unter anderem Gliedergürtelmuskeldystropie, EmeryDreifuss- Muskeldystrophie, dilatative Cardiomyopathie, familiäre Lipodystrophie und HMSN (De Sandre-Giovannoli et al., 2002; Tazir et al., 2004). 2.5 Therapie und Prognose der HMSN Therapeutische Ansätze und supportive Maßnahmen befinden sich in ständiger Entwicklung. Deshalb ist eine spezifische Beratung im Rahmen einer molekulargenetischen Diagnostik unerlässlich. Hierbei sollten die möglichen Krankheitsverläufe, die bislang nicht kausal therapierbar sind und die möglichen supportiven Maßnahmen sowie die soziale Umstände besprochen werden. Hauptprobleme der Erkrankung sind in der Regel die Muskelschwäche und die Fußdeformitäten. Bewegungsfördernde Krankengymnastik mit besonderem Blick auf die geschwächten Muskelgruppen steht im Mittelpunkt der Therapie. Das Training sollte insbesondere mit dem Ziel der Funktionsverbesserung, nicht mit dem Ziel der Kräftigung erfolgen, auch um Schmerzen durch Fehlbelastungen zu mindern. Ergänzend können physikalische Therapieformen wie Wärmeanwendungen durch Infrarot-Kabine, heiße Rolle, Überwärmungsbäder, verschiedene Arten von Massagen, Elektrotherapie in Form von Stangerbad, Vierzellenbäder und TENS sinnvoll sein (Shy, 2005). Eine Reihe von Hilfsmitteln kann die Bewältigung der krankheitsbedingten Beeinträchtigungen erleichtern oder erst ermöglichen. So sind für die Verbesserung von Gang- und Standstabilität Einlagen, speziell angefertigte Schuhe und Peroneusschienen gut geeignet. Weiter können Duschstuhl, Badewannen-Lifter, Toilettensitzerhöhungen, aber auch Rollstühle, Krankenbett oder Greifzangen zu den Hilfsmitteln gehören (C. Schröter). 10 Die Evaluierung operativer Therapieansätze ist schwierig. Oftmals bringen Sie lediglich eine temporäre Verbesserung. Mögliche Operationsverfahren beinhalten Achillessehnenverlängerungen, Sehnentransplantationen, Sprunggelenksarthrodesen und Osteotomien. Eine kausale medikamentöse Therapie der HMSN ist bislang nicht bekannt. Seit einiger Zeit zeichnen sich aber medikamentöse Optionen ab. Die supportive Medikation Analgetika, Antiepileptika und krampflösende Substanzen sind natürlich jetzt schon Bestandteil der Therapie. Sereda et al., 2003 zeigten in einem Tiermodell der HMSN IA (CMT1A), dass durch Progesteron die Expression von PMP22 im Nerven erhöht wird und damit auch die krankhaften Veränderungen am Nerven stärker ausgeprägt sind. Durch Onapristone, einen Progesteron-Rezeptor-Antagonisten, konnte dagegen eine Verminderung der PMP22-Spiegel und auch eine Verminderung der krankhaften Veränderungen am Nerven erreicht werden. Hier kann sich für die HMSN IA in Zukunft eine wirksame Therapie abzeichnen. Neben der Frage der Wirksamkeit beim Menschen ist bislang auch die Frage möglicher Nebenwirkungen noch offen. Eine andere Behandlungsoption ist die Gabe von Ascorbinsäure (Vitamin C). Passage et al., 2004, haben im Maus-Modell der CMT1A mit hohen Dosen Vitamin C eine Minderung der PMP22-Spiegel und Verbesserung der Myelinisierung der Nervenfasern erzielt. In naher Zukunft werden die Ergebnisse größerer Studien beim Menschen erwartet, die dann je nach Ergebnis auch rasch in Therapieempfehlungen münden könnten. Das Verständnis für die molekulare Basis vieler neuromuskulärer Erkrankungen hat die diagnostische Genauigkeit erhöht und mag die Basis für gezielte therapeutische Maßnahmen schaffen. Es gibt vielversprechende gentherapeutische Ansätze, die in Zukunft das Fortschreiten einer Erkrankung verzögern oder sogar eine Erkrankung heilen werden. Zur Zeit ist eine Gentherapie jedoch noch nicht möglich. Oft werden bei Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen depressive Störungen beobachtet. Ursachen sind häufig die Verarbeitung der Erkrankung oder Probleme der sozialen Integration. Deshalb ist neben einer psychologischen Betreuung auch der Kontakt zu Selbsthilfegruppen wichtig. In Deutschland ist die Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke (DGM, www.dgm.org) in vielen Regionen aktiv. Sozialarbeiter können bei sozialmedizinischen Aspekten beraten und unterstützen. Auch Schulund Berufswahl sind frühzeitig zu bedenken. 11 3 Ziele dieser Studie Ziel dieser Studie ist die molekulargenetische Charakterisierung von Patienten mit früh beginnender HMSN. Hierzu wurden in der Literatur publizierte Gene und Genorte in einem entsprechenden Patientenkollektiv untersucht. Die Bedeutung des Untersuchungsbefundes für Patienten und Familien besteht in erster Linie in der Diagnosesicherung. Dies ist nicht nur unter medizinischen und psychosozialen Aspekten wichtig, sondern stellt auch die Grundlage für eine Anerkennung durch die Sozialsysteme dar, woraus z. B. Ansprüche auf finanzielle Leistungen abgeleitet werden können. Weiterhin schafft eine exakte molekulargenetische Diagnose die Basis für eine gezielte humangenetische Beratung. Die Studie zeigt das Spektrum der Mutationen bei Patienten mit früh beginnender HMSN auf und vermittelt durch die Identifizierung neuer Mutationen ein besseres Verständnis der Struktur und der Funktion der Proteine, die für das periphere Nervensystem von Bedeutung sind. Das verbesserte Verständnis der verschiedenen Pathomechanismen bei der Entstehung hereditärer Neuropathien ist eine wichtige Grundlage für zukünftige Therapieansätze. 12 4 Patienten, Material und Methoden 4.1 Patientenkollektiv 20 Indexpatienten mit früh beginnender sensomotorischer Neuropathie (Beginn vor dem 10. Lebensjahr) wurden für die vorliegende Studie ausgewählt (siehe auch Tabelle 4.1 und Tabelle A1 im Anhang). Von allen Familienmitgliedern, die an dieser Studie teilnahmen, lag eine schriftliche Einwilligungserklärung für die Verwendung ihrer DNA- und Blutproben, sowie ihrer klinischen Daten vor. Klinische Details, die Resultate der neurophysiologischen Untersuchung und der Nervenbiopsien wurden mit Einverständnis der Patienten gesammelt. Das Patientenkollektiv setzte sich zusammen aus: - Sieben Familien mit Geschwisterfällen und gesunden Eltern, davon waren drei Elternpaare blutsverwandt (CMT53, CMT78, CMT281, CMT425, CMT531, CMT983 und CMT1222) - Neun Familien mit einem betroffenen Kind und gesunden Eltern, wovon drei Elternpaare blutsverwandt waren. (CMT32, CMT49, CMT310, CMT409, CMT413, CMT543, CMT825, CMT1345 und CMT1367) - Vier Familien mit betroffenen Patienten in zwei aufeinander folgenden Generationen (CMT623, CMT48, CMT 383 und CMT1636). 13 Familie Ethnische Gruppe CMT 32 Türkei 1 ja intermediär CMT 48 Deutschland 2 nein intermediär CMT 49 Deutschland 1 nein intermediär CMT 53 Türkei 2 ja CMT78 Deutschland 2 nein fokal gefalten CMT281 Türkei 4 ja fokal gefalten CMT310 Deutschland 1 nein demyelinisierend CMT383 Deutschland 4 nein demyelinisierend CMT409 Deutschland 1 nein axonal CMT413 Türkei 1 ja demyelinisierend CMT425 Deutschland 2 nein demyelinisierend CMT531 Türkei 2 ja CMT543 Deutschland 1 nein demyelinisierend CMT623 Deutschland 3 nein demyelinisierend CMT825 Deutschland 1 nein demyelinisierend CMT983 Deutschland 3 nein demyelinisierend CMT1222 Griechenland 2 nein demyelinisierend CMT1345 Türkei 1 ja demyelinisierend CMT1367 Polen 1 nein demyelinisierend CMT1636 Serbien 1 nein demyelinisierend Tabelle 4.1: Anzahl der Betroffenen BlutsverNervenbiopsie wandtschaft axonal intermediär HMSN Patienten 14 CMT 32 I 2 1 II 1 Der Sohn konsanguiner türkischer Eltern hatte von Geburt an Fehlstellungen der Hände und Füße. Seine Achillessehnenreflexe waren beidseits nicht auslösbar und die Patellarsehnenreflexe abgeschwächt. Die Nervenleitgeschwindigkeiten (NLG) am N. medianus und N. tibialis waren reduziert bzw. es waren keine Aktionspotentiale auslösbar. Die beiden Eltern hatten normale Nervenleitgeschwindigkeiten, allerdings hatte der Vater leichte Hohlfüße beidseits, aber normale Achillessehnenreflexe. Die histopathologische Untersuchung des N. suralis zeigte eine Neuropathie vom teils axonalen und teils demyelinisierenden Typ. CMT 48 I 2 1 II 1 Der Patient zeigte seit dem Alter von 10 Jahren eine deutliche Gangstörung. Er konnte mit Peroneus-Schienen kurze Strecken gehen, musste aber in der Schule den Rollstuhl benutzen. Bei der körperlichen Untersuchung