Die rolle des tempos in der prosodischen gestaltung eines werbetextes Hamaliia Vladyslava, Nationale Linguistische Universität, Kiev PhD-Studentin, E‑mail: [email protected] Die rolle des tempos in der prosodischen gestaltung eines werbetextes Abstract: The article presents the results of the experimental phonetic research and focuses on characteristics in the voiced advertising text. According to the auditory and acoustic analysis perceptive and acoustic parameters of tempo in modern voiced advertising text are revealed. Keywords: tempo, voiced advertising text. Der Begriff „das Tempo“ wird traditionell als temporale Organisation der Phrase verstanden. Es hängt von der Dauer der Laute ab und wird sowohl durch eigene Merkmale der Laute als auch durch die Aussprachegeschwindigkeit, des Sprechers bei der Intonationsgestaltung der Phrase bestimmt. [1, S. 126] Unter allen prosodischen Parametern der Rede ist das Tempo der individuellste und am wenigsten erforschte Parameter [4, S. 15]. Dennoch lassen sich einige allgemein gültige Gesetzmäßigkeiten beim Tempo bestimmen. So meint zum Beispiel N. D. Svetozarova, dass ein Sprecher bei Mitteilungen von etwas Neuem, Wichtigen, Aktuellen mehr Zeit braucht als bei Mitteilungen über etwas bereits Bekanntes und Offensichtliches [5, S. 48]. Bei der Beschreibung des Tempos als einer Komponente der Intonation unterscheidet J. Laver die drei wichtigsten Tempoarten, und zwar: langsames, mäßiges und schnelles Tempo. Für eine detaillierte Analyse temporaler Redeparameter schlägt der Autor vor, dieser Klassifikation darüber hinaus ein verlangsamtes und beschleunigtes Sprachtempo hinzuzufügen [7, S. 158]. Unter Wissenschaftlern, die sich mit der Tempoforschung in den verschiedenen Textsorten beschäftigen, gibt es keine einheitliche Meinung dazu, wie die Tempomessung durchgeführt werden soll [6, S. 126]. Gewöhnlich hängt das Sprachtempo von der Zahl der Silben im Syntagma ab, die indirekt proportional zur Durchschnittsdauer der Silbe ist [2]. Ein weiterer Gesichtspunkt bei der Messung des Tempos ist, dass man nicht nur die Lautphasen, sondern auch die Stummphasen (Pausen) misst. Daher ist die Unterscheidung zwischen dem Gesamttempo (Sprechzeit mit Pausen) und dem Artikulationstempo (Berücksichtigung nur der Phonationsphasen ohne Pausen) von Bedeutung [6, S. 126]. Als Einheiten zur Messung des Tempos können solche Segmente gelten wie der Laut, die Silbe, das Morphem, das Syntagma oder der Satz, als Haupteinheit wird aber meistens die Silbe gewählt [ebenda, S. 127]. Die Veränderungen im Sprechtempo sind oft mit semantischen Funktionen verbunden. Im Einzelnen wird das Tempo von folgenden Faktoren bestimmt: — Wichtigkeit des Gesagten (die wichtigsten Teile des Textes werden durch ein langsameres Sprachtempo hervorgehoben); — Erwecken der Aufmerksamkeit des Gesprächspartners für die Mitteilung (wird vor allem durch langsameres Sprechen erreicht); — Erklärung und Verständnis des Gehörten (langsameres Sprachtempo gibt dem Zuhörenden genug Zeit, um alles zu verstehen und sich zu merken); — Emotionaler Zustand des Sprechenden (positive Gefühle führen meistens zur Beschleunigung des Sprechtempos); — Ausdruckskraft der Rede. Außerdem hängt das Sprachtempo von einer Reihe extralinguistischer Faktoren ab, wie zum Beispiel zeitliche oder räumliche Bedingungen, Zeitmangel, Sprachetikette oder Beziehung der Gesprächspartner [3]. Mithilfe der Tempovariation kann man auch inhaltsvolle Textabschnitte unterstreichen, indem man sie langsamer ausspricht. Nach O. O. Wolfovska, beeinflusst die Sprachgeschwindigkeit die Wahrnehmung des Textes. Zu schnelles oder zu langsamen Sprechen wird vom Zuhörer als lästig und ermüdend empfunden. Die vorliegende experimentelle Studie nutzt mündliche Realisierungen der modernen deutschen Werbung als Material. Den Hauptkorpus der Daten bilden Werbeaufnahmen, die im nationalen deutschen Fernsehen von 2008 bis 2014 gezeigt wurden. Die Originalwerbetexte wurden aus dem Internet auf den Computer Acer Travel