Psychoedukation

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20
20
Psychoedukation
S. Mühlig, F. Jacobi
20.1
Beschreibung des Verfahrens
20.2
Wirkprinzipien und Ziele
20.3
Durchführung
20.3.1
20.3.2
20.3.3
20.3.4
Störungsinformationen: Vermittlung eines angemessenen
Störungsmodells – 480
Therapieinformationen – 481
Selbstmanagementkompetenzen – 483
Allgemeine Regeln zur Optimierung psychoedukativer Maßnahmen
20.4
Indikation und Wirksamkeit
Literatur
– 478
– 478
– 479
– 485
– 485
– 488
n
H.-U. Wittchen, Jürgen Hoyer et al, Klinische Psychologie & Psychotherapie, DOI 10.1007/978-3-642-13018-2_20,
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
20
478
Kapitel 20 · Psychoedukation
20.1
Beschreibung des Verfahrens
Pychoedukation ist die systematische und strukturierte
Vermittlung wissenschaftlich fundierter gesundheits- und/
oder störungsrelevanter Informationen und Kompetenzen
mit psychologischen Methoden. Es handelt sich also nicht
um ein umschriebenes Therapieverfahren, sondern lediglich um eine Behandlungskomponente in einem übergeordneten Interventionskonzept. Zielpersonen können Patienten oder Risikopersonen sowie deren Angehörige sein.
Psychoedukation kann in allen klinischen Anwendungsfeldern zum Einsatz kommen – von der generellen Gesundheitserziehung bis hin zur spezifischen Prävention (z. B.
von kardiovaskulären Erkrankungen), in der Therapie (z. B.
Aufklärung über Diagnose sowie Vermittlung eines Störungsmodells) und in der Rehabilitation (z. B. Patientenschulung/-training zur Verhinderung eines Rückfalls). In
einem von einer Arbeitsgruppe zur Psychoedukation bei
schizophrenen Psychosen verfassten Konsensuspapier wird
das Verfahren folgendermaßen definiert:
Definition
Psychoedukation
Unter dem Begriff der Psychoedukation werden systematische, didaktisch-psychotherapeutische (didaktisch:
die Kunst der geeigneten Wissensvermittlung) Maßnahmen zusammengefasst, die dazu geeignet sind, Patienten und ihre Angehörigen über die Krankheit und
ihre Behandlung zu informieren, das Krankheitsverständnis und den selbstverantwortlichen Umgang mit
der Krankheit zu fördern und sie bei der Krankheitsbewältigung zu unterstützen. Die Wurzeln der Psychoedukation liegen in der Verhaltenstherapie, wobei aktuelle
Konzepte auch gesprächspsychotherapeutische Elemente in unterschiedlicher Gewichtung enthalten. Im
Rahmen einer Psychotherapie bezeichnet Psychoedukation denjenigen Bestandteil der Behandlung, bei
dem die aktive Informationsvermittlung, der Austausch
von Informationen unter den Betroffenen und die Behandlung allgemeiner Krankheitsaspekte im Vordergrund stehen. (Bäuml & Pitschel-Waltz, 2003, S. 3)
Im klinisch-therapeutischen Kontext geht es bei der
Psychoedukation im Wesentlichen um:
4 Aufklärung über Diagnose und Behandlungsprinzipien,
4 Vermittlung von störungsbezogener Information (z. B.
angemessenes Störungsmodell),
4 Vermittlung von therapierelevanter Information (z. B.
Therapieverfahren, Wirkmechanismen, Chancen und
Risiken),
4 Vermittlung von kompensatorischen Kompetenzen bei
spezifischen problembezogenen Defiziten (z. B. soziale
Kompetenzen),
4 Unterstützung des Patienten bei der Entwicklung allgemeiner Selbstmanagement- und Bewältigungskompetenzen (z. B. Problemlösestrategien im Umgang mit
Rückfällen).
Ganz allgemein geht es bei der Psychoedukation um die
Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten für einen
gesundheitsförderlichen Lebensstil (Entspannungsverfahren, körperliche Aktivität, Genusstraining, Ernährung
etc.).
20.2
Wirkprinzipien und Ziele
Die Wirkmechanismen von Psychoedukation sind mangels
systematischer Forschung noch nicht geklärt. Angenommen wird, dass Patienten über neues wissenschaftlich fundiertes Wissen in Bezug auf ihre Störung bzw. ihre Problematik Missverständnisse und fehlerhafte Vorstellungen
korrigieren können und sich so auch dysfunktionale Einstellungen ändern. Ferner wird angenommen, dass sachliche Aufklärung und Information das Leiden von Patienten
und/oder von Angehörigen strukturiert und somit entlastend wirkt. Auf diese Weise soll Behandlungsoptimismus
erzeugt werden, die Therapiemotivation und Compliance
(d. h. die aktive Mitarbeit im Sinne des Behandlungskonzepts) der Patienten gestärkt, sekundäre Belastung (Scham,
Selbstabwertung, Symptomstress, Stigmatisierung) reduziert und der therapeutische Veränderungsprozess unterstützt werden (Mühlig, 2004).
Darüber hinaus wird angenommen, dass psychoedukative Maßnahmen den Patienten auch spezifische Kompetenzen und Fertigkeiten zur konkreten Problembewältigung vermitteln und sie anleiten können, durch praktisches Üben konkrete Verhaltensänderungen besser in den
Alltag zu übertragen. Im psychotherapeutischen Setting
besitzt diese Funktion eine besondere Bedeutung, z. B.
wenn gegen Ende der Therapie angestrebt wird, in der
Therapie an konkreten Situationen erarbeitete Veränderung
auch auf andere Situationen und den Alltag zu generalisieren oder sie gezielter zur Reduzierung des Rückfallrisikos
einzusetzen (Rückfallprophylaxe etc.). Langfristig sollten
die Patienten auf diese Weise ausreichende Kompetenzen
und Strategien erwerben, um angemessen auf Rückfälle
reagieren und künftige Belastungssituation eigenständig
meistern zu können (»Hilfe zur Selbsthilfe«; 7 Kasten
»Bibliotherapie«).
479
20.3 · Durchführung
Bibliotherapie
Der Begriff der Bibliotherapie umschreibt den therapeutischen Einsatz von Literatur jeglicher Art (schriftlich, auditiv oder computergestützt), welche primär dem Zwecke
der Heilungsunterstützung dienen soll. Diese Form der
Therapie umfasst damit sowohl das Studium von Selbsthilfeliteratur als auch das Verfassen eigener Gedanken,
z. B. in Form von Gedichten. Innerhalb verhaltenstherapeutischer Ansätze wird die Bibliotherapie eher im Sinne
der Psychoedukation eingesetzt, sowie in Form von
schriftlich erteilten Handlungsanweisungen zur Bewältigung von Problemen. Patientenratgeber bzw. Selbsthilfeprogramme liegen mittlerweile für eine Vielzahl psychischer Störungen vor, z. B. für Agoraphobie, Panikanfälle,
soziale Phobie, Zwangsstörungen, Prüfungsängste, Depressionen und Suchtprobleme. Unter anderem unterscheiden sich die Materialien darin, ob der Schwerpunkt
auf der Informationsvermittlung über die psychische Störung und möglicherweise deren Behandlung liegt oder
ob gezielte, aufeinander aufbauende Handlungsanweisungen gegeben werden.
Die vorliegenden Daten zur Wirksamkeit der Bibliotherapie sind aber vielversprechend: Die Metaanalyse von
den Boer, Wiersma und van den Bosch (2004) zeigte, dass
Selbsthilfe auch bei schwerwiegenden emotionalen Problemen wirksam ist: Selbsthilfegruppen erreichten ähnliche Effektstärken wie kurze psychiatrische Interventionen (durchschnittliche Effektstärke im Vergleich zu
unbehandelten Kontrollgruppen: d=0,84). Weitere Arbeiten beschäftigen sich mit der differenziellen Indikation für
therapeutische Angebote verschiedener Schwellen (z. B.
Baillie & Rapee, 2004; Helbig & Hoyer, 2007; Treasure,
Schmidt, Troop & Todd, 1996), d. h. mit der Frage, welche
Kennwerte der initialen Diagnostik eine Vorhersage darüber erlauben, ob die Person zur Bewältigung ihrer Problematik von Selbsthilfematerialien profitieren wird oder
ob eine Intervention durch Fachpersonal angezeigt ist.
Gerade angesichts des hohen Bedarfs an psychotherapeutischer Unterstützung und an Verhaltensschulung in
der Medizin – speziell in der Rehabilitation bei chroni-
Das folgende Zitat fasst das Kernproblem der Psychoedukation prägnant zusammen.
Gesagt ist nicht gehört. Gehört ist nicht verstanden.
Verstanden ist nicht einverstanden. Einverstanden ist
nicht angewendet. Und angewendet ist noch lange nicht
beibehalten. (Konrad Lorenz, Nobelpreisträger)
schen Erkrankungen – kann die Bibliotherapie dazu beitragen, therapeutische Interventionen weiterzuverbreiten
oder zu intensivieren. Bezüglich der theoretischen Fundierung der ausgewählten Inhalte, der didaktischen Form, der
Art des Einsatzes von Selbsthilfematerial besteht jedoch
noch erheblicher Klärungsbedarf.
Kriterien für empfehlenswerte Selbsthilfebücher sind
dabei (in Anlehnung an Angenendt, 1996):
Verständlichkeit und Aufbau:
4 Der Text ist allgemeinverständlich geschrieben.
4 Die Abfolge der durchzuführenden Übungen geht aus
dem Text hervor bzw. wird idealerweise durch den
Textfluss so nahegelegt.
Indikation bzw. Kontraindikation:
4 Im Text wird an prominenter Stelle darauf hingewiesen, für welche Problembereiche und welche Personengruppen das Programm geeignet ist.
4 Ebenso deutlich wird beschrieben, welche Problemkonstellationen bzw. personellen Voraussetzungen
den Einsatz des Selbsthilfebuches nicht empfehlenswert machen.
4 Für den Fall, dass vom Einsatz des Buches abgeraten
wird, werden alternative Vorgehensweisen aufgezeigt
und gegebenenfalls Kontaktmöglichkeiten dargestellt.
4 Für den Fall, dass sich nach dem Durcharbeiten des
Buches keine deutliche Besserung eingestellt hat
bzw. es zu einer Verschlechterung der Problematik
kam, sind ebenfalls Empfehlungen formuliert.
