Major Depression - Universitätsklinik für Psychiatrie und

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Depression und Suizidalität
eine zentrale klinische
Herausforderung
H. P. Kapfhammer
Klinik für Psychiatrie u.
Psychotherapeutische Medizin
Medizinische Universität Graz
Was ist ein depressives Syndrom?
Affektive Symptome
Kognitive Symptome
Somatische Symptome
Bedrücktheit
Traurigkeit
Affektlabilität
verminderte Reagibilität
ziellose Angst, Panik
Scham, Zurückweisung
Schuldgefühle
Selbstwertverlust
Interesse-, Freudlosigkeit
Entfremdung, Gefühllosigkeit
Irritabilität
Aggressivität
Verlangsamung – Hemmung
Einengung, Merkfähigkeitsstörung
Konzentrationsstörung
„negative Trias“
Schuld - Sünde
Krankheit – Hypochondrie
Verarmung
Tod – Nihilismus
psychomotorische Gehemmtheit psychomotorische Agitiertheit
Suizidalität
Ein-, Durchschlafstörungen
frühmorgendliches Erwachen
Hypersomnie
Inappetenz, Gewichtsverlust
Hyperphagie
Libidoverlust
Vitalitätsverlust – Müdigkeit
Erschöpfbarkeit
leibliche Missempfindungen
lokalisierte Schmerzen
Tagesschwankungen
Depression: Psychopathologische Phänotypen
Phänotypen – Endophänotypen – neurobiologische Systeme
Major Depression
Depressive Stimmung
negative Emotionen
Anhedonie
gestörte Belohnung
Kognitiv:
Lernen/Gedächtnis
Exekutiv-F.
Neurovegetative /
somatoforme
Störungen
Psychomotorik
Hemmung /
Agitiertheit
Stresssensitivität
Tagesschwankungen
Biorhythmusstörungen
Typische depressive Episode
Diagnosestellung nach ICD-10
Depression - Epidemiologie
Depressive Episode
(Major Depression)
Lebenszeitprävalenz:
Punktprävalenz:
Hausarztpraxen:
4 – 18 %
1.5 – 5 %
ca. 10 %
Dysthymie
Lebenszeitprävalenz:
Punktprävalenz:
3–6%
1–4%
Bipolar affektive Störung
ca. 1 %
Depression – Epidemiologische Grunddaten
25 %
20 %
15 %
10 %
5%
0%
USA
Edmonton
Puerto
Rico
Frauen
Paris
BRD
Florenz
Beirut
Korea
New
Zealand
Männer
[Weissman et al. 1994]
Theorien zur Erklärung der Geschlechtsunterschiede
depressiver Störungen
Artefakt
Hilfesuchverhalten
Symptombericht
Diagnostischer Bias
Biologisch
Gehirnstruktur
Gehirnfunktion
Genetische Transmission
Reproduktive Funktion
Psychosozial
Sozialer Status
Rollenstress/Life events
Traumatisierung
Coping Stile
Depression - Geschlechtsdifferenzen
 stressvolle Lebensereignisse






Saisonalität
Menstruationszyklus
Schwangerschaft
Wochenbett
Menopause
exogene Hormontherapie
Depression
Depression - Komorbidität
Major Depression
Panikstörung
[40-80%]
Major Depression
Generalisierte Angststörung
[ > 50%]
Major Depression
Zwangsstörung
[3 - 30%]
Major Depression
Alkohol-/ Medikamentenmissbrauch [ > 30 %]
Depression – klinische Ausgangslage –
psychobiologische und psychosoziale Konsequenzen
breites heterogenes Spektrum
klinische Syndrome
Schweregrad - Zeit
Polarität: uni-, bipolar
weibliche – männliche Depression
Epidemiologie - Lebenszeitprävalenz
Frauen: ca. 20%
Männer ca. 12%
Verlauf
hohe Rezidivrate, ca. 20% chronisch
bedeutsame Therapieresistenz
bedeutsames Suizidrisiko
psychiatrische Komorbidität (Angst, Sucht)
somatische Krankheitsrisiken (metabolisches
Syndrom, Adipositas, Diabetes mellitus, KHK)
Kosten – Burden of Disease
psychologisch, psychosozial, sozioökonomisch
Was sind gesundheitspolitisch relevante
Krankheitskosten?
