Tensorprodukte in der Physik K.S.Ranade Technische Universität Darmstadt - Fachbereich Mathematik Seminar zur Mathematik, SS 2004 Operatoralgebren und vollständig positive Operatoren“ ” Tensorprodukte in der Physik Kedar S. Ranade∗ Betreuer: Prof. B. Kümmerer Seminarvortrag: 05. Juni 2004 1 Klassische Systeme und Quantenmechanik In diesem Abschnitt werden zunächst die Konzepte der klassischen Mechanik und der Quantenmechanik gegenübergestellt. Die Formulierung erfolgt so, daß sowohl klassische als auch Quantenmechanik als Spezialfälle einer einheitlichen mathematischen Struktur beschrieben werden können.1 1.1 Klassische Mechanik und Phasenraum Die klassische Mechanik ist durch folgende Strukturen gekennzeichnet: 1. Einem physikalischen System wird ein Phasenraum Ω zugeordnet. 2. Physikalisch meßbaren Größe entsprechen Funktionen aus BC(Ω). 3. Der Zustand eines Systems wird durch ein Wahrscheinlichkeitsmaß auf Ω bestimmt. ∗ 1 Homepage: http://prp0.prp.physik.tu-darmstadt.de/~ranade/ Nicht bekannte Ausdrücke entnehme man den Anhängen. 05.06.2004 TU Darmstadt Seite 1/16 Tensorprodukte in der Physik K.S.Ranade Der Raum BC(Ω) bildet eine kommutative C ∗ -Algebra. Wählt man einen Hilbertraum H derart, daß jedem Punkt ω ∈ Ω bijektiv ein Basisvektor eω ∈ H einer Orthonormalbasis von H zugeordnet werden kann, so ist BC(Ω) mittels der Abbildung X ψ : BC(Ω) → B(H), ψ(f ) := f (ω) h · , eω i eω (1) ω∈Ω isometrisch isomorph zur einer kommutativen C ∗ -Unteralgebra von B(H); ist die Mächtigkeit von Ω endlich, d.h. |Ω| = n ∈ N, so kann man diese Unteralgebra mit den n × n-Diagonalmatrizen identifizieren. 1.2 Quantenmechanik und Hilbertraum Die Quantenmechanik beruht auf folgenden Grundlagen: 1. Einem physikalisches System wird ein C-Hilbertraum H zugeordnet. 2. Physikalisch meßbaren Größen, in der Quantenmechanik als Observable bezeichnet, entsprechen selbstadjungierten2 Operatoren aus B(H). 3. Der Zustand eines Systems wird durch ein Funktional ϕ ∈ S B(H) := {ϕ ∈ B(H)∗ | ϕ ≥ 0, ϕ(1I) = 1} (2) bestimmt.3 In der Sprache der Physik ordnet ein solcher Zustand einer Observable den Erwartungswert einer Messung dieser Observablen zu. Die den Observablen zugeordneten selbstadjungierten Operatoren erzeugen die nicht-kommutative C ∗ -Algebra B(H). 1.3 Vergleich der Modelle, vereinfachende Annahmen Die in den Abschnitten (1.1) und (1.2) aufgestellte Forderung, daß Observable nur beschränkten Funktionen bzw. Operatoren entsprechen, ist stark vereinfachend. Physikalische Größen wie Ort, Impuls und Energie sind im allgemeinen unbeschränkt. Unter den genannten Einschränkungen kann man also sowohl klassische als auch quantenmechanische Systeme durch C ∗ -Unteralgebren von B(H) beschreiben; im ersteren Fall ist diese eine kommutative C ∗ -Unteralgebra von B(H), im letzteren ganz B(H). 2 3 Für lineare Operatoren istdies äquivalent zu hermitesch. beschränkte ∗ S B(H) = ϕ ∈ B(H) | ϕ ≥ 0, kϕk = 1 wegen ϕ ≥ 0 ⇔ kϕk = ϕ(1I) in C ∗ -Algebren 05.06.2004 TU Darmstadt Seite 2/16 Tensorprodukte in der Physik K.S.Ranade Insbesondere heißt das, daß ein quantenmechanisches System genau dann klassisch beschrieben werden kann, wenn man nur physikalische Größen betrachtet, für die die zugehörigen Operatoren kommutieren. Im weiteren Text werden vereinfachend meist Hilberträume mit endlicher Dimension n ∈ N betrachtet. Der einfachste nichttriviale Fall ist hierbei n = 2. Ein solches System bezeichnet man in der Quanteninformationstheorie als Qubit; der Prototyp ist ein Teilchen mit Spin 1/2. 