Die klassische Welt Akademie Rot an der Rot, August 2004. Jochen Hub Die klassische Welt – p.1 Quantenphysik → klassische Physik klassische Physik als Grenzfall der Quantenphysik? Analog zu Relativistische Mechanik Wellenoptik λ→0 vc −→ klassische Mechanik −→ geometrische Optik 2 Bewegungsgesetze in der QM 1. geschlossenes System 2. Messung → Inkonsistenz? → Schrödingergleichung → Kollaps der Wellenfunktion Aber: Was bedeutet überhaupt “Messung”? Die klassische Welt – p.2 Märchen vom klassischen Grenzfall Landau/Lifschitz: “Die QM enthält die klassische Mechanik als Grenzfall.” (siehe auch Messiah, S. 49 oder Cohen-Tannoudji, S. 25) “Der Übergang QM → KM ist analog zum Übergang Wellenoptik → geometrische Optik.” Argumente: Zerfließen der Wellenfunktion bei makroskopischen Objekten vernachlässigbar ,→ punktförmige Wellenfuntionen ,→ klassisch aussehenden Zustände Ehrenfest’sches Theorem Die klassische Welt – p.3 Kritik Superposition ψ1 und ψ2 Lösungen der Schrödingergleichung Linearität ,→ ψ = c1 ψ1 + c2 ψ2 ist ebenfalls Lösung, c1 , c2 ∈ C ψ1 , ψ2 klassische Zustände (Katze lebendig/tot) ,→ Warum sehen wir nicht die allgemeine Linearkombination? Wechselwirkung makroskopischer Objekte Maroskopische Objekte stehen ständig unter Beobachtung/Wechselwirkung ,→ ständige Messungen, keine Kohärenz ,→ einfache Beschreibung mit SG unzulänglich ,→ “klassischer Grenzfall” hinfällig Die klassische Welt – p.4 Tensorprodukt H = H1 ⊗ H2 heißt Tensorprodukt der Teilräume H1 und H2 , wenn zu jedem Paar von Vektoren |φ(1)i ∈ H1 und |χ(2)i ∈ H2 ein Vektor in H gehört. Wir bezeichnen ihn mit |φ(1)i ⊗ |χ(2)i (“tensorielles Produkt”). Das tensorielle Produkt ist linear und distributiv, sei {|ui (1)i} Basis von H1 und {|vj (2)i} Basis von H2 ,→ {|ui (1)i ⊗ |vj (2)i} Basis von H1 ⊗ H2 P Aber: Es gibt Zustände |ψi = i,j ci,j |ui (1)i ⊗ |vj (2)i in H, die sich nicht als Produkt |φ(1)i ⊗ |χ(2)i schreiben lassen! (In Ortsdarstellung keine Produktwellenfunktion) ¨ ,→ Verschrankung Die klassische Welt – p.5 Warum “Verschränkung”? – Messung an Teilsystem |ψi = |φ(1)i ⊗ |χ(2)i Messung einer Observablen A1 an System 1: ,→ Wahrscheinlichkeit, die Eigenwert (Messwert) an zu finden, ist Produktzustand P (1) (an ) = hφ(1) |Pn (1)| φ(1)i , wobei Pn (1) = |un ihun | (Projektionsoperator) und |un i Eigenvektor zum Eigenwert an . hängt nur von |φ(1)i ab |φ(1)i kollabiert zu |un i, falls an gemessen wurde. |χ(2)i ändert sich nicht. Die klassische Welt – p.6 Warum “Verschränkung”? – Messung an Teilsystem kein Produktzustand, |ψi 6= |φ(1)i ⊗ |χ(2)i Es lässt sich kein Zustand für ein Teilsystem angeben. P (1) (an ) ist komplizierter, hängt nicht nur vom Teilsystem 1 ab. Zustand des zweiten Teilsystems ändert sich. Zustand nach Messung ist Produktzustand, d.h. die Teilsysteme entkoppeln Ergebnisse von Messungen an Teilsystem 1 bzw. Teilsystem 2 sind keine unabhängigen Zufallsvariablen, daher “korreliert”. Problem: Wechselwirkung führt sehr schnell zu Verschränkung. Die klassische