9. Nationale Tagung für Ingenieurgeologie Garmisch-Partenkirchen 1993 Geologisch-felsmechanische Untersuchungen zur Bohrbarkeit von Festgesteinen bei konventionellen Bohr- und Sprengvortrieben anhand von ausgewählten Tunnelprojekten von K. THURO* Zusammenfassung Die Bohrbarkeit des Gebirges wird durch unterschiedliche geologische und felsmechanische Parameter bestimmt. In diesem Beitrag werden einige Abhängigkeiten zwischen den spezifischen Materialeigenschaften von Gestein und Gebirge und den meßbaren Parametern Bohrkronenverschleiß und Bohrgeschwindigkeit aufgezeigt. Neben den konventionellen felsmechanischen Parametern (Druck-, Zugfestigkeit und Elastizitätsmodul) wurde ein neues Maß für die Zähigkeit bezüglich der Bohrbarkeit von Gesteinen eingeführt: die spezifische Zerstörungsarbeit Wz. Die Kenntnis dieser Zusammenhänge und Hintergründe ist notwendig, um die Auswahl des Bohrgeräts zu erleichtern, den Arbeitsund Bohrfortschritt abzuschätzen und vor allem die Bohrkosten zu kalkulieren. Zu diesem Zweck wurde ein kostengünstiges, aber praxistaugliches Untersuchungsprogramm erarbeitet, welches bei künftigen Vorerkundungen für Tunnel- und Stollenprojekte helfen soll, Gestein und Gebirge im Hinblick auf die Bohrbarkeit besser einzuschätzen. Abstract The drillability of a rock mass is determined by various geological and mechanical parameters. In this paper some correlations of specific rock properties with measured bit wear and drilling velocity are shown. Apart from conventional mechanical rock properties (compressive and tensile strength, YOUNG's modulus) a new property for toughness/brittleness referring to drillability has been introduced: the specific destruction work Wz. Knowledge of these relations and their causes is necessary to make the choice of drilling rigs easier, to estimate the working and drilling progress and - above all - to calculate drilling expenses. For this purpose an inexpensive but practical investigation program has been developped, which helps to improve the estimation of rock drillability in planning future tunnel projects. 1 Einführung genschaften von Gestein und Gebirge aufzuzeigen. Einige Aspekte sollen in diesem Beitrag erläutert werden. Bei einem konventionellen Bohr- und Sprengvortrieb im Tunnel- und Stollenbau kommt der Bohrbarkeit des Gebirges eine erhebliche Bedeutung zu. Sie ist nicht nur ausschlaggebend für den Verschleiß der Bohrgeräte, sondern bildet auch einen maßgeblichen Faktor für die Vortriebsleistung. Da die Einschätzung der Bohrbarkeit der in einem geplanten Tunnelvortrieb prognostizierten Gesteine ein beträchtliches Kostenrisiko in der Kalkulation darstellt, wäre eine möglichst sichere Prognose der Bohrgeschwindigkeit sowie des Bohrkronenverschleißes in den vorgegebenen Gesteinen vorteilhaft. Bohrstahlkosten Ein Beispiel soll den Verbrauch an Bohrmeißeln erläutern: Für einen 50 m2 großen Kalottenquerschnitt müssen im Schnitt etwa 100 Sprenglöcher pro Abschlag gebohrt werden. Tab. 1: nen Standzeiten einer Bohrkrone. Verschleiß Im Rahmen einer Dissertation wurde anhand aktueller Tunnelprojekte versucht, die Abhängigkeit der Parameter Bohrkronenverschleiß, Bohrgeschwindigkeit und Sprengstoffverbrauch von ganz unterschiedlichen geologischen Gegebenheiten und spezifischen Materialei- * Übersicht über den Meißelverbrauch bei verschiede- Dipl.