1.4 Zustände und Dichtematrizen Ist dim H = n, so entspricht jedes Funktional ϕ ∈ B(H)∗ einer n × n-Matrix: ϕ ∈ B(H)∗ ⇔ ∃! ρ ∈ Mn (C) : ϕ(A) = Spur(ρA) ∀A ∈ B(H) (3) Für das Funktional ϕ und die Matrix ρ gelten die Zusammenhänge ϕ = ϕ ∗ ⇔ ρ = ρ∗ , ϕ ≥ 0 ⇔ ρ ≥ 0, kϕk = Spur |ρ|, (4) so daß folgende isometrische Isomorphien bestehen: B(H)∗ ∼ = Mn (C) und S B(H) ∼ = {ρ ∈ Mn (C)| ρ ≥ 0, Spur ρ = 1} . (5) Die einem Zustand ϕ zugeordnete Matrix ρ heißt Dichtematrix 4 und man spricht sehr oft auch vom Zustand ρ. Im Fall unendlichdimensionaler Hilberträume definiert jeder Spurklasseoperator ρ ∈ T (H) ein Funktional auf B(H); die Umkehrung gilt jedoch im allgemeinen nicht. 1.5 Reine und gemischte Zustände Die Menge der Zustände S B(H) ist schwach-∗-kompakt und konvex. Ist ein Zustand ϕ extremal, d.h. ϕ = λϕ1 + (1 − λ)ϕ2 , ϕ1 , ϕ2 ∈ S B(H) , λ ∈ (0; 1) ⇒ ϕ1 = ϕ2 = ϕ, (6) so wird er als reiner Zustand, andernfalls als gemischter Zustand bezeichnet. Letztere ergeben sich dem Satz von Krein-Milman als abgeschlossene konvexe Hülle der reinen Zustände.5 4 synonym Dichteoperator, statistische Matrix oder statistischer Operator Die Überlegung gilt auch im klassischen Fall. Die reinen Zustände sind hier die Punktmaße, die einem genau festgelegten Phasenraumpunkt entsprechen. 5 05.06.2004 TU Darmstadt Seite 3/16 Tensorprodukte in der Physik K.S.Ranade Ein Zustand ϕ ist genau dann rein, wenn die ihm zugeordnete Dichtematrix ρ eine (notwendig eindimensionale) Projektion ist, d.h. ϕ ist reiner Zustand ⇔ ∃Ψ ∈ H, kΨk = 1 : ρ = h · , Ψi Ψ. (7) Der Zustandsvektor Ψ ist bis auf eine Phase eindeutig; umgekehrt ist jeder Einheitsvektor aus H Zustandsvektor eines reinen Zustands. 2 Zusammengesetzte Systeme In diesem Abschnitt sollen physikalische Systeme betrachtet werden, die aus mehreren Untersystemen aufgebaut sind. Der Einfachheit halber werden nur bipartite Systeme, d.h. Systeme, die aus zwei Untersystemen A und B zusammengesetzt sind, betrachtet. 2.1 Motivation des Tensorproduktes Seien zwei (klassische oder quantenmechanische) Systeme mit den Hilberträumen HA und HB gegeben und deren Zustände durch Dichtematrizen ρA und ρB festgelegt. Es erfolgen an beiden Sytemen unabhängig Messungen, die durch Projektionen PA und PB charakterisiert seien. Besteht zwischen den Systemen keine Wechselwirkung, so erwartet man, daß die durch die Projektionen definierten Ereignisse EA und EB statistisch unabhängig sind, d.h. daß für die Wahrscheinlichkeiten gilt: P (EA ∧ EB ) = P (EA ) · P (EB ) = Spur ρA PA · Spur ρB PB (8) Für zwei selbstadjungierte Operatoren mit ihren Spektralzerlegungen X X A= ai PA,i ∈ B(HA ) und B= bj PB,j ∈ B(HB ) i∈I (9) j∈J ist der Erwartungswert der Produktes beider Meßergebnisse aufgrund der statistischen Unabhängigkeit der Messungen das Produkt der Erwartungswerte der Einzelmessungen und bestimmt sich damit zu hABi = hAi · hBi = Spur ρA A · Spur ρB B . (10) Für die zusammengesetzte Observable AB für das Gesamtsystems gilt also AB ∈ Bil(B(HA )∗ , B(HB )∗ ) und wegen B(H)∗ ∼ = T (H) für dim H < ∞ ist AB eine Bilinearform auf T (HA ) × T (HB ) und somit AB := A ⊗ B ∈ B(HA ) ⊗ B(HB ) = B(HA ⊗ HB ) (11) Die Algebra der Operatoren des zusammengesetzten Systems ist also durch das Tensorprodukt B(HA ⊗HB ) gegeben. 