Lebensjahre mit Behinderung infolge Krankheit / Störung
Was sind gesundheitspolitisch
relevante Krankheitskosten?
Gesundheitskosten in Milliarden US-Dollar / Jahr
Multifaktorielle Ätiopathogenese depressiver Störungen –
komplexes biopsychosoziales Stressmodell
Aktuelle / chronische
psychosoziale Belastungen
fehlende soziale Unterstützung
Disharmonie in Partnerschaft u.
Familienkonflikte
Rollenkonflikte
Genetische
Prädisposition
Persönlichkeitsfaktoren
Introversion, Neurotizismus
Angstneigung, Attributionsstil
Typus melancholicus
gelernte Hilflosigkeit
typische Psychodynamik
Neurobiologische Vermittlung
Neurotransmitter-Hypothese
Genetische-Hypothese
Neuroendokrinologische Hypothese
Neuroinflammatorische Hypothese
Neurotoxische Hypothese
Physikalische Einwirkungen
z.B. Lichtentzug
z.B. somatische Erkrankungen
Traumatische Erfahrungen
z.B. Verlusterlebnisse
andere negative Life-events
Depression
Depression, eine rezidivierende Erkrankung –
psychosoziale Stressoren versus allostatische Mechanismen
Kendler et al. (2001) Genetic risk, number of depressive episodes, and stressful events
in predicting the onset of major depression. Am J Psychiatry 158: 582-586
Welche neurobiologische Mechanismen findet
man konsistent bei der Depression als einer
paradigmatischen Stresserkrankung?
Zufallsentdeckung antidepressiver Wirkprinzipien
Imipramin
Wirkung eines Pharmakons
Verständnis/Konzeptualisierung
einer psychischen Störung
Entwicklung differenzieller
pharmakologischer Wirkprinzipien
differenzierte neurobiologische
Untersuchungsebenen
Noradrenalin / Serotonin-Dysbalance-Hypothese
der Depression
Noradrenalin
Serotonin
emotionale/traumatische Konditionierung: Angst
erste akute Stressantwort -Initiator der Stresskaskade
Fight – Flight-Mechanismus
Kognition - Verhaltenskontrolle
rasche Sensitivierung unter chronischem Stress
unter unkontrollierbarem Stress rasch dysfunktional
Schlaf, Appetit, Sexualität, Schmerz betroffen
inadäquate Informationsverarbeitung
Nicht-Vermeidung aversiver Stimuli - Hilflosigkeit
5-HT u. NA dysfunktional in deszendierenden hemmenden Schmerzbahnen
Dopamin-Dysbalance-Hypothese
der Depression
Dunlopp &
Nemeroff (2007)
Dopamin
gestörtes Belohnungssystem:
Motivation, Exploration, Interesse,
Motorik betroffen
Neurotransmission von im 5-HT-, NA- u. DA-System
als Voraussetzung einer antidepressiven Wirkung
Wiederaufnahmehemmung von 5-HT-, NA- u. DA-Transportermechanismen:
vermehrtes Angebot von 5-HT, NA u. DA im synaptischen Spalt –
längere Interaktion an postsynaptischen Rezeptoren –
adaptive Mechanismen an diesen postsynaptischen Rezeptoren mit antidepressiver
Wirkung zwar korreliert, aber Epiphänomene
Molekulare Hypothese der Depression
entscheidende Bedeutung der glutamatergen
Neurotransmission für synaptische Plastizität
(LTP) u. auch antidepressive Wirksamkeit
NMDA: Ca-Einfluss in die Zelle: Aktivierung
einer Reihe von second-messengers:
- Calzium-Calmodulin- abhängige Kinase II rasche Phosphorilierung – Einbau von AMPA –
Aktivierung von „silent synapses“
- cAMP unter Kontrolle von 5-HT, NA, DA u. Ca
- Aktivierung einer Transduktionskaskade –
Induktion von Genen und Proteinneusynthese
- cAMP-abhängige Proteinkinase A
- Mitogen-aktivierte Proteinkinase
- Calzium-Calmodulin-abhängige Kinase IV
- Aktivierung von Transkriptionsfaktor CREB
- Induktion von Effektorgenen: Produktion von
Neurotrophinen: BDNF, VEGF
[Pittenger & Duman 2008]
Wachstumsfaktoren – Neuroplastizität molekulare Voraussetzung von Lernen u.