-Geol. Kurosch Thuro (geb. Bozorgmehri), Lehrstuhl für Allgemeine, Angewandte und IngenieurGeologie, Technische Universität München, Lichtenbergstraße 4, 85747 Garching 125 Standzeit Tages- Verbrauch f. Bohrkrone verbrauch 1 km Tunnel sehr hoch 300 m 5,0 Kr/Tag 333 Kronen hoch 750 m 2,0 Kr/Tag 133 Kronen mittel 1.500 m 1,0 Kr/Tag 67 Kronen gering 2.500 m 0,6 Kr/Tag 40 Kronen 9. Nationale Tagung für Ingenieurgeologie Garmisch-Partenkirchen 1993 Betriebskosten der Bohrgeräte, wie Energie (Strom und Dieselkraftstoff), Wasser, sowie frühzeitige Abnutzung des Bohrgeräts, Bei einer typischen Tagesleistung von 5 Abschlägen à 3,0 m Angriffstiefe ergeben sich bereits 1500 Bohrmeter pro Tag. Bei unterschiedlichen Gesteinen können sich Standzeiten der Bohrkronen zwischen 300 m (z.B. Quarzit) bis 2.500 m (z.B. Kalk) ergeben. Damit überstreicht hier der Verschleiß eine Spanne von >800%. zusätzliche Arbeitszeitkosten bei Verzögerung des Vortriebs, sowie die sich daraus ergebenden, verlängerten Bauzeiten. Das Fazit ist eine Unsicherheit in der Kalkulation, ein beträchtliches Kostenrisiko für den Bauherrn und die ausführende Unternehmung und damit letztlich auch ein Teil der Gründe für die Kostenexplosion bei manchen Großprojekten. Kostenfaktor Zeit In letzter Zeit hat sich der Zeitfaktor gegenüber den reinen Materialkosten als wesentlich kostenintensiver erwiesen. Die Verlängerung der Bohrzeiten kann auch eine Verlängerung der Vortriebsgeschwindigkeit bedingen, wie das Beispiel in Abb. 1 illustrieren soll. 2 In vorliegendem Beispiel sank bei einer Halbierung der Bohrgeschwindigkeit die Vortriebsgeschwindigkeit ebenfalls um etwa 50 %. Natürlich muß im Einzelfall geprüft werden, ob und in welchem Umfang sich die verlängerten Bohrzeiten auf die Gesamtvortriebszeit ausgewirkt haben. Auch beeinflussen immer eine Reihe von weiteren Faktoren den Arbeitsablauf, die eingehend untersucht werden müssen. Solche Analysen sind sehr umfangreich und sollen nicht Gegenstand dieses Berichts sein. Die Bohrbarkeit ist ein in der Bautechnik gebräuchlicher Begriff, der die Auswirkungen von noch zu erläuternden Faktoren auf den Bohrfortschritt (-geschwindigkeit) und die Abnutzung (Verschleiß) der Bohrwerkzeuge und -geräte beschreibt. Das Zusammenspiel des Wirkungsgefüges im Themenkreis Bohrbarkeit soll das folgende Schaubild verdeutlichen. Abb. 2: Schaubild zum Themenkreis Bohrbarkeit. Abb. 1: Gegenüberstellung von kalkuliertem und ausgeführtem Was ist "Bohrbarkeit"? Arbeitsablauf in der Kalotte (verwitterte per- mische Fanglomerate). Die geologischen Faktoren erzeugen die spezifischen Merkmale von Gestein und Gebirge. Deren charakteristische Materialeigenschaften versucht man anhand felsmechanischer Kennwerte zumindest teilweise in Zahlen zu fassen. Zusammen bilden sie die grundlegenden Parameter für Bohrbarkeit und Sprengbarkeit. Aber auch die Wahl des Bohrverfahrens wird durch die geologischen Faktoren beeinflußt. Die damit zusammenhängenden, maschinentechnischen Faktoren ergeben die Maschinenparameter, die ihrerseits Bohrbarkeit und Auswirkungen Dadurch ist es naheliegend, daß die Bohrbarkeit der Gesteine einen enormen Kostenfaktor darstellt. Sie wirkt sich vornehmlich aus auf: Materialkosten von Verschleißteilen, wie Bohrkronen, Bohrstangen, Einsteckenden und Hydraulikschläuche, 126 9. Nationale Tagung für Ingenieurgeologie Garmisch-Partenkirchen 1993 Sprengbarkeit beeinflussen. Die letzte Gruppe ist der menschliche Faktor, der oft zu wenig beachtet wird, obwohl es die Mineure sind, die die Bohrgeräte bedienen und instand halten. Unsachgemäße oder schlampige Bedienung von Bohrgeräten kann auch die Vorteile modernster und effektivster