05.06.2004 TU Darmstadt Seite 4/16 Tensorprodukte in der Physik K.S.Ranade 2.2 Zustände im zusammengesetzten System Seien A ⊆ B(HA ) und B ⊆ B(HB ) die Algebren der Operatoren der Untersysteme A und B. Für zwei beliebige reine Zustände ϕA und ϕB in den ∗ Untersystemen ist auch das Tensorprodukt ϕA ⊗ ϕB ∈ A∗ ⊗ B∗ ∼ = (A ⊗ B) ein reiner Zustand. Konvexkombinationen von Zuständen der Form X X ϕ= pj (ϕA,j ⊗ ϕB,j ) , pj ≥ 0 ∀j ∈ J, pj = 1, (12) j∈J j∈J sind dann ebenfalls Zustände im Produktraum. Die so definierten Zustände nennt man separabel 6 . Ist eine der Operatoralgebren (o.B.d.A. A) kommutativ, so gibt es eine Orthonormalbasis {e positive Operator A ∈ A Pi | i ∈ I} von HA , so daß jeder + in der Form A = i∈I ai h · , ei i ei mit ai ∈ R0 ∀i ∈ I dargestellt werden kann; für einen Zustand ϕ ∈ S(A ⊗ B) und i ∈ I definiert man dann: ϕA,i ∈ S(HA ) ϕB,i ∈ S(HB ) ϕA,i (A) := Spur(A h · , ei i ei ) = ai ϕB,i (B) := p−1 i ϕ(h · , ei i ei ⊗ B) pi := ϕ(h · , ei i ei ⊗ 1I) (13) (14) (15) Unter Verwendung dieser Definitionen folgt nach (12), daß alle Zustände in der Tensorproduktalgebra separabel sind, falls mindestens eine der Operatoralgebren der Untersysteme kommutativ ist. 3 Verschränkte Zustände In diesem Abschnitt werden nicht separable Zustände betrachtet; diese Zustände nennt man verschränkt 7 . Die Verschränkung ist für viele Effekte verantwortlich, die in der klassischen Physik nicht vorkommen. 3.1 Existenz verschränkter Zustände Zunächst sollen verschränkte Zustände explizit konstruiert werden. Hierzu seien zwei Systeme A und B mit geeigneten Hilberträumen HA und HB gegeben. Ferner seien ΨA,1 , ΨA,2 ∈ HA und ΨB,1 , ΨB,2 ∈ HB Zustandsvektoren mit hΨA,1 , ΨA,2 i = 0 oder hΨB,1 , ΨB,2 i = 0 gegeben und √ (16) Ψges := ΨA,1 ⊗ ΨB,1 + ΨA,2 ⊗ ΨB,2 / 2 ∈ HA ⊗ HB . 6 7 auch faktorisierbar oder klassisch korreliert Verschränkung – engl. entanglement, verschränkt – engl. entangled 05.06.2004 TU Darmstadt Seite 5/16 Tensorprodukte in der Physik K.S.Ranade Der Vektor Ψges definiert als Einheitsvektor in HA ⊗HB einen reinen Zustand, ist jedoch nicht als Tensorprodukt von zwei reinen Zuständen in der Form ΨA ⊗ ΨB darstellbar, d.h. nicht separabel. Das typische Beispiel für solche Zustände ist die Bell-Basis (17).8 Physikalisch interpretiert man die Verschränkung, indem man sagt, daß eine Eigenschaft über mehrere Untersysteme verteilt ist; dies bedeutet, eine solche Eigenschaft bestimmt sich durch (nicht-klassische) Korrelationen der Untersysteme. 3.2 Maximal verschränkte Systeme Betrachtet man ein zusammengesetztes System aus zwei klassischen Untersystemen, so ist die Einschränkung eines beliebigen reinen Zustands auf eine des Untersysteme wieder ein reiner Zustand im Untersystem. Das folgende Beispiel zweier Qubits zeigt, daß dies im quantenmechanischen Fall nicht mehr gilt. A A Seien H und H Qubit-Hilberträume mit Orthonormalbasen e0 , e1 A B B , e . Dann definieren die Vektoren und eB 1 0 √ √ B A B B A B Φ− = eA Φ+ = eA 0 ⊗ e0 − e1 ⊗ e1 / 2 0 ⊗ e0 + e1 ⊗ e1 / 2 √ √ B A B B A B Ψ+ = eA Ψ− = eA (17) 0 ⊗ e1 + e1 ⊗ e0 / 2 0 ⊗ e1 − e1 ⊗ e0 / 2 die sogenannte Bell-Basis des Zwei-Qubit-Hilbertraumes. Für die zugeordneten Dichtematrizen ρ = h · , χi χ, χ ∈ {Ψ+ , Ψ− , Φ+ , Φ− }, bestimmen sich die reduzierten Dichtematrizen zu 1 1 ρA := SpurHB ρ = 1IHA und ρB := SpurHA ρ = 1IHB . (18) 2 2 Die einzelnen Qubits enthalten also keine Information über die Korrelationen des Gesamtsystem. Einen solchen Zustand nennt man maximal verschränkt. 