Gedächtnis – antidepressive Wirksamkeit
Neuroendokrine Hypothese der Depression
Dysfunktion der HPA-Achse
 grundlegende biologische Mobilisierung
 antinflammatorische Effekte
 Cortisol bindet an MR und GR:
Transkriptionsfaktoren: Kodierung von
Neuropeptiden + Wachstumsfaktoren
 mit Noradrenalin synergistisch bei
emotionaler Gedächtnisbildung, aber
hemmend auf Wiedererinnerung
 reguliert und beendet Stress-Kaskade
Major Depression:
- erhöhtes ACTH und Cortisol
- mangelnde Suppression nach Dexamethason
- erhöhtes ACTH + Cortisol im DEX/CRH-Test
[nach: Yehuda 2001
Holsboer & Ising 2010]
- erhöhte CRH- + Vasopressin =
Subsensitivität des Kortikosteroid -Rezeptors
Hypothese der Neurotoxizität der Depression
Pittenger
& Duman
(2008)
a. chronischer Stress (Depression) reduziert der dendritischen Spines
b. chronischer Stress (Depression) reduziert Länge u. Komplexität apikaler Dendriten
c. chronischer Stress (Depression) behindert / blockiert Neurogenese
entscheidend vermittelt u.a. über erhöhtes Cortisol und Glutamat
Hypothese der Neurotoxizität der Depression
Stress reduziert die Expression von
neurotrophen Wachstumsfaktoren (BDNF)
in limbischen Strukturen der Stimmungsregulation:
Atrophiezeichen in der Hippocampusformation u.
reduzierte Neurogenese (Gyrus dentatus)
Duman &. Monteggia (2006)
Was hat Depression / Angst mit Inflammation zu tun?
3 empirische Beobachtungen:
 MDD geht mit erhöhten
inflammatorischen Markern einher
 Inflammatorische somatische Krankheiten
weisen höhere Raten komorbider
Depressionen auf
 Patienten unter medizinischer Behandlung
mit Zytokinen haben ein höheres Risiko
für eine MDD
Sickness-Behaviour = Depression?
Inflammatorische und neurotoxische Hypothese
[Maes et al. 2009]
Hypothese der dynamischen Diskonnektivität
kortikaler und subkortikaler Systeme der Depression
[Maletic et al. 2007]
Hypothese gestörter Biorhythmen der Depression
Thalamus
3. Ventrikel
Epiphyse
 charakteristisch für Lebewesen
 Suprachiasmatische nuclei (SCN):
“ Master clock ”
Licht
PVN
 Modulation von biologischen,
physiologischen und Verhaltens-Parametern:
Chiasma opticum
−
−
−
−
−
−
−
Hypophyse
Körpertemperatur
Blutdruck
Hormon-Sekretion (Kortisol, TSH, etc.)
Immunantwort
motorische Aktivität, kognitive Leistung
Schlaf-Wach Rhythmus
Stimmung
.