fielen distal betonte Atrophien und schlaffe Paresen v. a. der unteren Extremität auf. Die Muskeleigenreflexe der Beine und der Arme waren nicht auslösbar. Wegen der Atrophie der Handmuskeln zeigen sich fein-motorische Probleme, z. B. beim Führen eines Stiftes. Elektrophysiologische und histopathologische Untersuchungen weisen auf eine Neuropathie vom intermediären Typ hin. Bei der Mutter des Jungen zeigten sich bei einer elektrophysiologischen Untersuchung im Alter von 34 Jahren die ersten subklinischen Zeichen eines Denervierungsprozesses mit distal reduzierten NLG. Später traten auch klinische Beschwerden im Sinne von Hohlfüßen mit Atrophie der kleinen Fußmuskulatur hinzu, so dass auch sie heute auf Peroneus-Schienen angewiesen ist. 15 CMT 49 I 1 2 1 2 II Die Indexpatientin ist das Kind gesunder deutscher Eltern. Ab dem Laufbeginn im Alter von 18 Monaten, fiel eine progrediente Klumpfußfehlstellung auf, die nachfolgend chirurgischer Korrektur bedurfte. Bei der Untersuchung im Alter von 6 Jahren zeigte sich eine ausgeprägte Atrophie der Unterschenkelmuskulatur, der Fußmuskulatur und in geringem Maße auch der Handmuskeln. Die Patientin zeigte eine ausgeprägte Fußdeformität (Klumpfüße). Der Hacken- und Zehengang war nicht möglich. Sie konnte ohne Hilfe eine Strecke von ungefähr 100 Metern zurücklegen, bei einer weiteren Entfernung benötigte sie jedoch Krücken. Die Feinmotorik der Hände wurde durch eine Krallenstellung der Finger beeinträchtigt. Die Reflexe der oberen Extremitäten waren abgeschwächt und die der unteren Extremitäten nicht auslösbar. Alle sensiblen Qualitäten; an den Füßen, Unterschenkeln und in geringerem Maße auch in den Händen waren reduziert. Die neurophysiologische Untersuchung zeigte verzögerte Nervenleitgeschwindigkeiten (NLG) (N. Medianus motorisch 26,4 m/s) bzw. war nicht ableitbar oder zeigte deutlich verminderte muskuläre Aktionspotentiale (MAPs) und sensorische Aktionspotentiale (SNAPs). Die NLG der Eltern und des gesunden Bruders waren normal. Die Nervenbiopsie wurde im Alter von 2 Jahren durchgeführt. Die Lichtmikroskopie zeigte eine Neuropathie vom intermediären Typ mit reduzierter Anzahl von Nervenfasern und zu dünn myelinisierten Axonen. (Abbildung 4.1(B)). Die Elektronenmikroskopie zeigte degenerierende Axone, Buengersche Bänder und Gruppen von regenerierten Myelinfasern mit noch nicht remyelinisierten Fasern. Einige dieser Gruppen wurden von zusätzlichen SchwannschenZellen umgeben. De- und hypomyelinisierte Axone und beginnende Zwiebelschalenformationen mit bis zu drei Lagen Schwannscher Zellen wurden in ausgeprägter Form erkennbar (Abbildung 4.1(C)). 16 Abbildung 4.1: Licht- und Elektronenmikroskopie der Nervenbiopsie der Indexpatientin der Familie CMT 49 CMT 53 I 1 2 II 1 2 3 Im Alter von 16 Jahren entwickelte der Patient II.2 eine Atrophie der Beinmuskulatur und eine progrediente Schwäche der unteren Extremitäten mit zunehmender Verschlechterung des Gangbildes im Sinne eines Steppergangs. Außerdem fiel eine Atrophie der Unterarmmuskulatur mit deutlicher Kraftminderung, eingeschränkter Feinmotorik und Krallenhand-Stellung auf. Die Muskeleigenreflexe sowohl der oberen als auch der unteren Extremitäten waren abgeschwächt bzw. nicht auslösbar. Die Sensibilitätsstörungen waren hauptsächlich auf die Füße bezogen. Die neurophysiologische Untersuchung zeigte deutlich reduzierte Nervenleitgeschwindigkeiten mit nicht ableitbaren Potentialen an den Unterschenkeln. Bei einem Bruder des Patienten wurde ein ähnliches Krankheitsbild beschrieben. Bei der histopathologischen Untersuchung fanden sich Zeichen der axonalen Degeneration mit nur sehr gering ausgeprägten Regenerationszeichen. 17 CMT 78 I 1 II 2 1 2 In dieser nicht-konsanguinen deutschen Familie sind zwei Kinder klinisch gesunder Eltern betroffen. Der Index Patient II.2 begann mit 16,5 Monaten zu laufen. Seine Entwicklung war bis zum 5. Lebensjahr unauffällig, dann wurde sein Gangbild unsicher und es entwickelte sich eine Krallenzehenfehlstellung. Die klinische Untersuchung zeigte eine Stolperneigung bei Fußheberschwäche und eine Atrophie der Waden-, Fuß- und Handmuskeln. Im Alter von 11 Jahren war die Fußdeformität so ausgeprägt, dass eine operative Korrektur erfolgte. Sensible Defizite bestanden nicht. Die Muskeleigenreflexe waren an den unteren Extremitäten nicht mehr auslösbar und die Nervenleitgeschwindigkeiten waren deutlich reduziert. Die Biopsie des N. suralis zeigte eine demyelinisierende Neuropathie mit sog. fokal gefalteten Myelinscheiden (Abbildung 4.2). Abbildung 4.2: Fokal gefaltete Myelinscheiden in der Nervenbiopsie des Indexpatienten der Familie CMT 78 Seine ältere Schwester hatte einen ähnlichen klinischen Verlauf, der durch die neurotoxische Behandlung mit Vincristin bei einem Wilmstumor der Niere kompliziert wurde. Obwohl beide Eltern klinisch keine Beschwerden hatten, zeigten sich in einer neurophysiologischen Untersuchung bei Vater und Mutter reduzierte Nervenleitgeschwindigkeiten. 18 CMT 281 I 1 2 II 1 III IV 1 1 V 2 2 2 3 3 4 5 1 3 4 5 6 7 6 7 8 9 2 8 10 11 12 3 In dieser türkischen Familie sind insgesamt vier Personen aus zwei konsanguinen Verbindungen betroffen. Bei der Patientin V.1 fiel seit dem 4. Lebensjahr eine zunehmende Gangstörung mit Entwicklung von Hohlfüßen auf. Im Alter von 11 Jahren wurden Klumpfüße diagnostiziert. Die Muskeleigenreflexe waren nicht auslösbar. Der Einbeinstand war unsicher. Zwei Jahre später zeigten sich bei der Patientin eine Atrophie und Schwäche der unteren Extremität mit distaler Betonung und ein typischer Steppergang. Die rechte Hand hält sie infolge von Kontrakturen der Finger in Krallenstellung, wodurch ihr das Schreiben zunehmend schwerer fällt. Die proximalen Muskeln sind weitgehend ausgespart. Die sensiblen Qualitäten sind an den unteren Extremitäten reduziert. Zusätzlich leidet die Patientin unter Schwerhörigkeit. Die elektrophysiologischen Untersuchungen zeigten deutlich reduzierte motorische Nervenleitgeschwindigkeiten. Die Nervenbiopsie des N. suralis zeigte eine deutliche Reduktion markhaltiger Nervenfasern. Gehäuft fanden sich fokal gefaltete Myelinscheiden. Der sieben Jahre jüngere Bruder zeigt ähnliche Symptome. Aus einer weiteren Verwandtenehe sind zwei ebenfalls erkrankte Töchter hervorgegangen. 19 CMT 310 I 1 2 II 1 3 Seit dem Laufbeginn hatte der Patient einen Zehenspitzengang und Schwierigkeiten beim Rennen. Im dritten Lebensjahr wurde eine deutliche Verlangsamung der Nervenleitgeschwindigkeiten festgestellt. Bei längerem Gehen klagte der Patient über Schmerzen in den Füßen. In der klinischen neurologischen Untersuchung im Alter von 10 Jahren zeigten sich Hohlfüße und fixierte Spitzfußkontrakturen. Die obere Extremität schien klinisch nicht betroffen. Die Sensibilität war vollständig erhalten. Die Muskeleigenreflexe waren erloschen. Die sensiblen Aktionspotentiale waren nicht mehr ableitbar und die Amplituden der motorischen Potentiale waren deutlich reduziert. Die Eltern und Geschwister zeigten keine klinischen und neurophysiologischen Auffälligkeiten. CMT 383 I 1 2 II 1 2 1 2 3 III Der Patient berichtet im Alter von 11 Jahre, dass er seit geraumer Zeit immer schlechter auf den Hacken gehen könne. Bei der körperlichen Untersuchung fielen verminderte Achillessehnenreflexe, leichtgradige trophische Störungen in Bereich der Unterschenkel und eine Atrophie der Unterschenkelmuskulatur auf. Die elektrophysiologischen Untersuchungen ergaben pathologische Befunde im Sinne von deutlich verzögerten Nervenleitgeschwindigkeiten. Die Familienanamnese ergab auch Auffälligkeiten bezüglich einer Neuropathie bei der Mutter, bei einem Onkel und dem Großvater mütterlicherseits. 