3.3 Maße für Verschränkung Es ist möglich, Verschränkung quantitativ zu erfassen; dies geschieht unter Verwendung von Größen, die man als Verschränkungsmaße bezeichnet. Betrachtet man zwei Systeme mit Hilberträumen der gleichen Dimension n ∈ N, so wird für reine, durch ihre Dichtematrix ρ festgelegte Zustände im Tensorproduktraum die von-Neumann-Entropie der reduzierten Dichtematrix wie folgt definiert:9 E(ρ) := S(ρA ) = S(ρB ) (19) 8 9 Für eine genauere Betrachtung von Verschränkungskriterien vgl. Anhang A. Für eine Definition der Entropie vgl. Anhang A. 05.06.2004 TU Darmstadt Seite 6/16 Tensorprodukte in der Physik K.S.Ranade Das Verschränkungsmaß E hat unter anderem folgende Eigenschaften: • E(ρ) ∈ [0; k log2 n] • E(ρ) = 0 ⇔ ρ ist separabel • E(ρ) = k log2 n ⇔ ρ ist maximal verschränkt Auf die genauen Eigenschaften von E kann hier nicht eingegangen werden, es ist jedoch festzuhalten, daß E durch sogenannte LOCC-Operationen10 , d.h. Operationen, die an den Untersystemen durchgeführt werden können, ohne daß diese unmittelbar miteinander wechselwirken müssen, nicht wächst. Es ist allerdings möglich, aus vielen schwach verschränkten Zuständen wenige maximal verschränkte Zustände zu erzeugen; dies nennt man Destillieren von Verschränkung. Es muß jedoch angemerkt werden, daß die Konstruktion eines solchen Verschränkungsmaßes für gemischte Zustände wesentlich komplizierter ist. 4 Anwendungen I: Bellsche Ungleichung Nach der im wesentlichen bis heute anerkannten Formulierung der Quantenmechanik, die um 1925 erfolgte, kam die Frage auf, ob die Quantenmechanik eine lokal-realistische Theorie sei, d.h. eine Theorie, bei der das Ergebnis einer Messung, die nur an einem Teilsystem ausgeführt wird, unabhängig von Messungen an räumlich11 entfernten Teilsystemen ist (Lokalität) und durch verborgene Parameter determiniert wird (Realität). Diese Frage wurde unter Verwendung verschränkter Zustände verneint. 4.1 Bloch-Kugel und Bloch-Vektor Der Zustand eines einzelnen Qubits kann durch einen Bloch-Vektor ~s = (sx , sy , sz )t ∈ B1 (0)R3 beschrieben werden. Für die Dichtematrix ρ gilt dann: X 1 1 ρ = ρ(~s) = 1I + σk · sk = 1I + ~σ · ~s (20) 2 2 k∈{x,y,z} Man spricht hierbei von der Bloch-Kugel ; es gilt ferner (ρ rein ⇔ k~sk = 1). Die Bloch-Kugel ist damit auch isometrisch isomorph zu S B(C2 ) , und zu einem Bloch-Vektor ~s ∈ S 2 definiert man den zugehörigen Operator zu (+1) ρ(~s) + (−1) ρ(−~s) = ~σ · ~s mit den Eigenwerten +1 und −1. 10 engl. für local operations and classical communication insbesondere auch für raumartig voneinander getrennte Messungen, d.h. für solche Messungen, bei denen das Licht zwischen zwei Messungen nicht vom einen zum anderen Teilsystem gelangen kann 11 05.06.2004 TU Darmstadt Seite 7/16 Tensorprodukte in der Physik K.S.Ranade 4.2 Anwendungen I: Bellsche Ungleichung Die folgende Überlegung wurde durch John S. Bell12 angestellt: Betrachtet werden zwei räumlich voneinander getrennte Qubits an denen unabhängig voneinander Messungen durchgeführt werden, die durch normierte BlochVektoren ~a, ~b ∈ S 2 beschrieben werden. Einschränkend werde angenommen, daß im Fall ~a = ~b stets entgegengesetzte Meßwerte angenommen werden.13 Geht man davon aus, daß die Teilchen nicht wechselwirken, so erwartet eine lokal-realistische Theorie, daß ein Parameter14 λ ∈ Λ derart existiert, daß das Meßergebnis der einzelnen Messungen durch Funktionen der Form A, B : S 2 × Λ → {−1, +1} mit B(~a, λ) = −A(~a, λ) ∀ ~a ∈ S 2 (21) beschrieben werden kann. Bezeichnet man mit P (~a, ~b) den Erwartungswert für das Produkt beider Meßergebnisse, so ergibt sich unter Verwendung einer WahrscheinlichkeitsR dichte ρ : Λ → [0; 1], λ∈Λ ρ (λ) dλ = 1, für den Parameter λ: Z ~ P (~a, b) = ρ (λ) A(~a, λ)B(~b, λ) dλ (22) λ∈Λ Z ρ (λ) A(~a, λ)A(~b, λ) dλ. (23) =− λ∈Λ Unter Verwendung eines dritten normierten Bloch-Vektors ~c folgt: Z h i ~ ~ ρ(λ) A(~a, λ)A(~c, λ) − A(~a, λ)A(b, λ) dλ P (~a, b) − P (~a, ~c) = Zλ∈Λ h i ~ ~ = ρ(λ)A(~a, λ)A(b, λ) A(b, λ)A(~c, λ) − 1 dλ. (24) (25) λ∈Λ Betrachtet man die Beträge der Ausdrücke, so folgt mit |A( · , λ)| = 1 für beliebige normierte Bloch-Vektoren ~a, ~b, ~c ∈ S 2 die Bellsche Ungleichung: Z h i ~ ~ ρ (λ) 1 − A(b, λ)A(~c, λ) dλ = 1 + P (~b, ~c). (26) |P (~a, b) − P (~a, ~c)| ≤ λ∈Λ Man betrachtet nun den durch den Vektor Ψ− beschriebenen Zustand und berechnet die quantenmechanische Vorhersage für P (~a, ~b): h i − − ~ ~ P (~a, b) = Spur ·,Ψ Ψ (~σ ·~a)⊗(~σ · b) = −~a ·~b = − cos ^(~a, ~b) (27) Man erkennt, daß die Ungleichung z.B. für die Wahl ^(~a, ~b) = ^(~b, ~c) = π/3 und ^(~a, ~c) = 2π/3 verletzt und die Quantenmechanik somit keine lokalrealistische Theorie ist. 12 in On the Einstein-Podolsky-Rosen-Paradox“, Physics Vol. 1 (1964), S. 195 – 200 ” Dies kann z.B. durch den Bell-Zustand Ψ− , das Spin-Singulett, realisiert werden. 14 Genaugenommen müßte man sagen, daß Λ ein Maßraum ist usw. 13 05.06.2004 TU Darmstadt Seite 8/16 Tensorprodukte in der Physik K.S.Ranade 5 Anwendungen II: Quantenkryptographie Verschränkte Zustände erlauben es, zwischen zwei Parteien, Alice und Bob15 , Nachrichten sicher zu übertragen. Dies beruht darauf, daß diese Parteien durch Messung ihrer Zustände einen sicheren Schlüssel erzeugen können. 5.1 Das One-time-pad Das One-time-pad ist ein theoretisch sicheres Verfahren zur Übertragung einer Nachricht (ni )i∈1,...,n ∈ Fn2 . Voraussetzung hierbei ist, daß Alice und Bob sich einen geheimen zufälligen Schlüssel (si )i∈1,...,n ∈ Fn2 teilen. Alice erzeugt mittels der Vorschrift ti := ni ⊕ si den zu übermittelnden Text. Da der Schlüssel zufällig ist, ist der verschlüsselte Text auf Fn2 gleichverteilt, so daß dieser keine Rückschlüsse auf die Nachricht zuläßt. Bob kennt den geheimen Schlüssel und kann den empfangenen Schlüsseltext durch die Vorschrift ni = ti ⊕ si entschlüsseln. Durch das One-time-pad reduziert sich die sichere Übertragung einer Nachricht auf die sichere Erzeugung eines geheimen Schlüssels. Nur diese Schlüsselerzeugung wird durch ein quantenmechanisches Protokoll behandelt, und man spricht daher auch von engl. quantum key distribution (QKD). 5.2 Schlüsselerzeugung: Lo-Chau-Protokoll Im folgenden wird kurz das modifizierte Lo-Chau-Protokoll 16 zur Erzeugung eines geheimem Schlüssels beschrieben: 1. Alice erzeugt 2n Qubit-Paare, die jeweils durch den Zustandsvektor Φ+ ∈ HA ⊗ HB beschrieben werden. 