SCN
Medulla
SCN: suprachiasmatischer Nucleus
PVN: paraventriculärer Nucleus
Hypothese gestörter Biorhythmen der Depression
Corpus callosum
Cingulärer Cortex
Frontaler Cortex
Fornix
Chiasma opticum
Thalamus
Nucleus
suprachiasmaticus
Hypophyse
Mammillarkörper
MT1 MT2
5-HT2C
Amygdala
Hippocampus
Cerebellum
 zwei Subtypen von melatoninergen Rezeptoren im SCN : MT1 und MT2
regulieren zirkadiane Rhythmen
 hohe Dichte von 5-HT2c Rezeptoren im SCN
induzieren Tiefschlaf (slow wave sleep)
[Mignot E. et al. 2002; Turek FE, et al. 2001]
Schlafarchitektur in Depression und Euthymie
[Nutt 2008]
Genetische und Umweltfaktoren tragen zum
Depressionsrisiko entscheidend bei
Depression
Mahan & Ressler (2012)
Depression und metabolisches Syndrom
Depression
Hypercortisolämie
Sympatho-vagale
Dysbalance
OR:2.0
Kinder et al, Psychosom.Med.,2004
Metabolisches
Syndrom
OR:3.6
Wannamethee et al, Arch.Intern.Med,2005
Diabetes mellitus II
Morbidität bei Depression OR:2.0
Eaton et al, Diabetes Care, 1996
OR:1.6
Wannamethee et al, Arch.Inter.Med.,2005
Koronare
Herzerkrankung
Morbidität bei Depression OR:2.7
Mortalität bei Depression OR:2.6
Rugulies et al, Psychosom.Med., 2004
van Melle et al, Psychsom.Med., 2004
Herzinfarkt und Depression –
psychobiologische Vermittlungsmechanismen
HPA-Dysfunktionalität
CRF, ACTH, Cortisol kardiale Risikofaktoren:
Hypercholesterinämie, Hypertriglyceridämie,
Hypertonus, Atherosklerose-induzierende
Effekte, verzögerte Wundheilung
SAA-Dysfunktionalität
Verringerte Herzratenvariabilität
CRF stimuliert sympathische Aktvität =
Adrenalin und Noradrenalin koronare Ischämie / Herzinsuffizienz: ebenfalls
sympthikoadrenale Hyperaktivität:
Herzrate, orthostatische Regulation,
Gefäßreaktionen, Thrombozytenfunktionen
sympathisches, parasympathisches,
R-A-System - HRV bei koronaren KHK
reduziert,Risiko plötzlichen Herztodes
signifikant erhöht; analog bei Depression,
prädisponiert für ventrikuläre Arrhythmien,
sekundär zu Exzessmortalität
Thrombozytenfunktionen
Myokardiale Ischämie –
ventrikuläre Instabilität,
Kammerflimmern: wahrscheinlicher
Mechanismus für plötzlichen Herztod
Psychologischer Stress: Senkung der Schwelle
der Vulnerabilitätsperiode des Ventrikels; PVC
Risiko plötzlichen Herztods
Kardiotoxizität
Hämostase, Thrombosenbildung, Atherosklerose,
IA mit subendothelialen Gefäßkomponenten /
Gerinnungsfaktoren im Plasma (Thrombin)
T: adrenerge, serotonerge, dopaminerge Rezeptoren
Depression u. KHK: Thrombozytenaktivierung ,
vermehrte Plättchenfaktor 4 / β -Thromboglobulin
Serotonin: Aktivierung / Sekretion von T
Inflammatorisches System
MD u. Myokardinfarkt: Aktivierung
proinflammatorischer Zytokine: Immunkomplexe (Extravasation) –
