Energie und Information der sozialen Vermittlung

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Energie und Informa/on der sozialen Vermi4lung Rainer E. Zimmermann UAS München/Clare Hall, UK-­‐
Cambridge [email protected] Soziale VermiBlung Agenda 1.  MoDvaDon und Ausgangspunkt 2.  Verschränkung und Dekohärenz in der Physik 3.  Verschränkung und Dekohärenz in sozialen Systemen 4.  Ausblick und Anwendungen Soziale VermiBlung 1. MoDvaDon und Ausgangspunkt Soziale VermiBlung Sichtweise der modernen Philosophie: (abgeleitet aus der Hauptlinie Stóa ⇒ Spinoza ⇒ Schelling ⇒ Bloch ⇒ […] 1. Philosophie erforscht den Gesamtzusammenhang der Disziplinen und seine Begründung. In diesem Sinne ist das philosophische Unternehmen universell, und Philosophie erweist sich als Wissenscha\ der Wissenscha\en. Damit zielt sie von vornherein auf den kommunikaDven Diskurs. Ihre Sprache ist wesentlich reflexiv (proposiDonal) verfaßt. Soziale VermiBlung 2. Die proposiDonale Struktur der Philosophie besitzt zudem eine Architektur, die als System (von Erkenntnis) aufgefaßt werden kann. 3. Weil diese Architektur als Abbildung des Gesamtzusammenhanges verstanden wird, wird dieser gleichfalls als System interpreDert. Soziale VermiBlung Systeme sind grundsätzlich als dynamische (d.h. evoluDonäre) verfaßt. Der dynamische Kern des Systems ist das kommunikaDve Netzwerk. Dieses besteht aus Operatoren (Agenten) und ihren InterakDonen. Netzwerke können durch Graphen abgebildet werden (Knoten = Agenten, Kanten = InterakDonen). Diese sind mathema8schen Kategorien isomorph. (Und im übrigen auch zellulären Automaten.) Soziale VermiBlung Bemerkung: InterakDonen = KommunikaDon plus KooperaDon. Aber erstere ist primär und folgt ihrerseits der KogniDon nach. Wer kooperiert, kommuniziert auch, aber nicht umgekehrt. Ebenso impliziert KommunikaDon die Vorgängigkeit der KogniDon, aber ohne KommunikaDon bleibt KogniDon leer. Soziale VermiBlung Die maximale Reichweite der InterakDonen des Netzwerkes definiert den Rand des Systems. Jenseits des Randes befindet sich die Umwelt des Systems. Der Systemraum definiert sich durch eben diese Reichweite. Er ist zugleich Spielraum für die Freiheitsgrade der AgentenoperaDonen im Netzwerk und wird durch die letzteren strukturiert. Für soziale Systeme heißt dieser Raum Sozialraum. Soziale VermiBlung Fazit: Im Grunde sind somit die Aufgaben und Verfahrensweisen von Philosophie und Systemtheorie idenDsch. Allenfalls könnte man letztere als die interdisziplinär zugespitzte Form der Philosophie, verstanden als WissenschaE vom Gesamtzusammenhang (Hans Heinz Holz) nennen. Diese Zuspitzung bewirkt zugleich eine ProjekDon auf einzelwissenscha\liche Gebiete, welche sie als Paradigmen behandelt. Soziale VermiBlung Es geht also hauptsächlich um die heurisDsche Konzeptualisierung von maßgeblichen Kategorien der einzelwissenscha\lichen Gebiete, auf der Grundlage einer einheitlich verfaßten SystemaDk und Methodik. Beispiel: physikalische Systeme ⇔ soziale Systeme Soziale VermiBlung Zwei Korollare: 1. Auf der gewählten Hauptlinie wird Philosophie immer durch eine Substanz-­‐
Metaphysik begründet. (Die Welt ist nicht so, wie wir sie beobachten.) Die „modernen“ ABribute dieser Substanz, unter welchen die observable Welt beschrieben werden kann, sind Energie-­‐Masse und Entropie-­‐Struktur. Soziale VermiBlung 2. Was ist ein System? (Zusammenfassung) DefiniDon: We call system a network of interac+ng agents producing a space with a well-­‐defined boundary that is open in the sense of thermodynamics. (Zimmermann, Linz 2014) Soziale VermiBlung 2. Verschränkung und Dekohärenz in der Physik Soziale VermiBlung Zustände physikalischer Systeme werden durch ihre Wahrscheinlichkeitsamplituden ⎜Ψ> beschrieben, deren zeitliche Entwicklung durch die Schrödinger-­‐Gleichung gegeben ist: ∂⏐Ψ>/∂t = – i/ħ H(t) ⏐Ψ> Wich/g: ⎜Ψ⎜² = P, Ψ komplexe Funk/on. Im Grunde ist Ψ ein Katalog möglicher kün\iger Meßergebnisse. Soziale VermiBlung Kohärenz und Verschränkung Zumeist liegen keine reinen Zustände vor, die man als unabhängig verstehen kann, sondern Mischungen vieler kohärenter oder verschränkter Zustände, d.h. die Zustandsräume sind in der Regel nicht-­‐separierbare Tensorprodukte der Form: ℑ(1) ⊗ ℑ(2) ⊗ … ⊗ ℑ(n) Soziale VermiBlung Das bedeutet, daß der Zustand eines der Teilsysteme nur in Kenntnis der Zustände aller anderen Teilsysteme (nach Maßgabe des Zustands eines einzigen Gesamtsystems) bes/mmt werden kann. Benutzt man aber den Dichteoperator der Zustandsverteilung: ρ =⏐Ψ><Ψ⏐, so daß (1) ρ† = ρ (hermitesch), (2) ρ ≥ 0 (posiDv), (3) Tr ρ = 1 (normal), kann man zureichende InformaDon über ein Teilsystem erhalten, wenn man über den Rest „miBelt“ (d.h. die Spur bildet). Soziale VermiBlung Für die Beschreibung der zeitlichen Entwicklung des Dichteoperators wird die Schrödinger-­‐
Gleichung durch die Liouville-­‐von-­‐Neumann-­‐
Gleichung ersetzt: ∂ρ/∂t = – i [H(t), ρ] Die von-­‐Neumann-­‐Entropie dabei ersetzt die klassische Shannon-­‐Entropie: S(ρ) = – Tr (ρ log2ρ) Soziale VermiBlung Die von-­‐Neumann-­‐Entropie mißt den Mischungsgrad eines Systems hinsichtlich seiner Zustände. Für reine Zustände ist S = 0. Für Mischungen wächst S an. Ansonsten ermöglicht sie die InformaDon über den durchschniBlichen Systemzustand. (Cave! Brukner-­‐Zeilinger-­‐Entropie staBdessen) Soziale VermiBlung Shannon-­‐Entropie mißt den InformaDonsgewinn bei vollständiger Messung. (minimale InformaDon, die nöDg ist, die SystemkonfiguraDon zu beschreiben) Von-­‐Neumann-­‐Entropie hängt zusätzlich von der Messungsart ab. Soziale VermiBlung Dieses Vorgehen ist deshalb wichDg, weil jedes System zumindest mit der Umwelt verschränkt ist. Setzt man die letztere einfach als den besagten Rest, dann ergibt sich die EvoluDon des Dichteoperators in der Form (Lindblad-­‐Gleichung): ∂ρS/∂t = – i [HU, ρS] – D(ρS) Soziale VermiBlung Der Korrekturterm D, welcher zur Liouville-­‐von-­‐
Neumann-­‐Gleichung hinzutriB, beschreibt vor allem die gewichteten Einflüsse von Dekohärenz und Dissipa8on auf das betrachtete System, wesentlich besDmmt durch den Fluß von Energie-­‐Masse und Entropie-­‐Struktur(informaDon) über die Systemränder. Soziale VermiBlung Dekohärenz bewirkt Emergenz von makroskopischer Struktur miBels InformaDonstransport (vom System in die Umwelt). DissipaDon bewirkt Verstärkung von Verschränkung miBels Energietransport (vom System in die Umwelt). Soziale VermiBlung Conclusio: Die Welt ist gerade deshalb nicht, wie wir sie beobachten, weil lediglich der Mechanismus der Dekohärenz bewirkt, daß überhaupt Objekte im Rahmen unserer kogniDven Kapazität als raumzeitlich verfaßte beobachtbar werden. In Wahrheit gibt es keine Objekte. Soziale VermiBlung 3. Verschränkung und Dekohärenz in sozialen Systemen Soziale VermiBlung Objekte im sozialen System sind Personen (Agenten), Morphismen sind die InterakDonen zwischen ihnen. Soziale Systeme können durch mathemaDsche Kategorien abgebildet werden. Wegen der speziellen logischen Struktur (HeyDng-­‐Algebra staB Boolescher Algebra) sind diese tatsächlich Topoi. Soziale VermiBlung (Stephen Vickers) Ein Topos ist die Lindenbaum-­‐
Tarski-­‐Algebra einer logischen Theorie, deren Modelle Punkte eines Raumes sind. (Konjektur) Ein schwacher Topos ist die Lindenbaum-­‐Tarski-­‐Algebra einer Alltagstheorie, deren Modelle Punkte des Sozialraums sind. Soziale VermiBlung Es besteht mithin eine wechselseiDge KonsDtuDonsbeziehung zwischen dem kommunika8ven Diskurs (Netzwerkstruktur) einerseits und der Struktur des Sozialraums andererseits. Die Analogie zum physikalischen System kann am besten am Netzwerk angesetzt werden. Soziale VermiBlung Übertragung der ZustandsperspekDve auf Personen: Deren Zustände definieren die jeweilige Person bezogen auf die situaDve PerspekDve. Sie können verschränkt sein