Bohrverfahren zunichte machen. Ausgehend vom Bohrverfahren soll hier ganz kurz auf den physikalischen Bohrvorgang eingegangen werden. Dabei sind vier wichtige Zerstörungsmechanismen zu unterscheiden. Im Gestein wird um den Berührungspunkt des Bohrkronenstifts ein Spannungszustand aufgebaut, der sich mit zunehmender Belastung erhöht (Abb. 4): Ansatzpunkt der Arbeit ist es, die Abhängigkeiten der Parameter Bohrkronenverschleiß und Bohrgeschwindigkeit von den geologischen Gegebenheiten und den spezifischen Materialeigenschaften von Gestein und Gebirge aufzuzeigen. 3 Untersuchungsparameter Bohrverfahren und Bohrvorgang Der Ausgangspunkt für die untersuchten Größen ist das Bohrverfahren: Das hydraulische Drehschlagbohren besitzt im konventionellen Bohr- und Sprengvortrieb Standardcharakter. Der Hydraulik-Bohrhammer stellt eine Kombination von Drehbohrmaschine und Schlagbohrhammer dar. Da sich die Bohrkrone zu keinem Zeitpunkt von der Bohrlochsohle löst, findet bei kontinuierlicher Rotation der Bohrstange auch zwischen den Schlägen Lösearbeit statt. Das drehschlagende Bohren ist daher allein von der Technik sowohl dem Drehbohren als auch dem Schlagbohren überlegen (FEISTKORN 1988). Die Hydraulik ermöglicht die optimale Energieübertragung vom Schlagwerk auf die Bohrstange. Die vier Maschinen-Parameter sind Spüldruck, Drehzahl, Vorschub und Schlagzahl (Abb. 3). Für Vergleiche unterschiedlicher Tunnelvortriebe müssen diese Größen weitestgehend identisch sein - d.h. neben der Kontrolle der Einstellungen am Bohrwagen selbst muß darauf geachtet werden, daß nur gleiche Bohrhämmer (und Spülwasserdrücke) miteinander verglichen werden dürfen. Abb. 4: Schematische Illustration des physikalischen Bohrvorgangs. Zerstörungsmechanismus unterhalb eines Bohrkronenstifts (nach WANG et al. 1978, verändert). 1 Unter einem Kronenstift entsteht eine Zermahlungszone aus feinem Bohrstaub. 2 Ausgehend von dieser Zermahlungszone bilden sich Radialrisse im Gestein. 3 Steigt die Spannung im Gestein hoch genug, so bricht ein größerer Splitter vom Gestein los. 4 Zusätzlich ist diese Beanspruchung dynamisch. Durch den Bohrvorgang wird deutlich, daß neben der Druckfestigkeit (schlagende Beanspruchung) und der Zugfestigkeit (drehende Beanspruchung) auch die Elastizitätseigenschaften des zu bohrenden Materials eine wichtige Rolle spielen. Streng genommen durchbohrt die Krone immer bereits vorgebrochenes Gestein, so daß man sich auch hier wieder im Sinne von Leopold Müller mit der Frage beschäftigen muß: Wie bricht gebrochener Fels? Untersuchungsparameter Aus diesen Kriterien heraus wurden folgende Untersuchungsparameter ausgewählt: 1 gesteinsmechanische Bezugsgrößen einaxiale Druckfestigkeit Spaltzugfestigkeit Abb. 3: Schematische Illustration des Bohrverfahrens. 127 9. Nationale Tagung für Ingenieurgeologie Garmisch-Partenkirchen 1993 Elastizitätseigenschaften (Sprödigkeit oder ZähigTab. 2: Ausgewählte Tunnnelprojekte für die Bohrbarkeitsuntersuchungen Projekt Ort Länge Vortriebszeit geologische Verhältnisse Michaelstunnel Baden-Baden 2,4 km 1986 - 89 Granit, Geise, Schiefer, Sand-, Tonschluffsteine, Konglomerate Inntaltunnel Innsbruck 13 km 1989 - 92 Innsbrucker Quarzphyllit Altenbergtunnnel Idar-Oberstein 0,3 km 1990 Rotliegend-Fanglomerat Schönraintunnel Nantenbach bei 4,0 km 1990 - 92 Buntsandstein Rammersberg-T. Würzburg 1,4 km 1992 Muschelkalk Achbergtunnel Unken 1,8 km 1991 - 92 Kalkalpin: Sandstein, Anhydrit, Kalke, Mergel, verkieselter Dolomit Lärchbergtunnnel Lofer 1,8 km 