Welt – p.7 Dichteoperator – Reiner Fall Zustand des Systems exakt bekannt, |ψi Def. Dichteoperator: ρ = = |ψihψ| Erwartungswert einer Observablen A: P n cn |un i. hAi = Spur{ρ A} Beispiel: Spin eines Elektrons √ |si = c1 |↑i + c2 |↓i = ( |↑i + |↓i )/ 2 1/2 1/2 |c1 |2 c∗1 c2 = ρ= 1/2 1/2 c1 c∗2 |c2 |2 Nicht-Diangonalelemente 6= 0 kohärente Überlagerung zweier Zustände Die klassische Welt – p.8 Dichteoperator – Statistisches Gemisch Quantenmechanischer Zustand des Systems ist nicht bekannt. ,→ Vorsicht: zwei Arten von Wahrscheinlichkeiten! pk = Wahrscheinlichkeit, dass sich das Zystem im Zustand |ψk i befindet X verallgemeinerte Def. Dichteoperator ρ = pk |ψk ihψk | ¨ alle Zustande k Erwartungswert ebenfalls hAi = Spur{ρ A} Beispiel: Elektron zu 50% Wahrscheinlichkeit in Zustand |ψ1 i 50% Wahrscheinlichkeit im Zustand |ψ2 i = |↓i 1/2 0 ρ= 0 1/2 Alle Nicht-Diagonalelemente = = |↑i, zu 0 ,→ klassisches statistisches Gemisch (keine Interferenzen) Die klassische Welt – p.9 Dichteoperator – Besetzung und Kohärenz Was bedeuten Diagonalelemente und Nicht-Diagonalelemente? Diagonalelemte ρnn = P (k) 2 p |c | n k k ,→ Wahrscheinlichkeit, bei einer Messung den Zustand |un i vorzufinden (bzw. den entsprechenden Eigenwert) ,→ Besetzung Nicht-Diagonalelemte ρnp = P (k) ∗(k) k p k cn cp ,→ Interferenzeffekte und typisch quantenmechanisches Verhalten ,→ Kohärenzen Die klassische Welt – p.10 Beschreibung eines Teilsystems Zusammengestztes System H = H(1) ⊗ H(2) Dichteoperator f ¨ur das Teilsystem 1: ρ(1) = Spur2 {ρ} (“Teilspur”) ,→ ρ(1) hat alle Eigenschaften eines Dichteoperators, insbesondere hA(1)i = Spur1 {ρ(1)A(1)} Falls reiner Produktzustand |ψi = |φ(1)i ⊗ |χ(2)i ,→ ρ = ρ(1) ⊗ ρ(2) Kein Produktzustand (und evtl. statistisches Gemisch) ,→ Zustandsvektor des Teilsystems 1 lässt sich nicht angeben. ,→ Aber: Alle physikalischen Vorhersagen anhand des Dichteoperators Die klassische Welt – p.11 Korrelation und Dekohärenz Wechselwirkung f ¨uhrt zu Verschränkungen ,→ Nicht-Diagonalelemente in ρ Aber: Wechselwirkungen eines Teilsystems mit anderen Systemen ,→ Nicht-Diagonalelemente in ρ(1) verschwinden sehr schnell. extremes Beispiel: 2 Elektronen formen ein Singlett (maximal korreliert) Gesamtsystem: |ψi √ = ( |↑↓i − |↓↑i )/ 2 0 0 0 0 ρ = |ψihψ| = 0 1/2 −1/2 0 Teilsystem eines Elektrons: ρ(1) = Spur2 {ρ} = 1/2 0 0 1/2 ! 0 −1/2 1/2 0 0 0 0 0 klassisches statistisches Gemisch! Die klassische Welt – p.12 Zusammenfassung Dichteoperator: ermöglicht vollsändige Beschreibung eines Systems oder Teilsystems, egal ob reiner Zustand oder statistisches Gemisch Nicht-Diagonalelemente kohärente Überlagerung, Inteferenzen, typisch quantenmechanisches Verhalten Wechselwirkung zwischen Teilsystemen führt zu Verschränkung ,→ Dichteoperator des Teilsystems wie beim klassischen Gemisch ,→ klassisches Verhalten (?) Literatur: ¨ J. Audretsch, Verschrankte Welt, Kapitel 8 C. Cohen-Tannoudji, Quantenmechanik, Band 1, Kapitel 2.6, 3.9 und 3.10 Die klassische Welt – p.13