Qualität des vorgeschlagenen Interventionsrationals:
4 Zu Anfang des Behandlungsprogramms werden
realistische Informationen bezüglich der erreichbaren
Ziele sowie des nötigen Zeitaufwands vermittelt.
4 Die vorgeschlagenen Übungen bzw. Techniken bauen
sinnvoll aufeinander auf.
4 Die beschriebenen Maßnahmen entsprechen dem
aktuellen Wissensstand in Forschung und Therapie.
20.3
Durchführung
Psychoedukative Maßnahmen können im Einzel- oder
Gruppensetting durchgeführt werden und unterschiedliche
methodisch-didaktische Mittel umfassen (Vortrag, Gruppendiskussion, Dialog, Demonstration, Verhaltensübungen
und Rollenspiele). Dabei kommen als Medien in erster
Linie verbale Vermittlungsformen zum Einsatz, aber auch
20
480
20
Kapitel 20 · Psychoedukation
Exkurs
Genesen durch Lesen?
Grahlmann und Linden (2005) beschreiben in ihrem Überblick den Einsatz von Büchern und Literatur im Sinne
einer »Bibliotherapie«. Bereits in der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde das Lesen als Teil der Therapie von
stationär behandelten Patienten genutzt, und seit den
1960er Jahren werden zunehmend Selbsthilfebücher
veröffentlicht, die sich den hier genannten psychoedukativen Prinzipien zuordnen lassen.
Bibliotherapie ist keine uniforme Maßnahme, sondern
umfasst ein Spektrum sehr unterschiedlicher Therapiemaßnahmen; so kann sie unter anderem z. B. anhand fiktionaler
(z. B. Gedichte, Erzählungen) oder didaktischer Texte (z. B.
zu spezifischen Störungsbildern) durchgeführt werden.
Es gibt empirische Daten für den positiven Einfluss
von Bibliotherapie auf intellektuelle, psychosoziale, emotionale und interpersonale Fertigkeiten. Kurzgeschichten,
Dramen und Gedichte erwiesen sich als z. B. erfolgreich
schriftliches Material wie in der Bibliotherapie z. B. Selbsthilfemanuale, weiterführende Literatur, Broschüren etc.,
Videos und anderes Anschauungsmaterial (z. B. graphische
Darstellungen zum Vulnerabilitäts-Stress-Modell der Schizophrenie, anatomische Modelle zur Veranschaulichung
der Lungenfunktion bei Asthma) oder das Internet.
20.3.1
Störungsinformationen:
Vermittlung eines angemessenen
Störungsmodells
Störungsbezogene Informationsdefizite und Fehlinformationen auf Patientenseite, die sich häufig über Massenmedien oder das soziale Umfeld verbreiten, und dysfunktionale subjektive Störungskonzepte stellen in der Praxis ein
besonders wichtiges Problem für die Therapiemotivation
und Compliance dar. Patienten entwickeln mit der Zeit Annahmen über ihre Störung (einschließlich deren Häufigkeit, Ursachen, Prognose, Beeinflussbarkeit und Konsequenzen) sowie über Behandlungsmöglichkeiten (einschließlich deren Zweckmäßigkeit und der Effektivität,
Wirkweise oder Folgen von einzelnen Therapiemaßnahmen). Diese »subjektiven Krankheitstheorien« (»health
beliefs«) besitzen zwar häufig eine wichtige Funktion für
die kognitive und emotionsregulierende Bewältigung einer
chronischen Störung, da einfache und plausible Erklärungen deren Bedrohlichkeit reduzieren und ein Gefühl
von Sicherheit und Kontrollierbarkeit vermitteln können.
Oftmals sind sie aber inkompatibel mit den wissenschaftlichen Erklärungsmodellen und den rational begründeten
bei der Auseinandersetzung mit dem Erwachsenwerden,
Alkoholismus, Ärgermanagement, Angst, Identitätsfindung,
Gerechtigkeit, Leben und Tod, Eltern-Kind-Beziehungen,
Selbstbild und Sexualität.
Auch Kinder nutzen Geschichten, Fabeln und Märchen
als Mittel, um Parallelen zu ihren Problemen und Bedürfnissen zu finden, sogar bevor sie lesen können: Bibliotherapie
anhand fiktionaler Texte scheint dazu geeignet, Kindern
Symptome von psychosozialen Dysfunktionen oder Unangepasstheit aufzuzeigen und sollte auch als Mittel betrachtet werden, andere Ideen, Konzepte und Einsicht in ihre
Entwicklung zu integrieren. Die meiste Aufmerksamkeit hat
die Bibliotherapie bei depressiven Erkrankungen gefunden.
Auch der primärpräventive Effekt der generellen Ermutigung und Anleitung zu einem gesundheitsförderlicheren
Lebensstil (ausreichende Erholungsphasen, körperliche Bewegung, bewusste Ernährung, Rauchverzicht etc.) sollte
nicht unterschätzt werden.
Therapiezielen. Sofern subjektive Störungskonzepte mit
den konkret erforderlichen therapeutischen Maßnahmen
in Konflikt stehen, stellen sie eine ernsthafte Barriere für die
Patientenmitarbeit dar.
Wichtig
Eine ausreichende Therapiemotivation und aktive
Beteiligung der Patienten am psychotherapeutischen
Veränderungsprozess ist nur dann zu erwarten, wenn
sie von den formulierten Zielen der Therapie, den
Erfolgsaussichten und der Zweckmäßigkeit des Vorgehens wirklich überzeugt sind.