2. Alice wählt ein zufälliges Element b ∈ F2n 2 und führt eine HadamardTransformation der Form 1IA ⊗ HB an denjenigen Qubit-Paaren aus, für die bi = 1 ist. 3. Alice sendet den die zweite Hälfte der Paare an Bob. 4. Bob empfängt die Qubits und gibt dies öffentlich bekannt. 5. Alice wählt zufällig n der Qubit-Paare aus, die als Testbits dienen. 15 Üblicherweise wird bei einer Übertragung der Sender Alice“ und der Empfänger Bob“ ” ” genannt; ein eventueller Lauscher heißt Eve“ (von engl. eavesdropping – Abhören). ” 16 vgl. [NiCh00] oder Peter W. Shor, John Preskill: Simple Proof of Security of the ” BB84 Quantum Key Distribution Protocol“, Phys. Rev. Lett 85 (2000), S. 441 – 444 05.06.2004 TU Darmstadt Seite 9/16 Tensorprodukte in der Physik K.S.Ranade 6. Alice veröffentlicht b und die Positionen der Testbits. 7. Bob invertiert Alices Hadamard-Transformationen aus Schritt 2 unter Verwendung von b. 8. Alice und Bob messen die Testbits in der z-Basis17 und vergleichen ihre Ergebnisse. Ist die Fehlerrate zu hoch, bricht das Protokoll ab. 9. Alice und Bob wenden Fehlerkorrekturverfahren18 , um dadurch m ≤ n durch Ψ beschriebene Zwei-Qubit-Zustände zu erhalten. 10. Alice und Bob messen die Qubits in der z-Basis; die Meßergebnisse bilden dann ihren geheimen Schlüssel. Es kann gezeigt werden, daß das Protokoll im Rahmen der Quantenmechanik theoretisch sicher ist, sofern die Fehlerrate nicht zu hoch ist. Das beschriebene Protokoll ist allerdings derzeit nicht experimentell realisierbar. Anhang A: Begriffe und Bezeichnungen Stetige Funktionen Für einen lokal-kompakten topologischen Raum Ω ist die Menge BC(Ω) := {f : Ω → R| f beschränkt und stetig} (28) mit der Supremumsnorm kf k := supx∈Ω |f (x)| eine kommutative C ∗ -Algebra. Hilberträume und Operatoren, Dualraum Im Text bezeichnet H stets einen Hilbertraum über den komplexen Zahlen C mit linkslinearem Skalarprodukt h · , · i : H × H → C. Die Menge der beschränkten linearen Operatoren auf H B(H) := {T : H → H| T linear und beschränkt} (29) ist bzgl. der Operatornorm kT k := supx∈H,kxk=1 kT xk eine C ∗ -Algebra.19 Zu einem Operator T ∈ B(H) bezeichnet T ∗ (in der Physik meist T † ) die Adjungierte. Ist T = T ∗ , so nennt man den Operator T selbstadjungiert; er wird positiv (genauer positiv semidefinit) genannt, falls er zusätzlich nur nicht-negative Spektralwerte besitzt; hierfür schreibt man T ≥ 0. A B B Alice mißt bzgl. eA 0 ⊗ 1I, e1 ⊗ 1I , Bob bzgl. 1I ⊗ e0 , 1I ⊗ e1 18 Diese Fehlerkorrekturverfahren sind zu kompliziert, um hier beschrieben zu werden. 19 äquivalent: B(H) := {T : H → H| T linear und stetig} 17 05.06.2004 TU Darmstadt Seite 10/16 Tensorprodukte in der Physik K.S.Ranade Indexmengen werden mit I und J bezeichnet; oft (aber nicht durchgehend) wird I für die Orthonormalbasis eines Hilbertraums verwendet und J für sonstige Indexmengen. Für einen Einheitsvektor Ψ ∈ H bezeichnet h · , Ψi Ψ die Projektion auf den eindimensionalen PUnterraum CΨ ⊆ H; ist {ei | i ∈ I} eine Orthonormalbasis von H so gilt i∈I h · , ei i ei = 1I. Für einen normierten Vektorraum E ist der Dualraum gegeben durch E ∗ := {ϕ : E → C| ϕ linear und stetig} . (30) Spur eines Operators, Spurklasseoperatoren Ist der Ausdruck summierbar, so wird für einen Operator T ∈ B(H) die Spur definiert durch X hT ei , ei i , (31) Spur T := i∈I wobei {ei | i ∈ I} eine Orthonormalbasis von H ist. Die Spur ist unabhängig von der Wahl der Basis und für T ≥ 0 zumindest bestimmt divergent. Die Menge