1992 - 1993 Kalkalpin: Kalke, Haselgebirge keit), auch im post-failure-Bereich 2 mineralogisch-petrographische Bezugsgrößen 4.1 Mineralbestand, Gehalt an schleißscharfen Mineralen ab Härte 6,5, wie Quarz, Amphibole, Epidot Auch wenn die Bohrstahlkosten gegenüber den Zeitkosten (Arbeitskosten) deutlich zurücktreten, ist es immer noch von Interesse, den Kronenverschleiß zu untersuchen. Ein wichtiger Hinweis auf die Abrasivität eines Gesteins stellt die Analyse der abgenutzten Bohrkronen dar. Struktur und Textur des Mikrogefüges (Kornform, -größe, -spaltbarkeit, -orientierung (Anisotropie), Verzahnung des Kornverbandes, Beschaffenheit/Raumausfüllung einer ev. Matrix) 3 gebirgsmechanische Bezugsgrößen für den Bohrfortschritt Trennflächengefüge, erzeugt durch Schieferung, Klüftung und Störungen Schichtung, Aufbau und Bauformen Die Bohrkrone ist der Teil der Bohrausrüstung, der die Zerkleinerungsarbeit ausführt. Sie besteht aus einem Werkzeugträger aus Werkzeugstahl, in den die eigentlichen Werkzeugeinsätze aus Hartmetall (WIDIA, MOHS'sche Härte 9,5) eingelassen sind. Die Hartmetalleinsätze sind meist in Form von Stiften (Knöpfen) oder Schneiden hergestellt. Im modernen Tunnelbau werden Stiftbohrkronen mit 6 bis 9 Hartmetalleinsätzen verwendet (Abb. 5), deren Stifte unterschiedliche Formen aufweisen können (rund - parabelförmig - konisch). Die Bohrwerkzeuge für die Sprenglöcher weisen üblicherweise einen Kronendurchmesser von 45 mm auf, für SNAnker werden 48 mm Kronen verwendet, kurze (und daher schlanke) Swellexanker erfordern einen Durchmeser von 43 mm oder kleiner. Kluftabstände und -erstreckung (Durchtrennungsgrad), Raumstellung bzgl. Bohrachse (Anisotropie des Makrogefüges), Qualität: Oberflächenausbildung, Öffnungsweite, Kluftfüllungen, Ausbildung von Störungszonen Veränderung des Gebirges durch Verwitterung, hydrothermale Zersetzung oder Verkieselung Primärspannungszustand (wie so oft eine sehr unsicher zu bestimmende Größe) In Tab. 2 wurden die insgesamt sieben bearbeiteten Tunnelprojekte in Kurzform zusammengestellt. 4 Qualitativer Bohrkronenverschleiß Ergebnisse anhand ausgewählter Beispiele Die verschiedenen Bauformen der Bohrkronen unterscheiden sich durch Anzahl und Form der Stifte sowie die Anzahl und Anordnung der Spüllöcher. Neben Art und Anzahl der Hartmetalleinsätze ist das verwendete Anhand ausgesuchter Beispiele sollen einige wichtige Ergebnisse der Arbeit dargestellt werden. 128 9. Nationale Tagung für Ingenieurgeologie Garmisch-Partenkirchen 1993 Spülsystem ein wichtiges Merkmal der Bohrkrone (vgl. FEISTKORN 1988). Von seiner Wirksamkeit hängt es ab, ob die Bohrkleinabfuhr mit der Bohrgeschwindigkeit schritthalten kann oder nicht Eine unzureichende Spülung bedeutet niedrigeren Bohrfortschritt bei erhöhtem Verschleiß der Bohrkrone. Wichtig ist deshalb, daß für jeden Gesteinstyp die optimale Bohrkrone eingesetzt wird. Dies sollte üblicherweise durch die Beratung der erfahrenen Bohrstahlhersteller gewährleistet sein. durch diese Scherbelastung Risse im Hartmetall, die bis zum Bruch des Einsatzes führen können. Typischerweise trat dies aufgrund klaffender oder tonig-schluffig gefüllter Klüfte im verwitterten Granit und aufgrund besonders harter Quarzit- und Gangquarzgerölle in Konglomeraten und Fanglomeraten (mit weicher Matrix) auf. Dieser Verschleiß kann auch "selbstgemacht" sein: Wird die bereits eingebaute Sicherung durchbohrt (Spritzbeton mit Baustahlmatten, Entlang/Vorbeibohren an Stahlbögen) oder werden Anker mit der