Auch Angehörige werden im Rahmen der Psychoedukation in Gruppen über die Erkrankung aufgeklärt. (Foto: © Simone Fichtl/mauritius
images)
481
20.3 · Durchführung
. Abb. 20.1a, b. Zwei Möglichkeiten zur Darstellung der sog. Depressionsspirale. (Aus: (a) Pitschel-Walz, Bäuml & Kissling, 2003 sowie (b)
Wittchen, Möller, Vossen et al. 1995)
Zu Therapiebeginn sollte deshalb eine strukturierte
Vermittlung störungsspezifischen Wissens und eines für
den Patienten verstehbaren Störungsmodells zur Erklärung
der Ursachen, Entstehungsbedingungen und des zu erwartenden Verlaufes der Störung bzw. Problematik stehen. In
. Abb. 20.1 ist exemplarisch das Modell der sog. »Depressionsspirale« abgebildet, welches in der Psychoedukation
affektiver Störungen eine wichtige Rolle spielt. Der Therapieplan sollte danach unmittelbar und für den Patienten
nachvollziehbar aus diesem Störungsmodell abgeleitet werden können.
Patiententagebücher besitzen in diesem Zusammenhang nicht nur diagnostische Funktionen in der Therapie,
sondern dienen auch zur empirischen Beweisführung in
der Vermittlung des psychologischen Störungsmodells,
beispielweise indem der Zusammenhang zwischen Inaktivität, Grübeln und negativen Emotionen im Tagesverlauf
eines depressiven Patienten verdeutlicht werden kann
(. Abb. 20.2).
20.3.2
Therapieinformationen
Zur anfänglichen Patientenaufklärung sollten auch Informationen über die vertretene therapeutische Richtung
(theoretischer Hintergrund, therapeutische Prämissen)
und die konkret verfügbaren bzw. geplanten Interventionsverfahren gehören, einschließlich der Begründung
der Auswahl sowie einer verständlichen Erläuterung von
Sinn und Zweck der vorgeschlagenen Vorgehensweise (differenzielle Indikation, Erklärung der zugrunde liegenden
therapeutischen Prinzipien). Diese Hintergrundinformationen dienen dazu, größtmögliche Transparenz herzustellen und beim Patienten einen motivationsfördernden kognitiven Kontext zu etablieren.
Neben der Beschreibung der Ziele und Wirkmechanismen therapeutischer Techniken müssen selbstverständlich
auch als ethische Notwendigkeit Behandlungsalternativen
dargestellt (. Abb. 20.3) und eventuelle Risiken und Nebenwirkungen thematisiert werden (Patientenaufklärung
20
482
Kapitel 20 · Psychoedukation
20
. Abb. 20.2. Beispiel für ein Tagebuch eines depressiven Patienten.
Zu festen Uhrzeiten werden stichpunktartig aktuelle Ereignisse, assoziierte Gedanken und Gefühle dokumentiert. Diese Selbstbeobach-
tungen können wertvolle Hinweise zur Diagnostik, Therapieplanung
und Behandlung liefern
Internetquellen zu Störungs- und Therapieinformationen
Selbstverständlich gibt es mittlerweile eine große Zahl an
Internetquellen zu Störungs- und Therapieinformationen
(vgl. auch Ott & Eichenberg, 2003). Anbei eine kleine, selektive Auswahl von Adressen.
Hier ist zu beachten, dass derartige Internet-Adressen oft weder einer kontinuierlichen Aktualisierung noch
kritischer wissenschaftlicher Qualitätssicherung unterliegen.
5 http://www.psychologie.de: Eine der größten
Plattformen für die Informationssuche zu psychologischen Themen überhaupt
5 http://www.psychoedukation.net: Informationen
rund um die Psychoedukation für Betroffene, aber
auch für Fachkreise (z. B. ensprechende Kongressankündigungen)
5 http://www.patienten-information.de: Portal
besteht aus einfach aufgebauten und durchsuchbaren Übersichten mit mehr als 1000 verlässlichen
Informationsquellen unterschiedlicher Krankheiten
und psychischer Störungen; qualitätsgeprüfte Gesundheitsinformationen durch Betreiber gemeinsam mit
Patienten; Links zu Leitlinien und Patienteninformationen der Kompetenznetzwerke für Schizophrenie,
Depression u. a.