oder vermiQelt. Verschränkung: prä-­‐reflexiv (nicht Bestandteil des öffentlichen kommunikaDven Diskurses) VermiBlung: reflexiv und diskursiv Soziale VermiBlung Verschränkte Paare von Personen im privaten Raum bilden ein Gesamtsystem und kommunizieren daher im strengen Sinne nicht. Verschränkungen sind uneigentlich diskursiv. Beobachtungen durch DriBe zerstören Paar-­‐ Verschränkungen. Auch Dekohärenz zerstört Verschränkungen von Personen. Soziale VermiBlung Durch das AuRrechen von Verschränkungen wird eine Person zur Rolle. Insbesondere Dekohärenz (Verschränkung mit vielfälDgen Aspekten der Umwelt) läßt Rollen emergieren. Rollen sind also emergent in Bezug auf (verschränkte) Personen. Sind Rollen ins8tu8onalisiert, heißen sie Funk8onen. Beziehungsstrukturen zwischen Rollen heißen Interak8onen. KommunikaDon zwischen Rollen ist eigentlich diskursiv. Soziale VermiBlung Privater Raum: Ort der Verschränkungen (Jeder Verschränkungstyp ist paarweise-­‐eindeuDg und nicht kopierbar, weil jede Person Individuum ist.) Abschirmung! Öffentlicher Raum: Ort der VermiBlungen (Jeder VermiBlungstyp ist vielfach anwendbar und kopierbar, weil Rollen nicht individuell sind.) Erinnerung! Soziale VermiBlung Bill McKelvey (UCLA 2002): Emergent Order in Firms. Bezugnahme auf Ashby: Order exists between enDDes A and B only if this relaDon is condiDoned by a third enDty C. C = environment (external to rel(A,B)) Hence: Order emerges from environmental constraints (1956) Soziale VermiBlung AssumpDons in favour of dynamics, heterogenous agents, and agent-­‐based modelling RecogniDon of the inescapable importance of an uncorrupted entanglement field as a precursor to efficacious emergence Entanglement pools? Soziale VermiBlung PrakDsch für den öffentlichen Raum ist die Verwendung stochasDscher Petri-­‐Netze: ModifikaDon für soziale Systeme: Man setze Spezies = Gruppe, Komplexe = Gruppen von Gruppen, Hyperkomplexe = Gruppen von Komplexen. Betrachtet wird die Zahl der Individuen pro Gruppentyp (Spezies). ⇒ Hasen & Wölfe !
rabbit!
wolf!
birth!
predation!
death!
!
Soziale VermiBlung dx/dt = βx -­‐ γxy, dy/dt = γxy -­‐ δy. (Lotka-­‐Volterra) x = Anzahl der Hasen y = Anzahl der Wölfe Soziale VermiBlung Verallgemeinerung für n Spezies mit m(i) Individuen (i von 1 bis n). ProdukDonsaspekt: Der kommunikaDve Diskurs bewirkt die Hervorbringung von neuen Individuen, die ihre Zugehörigkeit zu den Spezies verändern können. (Insofern ist ein Individuum, das die Gruppe wechselt, ein neues Individuum.) Soziale VermiBlung dΨℓ’(t)/dt = ∑ℓ Hℓ’ℓ Ψℓ(t) dΨ/dt = H Ψ. (Gleichung vom Schrödinger-­‐Typ) Wich/g: Ψ ist Wahrscheinlichkeit und reelle Funk/on! Soziale VermiBlung Allgemeines ReakDons-­‐Netzwerk (Spezies A, B, C, D, E; zwei Komplexe mit + bezeichnet) A → B, B → A, A + C → D, B + E → A + C, B + E → D. Soziale VermiBlung Graph des entsprechenden Netzwerkes D!
A!
B!
C!
E!
!
Soziale VermiBlung Stoichiometrischer Teilraum: Spielraum inmiBen der Randbedingungen des Systems von möglichen ReakDonen S. Stoch ⊆ RS WichDg für die Robustheit der StabilitätseigenschaEen: Jede Lösung (ReakDon) ist eine Kurve im ReakDonsraum. Soziale VermiBlung 4. Ausblick und Anwendungen Soziale VermiBlung Die BesDmmung des stoichiometrischen Teilraums (aus dem gesamten ReakDonsraum) ermöglicht die MulDperspekDvität der situaDven Bedingtheiten und das Festhalten des Prozesses in einem zureichend stabilen und persisDerenden Spielraum der ReakDonsvielfalt. Soziale VermiBlung Die Einheit inmiQen der Vielfalt liegt in der gemeinsamen ParDzipaDon aller Spezies an der robusten Stabilität, die als vielfach vermiBeltes Harmoniekriterium aufgefaßt werden kann und Konflikt in WeBbewerb transformiert. (Moderner Polis-­‐Gedanke im Sinne Pierre Bourdieus = „Umrühren“ im Sinne Heraklits) Das ist zum Beispiel das, was zu Beginn des ersten Weltkriegs gefehlt hat. 
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