Bohrlafette/Bohrkrone eingeschoben, so kann dies zur gleichen Verschleißform führen. Eine Folge von Kaliberverschleiß oder Stiftbruch kann die sogenannte Bruchkatastrophe sein: Ist die Krone bereits stark abgenutzt, so reißt das herausgebrochene Hartmetallstück, das nicht zermahlen und mit dem Bohrschmant herausgefördert werden kann, durch die Rotation noch weitere Stifte aus dem Werkzeugträger. Das Ergebnis ist die sehr rasche und vollständige Zerstörung der Bohrkrone. Da der Bohrfortschritt fast schlagartig auf Null absinkt, muß die restliche Energie des Anpreßdrucks von Einsteckende und Bohrstange absorbiert werden, die ein solches Ereignis oft nicht heil überstehen. Abb. 5: Typische im Tunnelbau verwendete Stiftbohrkronen mit 6, 7, 8 und 9 Widia-Einsätzen. Art des Verschleißes Der Verschleiß der Bohrkronen trat in drei Grundformen auf, die je nach Ausbildung des Gebirges miteinander kombiniert waren. 1 Verschleiß der Hartmetallstifte (Werkzeugeinsätze) 4.2 Bei stark abrasiven und sehr harten Gesteinen, z.B. bei Quarziten, Gangquarzen, verkieselten Gesteinen, frischen Graniten und Gneisen, kam es durch den Quarzgehalt zur verstärkten Abnutzung der Hartmetallstifte der Bohrkrone. Quantitativer Bohrkronenverschleiß Der Bohrkronenverschleiß hängt insbesondere ab vom Anteil an verschleißrelevanten Mineralen, z.B. Quarz, Hornblende, Korund und von der Art des Bindemittels bzw. der Porosität (Raumausfüllungsgrad) der Gesteine. Indirekt kann der Verzahnungsgrad des Gefüges auch über die Druckfestigkeit des Gesteins untersucht werden. 2 Verschleiß des Bohrstahls (Kaliberverschleiß) Quarzgehalt Bei abrasiven, aber wenig harten Gesteinen, z.B. bei verwitterten/hydrothermal zersetzten Graniten oder bei Sandsteinen, wurde der Bohrstahl (Werkzeugträger) durch den Quarzgehalt weit stärker abgenutzt als die Werkzeugeinsätze. Als Folge der Schleifwirkung des Bohrschmants nahm der Kronendurchmesser rasch ab, was bis zum Herausfallen der Stifte führen konnte, wenn die Bohrkrone nicht rechtzeitig genug ausgewechselt wurde. Trägt man Kronenstandzeit und Quarzgehalt gegeneinander auf, so ergibt sich nur eine befriedigende Korrelation mit einer großen Streubreite (Abb. 6). 3 Abbrechen von Stiften als Folge zu hoher Scherbelastung Kommt es des öfteren zum Festbohren oder Verklemmen der Bohrkrone an der Bohrlochsohle, so entstehen 129 9. Nationale Tagung für Ingenieurgeologie Garmisch-Partenkirchen 1993 Abb. 7: Standzeit der Bohrkronen - einaxiale Druckfestigkeit. Die beiden Diagramme machen deutlich, daß der Verschleiß sehr stark vom Verzahnungsgrad bestimmt wird. Zwar gibt es Ansätze zur rechnerischen Bestimmung des Verzahnungsgrades (HOWARTH & ROWLANDS 1987), diese sind jedoch aufwendig und deshalb in der Baupraxis nicht anwendbar. Die qualitative Beschreibung und Interpretation des Dünnschliffbildes erscheint deshalb als brauchbarer Kompromiß zwischen Genauigkeit und "Anwendungsfreundlichkeit". Abb. 6: Standzeit der Bohrkronen - Quarzgehalt. Der Verschleiß ist auch von der Anzahl und Bauform der Stifte abhängig. Konische/schlanke Stifte werden schneller abgenutzt als runde/kompakte Formen. Auch steigt der Verschleiß mit der Anzahl der Stifte. In der Praxis ist das Auswahlkriterium für eine Bohrkrone jedoch ein Optimum aus Abnutzung und Bohrgeschwindigkeit, wobei der höheren Bohrleistung meist der Vorzug gegeben wird. Eine gute Korrelation ergibt sich lediglich innerhalb des gleichen Gesteinstyps, wie beispielsweise Sandsteinen (vgl. SCHIMAZEK & KNATZ 1970). Der Verschleiß