„Hypercortisolismus“, erhöhtes SNS, verringerte HVR aktivierte IDO: Tryptophan - vermehrte Quinolinsäure, verringerte
Serotoninsynthese: depressive Symptome, Verschlussereignisse
reduzierte vielfach-ungesättigte Fettsäuren (PUFA, z.B. Omega-3-FS)
Depression – Versorgungssituation
durch Internisten / Allgemeinmediziner
Versorgungsrealität – spezifische Therapie von Depressionen (n = 732)
Behandlungsstatus
behandelt unerkannt unerkannt/unbehandelt
[n = 211] [n = 196] [n = 521]
14 – 24 Jahre
24 – 44
45 +
12.9 %
40.2 %
46.6 %
34.1 %
21.1 %
19.1 %
87.1 %
59.8 %
53.4 %
gesamt
28.8 %
26.8 %
71.1 %
Männer
Frauen
11.7 %
34.4 %
43.0 %
21.5 %
88.3 %
65.5 %
Wittchen et al. (1999)
Depressionsbehandlung - multimodal
Depressionstherapie
Psychologische Therapieverfahren
Kognitive Verhaltenstherapie
Interpersonelle Psychotherapie
Psychodynamisch-tiefenpsychologisch Therapie
Partner- / Familientherapie
Psychosoziale Interventionen (Angehörige, Hilfen)
Biologische Therapieverfahren
Pharmakotherapie (Antidepressiva)
Schlafentzugsbehandlung
Lichttherapie
Elektrokonvulsionstherapie
Psychotherapeutisches Basisverhalten
Stützendes ärztliches Gespräch
Pharmakotherapie der Depression
Rolle von Noradrenalin, Serotonin und Dopamin
in der Stimmungs- und Antriebsregulation
Noradrenalin
Serotonin
Dopamin
Healy et al. J Psychopharmacol 1997; 11: S25-S31
Depressionsbehandlung mit Medikamenten –
allgemeine Beurteilung
In den allermeisten Fällen sind Depressionen medikamentös
mit recht gutem Erfolg und mit großer Sicherheit zu behandeln.
Antidepressiva machen nicht abhängig. Sie verändern auch die
Persönlichkeit nicht.
Es ist kein Widerspruch, Medikamente und Psychotherapie bei der
Behandlung einer Depression miteinander zu kombinieren.
Die langfristige Perspektive
in der Depressionsbehandlung
Kognitives Behandlungsmodell der Depression

gründet wesentlich im kognitiven Modell von A. Beck
zentraler Stellenwert negativer Urteile über Selbst,
Welt im Allgemeinen, Zukunft im Besonderen
- kognitive Störungen
- Verhaltensebene: verringerte Selbstwirksamkeit,
reduzierte Initiative zu positiv verstärkenden Handlungen
- symptomatologisch: emotionale Dysregulation,
Impulskontrollstörung

Bedeutung einer entwicklungspsychopathologischen Dimension:
zentrale Schemata in Selbstorganisation u. Beziehungsfähigkeit
- „verlassenes u. missbrauchtes Kind“
- „ärgerliches u. impulsives Kind“
- „distanzierter Beschützer“
- „strafendes Elternteil“
automatischer
innerer
Monolog
Kognitive
Dysfunktionen
Schemata
Klinische Herausforderungen: depressive Störungen
im Vergleich zur Medikamentengruppe
Kognitiv-behaviorale Therapie (CBASB)
gleichwertig bei nicht-psychotischen,
unipolaren Depressionen in Akutphase
„endogenes“ Symptompattern
Schweregrad !