der Spurklasseoperatoren T (H) := {T : H → H| Spur |T | < ∞} ⊆ B(H) √ (32) ist ein abgeschlossenes zweiseitiges ∗ -Ideal von B(H). Es ist |T | := T ∗ T ≥ 0, und bzgl. der Spurnorm kT k1 := Spur |T | ist der Raum T (H) ein Banachraum derart, daß ϕ ∈ T (H)∗ ⇒ ∃! T ∈ B(H) : ϕ(S) = Spur(T ∗ S) ∀S ∈ T (H). gilt, d.h. (T (H), k · k1 )∗ ∼ = B(H). (33) Endlichdimensionale Hilberträume Jeder komplexe Hilbertraum H der Dimension n ∈ N ist isomorph zu Cn , und es gilt unter Verwendung der komplexen n × n-Matrizen: B(H) = T (H) ∼ = Mn (C) := {(aij )i,j=1,...,n | aij ∈ C ∀i, j = 1, . . . , n} (34) Pauli-Matrizen Die Pauli-Matrizen sind gegeben durch 0 1 0 −i σx = , σy = , 1 0 i 0 σz = 1 0 , 0 −1 (35) und man faßt sie zusammen zu ~σ = (σx , σy , σz )t . 05.06.2004 TU Darmstadt Seite 11/16 Tensorprodukte in der Physik K.S.Ranade Bitfolgen Über dem endlichen Körper F2 := {0, 1} wird die Menge Fn2 = {0, 1}n mit |Fn2 | = 2n (36) bzgl. der Operation ⊕“ (bitweise Addition modulo 2) zu einem Vektorraum ” der Dimension dim Fn2 = n. Messungen in der Quantenmechanik Eine von-Neumann-Messung ist durch Projektionen {Pj | j ∈ J} auf dem Hilbertraum H bestimmt, die folgende Eigenschaften erfüllen: X Pi Pj = δij Pi ∀i, j ∈ J und Pj = 1I (37) j∈J Mit einem Zustand ϕ und der zugeordneten Dichtematrix ρ ergibt sich die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines durch Pi bezeichneten Ereignisses zu ϕ(Pi ) = Spur(ρPi ). Ein selbstadjungierter Operator A ∈ B(H) definiert eine Zerlegung von H in Eigenräume und hierdurch eine von-Neumann-Messung. Sein Erwartungswert ergibt sich somit zu ϕ(A) = Spur(ρA). Die möglichen Meßwerte sind die Eigenwerte des Operators. von-Neumann-Entropie Für eine Zahl k ∈ R+ und eine Dichtematrix ρ mit den Eigenwerten λj (mit ihrer Vielfachheit) ist die von-Neumann-Entropie definiert durch X λj log2 λj (38) S(ρ) := −k Spur(ρ log2 ρ) = −k j∈J,λj 6=0 P + Wegen j∈J λj = 1 und λj ∈ R0 ∀j ∈ J sie ist null für reine Zustände und maximal, falls ρ ein Vielfaches der Einheitsmatrix ist. In der Quanteninformationstheorie ist dabei k = 1. Hadamard-Transformation Die Hadamard-Transformation wirkt auf die Zustandsvektoren eines QubitSystems wie die Matrix 1 1 1 ∗ −1 (39) H=H =H = √ 2 1 −1 05.06.2004 TU Darmstadt Seite 12/16 Tensorprodukte in der Physik K.S.Ranade Sonstige verwendete Bezeichnungen ∧ logisches UND. δik = {1 für i = k, 0 für i 6= k Kronecker-Symbol R+ = {x ∈ R| x > 0} positive reelle Zahlen + R+ = R ∪ {0} nicht-negative reellen Zahlen 0 3 B1 (0)R3 = {x ∈ R | kxk ≤ 1} abgeschlossene Einheitskugel in R3 S 2 = ∂B1 (0)R3 = {x ∈ R3 | kxk = 1} Einheitssphäre in R3 . Bil(E, F ) Bilinearformen auf E × F Kriterien für Verschränkung bei reinen Zuständen Für jeden reinen Zustand ρ = h · , ΨiΨ in HA ⊗ HB existieren Orthonormal in HA und HB , so daß man folgende | j ∈ J und eB systeme eA j |j ∈ J j 20 Schmidt-Zerlegung erhält: X X B λ2j = 1. (40) λj eA λj ≥ 0 ∀j ∈ J, Ψ= j ⊗ ej , j∈J j∈J Die reduzierten Dichtematrizen ergeben sich also zu X X A B ρA = λ2j · , eA e und ρ = λ2j · , eB B j j j ej . j∈J (41) j∈J Dies bedeutet, ρA und ρB sind genau dann rein, d.h. Projektionen, wenn ein Index k ∈ J existiert, so daß λj = δjk ∀j ∈ J ist. Insbesondere ist ein reiner Zustand also genau dann separabel, wenn diese Bedingung erfüllt ist. Zusammenfassend gilt also: E(ρ) = 0 ⇔ ρA , ρB rein ⇔ ∃ k ∈ J : λj = δjk ⇔ ρ separabel E(ρ) 6= 0 ⇔ ρA , ρB gemischt ⇔ @ k ∈ J : λj = δjk ⇔ ρ verschränkt (42) 20 Diese Zerlegung folgt aus polarer und Singulärwertzerlegung; vgl. hierzu [NiCh00]. 