20 CMT 409 I 1 2 2 3 II 1 4 Seit dem 3. Lebensjahr entwickelte der Patient Hohlfüße. Obwohl er klinisch anfänglich nur Symptome an den Beinen hatte, fanden sich elektrophysiologische Auffälligkeiten auch an den oberen Extremitäten. Die Elektromyografie bestätigte eine neurogene Läsion. Histologisch wurde eine axonale Neuropathie diagnostiziert. CMT 413 I II 1 2 1 2 Die Patientin ist das Kind konsanguiner türkischer Eltern. Ab dem 3. Lebensjahr wurde das Gangbild der Patientin auffällig (Fallneigung und Zehenspitzengang). Die Muskeleigenreflexe waren an den unteren Extremitäten nicht mehr auslösbar. Im Alter von 10 Jahren zeigte sich eine Atrophie der Unterschenkelmuskulatur beidseits. Weiter war die Oberflächen- und Tiefensensibilität eingeschränkt. Die Nervenleitgeschwindigkeiten an den oberen und unteren Extremitäten waren deutlich reduziert. Die klinischen und neurophysiologischen Untersuchungen der Eltern und der Schwester ergaben Normalbefunde. Die im Alter von 8 Jahren durchgeführte Nervenbiopsie zeigte eine demyelinisierende periphere Neuropathie mit Markschlingen. CMT 425 I 1 2 2 3 II 1 4 Die Patienten sind die Nachkommen gesunder nicht-konsanguiner deutscher Eltern. Die Index Patientin II.3 war bis zu ihrem 12. Lebensjahr symptomfrei. Zunächst bemerkte sie, dass sie Schwierigkeiten beim Flötenspiel hatte, wonach auch ihr Gehvermögen immer schlechter geworden sei. Klinisch zeigte sie im Alter von 16 Jahren eine Spitzfußstellung, deutliche distal betonte Atrophien der oberen und der 21 unteren Extremitäten mit nicht-auslösbaren Achillessehnenreflexen beidseits. Die motorischen Nervenleitgeschwindigkeiten waren reduziert bzw. am N. peroneus nicht mehr ableitbar. Sensibilitätsstörungen wurden im Sinne von hand– und strumpfförmiger Hypästesien angegeben. Die Histologie einer Muskelbiopsie zeigte eine neurogene Muskelatrophie. Ähnliche Symptome, allerdings in milderer Form, zeigte ihr jüngerer Bruder. CMT 531 In der Familie CMT531 sind zwei Kinder aus konsanguinen Verbindungen betroffen. Der Index-Patient IV.5 zeigte seit dem Laufbeginn mit 14 Monaten ein auffälliges Gangbild. Er entwickelte einen bilateralen Pes equinovarus. Im Alter von 3 Jahren zeigte sich ein deutlicher Steppergang. Die im Alter von 4 Jahren durchgeführte beidseitige Verlängerung der Achillessehnen brachte nur eine kurzfristige Verbesserung. Bei der Untersuchung mit 7 Jahren zeigten sich eine Atrophie der Unterschenkelmuskulatur, der Fußmuskeln und weniger ausgeprägt der Thenar- und Hypothenar-Muskeln. Der Patient war mit Krücken mobil. Der Hacken- und Zehengang war nicht möglich. Die Feinmotorik der Hände war sehr eingeschränkt und es war nicht möglich, einen Stift in den Händen zu halten. Die Reflexe der oberen Extremitäten waren abgeschwächt und die der unteren Extremitäten nicht nachweisbar. Die Sensibilität für Vibrationen, Druck und Schmerz war in den unteren Extremitäten reduziert, in den Händen erhalten. Die Elektromyographie (EMG) bestätigte neurogene Veränderungen. Im Alter von 6 Jahren waren sowohl die motorische als auch die sensorische Nervenleitgeschwindigkeit deutlich reduziert (Tabelle A1). Im Alter von 22 3½ Jahren wurde eine Nervenbiopsie des N. suralis durchgeführt, die eine Neuropathie vom intermediären Typ zeigte. Beide Eltern hatten normale NLG. Seine Cousine zeigte ein ähnliches klinisches Bild. Die Klumpfüße erforderten mehrere Operationen. Zudem wurde eine erhebliche Atrophie der Handmuskeln einhergehend mit Krallenhänden beobachtet. CMT 543 I II 1 2 3 1 2 3 Die Patientin entwickelte seit dem Laufbeginn einen Zehenspitzengang, woraufhin bereits im ersten Lebensjahr eine beidseitige Achillessehnenverlängerung erfolgte, die jedoch keine wesentliche Verbesserung des Gangbildes erbrachte. Im Alter von 6 Jahren wurde diese Operation wiederholt. Seit etwa dem 10. Lebensjahr ist sie auf einen Rollstuhl angewiesen. Außerdem fiel eine zunehmende muskuläre Schwäche der oberen Extremitäten auf. Die klinische Untersuchung zeigte beidseitige Hohlfußdeformitäten, distal betonte Muskelatrophien, erloschene Muskeleigenreflexe, sockenförmig begrenzte Sensibilitätsdefizite, eine leichte Thorakalskoliose und Beugekontrakturen. In der elektrophysiologischen Untersuchung im Alter von 14 Jahren zeigt sich eine deutliche demyelinisierende Neuropathie, mit reduzierten Nervenleitgeschwindigkeiten. Sowohl ihre Eltern als auch ihre Halbgeschwister sind klinisch gesund. CMT 623 I 2 1 II 2 1 3 4 III 1 2 3 4 Bei dem Index-Patienten war bereits die frühkindliche motorische Entwicklung verzögert. Er zeigte eine beidseitige Hohlfußfehlstellung, die rechts ausgeprägter war als links. Der Fersengang war nicht möglich. Er hatte leichte distale Paresen und eine symmetrische Hypästhesie mit Abnahme des Vibrationsempfindens. Zusätzlich wies 23 er eine leichte rechtskonvexe Brustwirbel-Skoliose und eine Hörminderung auf. Von seiner frühen Kindheit bis zur Pubertät hatte er mehrere Episoden mit Dysarthrie, Dysphagie und Lähmungen eines oder mehrerer Hirnnerven sowie akuter Gangbildverschlechterungen durchgemacht. Einige dieser Episoden waren mit grippalen Infekten assoziiert. Craniale MRT-Scans zeigten eine transiente, nur im akuten Stadium nachweisbare Hyperintensität der weißen Substanz. Die elektrophysiologische Diagnostik ergab reduzierte Amplituden der motorischen und sensorischen Potentiale. In der Nervenbiopsie zeigte sich eine überwiegend demyelinisierende Läsion mit geringer axonaler Beteiligung. Sein älterer Bruder zeigte ähnliche klinische Symptome, einschließlich Episoden mit ZNS-Symptomen. Die Mutter des Patienten zeigte klinisch eine milde periphere Neuropathie. CMT 825 I 1 2 1 2 II Bei der Index-Patientin wurde im Alter von 12 Jahren eine beidseitige Hohlfußdeformität, eine distal betonte Atrophie der Beinmuskulatur mit Kraftminderung der Beine und eine Zehenheberschwäche diagnostiziert. Die Muskeleigenreflexe der oberen und der unteren Extremitäten waren deutlich abgeschwächt bzw. nicht auslösbar. Die Messung der Nervenleitgeschwindigkeiten ergab deutlich pathologische Werte. Die Biopsie des N. suralis zeigte eine demyelinisierende HMSN. Die Familienanamnese war unauffällig. CMT 983 Die Index-Patientin II.7 wurde im Alter von 5 Jahren neurologisch auffällig. In der klinischen Untersuchung war kein Fersengang möglich und eine ausgeprägte Hüftbeugehemmung im Langsitz vorhanden. Weiterhin zeigte sich eine mangelhafte 24 Supination beider Hände. Die Achillessehnenreflexe waren nicht auslösbar, weitere Reflexe waren unauffällig und die Sensibilität war noch vorhanden. Zusätzlich bestand eine Skoliose. Im weiteren Verlauf entwickelte sie distal betonte Atrophien und schlaffe Paresen der unteren Extremität. Aufgrund einer zunehmenden Hohlfußbildung mit Steppergang wurde eine Achillotenotomie im Alter von 8 Jahren links und im Alter von 12 Jahren rechts vorgenommen. Im Alter von 26 Jahren war nur noch der Trizepssehnenreflex der oberen Extremität auslösbar. Es bestand eine deutliche strumpfförmige Hypästhesie und die Haut der unteren Extremität war kühl und marmoriert. Die Skoliose war nach Abschluss des Wachstums nicht progredient. Die motorischen Nervenleitgeschwindigkeiten waren deutlich verzögert und die sensiblen Potentiale waren an der unteren Extremität nicht ableitbar. Die histopathologische Untersuchung einer N. suralis Biopsie zeigte eine langsam verlaufende chronisch demyelinisierende Neuropathie. Die elektronenmikroskopische Auswertung zeigte Zwiebelschalenformationen vom Basallamina-Typ. Die klinischen und neurophysiologischen Befunde waren bei den beiden betroffenen Geschwistern ähnlich. Die nicht-konsanguinen deutschen Eltern und die nicht betroffenen Geschwister zeigten bei der neurophysiologischen Untersuchung unauffällige Befunde. CMT 1222 I 1 2 1 2 II Die beiden Patientinnen sind die Töchter von gesunden, nicht miteinander verwandten griechischen Eltern. Bei der Index-Patientin fiel im Ater von zwei Jahren eine Gangstörung auf. Bis dahin war die motorische Entwicklung unauffällig gewesen. Im Alter von drei Jahren benötigte sie Peroneusschienen wegen distal betonter schlaffer Paresen. Seit dem fünften Lebensjahr zeigte sich eine progrediente Einschränkung der Feinmotorik der Hände. Im Alter von acht Jahren wurde sie rollstuhlpflichtig. Die Muskeleigenreflexe waren erloschen und die Sensibilitätsstörungen waren nur gering ausgeprägt. Im Alter von 12 Jahren entwickelte sie in Folge einer ausgeprägten Hyperlordose eine respiratorische Insuffizienz wodurch eine nächtliche Beatmung notwendig wurde. Eine Korrekturoperation brachte nur eine kurzfristige Verbesserung. Im Alter von 10 bzw. 9 