Abbruch-Quote: Überlegenheit
unterschiedliche Wirkzeit
günstige Langzeitprophylaxe
Friedman u. Thase (2005)
Interpersonale Psychotherapie der Depression

Pathogenetischer Fokus: depressive Vulnerabilität vorrangig im
Bedingungskontext psychosozialer Stressoren aktiviert
aktuelle psychosoziale Stressoren:
• partnerschaftliche / familiäre Disharmonie
• fehlende psychosoziale Unterstützung
• konflikthafte Rollenanforderungen
• pathologische Trauerprozesse
Wahl eines zentralen Behandlungsfokus
Klinische Herausforderungen: depressive Störungen
im Vergleich zur Medikamentengruppe
Interpersonale Psychotherapie
gleichwertige Effizienz
breiteres psychosoziales Wirkspektrum
auch bei schwereren Depressionen
in Langzeitperspektive wiederkehrende
IPT-Kontakte notwendig
Markowitz (2005)
Psychodynamische Entwicklungsreihe zur Depression:
äußerer Anlass – innere Reaktion

Äußere Anlässe:
- Verlust einer wichtigen persönlichen Beziehung
- Verlust von hochgeschätzten Selbstattributen: Körper, Gesundheit, Fertigkeiten,
Werte, Ziele, Ideale, Heimat, Beruf, Besitz
= äußeres Verlusterlebnis = innerer Konflikt = innere Bedrohung = Selbstverlust

Innere Verarbeitung:
Selbst auf Objekt angewiesen, große Ambivalenz:
- Gefühle der Verlassenheit, Verlorenheit, des Verletzung, der Kränkung
- passive Wünsche nach Umsorgung, Anklammerung, Vorwürfe, Ärger/Wut/Hass
- konfliktträchtige aggressive Gefühle = unbewusst: gefährden / vernichten „gutes“ Objekt
- Idealisierung des „guten Objekts“, objektbezogene Aggression – Wendung gegen das Selbst
- objektbezogene Wünsche / Gefühle zunehmend durch selbstzentrierte Emotionen ersetzt
- äußeres Rückzugsverhalten – innere Regression
- frühe emotionale, triebhafte Themen, dysfunktionale Ich-Funktionen (Hilflosigkeit),
unreife Gewissensreaktionen, Selbstbestrafung, reduziertes Selbstwertgefühl,
- Circulus vitiosus: Hoffnungslosigkeit, Suizidalität
Psychodynamik – zentrale Konfliktthemen
bei depressiven Störungen
Narzisstische Vulnerabilität
Frühe Erfahrungen / Wahrnehmungen von Verlust,
Zurückweisung, Ineffektivität
Sensitivität gegenüber realen / subjektiv angenommenen
Verlusten, Zurückweisungen
Konflikthafter Ärger / Wut
Ärger, Wut auf mangelnde emotionale Reagibilität
anderer auf eigene Wünsche / Bedürfnisse
Ärger / Wut aus der Anschuldigung anderer für eigene
Verletzlichkeit, Neid
Andere: unempathisch,
feindselig, bedrohlich, vernichtend
Schuld / Scham (Über-Ich / Ich-Ideal)
Wendung gegen die eigene Person / Selbst,
verinnerlichte „strafende“ Elternbilder,
Wünsche: Ärger, Neid, Gier: „falsch, böse“
Negatives Selbstbild, Selbstkritik, niedriger Selbstwert
Idealisierung/ Entwertung von Selbst / Andere
Bestreben, niedrigen Selbstwert zu mildern:
hohe Selbstansprüche, andere idealisiert in der
von ihnen erwarteten Bedürfnisbefriedigung
Entwertung anderer, um eigenen Selbstwert zu heben
hohe Enttäuschung- / Kränkungsempfindlichkeit
charakteristische innerseelische Mechanismen
- Verleugnung
- Projektion
- passive Aggression
- Reaktionsbildung
Klinische Herausforderungen: depressive Störungen
im Vergleich zur Medikamentengruppe
Psychodynamische Verfahren
insgesamt geringere Datenlage
keineswegs geringere Effizienz (Leichsenring 2001)
Erkenntnisse über Subgruppen /Verläufe