wird offensichtlich deutlich von Verzahnungsgrad und Mikrogefüge gesteuert. Die niedrigen Standzeiten - auch bei geringen Quarzgehalten - entstehen lediglich durch "unsachgemäßes Bohren" in die bestehende Spritzbetonsicherung (Stahlbögen, Baustahlmatten; "selbstgemachter" Verschleiß, vgl. 4.1) Druckfestigkeit 4.3 Bohrgeschwindigkeit Es wurden die Standzeit und die einaxiale Druckfestigkeit von Gesteinen mit ähnlichem Quarzgehalt (70 % bis 90 %) miteinander verglichen (Abb. 7). Das Ergebnis ist eine gute Korrelation beider Parameter, die sich auch direkt mit dem Verzahnungsgrad im Mikrogefüge (Dünnschliff) vergleichen läßt: Vernetzte Gefüge mit sehr hoher Verzahnung ergeben eine niedrige Standzeit, Pflastergefüge eine mittlere. Gesteine mit defektem oder tonigem Bindemittel ebenso wie hydrothermal zersetzte Gesteine und ein dadurch niedriger Verzahnungsgrad bedingen eine hohe Standzeit der Bohrkrone. Die Untersuchung der Einflußfaktoren auf die Bohrgeschwindigkeit stellte den Schwerpunkt der Untersuchungen dar. Die Bohrgeschwindigkeit hängt insbesondere ab von der Druck- und Zugfestigkeit sowie den Elastizitätseigenschaften - landläufig der "Zähigkeit" der gebohrten Gesteine. Diese felsmechanischen Parameter haben ihre Ursache in der mineralogischen Zusammensetzung und der Anordnung der Mineralkörner zueinander (Mikrogefüge). Großen Einfluß haben weiterhin Klüftigkeit, Durchtrennungsgrad und Auflockerung des Gebirgsverbandes, die Lage der Schieferung zur Bohrrichtung und eventuelle Veränderungen im Gebirge wie Verwitterung, hydrothermale Zersetzung oder Verkieselung. Kluftabstand (Durchtrennungsgrad) Da der Durchtrennungsgrad sich schlecht in vergleichbare Zahlen fassen läßt, wurde die Bohrgeschwindigkeit gegen den Kluftabstand aufgetragen (Abb. 8). 130 9. Nationale Tagung für Ingenieurgeologie Garmisch-Partenkirchen 1993 Der Einfluß der Anisotropie auf die Bohrgeschwindigkeit ist am deutlichsten in geschieferten Gesteinen zu erkennen. Die Winkelabhängigkeit von Bohrgeschwindigkeit, einaxialer Druckfestigkeit und Spaltzugfestigkeit ist am Beispiel von Innsbrucker Quarzphyllit in Abb. 9 und 10 zu sehen. Der einaxiale Druckversuch ist - mangels seitlicher Einspannung des Prüfkörpers - offensichtlich nicht in der Lage, den Bohrvorgang an der Bohrlochsohle zu "simulieren". Die "UCS"-Kurve hat bei 30° - 45° ein Minimum. Besser ist hier die Korrelation mit der Spaltzugfestigkeit: Liegt die Schieferung rechtwinklig zur Bohrrichtung, so ist der Scherwiderstand gering - gleichbedeutend mit einer geringen Zugfestigkeit rechtwinklig zur Schieferung - und die Bohrgeschwindigkeit hoch. Ist die Arbeitsrichtung parallel zur Schieferung, so ist der Scherwiderstand und damit die Zugfestigkeit gleichermaßen hoch, die Bohrgeschwindigkeit deutlich geringer (bis zu 40 %). Abb. 8: Bohrgeschwindigkeit, aufgetragen gegen den Kluftabstand. (Muschelkalk). Als Ergebnis ist festzuhalten, daß ein Einfluß erst spürbar wird, wenn die Kluftabstände in die Dimension des Bohrlochdurchmessers rücken (eng- bis dichtständig). Der weitaus größte Einfluß ist in Störungsnähe zu verzeichnen, z.B. weisen ungewöhnlich hohe Bohrgeschwindigkeiten auf einen hohen Durchtrennungsgrad bzw. eine Störungszone hin. Der Nutzen für den Vortrieb wird jedoch in solchen Gebirgsverhältnissen durch das Zufallen der Bohrlöcher und Stabilitätsprobleme im ausgebrochenen Tunnel schnell zunichte gemacht. Orientierung der Schieferung Abb. 10: Bohrgeschwindigkeit - Spaltzugfestigkeit, jeweils gegen den Winkel zwischen Schieferung und Belastungs- bzw. Bohrrichtung aufgetragen. Druckfestigkeit - Elastizitätseigenschaften Abb. 9: Bohrgeschwindigkeit - einaxiale Druckfestigkeit Die Korrelation von Bohrgeschwindigkeit und einaxialer Druckfestigkeit war in den Gesteinen des Michaelstunnels noch relativ gut (Abb. 11). gegen den Winkel zwischen Schieferung und Belastungs- bzw. Bohrrichtung aufgetragen. 