Jahren waren die motorische und sensible Nervenleit25 geschwindigkeiten (NLG) des N. medianus und des N. peronaeus nicht (mehr) ableitbar. Die histologischen Befunde zeigten eine chronische langsam progrediente demyelinisierende Neuropathie. Ihre ein Jahr jüngere Schwester zeigte einen ähnlichen Krankheitsverlauf. Die NLG beider Eltern waren am N. peronaeus leicht reduziert, ohne dass sie klinische Beschwerden aufwiesen. CMT 1345 Bei dem Sohn konsanguiner türkischer Eltern, war bereits die frühkindliche motorische Entwicklung auffällig (muskuläre Hypotonie und geringe Spontanaktivität). Im Alter von einem Jahr hatte er immer noch keine Kopfkontrolle erlangt, zeigte ein sparsames Bewegungsmuster und eine distale Hypotonie. Seine Greif- und Folgebewegungen waren deutlich verlangsamt. Die Muskeleigenreflexe waren nicht auslösbar. Die ZNS-Bildgebung zeigte eine normale Myelinisierung. Die visuell evozierte Potentiale (VEP) waren unauffällig, während die akustisch evozierte Potentiale (AEP) und somatosensibel evozierte Potentiale (SEP) pathologisch im Sinne einer möglichen sowohl peripheren als auch zentralen Reizleitungsstörung waren. Die motorische Nervenleitgeschwindigkeiten waren reduziert und die sensorischen Aktionspotentiale nicht ableitbar. Die Nervenleitgeschwindigkeiten der Eltern waren unauffällig. Die Nervenbiopsie zeigt eine geringgradige Neuropathie vom demyelinisierenden Typ. 26 CMT 1367 I II 1 1 2 2 3 4 Die Patientin entwickelte im Alter von 10 Jahren einen zunehmenden Spitzfuß mit Zehengang. Es erfolgten insgesamt 4 Release-Operationen, die aber nur kurzfristige Verbesserungen der klinischen Situation brachten. In der neurologischen Untersuchung waren eine Atrophie der Unterschenkel, Fußmuskeln und der Hände auffällig. Am Schulsport konnte sie nicht mehr teilnehmen, während Radfahren und Treppensteigen noch möglich waren. Die sensiblen Merkmale waren leicht reduziert und die Muskeleigenreflexe teilweise nicht auslösbar. Die neurophysiologischen Untersuchungen zeigten deutlich reduzierte Amplituden der motorischen und nicht ableitbare sensible Potentiale. Die histopathologische Untersuchung der Nervenbiopsie zeigte eine axonale Neuropathie. Die Geschwister und die Eltern zeigten keine klinischen Auffälligkeiten. CMT 1636 I 1 2 II 1 2 Im Alter von neun Jahren fielen bei der Patientin erstmalig eine seitdem zunehmende Hammerzehen- und Hohlfußbildung, ein watschelndes Gangbild und eine Fallneigung auf. Im Alter von 11 Jahren waren auch die Kraft in den Händen und das Schriftbild deutlich verschlechtert. Bei der körperlichen Untersuchung fielen eine distal betonte symmetrische Minderung der groben Kraft und eine entsprechende Hypotrophie der Extremitätenmuskulatur auf. Die Muskeleigenreflexe waren deutlich abgeschwächt und teilweise nicht mehr auslösbar. Die motorischen Nervenleitgeschwindigkeiten waren verzögert und die sensiblen Aktionspotentiale waren nicht ableitbar. Die Histopathologie der Nervenbiopsie zeigte eine fortgeschrittene chronische Neuropathie vom demyelinisierenden Typ. Bei einer HNO-Untersuchung fiel eine symmetrische geringgradige Hochtoninnenohrschwerhörigkeit auf, die zu den leicht abweichenden akustisch evozierten Potentialen (AEP) passte. Seit dem 13. Lebensjahr ist das Mädchen rollstuhlpflichtig. 27 Obwohl der Vater keine klinischen Beschwerden hatte, waren auch bei ihm die motorischen Nervenleitgeschwindigkeiten herabgesetzt. Die übrigen Familienmitglieder zeigten keine Auffälligkeiten. 28 4.2 Untersuchungsstrategie 1. Untersuchung auf: PMP22-Duplikationen, Cx32-, MPZ-, PMP22-, und EGR2Punktmutationen, da - bei sporadischen Fällen Neumutationen in diesen Genen beschrieben wurden - im Einzelfall auch rezessive Mutationen im MPZ-, PMP22-, und EGR2-Gen beschrieben wurden 2. Bei geeigneter Familienstruktur erfolgte eine indirekte Genotypisierung für ARHMSN-Loci. Bei kompatiblem Befund für den CMT4A-Lokus wurde die Sequenzierung des GDAP1-Gens angeschlosssen 3. Bei sporadischen Fällen erfolgte eine direkte Sequenzierung des GDAP1-Gens. V. a. früh beginnende HMSN Untersuchung auf: PMP22-Duplikation, Cx32-, MPZ-, PMP22-, und EGR2-Punktmutationen Stammbaumanalyse Sporadische Fälle Familiäre Fälle mit AR Vererbung Familiäre Fälle mit AD/ X-chr. Vererbung Genotypisierung für AR-HMSN-Loci kompatibler Befund für CMT4A Sequenzierung des GDAP1-Gens nicht-kompatibler Befund für CMT4A Keine weitere Untersuchung Abbildung 4.3: Flussdiagram der molekulargenetischen Untersuchungen 29 4.3 4.3.1 Molekulargenetische Untersuchung DNA-Extraktion Die Extraktion der genomischen DNA erfolgte mittels Salzfällung aus Leukozyten des peripheren Blutes (Miller et al., 1988). Die so gewonnene unfraktionierte DNA kann zu molekulargenetischen Analysen verwendet werden. 4.3.2 Polymerase-Kettenreaktion Mit Hilfe der PCR (Polymerase Chain Reaction) können selektiv einzelne Abschnitte aus einem heterogenen Gemisch von DNA-Sequenzen in vitro amplifiziert werden. Durch Erhitzen des DNA-Doppelstranges erfolgt zunächst eine Denaturierung, die die Anlagerung spezifischer, die Zielsequenz flankierender Oligonukleotidprimer ermöglicht. Ihre Anlagerung erfolgt bei für den jeweiligen Primer spezifischen Annealing-Temperaturen. Im sich anschließenden Extensionsschritt erfolgt die Synthese des gewünschten Fragmentes. Diese wird durch eine thermostabile DNAPolymerase (meist Taq-Polymerase) katalysiert. Die neu synthetisierten DNAStränge dienen nach Denaturierung im nächsten Reaktionszyklus erneut als Matrizen für die DNA-Synthese. Die Abfolge von Denaturierung, Annealing und Extension wird etwa 30 - 35 mal wiederholt. Um den Erfolg der PCR (Reinheit und Menge des Produkts) abzuschätzen, wurden die PCR-Produkte elektrophoretisch in einem Agarosegel aufgetrennt. Um die DNABanden nach dem Gellauf sichtbar zu machen, wurde dem Gel Ethidiumbromid zugesetzt und die DNA bei Bestrahlung mit UV-Licht dargestellt (Ibelgaufts, 1993). Die spezifischen PCR-Bedingungen und Primer für die verschiedenen Exone der Gene bzw. für die Mikrosatelliten sind in Tabelle A2 im Anhang aufgeführt. 4.3.3 Mutationsnachweis durch direktes Sequenzieren nach Sanger Die Basenabfolge in einem DNA-Molekül kann durch die direkte Sequenziertechnik nach Sanger (Kettenabbruch-Verfahren) bestimmt werden. Dabei enthält der Sequenzieransatz neben den normalen Desoxy-Nukleotid-Triphosphaten als Substrat für die DNA-Polymerase auch 2', 3'-Didesoxy-Nukleotid-Triphosphate, bei deren Einbau in den DNA-Einzelstrang ein Kettenabbruch erfolgt. Auf diese Weise entstehen Fragmente verschiedener Länge, die nach elektrophoretischer Auftrennung je nach gewählter Markierung detektiert werden können. In dieser Arbeit erfolgte die Detektion durch fluoreszenzmarkierte 2', 3'-Didesoxynucleotide. Die zum Ansatz gegebenen 2', 3' - Didesoxynukleotide sind jeweils mit einem für die entsprechende 30 Base spezifischen Fluoreszenzfarbstoff markiert, der nach Anregung mit einem Laser entsprechend seinem Absorptionsspektrum fluoresziert und eine Aufzeichnung des Signals ermöglicht. Die Auswertung der so erhaltenen Signale erfolgt computergestützt. Zur Vorbereitung des als Matrize in die Sequenzierreaktion einzusetzenden Fragments wurde der PCR-Ansatz mittels des QIAquick-PCR-Purification Kits (Qiagen GmbH, Hilden, Deutschland) aufgereinigt. Durch die Aufreinigung wurden Primerreste und niedermolekulare Substanzen entfernt. Das aufgereinigte Produkt wurde in der Sequenzierreaktion mit einem fragmentspezifischem Primer eingesetzt. Dadurch werden markierte Einzelstränge gebildet, die in der folgenden Sequenzierung analysiert werden. Anschließend erfolgte eine Na-Acetat-Fällung zur Aufreinigung des Sequenzierprodukts. Die Analyse erfolgte auf einem ABI 377 DNA Sequenzierer (Applied Biosystems Applera Deutschland GmbH, Darmstadt, Deutschland). Die computergestützte Auswertung nach dem Lauf erfolgte mit Hilfe der ABI PRISMTM Collection Software und dem Sequencing Analysis-Program (Applied Biosystems). 