5 http://www.kompetenznetz-schizophrenie.de: Portal
des wissenschaftlichen Kompetenznetzes mit ausführlicher Informationsseite für Patienten
5 http://www.kompetenznetz-depression.de: Portal
des wissenschaftlichen Kompetenznetzes mit Informationsseite für Patienten; neben ausführlichen Informationen zu Depression und Suizid viele Verweise auf
regionale Hilfs- und Versorgungseinrichtungen
5 http://www.therapie.de: Wegweiser für Psychotherapeutensuche (17.000 Einträge), mit interner Qualitätssicherung (nur approbierte Psychotherapeuten,
Projektpartner des Bundesministeriums für Gesund6
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20.3 · Durchführung
6
5
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5
5
heit zur Qualitätssicherung von Informationen im
Internet)
http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF: AWMF
online bietet Patienteninformationen der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Medizinischer
Fachgesellschaften (Leitlinien, Evidenzbasierte
Therapie)
http://www.psychotherapie-fuer-kinder.de:
Gute Seite zum Thema Kinderpsychotherapie
http://www.dgbs.de: ausführliche Patienteninformationen der Deutschen Gesellschaft für Bipolare
Störungen
http://www.zwaenge.de: Die Deutsche Gesellschaft Zwangserkrankungen e. V. stellt schon seit
vielen Jahren gut aufbereitete störungsspezifische
Infos ins Netz
5 http://www.bptk.de: Website der Bundespsychotherapeutenkammer (dort auch Verweise auf die Landespsychotherapeutenkammern), enthält neben Berufspolitischem auch Patienteninformationen zu strukturellen, rechtlichen und inhaltlichen Aspekten der
Psychotherapie (inklusive Therapeutensuchdienst)
5 http://www.psychiatrie-aktuell.de: Umfangreiche
Ressourcen für Angehörige und Betroffene in der
Psychiatrie, allerdings eher aus medizinisch-psychiatrischer Perspektive
5 http://www.dimdi.de/dynamic/de/klassi/diagnosen/
icd10/htmlgm2006/fr-icd.htm?navi.htm+f00: die
ICD-10 online, auch für Betroffene und Angehörige
empfehlenswert
Regeln zur Durchführung psychoedukativer Maßnahmen
5 Relevanz, Kürze und Prägnanz: Auswahl der für
das konkrete und praktische Selbstmanagement
relevanten Informationen; Beschränkung auf das
Wesentliche
5 Tailoring: Abstimmung der Informationsauswahl
auf aktuellen Wissensstand und persönliche Vorerfahrungen des Patienten
5 Transparenz: übersichtliche Gliederung und
Strukturierung der Informationen: »roter Faden«,
ggf. durchnummerierte Aufzählungen etc.
5 verständliche Sprache: einfache Sätze, Fachjargon
oder abstrakte Begriffe vermeiden, lebendige
Intonation, Mimik und Gestik
5 Einsatz von Veranschaulichungen: Beispiele,
Analogien, Metaphern, »Eselsbrücken«, Visuali-
bzw. »informed consent«), um die Therapiemotivation dauerhaft zu sichern. Dabei sollte nicht nur der Therapieablauf
als Ganzes (Vorgehen des Therapeuten, Strukturierung,
Reihenfolge, Therapieverlauf) transparent gemacht werden, sondern der Patient auch auf konkrete therapeutische
Übungen und Aufgaben (z. B. bei Reizkonfrontation) sowie
auf das interaktionale Therapeutenverhalten vorbereitet
werden, um realistische Erwartungen zu induzieren und
Enttäuschungen vorzubeugen. Diese Strukturierung sollte
sowohl in Bezug auf die Gesamttherapie als auch im Sinne
einer »Tagesordnung« auf die einzelne Sitzung vorgenommen werden. Derartige »sicherheitsgebende Informationen« sind beispielsweise wichtig, um das in der Therapie
5
5
5
5
5
sierungen, multimodale Darstellungsformen (z. B. Multimedia-gestützt)
Konkrete Handlungsinstruktionen (zusätzlich schriftlichen Aktionsplan mitgeben, z. B. in Form von Hausaufgaben)
Praktisches Demonstrieren und Einüben von sozialen
oder Problemlösefertigkeiten (z. B. Rollenspiel, Verhaltensübung)
Motivierung: Lernerfolge verstärken (z. B. Loben, Ermuntern)
Bilanzierung: zu Beginn und Ende der Schulung das
Wichtigste zusammenfassen
Zusammenfassen und Feedback: zum Abschluss
durch Nachfragen vergewissern, was angekommen ist
erforderliche Risikoverhalten des Patienten (z. B. Angstüberwindung in Verhaltensexperimenten) zu ermutigen
und zu unterstützen (Fischer-Klepsch, Münchau & Hand,
2009).
20.3.3
Selbstmanagementkompetenzen
Psychoedukative Elemente werden bei den meisten Behandlungsansätzen sinnvollerweise auch in späteren Behandlungsphasen eingesetzt. Zentral für ein positives Therapieergebnis ist, dass die im therapeutischen
Setting besprochenen oder eingeübten Kompetenzen
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484
20
Kapitel 20 · Psychoedukation
. Abb. 20.3. Beispiele für eine anschauliche und verständliche Darstellung der wichtigsten Therapieverfahren und Medikamentengruppen zur Behandlung depressiver
Erkrankungen. (Aus Pitschel-Walz et
al. 2003)
485
20.4 · Indikation und Wirksamkeit
. Abb. 20.4. Sog. Ambulant Assessment
Systeme dienen der ökonomischen und alltagsnahen Erhebung von Informationen zur
Selbstbeobachtung und können die Kommunikation zwischen Patient und Therapeut
ergänzen
auch in den Alltag des Patienten Eingang finden, im
Sinne von
4 Transferabsicherung,
4 eigenständiger Umsetzung und
4 Generalisierungseffekten.
Es geht dabei um »Hilfe zur Selbsthilfe« im Allgemeinen und um die Verhinderung von Rückfällen bzw.
den Umgang mit zukünftigen Rückschlägen im Besonderen. Dafür werden häufig Selbstdokumentationen (z. B.