131 9. Nationale Tagung für Ingenieurgeologie Garmisch-Partenkirchen 1993 Bei einaxialer Belastung parallel bzw. spitzwinklig zur Schieferung war die Probe noch nicht vollständig zerstört und konnte mehrfach belastet werden. Die sich dadurch ergebenden, niedrigeren Restfestigkeiten waren mit einer stärkeren Verformung des Prüfkörpers verbunden. Im Spannungs-Verformungs-Diagramm wanderte der Bruchscheitel immer mehr nach rechts (Abb. 12, Kurve B). Über die Hüllkurve im post-failure-Bereich läßt sich zur Beschreibung dieses Verhaltens das zugehörige post-failure-Modul bestimmen. Doch auch die Korrelation mit diesem Parameter führte zu keinem besseren Ergebnis. Erst die Überlegung, daß sowohl die Druckfestigkeit als auch die Verformung - also die Fläche unter der Kurve (Integral) - die Lösbarkeit des Gesteins "steuern" könnte, führte schließlich zum Ziel. Diese Fläche stellte sich als hochsignifikantes Maß zur Beschreibung der Bohrgeschwindigkeit heraus (Abb. 14). Abb. 11: Bohrgeschwindigkeit - einaxiale Druckfestigkeit. In Gesteinen des Innsbrucker Quarzphyllits führte dieser Weg jedoch nicht zum Erfolg: Die Streuung der Punkte im analogen Diagramm war so groß, daß sich keine brauchbare Beziehung ergab. Zum Ziel führte erst die Beobachtung, daß die Gesteine beim einaxialen Druckversuch ein ungewöhnliches Verformungsverhalten - besonders im post-failure-Bereich - zeigten. Physikalisch gesehen ist das Integral über die Arbeitskurve eine Arbeit (oder Energie = Kraft mal Weg) pro Volumeneinheit und wird hier als Zerstörungsarbeit Wz [kJ/m3] bezeichnet. Als Produkt von Druckfestigkeit und Längenänderung der Probe stellt sie gewissermaßen die gesamte Formänderungsarbeit einschließlich des postfailure-Bereichs dar. Diese Verfahrensweise schließt die Überlegung mit ein, daß es sich beim Gebirge nach L. MÜLLER um zerbrochenes Gestein handelt . Das Ergebnis ist eine gute Korrelation von sonst scheinbar schwer vergleichbaren Gesteinen wie einem spröden Kalk und einem "zähen" Quarzphyllit - da sie die gleiche Zerstörungsarbeit benötigen (vgl. Abb. 12). Einfach ausgedrückt ist geringe Zerstörungsarbeit gegeben durch: hohe Druckfestigkeit, jedoch geringe Verformbarkeit oder niedrige Druckfestigkeit, aber hohe Verformbarkeit Zerstörungsarbeit = Fläche unter der Arbeitskurve Kraft x Weg pro Volumeneinheit Abb. 12: Spannungs-Verformungsdiagramm eines spröden Kalks und eines zähen Quarzphyllits. 132 9. Nationale Tagung für Ingenieurgeologie Garmisch-Partenkirchen 1993 die in der Baupraxis aus Kosten- und Zeitgründen sowieso nicht zur Anwendung kommen. Es soll auf den üblichen Voruntersuchungen zu einem Tunnelprojekt aufbauen und diese ergänzen. Die zusätzlichen Untersuchungen müssen kostengünstig sein und möglichst von jedem gut eingerichteten Prüflabor durchgeführt werden können. Die Ergebnisse sollen transparent aufbereitet und nachvollziebar sein. Abb. 13: Spannungs-Verformungsdiagramm eines besonders zähen Quarzphyllits. Ein Gestein, dessen Druckfestigkeit und Verformbarkeit nur relativ gering größer ist, kann schon eine höhere Zerstörungsarbeit erfordern und dadurch eine deutlich geringere Bohrgeschwindigkeit verursachen (Abb. 13 und 14). Einfach ausgedrückt ist hohe Zerstörungsarbeit gegeben durch: Untersuchungsprogramm hohe Druckfestigkeit und hohe Verformbarkeit Eine Art "Standard"-Untersuchungsprogramm soll im folgenden kurz umrissen werden. 