Mate 2480 in MP4 und MP3‑Formaten gespeichert und mit Hilfe des Programms Switch Sound File in Audio-Dateien mit der.wav-Audiodateierweiterung umgewandelt. Der ganze Materialkorpus umfasst 15 Werbetexte mit einer Gesamtlaufzeit von 12 Minuten und 27 Sekunden. Die Resultate der Untersuchung haben einen deutlichen Unterschied zwischen dem Sprachtempo in der Werbung und beim Vorlesen eines normalen Textes bestätigt. Der vorgelesene Text wird im normalen Tempo ohne wesentlichen Wechsel der Sprachgeschwindigkeit gesprochen. Im Gegensatz dazu konnten in den analysierten Werbetexten Fragmente festgestellt werden, die in einem beschleunigten, verlangsamten oder sogar langsamen Tempo gesprochen wurden. Somit kann man Werbetexte, im Unterschied zu normal vorgelesenen Texten, durch ein nicht gleichbleibendes Sprachtempo charakterisieren. So wird zum Beispiel der Hauptteil der Werbung durch ein schnelleres Tempo gekennzeichnet, während der Werbeslogan in einem wesentlich langsameren Tempo gesprochen wird. Solche Tempounterschiede in verschiedenen Abschnitten der Werbetexte unterscheiden die moderne 19 Section 3. Linguistics Werbung vom Vorlesen. Damit wird die Aufmerksamkeit der Zuhörer angezogen und geschärft. Außerdem übt dies eine emotionale Wirkung aus. Wie bereits gesagt, wurde in den analysierten Werbetexten eine wesentliche Verlangsamung des Sprechtempos in den Werbeslogans festgestellt. Das gilt mit 89,7% für die überwiegende Mehrheit der untersuchten Slogans und soll im nächsten Beispiel veranschaulicht werden. (Im angeführten Beispiel ist der Werbeslogan fett gedruckt) Beispiel 1: […] Ja, ich mache das schon seit ein paar Jahren. Dann schnallen Sie sich mal an. Wissen Sie, dieses Auto ist super einfach zu bedienen. Sehen Sie, wo „Start“ steht? Ja, drücken Sie darauf. Dann schalten Sie den Gang auf D für Fahren. Sie brau‑ chen nur das Brems- und Gaspedal. — Und du kannst nicht fahren, oder? — Natürlich kann ich nicht fahren, ich bin ein Kind. Toyota Hybrid. So einfach, dass selbst ein Kind es tun könnte. Beispiel 2: Ein traumhaftes Zuhause muss nicht groß sein, sondern clever. Irgendwie schon komisch, wenn man sich‘s genau überlegt. Der Platz, nach dem du die ganze Zeit suchst, ist genau hier, Und war es schon die ganze Zeit. Sie haben Ideen — wir haben IKEA. Die Höranalyse zeigt, dass der Werbeslogan in den meisten Fällen in einem langsameren Sprechtempo realisiert wird, wobei die Aussagen der Höranalyse durch instrumentelle Methoden überprüft wurden. Es zeigte sich, dass das Sprachtempo in der modernen deutschen Werbung als gemäßigt und verlangsamt bezeichnet werden kann, wobei die durchschnittliche silbische Dauer 190–225 Millisekunden beträgt. Das bestätigt voll die Resultate der Höranalyse, bei der die Auditoren das Sprachtempo als normal und ein bisschen verlangsamt bezeichnen. Die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchung bestätigen den engen Zusammenhang zwischen dem Sprachtempo und der kommunikativen Absicht des Sprechenden. Es zeigt sich, dass die handelnden Personen in der Werbung wichtige und gehaltvolle Textstellen langsamer aussprechen. Andererseits werden Informationen, die dem Sprecher nicht wichtig scheinen, im beschleunigten Sprechtempo realisiert. Auf diese Weise trägt der Tempo-Wechsel der Sprechenden dazu bei, die Aufmerksamkeit der Zuschauer oder Zuhörer zu lenken. Weitere Beispiele sollen dies veranschaulichen. (Nach jedem Syntagma wird in Klammern die durchschnittliche Silbendauer in Millisekunden angegeben). Werbung: Um den vorhandenen‚ Platz optimal zu ‚nutzen (243,6)/, musst du nur offen sein (174,3) und ein paar clevere kleine „Ideen haben (221,5)//. Es geht dar‘um (134,8)/, verbor‑ genen ‚Platz zu finden und zu nutzen (238,7)/und‚ Möbel aus‑ zusuchen (157,8)/, die sich für „viele Sachen eignen (167,7)//. Clevere Ideen für Zu“hause (311,2) Dieser Textabschnitt wird in normalem Tempo mit einer durchschnittlichen Silbendauer von 205 Millisekunden gesprochen. Dennoch steigt diese Kennziffer im achten