Tagebücher) erfolgreich eingesetzt. Für Selbstmonitoring- und Selbstmanagementzwecke stehen mittlerweile
auch sog. Ambulant Assessment Systeme zur Verfügung
(. Abb. 20.4). Dabei handelt es sich um mobile elektronische Datenaufzeichnungs- und Kommunikationsmedien (Handhelds, Pocket PC oder Smartphones), die neben ihrer Funktion als elektronisches Tagebuch zur alltagsnahen Datenerhebung und Verlaufsmessung (mit
oder ohne online-Datenübertragung), zur automatisierten Selbstkontrolle (Reminder-Funktion, z. B. zur Medikamenteneinnahme) und zur Kommunikation mit dem
Therapeuten eingesetzt werden können.
20.3.4
Allgemeine Regeln zur
Optimierung psychoedukativer
Maßnahmen
Praktische Nützlichkeit ist nicht immer mit (wissenschaftlicher) Wahrheit gleichzusetzen! Oft taugt ein vereinfachtes
und wissenschaftlich nicht ganz korrektes Modell zu psychoedukativen Zwecken besser als ein 100%iges. In der
Übersicht »Regeln zur Durchführung psychoedukativer
Maßnahmen« finden sich übergreifende Hinweise auf der
Ebene der Gesprächsführung bzw. zur Optimierung der
Didaktik bzw. der »pädagogischen« Wirkung.
Dabei muss für die jeweilige Umsetzung im eigenen Arbeitsbereich nicht jedes Mal »das Rad neu erfunden werden«, da für viele Anwendungsbereiche bereits gut strukturierte und erfolgreich evaluierte Programme vorliegen.
Deren Nutzen entfaltet sich aber meist erst dann optimal,
wenn der Anwender sich konsequent an die empirisch fundierte Programmvorlage hält und diese nicht durch eigenmächtige Modifikationen »verwässert«.
20.4
Indikation und Wirksamkeit
Maßnahmen zur Psychoedukation und Patiententrainings
sind im Bereich chronischer organmedizinischer Erkrankungen in den jeweiligen Therapieleitlinien als integraler
Bestandteil des Krankheitsmanagements international bereits seit Jahren anerkannt sowie in der Praxis breit etabliert.
Zu den derzeit wichtigsten verhaltensmedizinischen Einsatzgebieten gehören:
4 Stoffwechselerkrankungen (Diabetes Mellitus Typ I
und II),
4 chronisch-obstruktive Atemwegserkrankungen (Asthma bronchiale, chronisch-obstruktive Bronchitis, Lungenemphysem),
4 atopische Erkrankungen (atopische Dermatitis/Neurodermitis, Rhinitis),
4 rheumatische Erkrankungen (chronische Polyarthritis,
Arthrose, Fibromyalgie),
20
486
20
Kapitel 20 · Psychoedukation
4 chronische Schmerzen (Kopf- und Rückenschmerzen,
sekundäre Schmerzbeschwerden),
4 Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Hypertonie, Herzinsuf-
fizienz, Myokardinfarkt),
4 neurologische Erkrankungen (Epilepsie, multiple Skle-
rose, Parkinson-Syndrom) und
4 onkologische Erkrankungen (Leukämie, Neubildun-
gen).
Für viele Störungsbereiche liegen mittlerweile empirisch gut
evaluierte Schulungs-/Trainingsprogramme und Manuale
vor (vgl. Petermann, 1997; Mühlig, Schultz, de Vries & Petermann, 2000; Gibson et al. 2001), die in der Routineanwendung auch zu deutlichen Kosteneinsparungen führen
(z. B. Krauth, Mellert, de Vries, Mühlig, Petermann &
Schwartz, 2004; Clark & Nothwehr, 1997; Devine, 1996).
Bei der Behandlung psychischer Störungen sind psychoedukative Programme mittlerweile ebenfalls gut etabliert
(Behrendt & Schaub, 2005). Eine subjektive Auswahl von
Exkurs
Eine Wirksamkeitsstudie zur Psychoedukation bei bipolaren Störungen
Die Wirksamkeit medikamentöser Behandlung bei bipolaren Störungen hat dazu geführt, dass häufig psychologische Interventionen (als Kombinationsbehandlung)
vernachlässigt werden – denn für diese Patientengruppe
lagen für psychologische Verfahren keine Studien vor, die
hinsichtlich der methodischen Qualität und Strenge der
Bedingungskontrolle mit den pharmakologischen Studien konkurrieren konnten. Somit kommt der Studie von
Colom et al. (2003) eine besondere Bedeutung zu: Sie
verglichen in einem naturalistischen Setting prospektiv
über 2 Jahre hinweg mit einem randomisierten und sorgfältig kontrollierten Design (n=120 Patienten) eine störungsspezifische Gruppen-Psychoedukation mit einem
rein unterstützenden Gruppenprogramm ohne psychoedukative Elemente, das die Kontrollgruppe erhielt. Die
Compliance (in diesem Falle sachgerechte Medikamenteneinnahme) wurde sowohl über Selbstbericht, als auch
anhand von Laborparametern gemessen. Solche objektiven Maße sind – ebenso wie die oben erwähnten ambulanten Assessment-Systeme zu Überprüfung der Erledigung therapeutischer Hausaufgaben – oft besser geeignet als Tagebuchberichte oder Fragebogenangaben
(7 Kap. 29).