05.06.2004 TU Darmstadt Seite 13/16 Tensorprodukte in der Physik K.S.Ranade Anhang B: Tensorprodukte In diesem Abschnitt beginnt die Numerierung einer Orthonormalbasis abweichend zum übrigen Text mit 1“ statt mit 0“. Des weiteren wird die ” ” Indexkonvention i, k ∈ {1, . . . , n}, j, l ∈ {1, . . . , m} verwendet. Veranschaulichung des Tensorproduktes Seien n, m ∈ N und HA := Cn , HB := Cm Hilberträume mit den Orthonormalbasen A B e1 , . . . , eA ⊆ HA und e1 , . . . , eB (43) n m ⊆ HB . B eine Orthonormalbasis von HA ⊗ HB und Dann ist die Menge eA i ⊗ ej | i, j mittels der Abbildung ! X X B ψ : HA ⊗ HB → Cnm , ψ cij eA ⊗ e := cij eij (44) i j i,j i,j ist das Tensorprodukt HA ⊗HB isomorph zu Cnm , wobei {eij | i, j} eine Orthonormalbasis von Cnm ist. In Vektordarstellung werden die Komponenten in der Reihenfolge B f(i−1)m+j := eij = ψ(eA (45) i ⊗ ej ) d.h. f1 = e11 , f1 = e12 , . . . , fm = e1m , fm+1 = e21 , . . . , fnm = enm , angeordnet. Abbildung in den Produktraum, Skalarprodukt Je einem Vektor aus HA und HB wird mittels folgender Abbildung ein Vektor im Tensorproduktraum zugeordnet: n X ! vi eA i ⊗ : HA × HB −→ ! m X ⊗ wj eB 7−→ j i=1 HA ⊗ H B X vi wj eij j=1 (46) (47) i,j In HA ⊗ HB gilt für jedes Skalarprodukt die Gleichung: * + X X X X αij βij . αij eij , βkl ekl = αij βkl heij , ekl i = | {z } i,j k,l i,j,k,l =δik δjl (48) i,j Damit gilt hv1 ⊗ w1 , v2 ⊗ w2 i = hv1 , v2 i · hw1 , w2 i , v1 , v2 ∈ HA , w1 , w2 ∈ HB . 05.06.2004 TU Darmstadt Seite 14/16 Tensorprodukte in der Physik K.S.Ranade Operatoren im Tensorproduktraum Jeder lineare Operator auf dem Tensorproduktraum kann durch eine Matrix C = (cij,kl ) ∈ Mnm (C) dargestellt werden und hat die Form C11 . . . C1n ci1,k1 . . . ci1,km .. mit C = .. .. ∈ M (C). (49) .. .. C = ... . . . ik m . . Cn1 . . . Cnn cim,k1 . . . cim,km Für A ∈ Mn (C) und B ∈ Mm (C) definiert man A ⊗ B = (aik ) ⊗ (bjl ) := (aik · bjl ) ∈ Mnm (C), (50) Hieraus folgt (A ⊗ B)(v ⊗ w) = (Av) ⊗ (Bw) ∀ v ∈ HA , w ∈ HB und (A ⊗ B)(C ⊗ D) = (AC) ⊗ (BD) ∀ C ∈ Mn (C), D ∈ Mm (C). Partielle Transposition Für C = (cij,kl ) ∈ Mnm (C) wird die partielle Transposition definiert durch:21 T T C11 . . . Cn1 C11 . . . C1n .. , C THB := (c ) = .. .. .. .. C THA := (ckj,il ) = ... . . . il,kj . . T T C1n . . . Cnn Cn1 . . . Cnn (51) Es gilt C T = C TA TB = C TB TA . Partielle Spur Für C = (cij,kl ) ∈ Mnm (C) ist Spur über einen Faktor ist gegeben durch SpurHA C := n X Cii ∈ Mm (C) (52) cij,kj = (Spur Cik )ik ∈ Mn (C) (53) i=1 (SpurHB C)ik := m X j=1 Es gilt Spur C = SpurHA SpurHB C = SpurHB SpurHA C. 21 Die partielle Transposition wird im Text zwar nicht benötigt, man verwendet sie aber für das Peres-Horodecki-Kriterium, welches für Zwei-Qubit-Systeme besagt, daß die Aussage ρ separabel ⇔ ρA ≥ 0 ⇔ ρB ≥ 0“ gilt und im Gegensatz zu den im Text ” angesprochenen Kriterien auch für gemischte Zustände gültig ist. 05.06.2004 TU Darmstadt Seite 15/16 Tensorprodukte in der Physik K.S.Ranade Literatur [Kümm04] Burkhard Kümmerer: Operatoralgebren“/ C ∗ -Algebren“ ” ” Vorlesung (WS 2003/04), Mitschrift des Verfassers [NiCh00] Michael A. Nielsen, Issac L. 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