wenngleich keine kontrollierten,
doch bedeutsame Erkenntnisse über
psychoanalytische Langzeittherapien
(Leunzinger-Bohleber et al. 2001; Sandell et al. 2000)
Zur Kombination von medikamentöser
und psychotherapeutischer Behandlung
Kombinationstherapien sind häufig angezeigt und auch am wirksamsten:
- bei schweren Depressionen mit hohem Rückfallrisiko
- besonders Frauen und auch ältere Patienten profitieren davon
Grunddaten zur Suizidalität
• WHO – Schätzung: ca. 500 000 Suizidtote / Jahr
• Europäische Union: > 45.000 Suizidtote / Jahr
• Deutschland: 13 000 – 15 000 Suizidtote / Jahr
• Österreich (2004): 1.418 Suizidtote
(1.073 Männer und 345 Frauen)
• Suizidversuche: ca. 10-fache Anzahl der Suizide
Europäische Suizid-Statistik
Suizidrate in Abhängigkeit von Geschlecht und Alter
Suizidrate in Österreich / Steiermark
 Suizidrate in Österreich im europäischen Vergleich
- Frauen:
13.2 (SR)
- Männer:
38.0 (SR)
 Steiermark: signifikant über österreichischem Durchschnitt
1999: 280 Suizidtote
2000: 273 Suizidtote
höhere Mortalität durch Suizide
als durch Verkehrsunfälle
Suizidalität – Begrifflichkeit
 Suizid
 Suizidversuch
 Suizidgedanken, -phantasien
 Todeswunsch
- eng gefasst
- parasuizidale Geste (Appell)
- parasuizidale Pause (Ruhe)
Abschätzung von Suizidalität
 Risikogruppen
 Krisen, Krisenanfälligkeit
 Suizidale Entwicklung
 Präsuizidales Syndrom
Suizid - Risikogruppen
Hohes Risiko: 50-500mal höher als in Normalbevölkerung
1.
Depressive aller Art
2.
Alkohol-,Medikamenten-, Drogenabhängige 25% aller SV (60-120mal höheres Risiko)
3.
Alte und Vereinsamte
4.
Personen, die Suizidankündigungen machen: 80% unternehmen einen SV (Pöldinger 1989)
5.
Personen, die bereits einen SV gemacht haben (Wiederholungsgefahr bei Depressiven:
21,2%;Wedler1992)
6.
20-30% neuerlicher SV innerhalb von 10 J.: 10% tödlicher Ausgang
Suizidrisiko im ersten halben Jahr nach SV am höchsten
Suizidalität und psychische Erkrankung
Suizid
psychische
Krankheit
Psychologische Autopsie-Studien: Diagnosen
[aus: Bronisch u. Hegerl 2010]
Suizidalität – Krisen, Krisenanfälligkeit

Krise:
individuell nicht mehr sinnvoll / erfolgreich
zu bewältigende Erlebnisse oder Ereignisse

Krisen aus Lebensveränderungen:
Verlassen des Elternhauses
Heirat, Geburt eines Kindes
Wohnungswechsel
Arbeitslosigkeit
„Lebensmitte“
Pensionierung
Tod einer nahen Person
Krankheit, Invalidität
Soziale, persönliche Niederlagen
Äußere Katastrophen

Individuelle
Krisenanfälligkeit:
Persönlichkeit + Lerngeschichte
+ soziales Netz
Situativ steigendes Suizidrisiko
Die situativen Anforderungen übersteigen die
Bewältigungsfähigkeiten einer Person.
subjektive Einschätzung:
aktuelle Lage,
grundlegende Wertvorstellungen
subjektive Einschätzung der Ressourcen
zentraler Prädiktor:
Hoffnungslosigkeit „ich will nicht mehr kämpfen“
wenig Vertrauen, in eigene Problemlösungsfähigkeit
Suizidalität – suizidale Entwicklung –
präsuizidales Syndrom
Subjektiv nicht
mehr lösbare
Krise
Selbstmord als
Lösungsmöglichkeit
Vorstellbar
- Suggestive Momente
Einengung
Hoffnungslosigkeit
Entschluss
Ambivalenzstadium
- „Hilferufe“
- Kontaktsuche
Aggressionsumkehr
- „Ruhe vor
dem Sturm“
Suizidphantasie
Suizidhandlung
nach: Pöldinger, Ringel
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