Dieses psychoedukative Programm zur Rückfallprophylaxe bei bipolaren Patienten, die sich in Remission befanden (und bereits eine medikamentös Standardbehandlung erhielten) war der Kontrollbedingung in mehreren Belangen überlegen, obwohl die Patienten in dieser
Kontrollbedingung ebenfalls über den üblichen Standard
hinaus versorgt worden waren (d. h. der Vergleich war
strenger als es der gegenüber einer Nichtbehandlung
oder Warteliste gewesen wäre).
Die Psychoedukation war in folgenden Bereichen wirksam:
a) sie reduzierte die Anzahl der Rückfälle,
b) sie vergrößerte die Zeiträume zwischen den Rückfällen
und
c) sie reduzierte die Hospitalisierungshäufigkeit pro Patient (allerdings nicht die Dauer, wenn ein Patient stationär aufgenommen wurde).
Diese Effekte zeigten sich bereits zu einem relativ frühen
Zeitpunkt und hielten über den außergewöhnlich langen
Follow-up-Zeitraum hinweg an.
Doch wie kann dieses Ergebnis erklärt werden? Colom
et al. (2003) können diese Frage nach der Wirksamkeit von
Psychoedukation im Rahmen ihrer Studie selbst noch nicht
beantworten. Möglicherweise hat die Treatment-Gruppe
ihre Medikamente regelgerechter eingenommen (darauf
gab es Hinweise anhand der Analysen des Lithium-Levels
im Blutplasma); weitere Erklärungsmöglichkeiten beziehen
sich auf andere gesundheitsbezogene Verhaltensänderungen (z. B. Früherkennung und raschere Konsultation
des behandelnden Arztes beim Auftreten neuer Episoden).
Während diese Aspekte vor allem die (hypo-)manische Seite bipolarer Störungen betreffen, könnten für die depressive Seite allgemeine Lebensstiländerungen (z. B. Aufbau
regelmäßiger positiver Aktivitäten) oder kognitive Effekte
(z. B. funktionalerer Umgang mit depressiven Gefühlen)
bei der Prävention neuer Episoden zum Tragen kommen.
Somit folgern die Autoren, dass in zukünftigen Studien
weiter untersucht werden sollte, welche spezifischen Elemente des psychoedukativen Programms welche (Teil-)Effekte hervorrufen.
487
20.4 · Indikation und Wirksamkeit
. Tabelle 20.1. Übersicht über ausgewählte psychoedukative Manuale, Selbsthilfebücher und populärwissenschaftliche Literatur mit
psychoedukativen Inhalten
Bereich
Quelle
Übergreifend
»Von Angst bis Zwang«: Barnow, Freyberger, Fischer & Linden (2003); Behrendt & Schaub 2005);
»Kognitive Verhaltenstherapie für Dummies«: Willson & Branch (2006)
Psychosen bzw. Schizophrenie
Bäuml & Pitschel-Walz (2003); Bäuml, Pitschel-Walz, Berger, Gunia, Heinz & Juckel (2005);
Behrendt, Bäuml, Luderer, Pitschel-Walz, Schneider & Sittinger (2004); Berger (2004); Fiedler,
Niedermeier & Mundt (1986); Hahlweg, Dürr & Müller (1995); Hahlweg & Dose (2005); Roder,
Zorn, Andres, Pfammatter, Brenner, Keppeler & Mayer (2002)
Psychose und Sucht
Gouzoulis-Mayfrank (2009)
Angststörungen allgemein
Alsleben, Weiss, Rufer, Hand & Karwen (2004); Wittchen (1997)
ADHS im Erwachsenenalter
D’Amelio (2008)
Panik und Agoraphobie
Morschitzky (2009)
Soziale Phobie
Fehm & Wittchen (2009)
Generalisierte Angststörung
Hoyer, Beesdo & Becker (2007)
Zwangsstörungen
Reinecker (2006); Terbrack & Hornung (2004)
Depression
Hautzinger (2006) ; Hegerl & Niescken (2004); Herrle & Kühner (1994); Ihle & Herrle (2003);
Pitschel-Walz, Bäuml & Kissling (2003); Wittchen, Möller & Vossen et al. (1995)
Bipolare Störungen
Bräunig (2003); Jelley & Elmer (2005); Meyer (2005); Schaub (2004); Wagner & Bräunig (2004)
Somatoforme Störungen
Rauh & Rief (2006)
Essstörungen
Pauli & Steinhausen (2006)
Substanzstörungen
Elsesser & Sartory (2005); Lindenmeyer (1990); Lindenmeyer (2004); Sonntag, Wittchen & Hoch
(2002a, b)
Posttraumatische Belastungsstörung
Boos (2007); Liedl, Schäfer-Graf & Knaevelsrud (2009)
Persönlichkeitsstörungen
Schmitz, Schuhler, Handke-Raubach & Jung (2001)
Störungen des Kindes- und
Jugendalters
Döpfner, Lehmkuhl, Heubrock & Petermann (2000); Döpfner, Frölich & Lehmkuhl (2000);
Döpfner, Roessner & Rothenberger (2006); Gontard & Lehmkuhl (2004); Petermann, Döpfner &
Schmidt (2001); Poustka, Bölte, Feineis-Matthews & Schmötzer (2004); Warnke, Hemminger &
Plume (2004)
Suizid
Dorrmann (2002)
Schlafstörungen
Riemann (2004)
Partnerschaftsprobleme
Schindler, Revenstorf & Hahlweg (1999)
Lebens- und Krisenbewältigung
Gromus (2005); Znoj (2005)
Körperliche Erkrankungen
Bischoff & Traue (2005); Fehm-Wolfsdorf, Kerner & Peters (1997); Kröner-Herwig (2004);
Petermann (2004); Trenkwalder & Wittchen (1999); Vaitl (2004)
psychoedukativen Manualen, Selbsthilfebüchern und populärwissenschaftlicher Literatur mit psychoedukativen Inhalten im Bereich psychischer Störungen zeigt . Tab. 20.1.