4.3.4 Mikrosatellitanalysen Mikrosatelliten-Marker sind hochpolymorphe DNA-Abschnitte, die aus kurzen repetitiven Sequenzmotiven bestehen. Die einzelnen Allele unterscheiden sich in der Anzahl der Motivwiederholungen und werden nach den Mendelschen Regeln vererbt (Litt und Luty, 1989; Tautz, 1989; Weber und May, 1989). Zur Genotypisierung von Mikrosatelliten-Markern (Short tandem repeats, STR) wurden die gewählten DNABereiche mit PCR amplifiziert. Die „sense“-Primer wurden mit FAM-Fluorophoren (MWG-Biotech AG, Ebersberg, Deutschland) markiert. Anschließend erfolgte die gelelektrophoretische Auftrennung der amplifizierten Fragmente, die Detektion der Fluoreszenzdaten und die Datenauswertung auf einem ABI 377 DNA Sequencer (Applied Biosystems). 4.3.4.1 Bestimmung der Kopienzahl des PMP22-Gens Zum Nachweis bzw. Ausschluss einer Duplikation des PMP22-Gens wurden die Tetranukleotidmarker CMT4A, CMT9A, CMT9B (Latour et al., 2001) sowie die Dinukleotidmarker D17S122, D17S921, D17S1358 (Genome data base, GDB, http://gdbwww.gdb.org) verwendet. Das Auftreten von 3 Allelen bzw. der Unterschied der Signalstärken zeigten das Vorhandensein einer zusätzlichen PMP22-Genkopie an. 31 4.3.4.2 Kopplungsanalysen und Homozygotiekartierung Unter Kopplung versteht man die gemeinsame Vererbung von zwei oder mehr Allelen aufgrund der physikalischen Nachbarschaft ihrer Loci auf einem Chromosom. Bei der Kopplungsanalyse wird untersucht, ob ein bestimmter Haplotyp mit dem Auftreten der Erkrankung assoziiert ist (Segregation). Mögliche Kopplung zu AR-HMSN-Loci wurde in den 10 ausgewählten Familien durch Genotypisierung von vier bis sechs Mikrosatelliten-Markern pro Genort überprüft (Tabelle A2 im Anhang). Die erhobenen Daten wurden im Hinblick auf Vereinbarkeit mit Kopplung zu den jeweiligen Loci, Rekombinationsereignissen und der Homozygotie am Genort analysiert. Kinder aus konsanguinen Verbindungen tragen in Abhängigkeit vom Grad der Verwandtschaft mit größerer Wahrscheinlichkeit homozygote (identische) Allele für einen Teil des Genoms (Homozygotie durch gemeinsame Abstammung, homozygosity by descent). Entsprechend sind Krankheitsgene für autosomal rezessive Erkrankungen in blutsverwandte Familien hauptsächlich in Bereichen des Genoms lokalisiert, für die die betroffenen Patienten homozygote Haplotypen aufweisen. Die Kopplungswahrscheinlichkeit an einem Genort wird durch den LOD-Score beschrieben, eine statistische Abschätzung der Wahrscheinlichkeit, ob zwei Loci (Genorte) auf demselben Chromosom nah beieinander liegen und somit gekoppelt vererbt werden. LOD steht für logarithm of the odds oder auch logarithmic odds ratio. 4.3.5 Single-Strand-Conformation-Polymorphism Analysis Die Single-Strand-Conformation-Polymorphism Analysis (SSCP) ist eine Methode, um DNA-Fragmente auf Varianten zu untersuchen (Orita et al. 1989). Grundlage des Verfahrens ist die Annahme, dass einzelsträngige DNA in Abhängigkeit von ihrer Sequenz Konformationen bilden. Stimmen eine oder mehrere Basen nicht mit der Wildtyp-Sequenz überein, so bildet sich eine andere Konformation. Die einzelnen DNA-Konformationen können gelelektrophoretisch dargestellt werden. Die SSCP kann prinzipiell als Screening-Methode oder – wie in der vorliegenden Studie – zum Nachweis bekannter Mutationen verwendet werden. 32 5 Ergebnisse 5.1 5.1.1 Mutationsnachweis PMP22-Gen CMT825 Die Analyse der Marker 9B und D17S1358 zeigt bei der Patientin drei Allele. Der Marker 9A zeigt bei ihr Heterozygotie, wobei das höhermolekulare Allel eine wesentlich stärkere Intensität aufweist, was auf ein doppeltes Vorliegen dieses Allels hindeutet. Die Marker 4A, D17S122 und D17S921 sind nicht informativ. Die Analysen der Angehörigen, d. h. der Eltern, des Bruders sowie der Großmutter mütterlicherseits ergeben jeweils zwei Allele und somit Normalbefunde. Die Richtigkeit der Verwandtschaftsverhältnisse bzw. der Probenzuordnung wird durch Typisierung von STR-Markern auf drei weiteren Chromosomen bestätigt. 5.1.2 Cx32 Gen CMT623 Die Direktsequenzierung des Cx32-Gens zeigt bei dem Indexpatienten Hemizygotie für eine Deletion des Glutaminsäure-Codons 102 (304_306 del GAG). Die Mutter ist Konduktorin für diese Mutation. Die SSCP-Analyse der entsprechenden DNAFragmente der anderen Kernfamilienmitglieder und einhundert nicht verwandter gesunder Kontrollen zeigen diese Deletion nicht. 5.1.3 GDAP1-Gen CMT531 Bei kompatibler Kopplung zum CMT4A-Genort (s. 5.2) erfolgt eine Mutationsanalyse des GDAP1-Gens. Bei dem Index-Patienten und seiner ebenfalls erkrankten Cousine wird eine homozygote Mutation im GDAP1-Gen nachgewiesen. Diese Mutation ist eine T-Insertion im GDAP1-Exon 3 (c.349_350 ins T). Sie resultiert in einem Frameshift und einem frühzeitigen Abbruch der Translation (siehe Abbildung 5.1). 33 Abbildung 5.1: Sequenzierung des Exons 3 des GDAP1-Gens bei dem Indexpatienten der Familie CMT531. Mit dem Pfeil ist die homozygote TInsertion gekennzeichnet. In der unteren Zeile ist die Aminosäuresequenz angegeben. CMT48 Bei dem Indexpatienten liegt eine heterozygote Substitution von Arginin zu Cystein in Codon 282 vor. Dieses Allel wird vom klinisch gesunden Vater vererbt und bei hundert Kontrollpersonen nicht nachgewiesen. Auf dem mütterlichen Allel kann keine Mutation nachgewiesen werden. CMT49 Die Sequenzierung des GDAP1-Gens zeigt bei der betroffenen Patientin eine homozygote Mutation des Donor-Spleißsignals von Intron 4 (c.579+1G>A) (Abbildung 5.2). Die Mutation segregiert in der Familie entsprechend einem autosomal-rezessiven Erbgang und die Haplotypenanalyse zeigt Homozygotie für vier das GDAP1-Gen flankierende STR-Marker. Es erscheint daher möglich, dass die Eltern zumindest entfernt miteinander verwandt sind. Auf der Transkriptebene führt die c.579+1G>A Mutation mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem Fehlen von Exon 4 in dem reifen Transkript. Leider ist kein tiefgefrorenes Material der Nerven- und Muskelbiopsie mehr vorhanden und keine neue Blutprobe erhältlich, um diese Hypothese durch eine Untersuchung auf der Transkriptebene zu bestätigen. CMT49 WT Abbildung 5.2: Sequenzierung des Exons 4 des GDAP1-Gens bei der Indexpatientin der Familie CMT49. Mit dem Pfeil ist die homozygote Mutation gekennzeichnet. 34 Eine c.507G>T-Transversion in Exon 4 wird sowohl homo- als auch heterozygot bei AR-HMSN Patienten und bei Kontrollpersonen nachgewiesen. Diese DNA-Variante führte nicht zu einer Veränderung des Serin-Codons 169. 5.1.4 SBF2-Gen CMT281 In dieser Familie ist durch Untersuchungen in einer anderen Studie eine Mutation im SBF2-Gen identifiziert (Homozygote Deletion der Exone 11 und 12, Senderek et al., 2003). CMT78 Auch in dieser Familie sind inzwischen Mutationen im SBF2-Gen identifiziert. Es handelt sich dabei um eine heterozygote Cytosin-Deletion in Exon 21 (c.2596delC, paternaler Herkunft) und eine heterozygote c.2578C>T Transversion in Exon 21 (R860X, maternaler Herkunft) (unveröffentlichte Daten). 5.1.5 KIAA1985-Gen CMT983 In dieser Familie sind inzwischen Mutationen im KIAA1985-Gen identifiziert (Senderek et al., 2003). 5.1.6 Weitere HMSN-Gene Bei der Muationsanalyse der Gene bzw. Genabschnitte MPZ Exon 2-5, PMP22 Exon 3 und 4 und EGR2 Exon 2 zeigen sich beim untersuchten Patientenkollektiv keine Auffälligkeiten. 5.2 Kopplungsanalysen In der vorliegenden Arbeit werden in 10 HMSN-Familien, in denen ein autosomal rezessiver Erbgang wahrscheinlich ist, Haplotypenanalysen mit Markern aus der CMT4A-, CMT4B1-, CMT4B2-, CMT4C-, CMT4F- und ARCMT2A-Region durchgeführt. Die Ergebnisse der Kopplungsanalysen sind in Tabelle 5.1 dargestellt. 35 Familie \ Lokus 4A 4B1 4B2 4C 4F 2A - - - - - - - - - - - - - + (0,6) + (0,6) - - - - - + (2,45) - - - - - + (1,33) - - - CMT425 + (0,85) - + (0,85) + (0,85) + (0,85) - CMT531 + (2,78) - - - - - - - - + (2,08) - - - - + (0,6) - - - - - - - - - CMT32 CMT53 CMT78 CMT281 CMT413 CMT983 CMT1222 CMT1345 Tabelle 5.1: 5.2.1 Ergebnisse aller Kopplungsuntersuchungen „-“ = nicht kompatibel; „+“ = kompatibel; Zahlenwerte in Klammern geben den LOD max.-Wert an CMT4A Die CMT4A–Marker sind bei den betroffenen Kindern der türkischen Familie CMT531 homozygot. Die Eltern der zwei Kernfamilien (III2 und III3, III4 und III5) der betroffenen Kinder sind jeweils Cousin und Cousine 1. Grades (Abbildung 5.3). Die Familie CMT425 zeigt ebenfalls einen kompatiblen Kopplungsbefund. In den übrigen Familien kann eine Kopplung zum CMT4A-Genort ausgeschlossen werden bzw. wird als unwahrscheinlich angesehen, wenn betroffene Kinder blutsverwandter Eltern keine Homozygotie für die CMT4A-Marker zeigen. 