1 Basis: ingenieurgeologische Bearbeitung des Projektareals geologisch-geotechnische Karten - Profile Längsschnitte Aufnahme und Beschreibung des Trennflächengefüges (und der Störungszonen) nach Orientierung und Ausbildung (Öffnung, Füllungen, Häufigkeit, Erstreckung etc.) 2 felsmechanische Untersuchungen Basis sind Aufschlußbohrungen und die Kartierung (Probennahme nach den üblichen statistischen Gesichtspunkten) Abb. 14: Bohrgeschwindigkeit - Zerstörungsarbeit. Erstellung eines "gesteinstechnischen Steckbriefs" für jedes Gestein, unter Berücksichtigung des Gefüges (Anisotropie) Die Zerstörungsarbeit könnte ein neues Maß sein, um die Zähigkeit bezüglich der Bohrbarkeit besser als bisher zu beschreiben bzw. um die aufzuwendende Bohrarbeit abzuschätzen. Inwieweit sich dieses Phänomen verallgemeinern läßt, wird derzeit noch untersucht. Gesteinsprüfungen: einaxialer Druckversuch mit Aufzeichnung der Spannungs-Verformungs-Kurve Bestimmung der Zerstörungsarbeit, Beurteilung des post-failure-Verhaltens 5 Vorschlag für ein Untersuchungsprogramm ersatzweise Point-Load-Tests in Bereichen, in denen keine prüffähigen Kerne zu gewinnen sind Spaltzugversuch (als Brazilian Test) und Bestimmung der Verhältnisse zwischen Druck- und Zugfestigkeit Die Kenntnis der Zusammenhänge und Hintergründe der Einflußgrößen auf die Bohrbarkeit ist notwendig, um die Auswahl des Bohrgeräts zu erleichtern, den Arbeitsoder Bohrfortschritt abzuschätzen und vor allem die Bohrkosten zu kalkulieren. Zu diesem Zweck wurde ein Untersuchungsprogramm erarbeitet, welches bei Vorerkundungen für Tunnel- und Stollenprojekte helfen soll, Gestein und Gebirge im Hinblick auf die Bohrbarkeit besser einzuschätzen. eventuell weitere Versuche zur Klärung von Besonderheiten (z.B. Quellverhalten) Bei Auftreten einer Schieferung muß ihre Raumstellung bezüglich der späteren Vortriebsrichtung berücksichtigt werden! 3 petrographische Untersuchungen Anforderungen Anhand von Dünnschliffen: Das Untersuchungsprogramm soll einfach anwendbar sein und ohne allzu komplizierte Versuche auskommen, 133 9. Nationale Tagung für Ingenieurgeologie Garmisch-Partenkirchen 1993 mineralogische Zusammensetzung qualitativ quantitativ (Modalanalyse mit dem Point-Counter) Beurteilung des Mikrogefüges im Hinblick auf Anisotropie - Homogenität - Verzahnungsgrad Beurteilung des Mikrogefüges im Hinblick auf Verwitterung - hydrothermale Zersetzung - Verkieselung etc. 6 Literatur FEISTKORN, E. (1988): Bohr- und Sprengtechnik. Teil A: Bohrtechnik.- in: Taschenbuch für den Tunnelbau 1988, 12, 365 S., Dt. Gesellschaft für Erd- und Grundbau e.V., Essen, 217-273. HOWARTH, D. F. & ROWLANDS, J. C. (1987): Quantitative assessment of rock texture and correlation with drillability and strength properties. Rock Mech. & Rock Eng., 20, 57-85. SCHIMAZEK, J. & KNATZ, H. (1970): Der Einfluß des Gesteinsaufbaus auf die Schnittgeschwindigkeit und den Meißelverschleiß von Streckenvortriebsmaschinen. - Glückauf, 106, 6, 274-278. WANG, F.-D., OZDEMIR, L. & SNYDER, L. (1978): Prediction and experimental verification of disk cutter forces in hard rock. - in: Eurotunnel '78 conference, Basle, Switzerland (Basle: Congress Centre, 1978), 1st day, March 1st, 1978, pap. 4, 44 S. 134