Vor allem in der Behandlung schizophrener Störungen
spielt Psychoedukation eine so eminente Rolle, dass deren
Versäumnis geradezu als Kunstfehler betrachtet wird. In-
haltliche Schwerpunkte sind hier die Optimierung der Compliance zur medikamentösen Behandlung und die Rückfallprophylaxe (z. B. frühzeitiges Erkennen von Warnhinweisen
im Sinne erneut auftretender psychotischer Symptome, Verbesserung der Kommunikation mit den Angehörigen). Auch
in der Depressionsbehandlung besitzen psychoedukative
20
488
20
Kapitel 20 · Psychoedukation
Therapieelemente eine herausragende Bedeutung und gehören mittlerweile ebenfalls zum Behandlungsstandard. Insbesondere für bipolare Störungen liegen gut ausgearbeitete
spezifische Psychoedukationsprogramme vor. Weitere Manuale zur Psychoedukation, die heute oft auch auf CD-ROM
entsprechende Materialien mitliefern, existieren u. a. für
Angststörungen (soziale Phobie, Panik und Agoraphobie,
generalisierte Angststörung, PTBS), Zwangsstörungen, somatoforme Störungen, Essstörungen, Substanzstörungen
(Tabakentwöhnung oder Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit), ADHS und Persönlichkeitsstörungen. Des Weiteren stellt Psychoedukation eine zentrale Komponente in
zahlreichen Selbsthilfemanualen für Störungen des Kindesund Jugendalters dar (Hyperkinetik, Tic, Enuresis, Autismus). Auch für diverse Funktionsstörungen (z. B. Schlafund Sexualfunktionsstörungen) oder Lebens- und Partnerschaftsprobleme liegen Edukationsprogramme vor. Die
Reihe »Fortschritte der Psychotherapie« bietet bereits über
40 Bände kompakt aufbereitetes Wissen zu verschiedensten
Störungsbereichen, einschließlich körperlicher Erkrankungen (Übersicht unter: http://www.hogrefe.de/programm/
fortschritte-der-psychotherapie.html).
Die Evidenzlage zur Wirksamkeit von Psychoedukation
in der Behandlung psychischer Störungen hat sich in den
letzten Jahren immer weiter verdichtet. Es liegen mittlerweile eine ganze Reihe von Metaanalysen und systematischen Reviews vor, die belegen, dass psychoedukative
Interventionen für sich genommen beeindruckende Effektstärken erreichen (Cuijpers, Muñoz, Clarke & Lewinsohn,
2009; Devine & Pearcy, 1996; Dixon, Adams & Lucksted,
2000; Lincoln, Wilhelm & Nestoriuc, 2007). In einem aktuellen Review der Cochrane Database lag die in randomisiert-kontrollierten Studien ermittelte durchschnittliche
Effektstärke von alleiniger Psychoedukation bei Schizophrenie im Vergleich zur Standardbehandlung bezüglich
des klinischen Ergebnisparameters »Rezidivrate« bei 0,80,
bezüglich der Medikamenten-Compliance sogar bei 3,50
(Pekkala & Merinder, 2009).
? Fragen
v Prüfen Sie Ihr Wissen
1. Welches sind die wichtigsten Aufgaben und Ziele von
Psychoedukation in der Psychotherapie?
2. Was versteht man unter »informed consent«, und was
soll diese im Einzelnen beinhalten?
3. Welche allgemeinen Regeln zur optimalen Anwendung
von Psychoedukation sind in der Praxis zu beachten?
4. Wie kann man im Rahmen einer Wirksamkeitsstudie
zur Psychoedukation die Compliance messen?
7 Abschn. 20.1
Literatur
Weiterführende Literatur
Ein umfassender Überblick über theoretische Konzepte,
die empirische Befundlage und Anwendungsgebiete
von Psychoedukation bei chronischen (organischen)
Erkrankungen wird bei Petermann (1997) gegeben. Für
eine allgemeine Einführung in den Anwendungsbereich psychischer Störungen bei Erwachsenen ist die
Übersichtsarbeit von Behrendt und Schaub (2005) zu
empfehlen. Darüber hinaus liegen aktuell zwei Manuale für diagnosenübergreifende Psychoedukation für
Patienten von Rabovsky (2008) sowie für Patientenund Angehörigengruppen von Jensen et al. (2009) vor.
Gut ausgearbeitete Psychoedukationsprogramme für
einzelne psychische Störungsbilder sind in Tab. 20.1 zusammenfassend dargestellt.
7 Abschn. 20.3
7 Abschn. 20.3
7 Abschn. 20.4
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