36 Abbildung 5.3: Stammbaum der Familie CMT531 mit homozygoten CMT4A-Markern bei den beiden betroffenen Kindern 5.2.2 CMT4B1 Die deutsche Familie CMT78 ist mit Kopplung zum CMT4B1-Genort kompatibel. Jedoch kann keine Mutation im MTMR2-Gen nachgewiesen werden. In den übrigen Familien ist keine Kopplung zum CMT4B1-Genort nachweisbar. 5.2.3 CMT4B2 Am CMT4B2-Lokus zeigt sich in fünf Familien ein kompatibler Kopplungsbefund (Familien CMT78, CMT281, CMT413, CMT425 und CMT1222). Die histopathologischen Merkmale von CMT4B2 sind fokal gefaltete Myelinscheiden. Dies trifft für die Familien CMT78 und CMT281 zu. Die Familie CMT281 (Abbildung 5.4) wurde in einer nachfolgenden Studie zur Identifizierung von SBF2-Mutationen als Ursache der CMT4B2 herangezogen (Senderek et al., 2003). Bei der deutschen, nichtkonsanguinen Familie CMT78 können inzwischen compound heterozygote Mutationen im SBF2-Gen identifiziert werden. 37 I 1 2 1 II 1 2 3 2 1 1 2 1 4 III 1 2 3 4 2 1 1 2 1 4 5 5 6 7 6 7 8 9 2 1 1 2 1 4 1 2 1 1 2 1 4 2 1 1 2 1 4 8 2 1 1 2 1 4 2 3 1 1 3 4 1 2 4 2 2 2 IV D11S909 D11S4149 D11S4465 D11S1329 D11S1999 D11S1346 3 4 D11S909 D11S4149 D11S4465 D11S1329 D11S1999 D11S1346 D11S909 D11S4149 D11S4465 D11S1329 D11S1999 D11S1346 2 2 2 1 1 2 1 4 1 1 2 1 1 1 1 1 2 1 1 1 10 2 1 1 2 1 4 2 1 1 2 1 4 11 2 1 1 2 1 4 3 1 3 1 2 3 3 1 3 1 2 3 12 2 1 1 2 1 4 2 1 1 2 1 4 3 2 1 1 2 1 4 2 1 1 2 1 4 Abbildung 5.4: Stammbaum der Familie CMT281 mit homozygoten CMT4B2Markern bei den vier betroffenen Kindern 5.2.4 CMT4C Zwei Familien zeigen einen kompatiblen Kopplungsbefund am CMT4C-Lokus. Hierbei handelte es sich um zwei deutsche, nicht-blutsverwandte Multiplex-Familien (CMT983 mit drei betroffenen Kindern und CMT425 mit zwei betroffenen Kindern). In einer weiterführenden Studie konnten in der Familie CMT983 Mutationen im KIAA1985-Gen nachgewiesen werden, wodurch der Kopplungsbefund bestätigt wird. 5.2.5 CMT4F Die Familie CMT425 zeigt auch an diesem Lokus einen kompatiblen Kopplungsbefund. Im PRX-Gen ist in einer später durchgeführten Studie keine Mutation nachweisbar. 5.2.6 ARCMT2A Keine der untersuchten Familien zeigt Kopplung zum ARCMT2A-Lokus. 38 6 Diskussion 6.1 Detektionsrate Bei vier Einzelpatienten und vier Familien gelang die Aufklärung der molekularen Ursachen der HMSN durch Nachweis einer Genmutation (CMT48, CMT49, CMT78, CMT281, CMT531, CMT623, CMT825 und CMT983). Bei zwei weiteren Familien ergab sich ein plausibler Kopplungsbefund mit einem LOD-Score >1,5 (CMT281, CMT983). Bei diesen Familien konnte später der Gendefekt nachgewiesen werden. Bei der Familie CMT78, die nur einen LOD-Score von 0,6 lieferte, war insbesondere der histopathologische Befund wegweisend für die Identifizierung der verursachenden Mutation. In anderen Familien (bzw. an anderen Genorten) konnten trotz kompatibler Kopplungsbefunde keine pathogenen Mutationen nachgewiesen werden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass bei genetischer Heterogenie die Aussagekraft von Kopplungsdaten in kleinen Familien eingeschränkt ist. Die Mutationsdetektionsrate dieser Studie beträgt 40%. Diese hohe Detektionsrate ist auf die sorgfältige Vorauswahl der Patienten und Familien zurückzuführen und ist in der Routinediagnostik nicht erreichbar. 6.2 6.2.1 Mutationsnachweis PMP22-Duplikation Bei einem scheinbar sporadischen Fall konnte eine Duplikation des PMP22-Gens auf Chromosom 17p11.2 nachgewiesen werden (CMT825). Es handelt sich bei dieser PMP22-Duplikation um eine autosomal dominante Neumutation, da bei den Eltern der Patientin keine PMP22-Mutation nachweisbar war. Autosomal dominante Neumutationen sind eine wichtige Differentialdiagnose bei sporadischen HMSN-Fällen und sind in dieser Patientengruppe häufiger als autosomal-rezessiv vererbte Mutationen. 6.2.2 Cx32-Mutation Die Sequenzanalyse des Cx32-Gens zeigte bei dem Patienten CMT623 eine zuvor noch nicht berichtete Deletion der Glutaminsäure an Position 102 (304_306 del GAG). Wie die Tabelle 6.1 zeigt, ist dieses Codon in der Evolution konserviert, was neben dem fehlenden Nachweis der Mutation bei Kontrollen für den 39 pathogenen Charakter dieser Mutation spricht. Die betroffene Aminosäure ist an der intrazellulären Seite der Plasmamembran lokalisiert (Abbildung 6.1). Sofern das mutierte Protein korrekt gefaltet und in die Membran eingebaut wird, ist es vorstellbar, dass der Verlust der negativ geladenen Glutaminsäure die Interaktion mit positiv geladenen Molekülen behindert, die durch den Gap-Junction-Kanal transportiert werden. Erwartungsgemäß zeigte die molekulargenetische Familienuntersuchung, dass die Mutter, bei der nur leichte Zeichen einer Neuropathie bestanden, Konduktorin für die Cx32-Mutation ist. Bei klinischer Variabilität zwischen leicht betroffenen Frauen und stärker betroffenen männlichen Patienten, die bei nur oberflächlicher klinischneurologischer Untersuchung der Angehörigen auch als sporadische Fälle erscheinen können, sind insbesondere Cx32-Mutationen in Betracht zu ziehen. Abbildung 6.1: Connexin32 Modell. Mit dem Pfeil ist das Codon 102 gekennzeichnet. 40 Aminisäuren 100 101 102 103 104 Mensch H I E K K Rind H I E K K Hund H I E K K Maus H I E K K Ratte H I E K K Huhn H Q E K K Frosch H Q E K K Tabelle 6.1: 6.2.3 Der Vergleich der verschiedenen Spezies zeigt, dass die Glutaminsäure im Codon 102 hochkonserviert ist. GDAP1 Mutationen im GDAP1-Gen konnten in drei Familien nachgewiesen werden. Für zwei Mutationen konnte die Segregation im Sinne eines autosomal rezessiven Erbgangs bestätigt werden, während die dritte Mutation möglicherweise den Verlauf einer autosomal dominant erblichen Neuropathie modifiziert. Die c.349_350insT Mutation in der türkischen konsanguinen Multiplex-Familie CMT531 verursacht eine Verschiebung des Leserasters und resultiert in einem verkürzten Protein, sofern das Transkript stabil ist und translatiert wird. Die c.579+1G>A Mutation in der Familie CMT49 zerstört die Sequenz der Donor Spleißstelle von Intron 4. Für eine Spleißstellen-Mutation sind drei verschiedene Konsequenzen möglich: das Auslassen des darauf folgenden Exons, das Verbleiben des Introns in der gespleißten mRNA oder der Gebrauch eines kryptischen Spleißsignals. Das Auslassen des darauf folgenden Exons (Exon skipping) ist die häufigste Konsequenz von Spleißstellen-Mutationen bei Säugetieren (Nakai u. Sakamoto, 1994). In unserem Fall würde dies das Fehlen des Exons 4 im GDAP1-Gen bedeuten. Da die Verbindung zwischen Exon 3 und Exon 5 nicht „in frame“ ist, würde die abnormal gespleißte mRNA in einem frühzeitigen Abbruch der Proteinsynthese resultieren. Die bei dem Patienten CMT48 heterozygot nachgewiesene c.844C>T-Mutation (Arg282Cys) kann derzeit nicht abschließend eingeordnet werden. Der Patient wurde zunächst als sporadischer Fall angesehen und deshalb einer GDAP1- Mutationsanalyse unterzogen. Im Nachhinein wurden aber auch bei der Mutter Zeichen einer milden Neuropathie festgestellt. Es erscheint denkbar, dass in der 41 Familie eine autosomal-dominant erbliche Neuropathie auftritt, von der Mutter und Sohn betroffen sind, deren molekulare Ursache aber durch die hier durchgeführten Untersuchungen nicht identifiziert werden konnte. Der deutlichere Phänotyp bei dem Indexpatienten könnte durch den modifizierenden Effekt der vom Vater vererbten GDAP1-Mutation erklärbar sein. Der Arg282Cys-Austausch ist als eine pathogene Mutation einzuordnen, da diese Mutation in der Literatur bereits beschrieben wurde, bei gesunden Kontrollen nicht zu finden war und einen hochkonservierten Aminosäurerest betrifft. 6.3 Familien mit plausiblen Kopplungsbefunden Wenngleich genomweite Signifikanz nicht erreicht wurde, zeigten die Familien CMT281 und CMT983 mögliche Kopplung zum CMT4B2- bzw. zum CMT4C-Genort. Da die ursächlichen Gene für die CMT4B2 und die CMT4C zum Zeitpunkt der Durchführung dieser Studie noch nicht bekannt waren, konnte noch keine gezielte Mutationsanalyse erfolgen. Nach Identifizierung des CMT4B2- und des CMT4C-Gens konnten in beiden Familien pathogene Mutationen in den jeweiligen Genen (SBF2 bzw. KIAA1985) nachgewiesen und damit das Ergebnis der Kopplungsanalysen bestätigt werden. 