Astronomen rätseln über Materiescheiben im kosmischen Höllenfeuer

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Astronomen rätseln über Materiescheiben im kosmischen Höllenfeuer - Raum - derStandard.at › Wissenschaft
17.März.2015 08:30
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Astronomen rätseln über Materiescheiben
im kosmischen Höllenfeuer
13. März 2015, 17:50
Im Milchstraßenzentrum beobachtete Gas- und Staubscheiben
sollten in jungen Sternhaufen eigentlich keine
Überlebenschance haben
vergrößern (1500x742)
foto: hst/spitzer composite: nasa, esa, d.q.wang (umass), jpl,
s. stolovy (spitzer science center)
Einige Sterne der Sternhaufen "Arches" und "Quintuplet"
im Zentrum der Milchstraße verfügen über
Materiescheiben, die sie nach geltender Theorie
eigentlich nicht haben dürften.
Bonn - Die Bedingungen in jungen Sternhaufen sind der
Entstehung von Planetensystemen eher unzuträglich, umso
mehr, je größer und heißer die Sterne sind. In der unwirtlichen
kosmischen Umgebung entsteht genug UV-Strahlung, um jene
Materiescheiben rund um die Sterne, die als Geburtsstätt von
Planeten gelten, binnen weniger hunderttausend Jahre
verdampfen zu lassen - so lautete zumindest bisher die
Annahme. Nun aber hat ein Forscherteam unter Federführung
der Universität Bonn im Zentrum der Milchstraße zwei Haufen
aus sehr großen und heißen Sternen beobachtet, von denen
Dutzende jeweils über solche rotierenden Staub- und
Gasscheiben verfügen. Die Wissenschafter rätseln, wie die
rotierenden Scheiben diese widrigen Bedingungen überstehen
können.
Beim Zentrum der Milchstraße handelt es sich um eine Art
Kreißsaal: Dort entstehen aus Materiewolken besonders viele
Sterne, die sich zu Haufen zusammenballen. "Quintuplet" und
"Arches" heißen zwei dieser Sternengruppen. Beide
Sternhaufen sind wenige Millionen Jahre jung und enthalten
Sterne mit mehr als 100 Sonnenmassen und
Oberflächentemperaturen von etwa 50 000 Grad Celsius.
"Eigentlich sollte die enorme Strahlungsenergie dieser Riesen
das umgebende Gas- und Staub-Material ihrer kleineren
Nachbarn binnen einer Million Jahre verdampfen", sagt Andrea
Stolte vom Argelander-Institut für Astronomie der Universität
Bonn.
Widerstandsfähige Scheiben deuten auf unbekannte
Prozesse hin
Doch gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für Astronomie,
dem Astronomischen Recheninstitut der Universität Heidelberg
und US-Kollegen aus Los Angeles, Honolulu, Dearborn und
Baltimore entdeckte die Wissenschafterin mehrere rotierende
Staubscheiben, die die Sterne in "Quintuplet" und "Arches"
umgeben. "In einer solch aggressiven Umgebung haben wir
keine zirkumstellaren Scheiben erwartet, dennoch haben wir
mehr als 20 Scheiben in jedem der beiden Haufen beobachtet",
sagt Stolte. Diese überraschende Entdeckung widerspreche den
gängigen Theorien und deute darauf hin, dass es dort zu
unbekannten Prozessen kommt.
http://derstandard.at/2000012777823/Astronomen-raetseln-ueber-Materiescheiben-im-kosmischen-Hoellenfeuer
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Astronomen rätseln über Materiescheiben im kosmischen Höllenfeuer - Raum - derStandard.at › Wissenschaft
17.März.2015 08:30
Mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte
(ESO) in der chilenischen Atacamawüste und dem HubbleWeltraumteleskop konnten die Wissenschafter das seltsame
Phänomen beobachten. Im Bereich des sichtbaren Lichts
verhindern dichte Staubansammlungen den Blick ins Zentrum
der Milchstraße. Jedoch gelang dies den Forschern, indem sie
mit den beiden Teleskopen die Infrarotstrahlung aus diesem
Gebiet einfingen.
Zwei Theorien
Die Wissenschafter rätseln nun, wie es den rotierenden
Scheiben gelingt, trotz des Höllenfeuers der Riesensterne in
ihrer unmittelbaren Nachbarschaft zu existieren. Aus Sicht der
Astronomen kommen zwei Möglichkeiten in Betracht: Entweder
haben die kreiselnden Staub- und Gasscheiben wider Erwarten
die Widerstandskraft, die dort herrschenden unwirtlichen
Bedingungen für mehrere Millionen Jahre zu überstehen. Oder
es gibt einen bislang unbeobachteten Mechanismus: In dem
Maße, wie die Staub- und Gasscheiben durch die UV-Strahlung
verdampfen, könnten enge Nachbarn Material in die Scheibe
ihres kleineren Begleiters nachliefern.
Stolte hält letztere Theorie für die wahrscheinlichere: "Wir
kennen noch nicht alle Prozesse, die in diesen dicht besiedelten
Sternhaufen ablaufen, aber der in anderen jungen Gebieten
häufig beobachtete Massenfluss zwischen Doppelsternen
könnte hierbei eine Rolle spielen."
Damit rückt ein weiteres Phänomen in den Mittelpunkt, das in
diesen Zonen der Milchstraße bislang für unmöglich gehalten
wurde: Wenn dort trotz aggressivster Bedingungen Scheiben
aus Staub und Gas vorkommen, könnten auch
Voraussetzungen herrschen, in denen neue Planeten entstehen.
(red, derStandard.at, 13.3.2015)
Abstract
Astronomy & Astrophysics: "Circumstellar discs in Galactic center clusters:
Disc-bearing B-type stars in the Quintuplet and Arches clusters"
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