Syn20 tagma, das den Werbeslogan ausmacht (im Beispiel fettgedruckt), auf über 311 Millisekunden. Auffällig ist auch, dass das Sprechtempo im sechsten und siebten Syntagma deutlich schneller (bis 150–165 Millisekunden) wird. Das lässt sich damit erklären, dass diese Syntagmen nur Hintergrundinformationen beinhalten. Außerdem wird so der Werbeslogan, der nach zwei schnelleren Abschnitten im achten Syntagma kommt, zusätzlich betont, weil dann das langsame Tempo im Slogan als noch langsamer wahrgenommen wird. Das lenkt die Aufmerksamkeit des Zuhörers auf diesem Abschnitt und betont die wichtigste Information. Eine weitere Feststellung der Höranalyse ist, dass das Tempo im Hauptteil der Werbung sich deutlich von dem im Werbeslogan unterscheidet. Um das Sprechtempo dieser beiden Segmente miteinander zu vergleichen, wurden Abschnitte aus verschiedenen Textteilen, die aber von gleicher Dauer sind, einander gegenübergestellt. Die Dauer der Syntagmen wurde in Millisekunden gemessen, dazu wurde die Anzahl der Silben in den jeweiligen Syntagmen berechnet. Die unten angeführten Beispiele veranschaulichen Länge und Dauer der Syntagmen in den verschiedenen Segmenten der Werbetexte: Hauptteil der Werbung (2143 Millisekunden): Ein ganz traumhaftes Zu′hause/(2 Rhythmusgruppen, 8 Silben). Werbeslogan (2143 Millisekunden): Die Bahn macht mo´bil. (2 rhythmische Gruppen, 5 Silben). Hauptteil der Werbung (2811 Millisekunden): können auch ´mehr Zeit den ´´Kindern ´wid‑ men (3 rhythmische Gruppen, 10 Silben) Werbeslogan (2811 Millisekunden): ein ´Kind es ´tun könnte (2 rhythmische Gruppen, 6 Silben) Hauptteil der Werbung (2043 Millisekunden): die ´erste ´Hilfe für ´Menschen (3 rhythmische Grup‑ pen, 8 Silben) Werbeslogan (2043 Millisekunden): Das ´Beste oder ´Nichts (3 rhythmische Gruppen, 6 Sil‑ ben). Aus den Beispielen wird ersichtlich, dass das Sprechtempo im Hauptteil der Werbung schneller ist. Bei gleicher Zeitdauer werden im Hauptteil der Werbung 3 bis 5 Silben mehr gesprochen als im Werbeslogan. Außerdem zeigt die Analyse der Strukturparameter der Syntagmen, dass es dort weniger rhythmische Gruppen gibt. Auffällig ist auch, dass für den Hauptteil der Werbung eine weniger häufige Betonung charakteristisch ist. Die geringere Silbenzahl in den Werbeslogans zeugt von deren langsamerem Tempo im Vergleich zum Hauptteil der Spots. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in der modernen deutschen Werbung die Tempowahl sehr stark vom Inhalt und der Funktion des betreffenden Abschnittes bestimmt wird. Diese Faktoren spiegeln auch den emotionellen Zustand des Sprechers wieder und sie lenken die Aufmerksamkeit der Adressaten auf das semantische Zentrum der Rede. Die Sprech- Die rolle des tempos in der prosodischen gestaltung eines werbetextes geschwindigkeit wirkt dabei auch auf die Wahrnehmung des Gesagten, und zwar in der Weise, dass ein zu schnelles Sprechen den Zuhörer eher ermüdet und belastet. Ein ver- langsamtes Sprechen und eine deutliche Artikulation nutzen die Sprecher dagegen, um auf die wichtigsten Abschnitte ihrer Rede aufmerksam zu machen. References: 1. Бондарко Л. В. Основы общей фонетики / Бондарко Л. В., Вербицкая Л. А., Гордина М. В. – СПб., филол. ф-т. С.Петерб. ун-та., 2000. – 156 с. 2. Бондарко Л. В. Темп речи / Л. В. Бондарко // Русский язык / Под ред. Ф. П. Филина. М., 1979. – C. 349. 3. Іщенко О. С. Функціональний аспект темпу мовлення / О. С. Іщенко. – [Електронний ресурс] / Режим доступу : http://bulletin.cdu.eduф.ua/base/2007/v116pp113-122.pdf 4. Николаева Т. М. Фразовая интонация славянских языков / Татьяна Михайловна Надеина. – М. : Наука, 1977. – 278 с. 5. Светозарова Н. Д Интонационная система русского язика / Наталья Дмитриевна Светозарова. – Л., Изд-во ЛГУ, 1982. – 175 с. 6. Цеплитис Л. К. Анализ речевой интонации / Лаймдот Криштьянович Цеплитис. – Рига : Зинатне, 1974. – 272 с. 7. Laver J. The Gift of Speech : Papers in the Analysis of Speech and Voice / J. Laver.- Edinburgh: Edinburgh University Press, 1991. – 400 p. 21