6.4 6.4.1 Genotyp-Phänotyp Korrelationen Cx32 Außergewöhnlich bei dem Patienten CMT623 ist die ZNS-Beteiligung, die bereits mehrfach bei Cx32-Mutationen berichtet worden ist (Panas et al., 2001, Paulson et al., 2002). Weil Cx32 auch im ZNS und insbesondere in den Oligodendrozyten, der myelinisierenden Glia des ZNS, exprimiert wird, erscheint es plausibel, dass Anomalien der weißen Gehirnsubstanz und ZNS-Symptome durch Cx32-Mutationen ausgelöst werden können. Die Unterschiede zwischen dem Verlauf im peripheren Nervensystem (chronisch progredient) und im ZNS (transient) könnten durch unterschiedliche Lokalisation und unterschiedliche Bindungspartner des Cx32-Proteins zu erklären sein. Eine andere Erklärung könnte sein, dass eine Kompensation der Funktion durch andere Connexine (z. B. Cx26), im peripheren Nervensystem nicht möglich ist, während dies im ZNS im „Normalzustand“ ausreicht. Durch Stress-Situationen, z. B. durch Infektionen oder Operationen, könnten die Connexone aber auch im ZNS überlastet werden und zu transienten ZNS-Symptomen führen. 42 6.4.2 GDAP1 In der hier vorgestellten Studie zeigten alle Patienten mit GDAP1-Mutationen eine progrediente frühkindliche Neuropathie. Alle drei Patienten hatten Klumpfüße mit schwerer Gehbehinderung und einen Verlust der Gehfähigkeit am Anfang der zweiten Dekade. Bei den zuvor berichteten Patienten mit GDAP1-Mutationen waren die klinischen Phänotypen ähnlich (Baxter et al., 2002; Cuesta et al., 2002). GDAP1-Mutationen verursachen sowohl demyelinisierende als auch axonale Degenerationen des peripheren Nervensystems (Baxter et al., 2002; Cuesta et al., 2002). In der vorliegenden Studie fand sich bei Patienten mit GDAP1-Mutationen eine gemischte oder intermediäre Neuropathie. Dieses Schädigungsmuster entspricht dem Expressionsprofil von GDAP1 (Schwannzellen und Neurone) und ist ein weiterer Beleg dafür, dass axonale und demyelinisierende Neuropathien keine ätiologisch unabhängigen Prozesse sind (Vance, 2000). 6.4.3 CMT4B2 (SBF2) Die Patienten in der Familie CMT281 zeigten eine schwere frühkindliche Neuropathie. Alle Patienten hatten Klumpfüße, nicht auslösbare Muskeleigenreflexe und Kontrakturen der Finger mit Krallenstellung. Bei weiteren publizierten Patienten mit SBF2-Mutationen (Azzedine et al., 2003, Conforti et al., 2004 und Hirano et al., 2004) waren die klinischen Phänotypen ähnlich. Auffällig ist, dass alle beschriebenen Patienten mit SBF2-Mutationen als histopathologisches Merkmal fokal gefaltete Myelinscheiden aufweisen. Dies traf auch bei den Familien CMT281 und CMT78 zu. Wenngleich diese Veränderungen nicht spezifisch sind (so konnten sie auch bei Mutationen im MPZ-Gen nachgewiesen werden), kann ihr Auftreten dennoch den Verdacht auf eine Neuropathie Typ CMT4B1 (MTMR2-Gen) oder CMT4B2 (SBF2Gen) lenken. Dadurch kann in bestimmten Fällen die Anzahl der zu untersuchenden Gene eingeschränkt werden, so dass eine molekulargenetische Diagnose und eine gezielte humangenetische Beratung erleichtert werden. 6.4.4 CMT4C (KIAA1985) Eine früh beginnende schwere Skoliose wurde bereits in den ersten Beschreibungen von CMT4C-Familien erwähnt. Auch die Patienten in der Familie CMT983 zeigten eine zum Teil deutlich ausgeprägte Skoliose. Grundsätzlich sind Deformitäten des Achsenskeletts eine häufige Komplikation im Verlauf neuromuskulärer Erkrankungen. Bei der CMT4C kann eine Skoliose jedoch das initiale Symptom darstellen und 43 dem Auftreten peripherer Paresen zeitlich vorausgehen. Darüber hinaus finden sich bei der CMT4C charakteristische Befunde in der Nervenbiopsie (BasallaminaZwiebelschalenformationen), die Anlass zur Durchführung einer gezielten Sequenzanalyse des KIAA1985-Gens sein sollten. Abgesehen von der Skoliose ist das klinische Bild ausgesprochen variabel. Das Spektrum reicht von leichten Verläufen mit kaum eingeschränkter Gehfähigkeit bis hin zu Verläufen, bei denen die Gehfähigkeit schon früh beeinträchtigt ist und zusätzlich eine Beteiligung der Atemmuskulatur auftreten kann. Aus der Art oder Position der Mutation ließ sich keine Aussage zu Verlauf und Schwere der Erkrankung machen, da das klinische Bild selbst innerhalb der Familien variierte. 44 7 Zusammenfassung Die hereditären motorischen und sensiblen Neuropathien (HMSN) / Charcot-MarieTooth-Neuropathien (CMT) sind eine klinisch und genetisch heterogene Gruppe von Erkrankungen des peripheren Nervensystems. Mit einer Prävalenz von 1 zu 2500 ist die HMSN die häufigste erbliche neuromuskuläre Krankheit des Menschen. Diese Studie zeigt das Spektrum der verantwortlichen Genmutationen bei Patienten mit früh beginnender HMSN auf und vermittelt durch die Identifizierung neuer Mutationen ein besseres Verständnis der Struktur und der Funktion von Proteinen, die für das periphere Nervensystem von Bedeutung sind. Diese Arbeit bestätigt, dass autosomal dominante Neumutationen eine wichtige Differentialdiagnose bei sporadischen HMSN-Fällen darstellen. Bei klinischer Variabilität zwischen mild betroffenen Frauen und deutlich betroffenen männlichen Patienten in einer Familie sind insbesondere Cx32-Mutationen in Betracht zu ziehen. Diese Arbeit stellt zwei neue GDAP1-Mutationen vor, die mutmaßlich zu einem verkürzten, funktionslosen Protein führen. Diese Mutationen verursachen eine Neuropathie vom gemischten, zugleich axonalen und demyelinisierenden Typ. Anhand von Kopplungsanalysen konnte die Zahl der in Frage kommenden Genorte bei zwei Familien eingegrenzt werden, so dass diese Familien in späteren Untersuchungen zur Identifizierung von neuen HMSN-Genen herangezogen werden konnten. Genotyp-Phänotyp-Korrelationen sind derzeit nur eingeschränkt möglich. Bestimmte klinische und histopathologische Hinweise lenken aber den Verdacht auf die Beteiligung bestimmter Gene. Zum Beispiel deutet eine ausgeprägte Skoliose auf den CMT4C-Lokus (KIAA1985-Gen) und ein histologischer Befund mit fokal gefalteten Myelinscheiden auf den CMT4B1/2-Lokus (MTMR2- und SBF2-Gen) hin. Schließlich zeigt diese Studie, dass durch die Kombination von exakter phänotypischer Beschreibung, Kopplungsanalysen und Mutationsscreening ein relativ hoher Anteil von frühmanifesten HMSN-Fällen molekulargenetisch aufgeklärt werden kann. 45 8 Literaturverzeichnis Azzedine H, Bolino A, Taı¨eb T, Birouk N, Di Duca M, Bouhouche A, Benamou S, Mrabet A, Hammadouche T, Chkili T, Gouider R, Ravazzolo R, Brice A, Laporte J, LeGuern E.: Mutations in MTMR13, a new pseudophosphatase homologue of MTMR2 and Sbf1, in two families with an autosomal recessive demyelinating form of Charcot-MarieTooth disease associated with early-onset glaucoma. Am J Hum Genet 2003 72:1141–1153 Baez S, Segura-Aguilar J, Widersten M, Johansson AS, Mannervik B.: Glutathione transferases catalyse the detoxication of oxidized metabolites (oquinones) of catecholamines and may serve as an antioxidant system preventing degenerative cellular processes. 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Review. 56 9 Verwendete Datenbanken - Charcot-Marie-Tooth Assosiation: http://www.charcot-marie-tooth.org/Physicians/NMM_Articles.php - Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke: http://www.dgm.org/ - Genetics Home Reference: http://ghr.nlm.nih.gov/ - Genomdatenbank: http://gdbwww.gdb.org - Leiden Muscular Dystrophy pages© Lamin A/C (LMNA): www.dmd.nl/lmna_home.html#var_tested - Mutationsdatenbank für erbliche periphere Neuropathien: http://www.molgen.ua.ac.be/CMTMutations/ - NCBI Structure Datenbank: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/structure/cdd/cdd.shtml - Neuromuscular disease center Washington University: http://www.neuro.wustl.edu/neuromuscular/time/hmsn.html - Online Mendelian Inheritance in Man (OMIM): http://www.ncbi.nlm.nih.gov/Omim - Primer3-Programm: http://www.genome.wi.mit.edu/cgi-bin/primer/primer3.cgi - PubMed: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi?DB=pubmed 57 10 Danksagung An erster Stelle möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. med. Klaus Zerres, dem Direktor des Institutes für Humangenetik der RWTH Aachen, für die Überlassung des Dissertationsthemas sowie die Förderung und Unterstützung meiner Arbeit bedanken. Durch ihn war es mir möglich, einen faszinierenden Einblick in die aktuelle molekulargenetische Forschung zu gewinnen und in eigenständiger Arbeit auf diesem Gebiet Erfahrung zu sammeln. Besonders dankbar bin ich darüber hinaus Herrn Dr. med. Jan Senderek für die hervorragende fachliche Betreuung. Stets fand er Zeit zur Entwicklung von Arbeitsstrategien, Diskussion der Ergebnisse und gab wertvolle Ratschläge. Ohne sein Engagement wäre die vorliegende Arbeit in der Form nicht möglich gewesen. Mein Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. med. Norbert Wagner, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums der RWTH Aachen, für die Übernahme des Korreferates. Für die vielen praktischen Tipps im Labor möchte ich ganz besonders Herrn Privatdozent Dr. rer. nat. Thomas Eggermann danken. Auch allen anderen Mitarbeitern des Institutes für Humangenetik sei für die freundliche Unterstützung und gute Arbeitsatmosphäre während der Durchführung des experimentellen Teils meiner Dissertation gedankt. Außerordentlich dankbar bin ich meinen Eltern, die mir mein Medizinstudium ermöglichten und meine wissenschaftliche Tätigkeit vor allem moralisch gefördert haben. Nicht zuletzt möchte ich meinem Ehemann Ingo Mähmann danken für sein Interesse an meiner Arbeit, seine kritischen Fragen und seine große Unterstützung. Danken möchte ich außerdem allen denjenigen, die an dieser Stelle nicht erwähnt wurden, die aber durch ihre Mithilfe zum Gelingen der Dissertation beigetragen haben. 58 Anhang Tabelle A1: Klinische, elektrophysiologische und nervenbioptische Daten der Patienten Familie Patient G Herkunft Alter bei Diagnosestellung (Jahre) Alter bei letzter Untersuchung (Jahre) CMT32 II.1 M Türkei + Geburt 3 CMT48 II.1 M Deutschland GDAP1 - 4 10 +++ +++ + + CMT49 II.2 W Deutschland GDAP1 - 2 7 +++ +++ +++ - CMT53 II.2 M Türkei 16 17 +++ +++ - - CMT78 II.1 W Deutschland SBF2 - 15,5 6,5 16 ++ +++ +++ + II.2 M Deutschland SBF2 - 16,5 5 12 ++ +++ +++ - CMT 281 IV.1 W Türkei SBF2 + 4 15 +++ +++ ++ - CMT310 II.1 M Deutschland - 3 10 + + + - CMT383 III. 1 M Deutschland - 12 12 + + - - CMT409 II. 1 M Deutschland - CMT413 II.2 W Türkei + 13 3 10 + + + + CMT425 II.3 W Deutschland - nl. 13 18 + + + +(UE) II.4 M Deutschland - nl. 15 15 + + - - IV.5 M Türkei + 14 2 8 +++ +++ +++ + CMT531 Mutation K Laufbeginn (Monate) 18 + GDAP1 nl. Distale Muskelschwäche Distale Muskelatrophie Fußdeformität Beteiligung Proximaler Muskeln + 3 + I Familie Patient G Herkunft CMT543 II.3 W Deutschland CMT623 III.3 M Deutschland CMT825 II.2 W CMT983 II.3 K Laufbeginn (Monate) Alter bei Diagnosestellung (Jahre) Alter bei letzter Untersuchung (Jahre) Distale Muskelschwäche Distale Muskelatrophie Fußdeformität Beteiligung Proximaler Muskeln - 12 1 15 +++ +++ +++ + CX32 - verspätet 8 11 ++ + ++ - Deutschland PMP22dupl. - Schulkind 12 + + + - M Deutschland KIAA1985 - 18 11 17 +++ + ++ + II.7 W Deutschland KIAA1985 - 19 5 26 ++ + ++ + (UE) II.8 W Deutschland KIAA1985 - 18 7 11 + - + - II.1 W Griechenland - 12 2 15 +++ +++ +++ + II.2 W Griechenland - 12 3 14 ++ + + - CMT1345 IV.2 M Türkei + - 0,5 1 ++ - - - CMT1367 II.1 W Polen - 12 13 17 +++ +++ +++ - CMT1636 II.1 W Serbien - nl. 9 16 +++ +++ ++ - CMT1222 Mutation II Familie Patient Skoliose (Alter bei Beginn in Jahren) Gehhilfen (seit dem Alter in Jahren) Sensible Defizite CMT32 II.1 CMT48 II.1 - Rollstuhl(10) + -/- reduziert kein AP CMT49 II.2 - Krücken(6) + (+)/- 26,4 kein AP kein AP CMT53 II.2 - + (+)/- reduziert kein AP kein AP axonal CMT78 II.1 + + - (+)/- verzögert kein AP 8,4 fokal gefalten II.2 - - - (+)/- CMT281 IV.1 - - + (+)/- 16,5 18,8 CMT310 II.1 - - - -/- 19 16 CMT383 IV.6 - - - (+)/(+) CMT409 II.1 CMT413 II.2 - Muskeleigenreflexe NLG Motorische Nerven N.medianus +/- 15,6 N. ulnaris N. peroneus N. tibialis Sensible Nerven N. medianus N. suralis kein AP reduziert reduziert + + -/- Sonstiges intermediär bei Geburt Handund Fußfehlstellung intermediär kein AP 12,2 intermediär Z. n. Wilms-Tumor fokal gefalten fokal gefalten 11 kein AP 26 n.d. kein AP Schwerhörgkeit n.d. n.d. reduziert - Nervenbiopsie (Typ Neuropathie) axonal 21,4 21,3 verzögert demyelinisierend Tremor Zungenfaszikulation CMT425 II.3 - + (+)/- kein AP II.4 - + (+)/(+) 29 CMT531 IV.5 +(3) Krücken(7) + (+)/- 31 CMT543 II.3 +(10) Rollstuhl(10) + -/- kein AP CMT623 III.3 + - + -/- 12 23,8 n.d. 23.7 32 kein AP kein AP axonal verzögert demyelinisierend 33,2 kein AP intermediär Pyramidenbahnzeichen III Familie Patient Skoliose (Alter bei Beginn in Jahren) Gehhilfen (seit dem Alter in Jahren) Sensible Defizite Muskeleigenreflexe NLG Motorische Nerven N.medianus CMT825 II.2 - - - (+)/- reduziert CMT983 N. ulnaris N. peroneus N. tibialis Sensible Nerven N. medianus N. suralis Nervenbiopsie (Typ Neuropathie) demyelinisierend II.3 +(11) - + (+)/- II.7 ++ Peroneusschienen(26) + (+)/- II.8 + - + +/- II.1 +(12) Hyperlordose Peroneusschienen(3) Rollstuhl(8) + -/- kein AP kein AP kein AP demyelinisierend II.2 - Peroneusschienen(3) Rollstuhl(10) + -/- kein AP kein AP kein AP demyelinisierend CMT1345 IV.2 - - + -/- 18 21 CMT1376 II.1 - - + +/- 20 kein AP CMT1636 II.1 - Rollstuhl(13) CMT1222 +/- 25 Sonstiges 13,9 9,5 20,9 13,8 28 24 9,05 kein AP 6,7 37,8 kein AP demyelinisierend kein AP demyelinisierend n. d. kein AP kein AP demyelinisierend kein AP kein AP axonal kein AP kein AP demyelinisierend Schwerhörigkeit Schwerhörigkeit Tabelle A1: Klinische, elektrophysiologische und nervenbioptische Daten der Patienten. G = Geschlecht; K = Blutsverwandtschaft; n.d. = nicht durchgeführt; NLG = Nervenleitgeschwindigkeiten; UE: untere Extremität Distale Muskelschwäche / Distale Muskelatrophie: - = nicht betroffen, + = untere Extremität mild betroffen, ++ = untere Extremität deutlich betroffen, +++ = Hände und Unterarme ebenfalls beteiligt Beteiligung proximaler Muskeln: - = nicht betroffen, + = geringe Schwäche, ++ = deutliche Beteiligung Fußdeformität: - = keine Fehlstellung; + = Pes cavus und Hammerzehen; ++ = Klumpfuß; +++ = Operation erforderlich / erfolgt Sensible Defizite: + = verminderte Sensibilität; ++ = erloschene Sensibilität Skoliose - = nicht vorhanden; + = mild ausgeprägt; ++ = schwere Skoliose; +++ = Operation erforderlich / erfolgt Muskeleigenreflexe: obere / untere Extremitäten; + = normal; (+) = abgeschwächt; - = erloschen Nervenleitgeschwindigkeiten (NLG): Normwerte: N. medianus und N. ulnaris motorisch >45 m/s; N. tibialis motorisch und N. peroneus >40 m/s; N. medianus sensibel >45 m/s; N. suralis >40 m/s. Kein AP: kein Aktionspotential ableitbar IV Tabellen A2: Verwendete STR-Marker und untersuchte Gene Mikrosatelliten für PMP22Duplikationsnachweis CMT4A Latour et al., 2001 Mikrosatelliten für CMT4C D5S658 http://gdbwww.gdb.org CMT9A Latour et al., 2001 D5S436 CMT9B Latour et al., 2001 D5S2090 http://gdbwww.gdb.org D17S122 http://gdbwww.gdb.org D5S636 http://gdbwww.gdb.org D17S921 http://gdbwww.gdb.org D17S1358 http://gdbwww.gdb.org http://gdbwww.gdb.org Mikrosatelliten für CMT4A D8S286 http://gdbwww.gdb.org Mikrosatelliten für CMT4F D19S881 http://gdbwww.gdb.org D8S548 http://gdbwww.gdb.org D19S47 http://gdbwww.gdb.org D8s551 http://gdbwww.gdb.org D19S223 http://gdbwww.gdb.org D8S1829 http://gdbwww.gdb.org D19S400 http://gdbwww.gdb.org B9CAG Ben Othmane et al., 1998 P26ACG Ben Othmane et al., 1998 Mikrosatelliten für CMT4B1 D11S4118 http://gdbwww.gdb.org Mikrosatelliten für ARCMT2A D1S1153 http://gdbwww.gdb.org D11S1757 http://gdbwww.gdb.org D1S2777 http://gdbwww.gdb.org D11S1333 http://gdbwww.gdb.org D1S2721 http://gdbwww.gdb.org D11S1366 http://gdbwww.gdb.org D1S2624 http://gdbwww.gdb.org Mikrosatelliten für CMT4B2 D11S909 http://gdbwww.gdb.org Sequenzanalysen PMP22 Roa et al., 1993 D11S4149 http://gdbwww.gdb.org MPZ Hayasaka et al., 1993 D11S4465 http://gdbwww.gdb.org Cx32 Bergoffen et al., 1993 D11S1346 http://gdbwww.gdb.org EGR2 Warner et al., 1998 GDAP1 Baxter et al., 2002 V