5.2 Logische Gültigkeit, Folgerung, Äquivalenz Durch Einsetzung von PL1-Formeln für die Metavariablen in AL-Gesetzen erhält man PL1-Instanzen von AL-Gesetzen. Beispiele: ⊨AL φ ∨ ¬φ PL1-Instanzen: ⊨ P (a ) ∨ ¬P (a ) ⊨ ∀x P (x ) ∨ ¬∀x P (x ) ⊨ ∀x [P (x ) → Q(x )] ∨ ¬∀x [P (x ) → Q(x )] ⊨AL φ → ψ ↔ ¬ψ → ¬φ PL1-Instanzen: ⊨ P (a ) → R(a,b) ↔ ¬R(a,b) → ¬P (a ) ⊨ ∀xP (x ) → ∃yQ(y ) ↔ ¬∃yQ(y ) → ¬∀xP (x ) Mit der Erweiterung von AL zu PL1 wird auch die Menge der logischen Gesetze Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 1 durch spezielle PL1-Gesetze erweitert. Die Semantik von PL1 liefert eine allgemeine Definition der logischen Gültigkeit, logischen Folgerung und logischen Äquivalenz. Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 2 D5.9 Logische Gültigkeit Eine Formel φ ist logisch gültig (logisch wahr, eine Tautologie) gdw für M jedes M gilt: φ = 1. (alternativ: gdw für jedes M gilt: M ⊨ φ ) Notation: ⊨φ Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 3 Beispiele: ⊨ ∀x P (x ) → ∃x P (x ) ⊨ ∀x P (x ) → P (a ) ⊨ ∀x P (x ) ↔ ¬∃x ¬P (x ) ⊨ ∃x [P(x ) ∨ Q(x )] ↔ ∃x P(x ) ∨ ∃x Q(x ) Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 4 Logische Gesetze (1) ⊨ ∀x φ → φ[τ / x ] Gesetz der universellen Instanziierung (2) ⊨ φ[τ / x ] → ∃x φ Gesetz der existenziellen Generalisierung (3) ⊨ ∀x φ → ∃ x φ Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 5 Gesetze der Quantorenalternation: (4) ⊨ ∀x φ ↔ ¬∃x ¬φ (5) ⊨ ∃x φ ↔ ¬∀x ¬φ (6) ⊨ ¬∀x φ ↔ ∃x ¬φ (7) ⊨ ¬∃x φ ↔ ∀x ¬φ ? Gib natürlichsprachliche Beispiele für die Gesetze (4) − (7) an. Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 6 Gesetze der Quantorendistribution: (8) ⊨ ∀x [φ ∧ ψ ] ↔ ∀x φ ∧ ∀x ψ Beispiel: Dass alle Leute sowohl klug als auch fleißig sind, ist genau dann der Fall, wenn alle Leute klug sind und alle Leute fleißig sind. Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 7 (9) ⊨ ∃x [φ ∨ ψ ] ↔ ∃x φ ∨ ∃x ψ (10) ⊨ ∀x φ ∨ ∀x ψ → ∀x [φ ∨ ψ ] (11) ⊨ ∃x [φ ∧ ψ ] → ∃x φ ∧ ∃x ψ Beispiel: Wenn es jemanden gibt, der betrunken und übermütig ist, dann gibt es jemanden der betrunken ist und jemanden, der übermütig ist. Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 8 (12) ⊨ ∀x [φ → ψ ] → (∀x φ → ∀x ψ) Beispiel: Wenn alle Optimisten fröhlich sind, dann sind, wenn alle Optimisten sind, auch alle fröhlich. Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 9 (13) ⊨ (∃x φ → ∃x ψ ) → ∃x [φ → ψ ] (14) ⊨ ∀x [φ → ψ ] → (∃x φ → ∃x φ) ? Gib ein natürlichsprachliches Beispiel für Gesetz (14) an. Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 10 Gesetze der Quantoren(un)abhängigkeit: (15) ⊨ ∀x ∀y φ ↔ ∀y ∀x φ Abkürzung für ∀x ∀y φ : ∀xy φ (16) ⊨ ∃x ∃y φ ↔ ∃y ∃x φ Abkürzung für ∃x ∃y φ : ∃xy φ (17) ⊨ ∃x ∀y φ → ∀y ∃x φ Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 11 Gesetze der Quantorenbewegung: (18) ⊨ φ → ∀x ψ ↔ ∀x [φ → ψ ], vorausgesetzt, dass x nicht frei in φ vorkommt. (19) ⊨ φ → ∃x ψ ↔ ∃x [φ → ψ ], vorausgesetzt, dass x nicht frei in φ vorkommt. (20) ⊨ ∀x φ → ψ ↔ ∃x [φ → ψ ], vorausgesetzt, dass x nicht frei in ψ vorkommt. (21) ⊨ ∃x φ → ψ ↔ ∀x [φ → ψ ], vorausgesetzt, dass x nicht frei in ψ vorkommt. Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 12 Berechnung der logischen Gültigkeit von Formeln Beispiele: ⊨ ∀x φ → ∃ x φ (Methode: direkter Beweis) Annahme: Gegeben sei ein beliebiges Modell M , so dass M ∀x φ = 1 . ⇒ für jedes g gilt: ∀x φ ⇒ für jedes d ∈ D : φ M ,g =1 M ,g [ x →d ] =1 ⇒ für mindestens ein d ∈ D : φ ⇒ für jedes g gilt: ∃x φ ⇒ für M gilt: ∃x φ M M ,g M ,g [ x →d ] =1 =1 =1 Also: ⊨ ∀x φ → ∃x φ Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 13 ⊨ ∃x [φ ∨ ψ ]→∃x φ ∨∃x ψ (Methode: indirekter Beweis) Annahme: Sei M ein Modell, so dass ∃x [φ ∨ ψ ] M = 1 und ∃x φ ∨∃x ψ ] M = 0. ⇒ für jedes g gilt: ∃x [φ ∨ ψ ] M ,g = 1 und ∃x φ ∨∃x ψ ] M ,g =0 ⇒ für jedes g gilt: ∃xφ M ,g = 0 und ∃xψ M ,g =0 ⇒ für jedes d ∈ D gilt: φ M ,g [ x →d ] = 0 und ψ M ,g [ x →d ] ⇒ für jedes d ∈ D gilt: φ ∨ ψ =0 M ,g [ x →d ] =0 M ,g ⇒ weil aber für jedes g gilt: ∃x [φ ∨ ψ ] = 1 , gibt es mindestens ein d ∈ D , für das gilt: M ,g [ x →d ] φ∨ψ =1 ⇒ Widerspruch: Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 14 1. für jedes d ∈ D gilt: φ ∨ ψ M ,g [ x →d ] =0, damit gibt es kein d ∈ D , für das gilt: M ,g [ x →d ] φ∨ψ =1 2. es gibt mindestens ein d ∈ D , für das gilt: M ,g [ x →d ] φ∨ψ =1 ⇒ Es gibt kein Modell M mit ∃x [φ ∨ ψ ] M = 1 und ∃x φ ∨∃x ψ ] M = 0. Also: ⊨ ∃x [φ ∨ ψ ]→∃x φ ∨∃x ψ Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 15 ? Zeige, dass ⊨ ∃x [φ ∧ ψ ] → ∃x φ ∧ ∃x ψ . Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 16 Umgekehrt lässt sich auch nachweisen, dass bestimmte Formeln nicht gültig sind. Beispiel: ⊭ ∃x φ ∧ ∃x ψ → ∃x [φ ∧ ψ ] Verfahren: Angabe eines Modells M , so dass M M ∃x φ ∧ ∃x ψ = 1 und ∃x [φ ∧ ψ ] = 0 Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 17 Annahme: Seien M und g derart, dass ∃x φ ∧ ∃x ψ ⇒ ∃x φ M ,g = 1 und ∃x ψ M ,g M ,g = 1. =1 ⇒ für mindestens ein d ' ∈ D : φ M ,g [ x →d '] =1 und für mindestens ein d '' ∈ D : M ,g [ x →d ''] ψ =1 Es ist nicht zwingend, dass d ' = d '' . ⇒ Es ist nicht zwingend, dass für mindestens ein M ,g [ x →d ] d ∈ D: φ ∧ ψ = 1. ⇒ Es ist nicht zwingend, dass M ,g ∃x [φ ∧ ψ ] = 1. Also: Es gilt nicht, dass ⊨ ∃x φ ∧ ∃x ψ → ∃x [φ ∧ ψ ] . Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 18 Venn-Diagramme für Formeln von PL1 Die Gültigkeit von Formeln, in denen nur 1-stellige PK vorkommen, lässt sich geometrisch wie folgt überprüfen: (1) ⊨ ∀x [P (x ) ∨ Q(x )] ↔ ¬∃x [¬P (x ) ∧ ¬Q(x )] (2) ⊭ ∀x [P (x ) ∨ Q(x )] → ∀x P (x ) ∧ ∀x Q(x ) P Q Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 19 (3) ⊨ ∀x [P (x ) → Q(x )] ↔ ∀x ¬[P (x ) ∧ ¬Q(x )] P Q Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 20 (4) ⊨ ∀x [P (x ) ↔ Q(x )] ↔ ∀x [P (x ) → Q(x )] ∧ ∀x [Q(x ) → P (x )] (5) ⊭ ∀x [P (x ) ↔ Q(x )] → ∀x [P (x ) ∨ Q(x )] P ? Q Gilt dagegen eine der folgenden Behauptungen? ⊨ ∀x [P (x ) ↔ Q(x )] → ∀x [P (x ) ∧ Q(x )] ⊨ ∀x [P (x ) ↔ Q(x )] → ∃x [P (x ) ∧ Q(x )] Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 21 (6) ⊨ ∀x [P (x ) ∧ Q(x )] ↔ ∀x P (x ) ∧ ∀x Q(x ) P Q Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 22 (7) ⊨ ∀x P (x ) ∧ ∀x [P (x ) → Q(x )] → ∀x Q(x ) (8) ⊨ ∀x [P (x ) → Q(x )] → [ ∀x P (x ) → ∀x Q(x )] P Q Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 23 D5.10 Kontradiktion Eine Formel φ ist kontradiktorisch (logisch falsch) gdw für jedes M gilt: M φ = 0. (alternativ: gdw für kein M gilt: M ⊨ φ ) Beispiel: ∃x [P (x ) ∧ ¬P (x )] Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 24 D5.11 Logische Folgerung (logische Implikation) Aus φ1,..., φn M folgt logisch M ψ gdw für jedes M gilt: M Wenn φ1 = 1,..., φn = 1 , dann ψ = 1 . (alternativ: gdw für jedes M gilt: Wenn M ⊨ φ1,..., M ⊨ φn , dann M ⊨ ψ) Notation: φ1,..., φn ⊨ ψ (falls n = 1 : φ ⊨ ψ ) Spezialfall: ⊨ ψ , d.h. logische Gültigkeit von ψ (Bedingung: {φ1,..., φn } = ∅ ) Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 (alternativ: φ1,..., φn ⇒ ψ ) 25 Beispiele: (1) ∀x φ ⊨ φ[τ / x ] (2) φ[τ / x ] ⊨ ∃x φ (3) ∀x φ ⊨ ∃x φ (4) ∀x [φ → ψ ] ⊨ ∀x φ → ∀x ψ (5) ∀x [φ → ψ ], ∀x φ ⊨ ∀x ψ (6) ∀x [φ → ψ ], φ[τ / x ] ⊨ ψ[τ / x ] Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 26 Metatheoreme über die Beziehung zwischen logischer Folgerung und logischer Gültigkeit: φ ⊨ ψ gdw ⊨ φ → ψ φ1,..., φn ⊨ ψ gdw φ1 ∧ ... ∧ φn ⊨ ψ gdw ⊨ φ1 ∧ ... ∧ φn → ψ Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 27 D5.12 Logische Äquivalenz φ und ψ sind logisch äquivalent gdw für jedes M gilt: φ M = 1 gdw M ψ = 1. (alternativ: gdw für jedes M gilt: M ⊨ φ gdw M ⊨ ψ ) Notation: φ ≈ ψ (alternativ: φ ⇔ ψ ) Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 28 Beispiele: (1) ∀x ¬φ ≈ ¬∃x φ (2) ∀x φ ≈ ¬∃x ¬φ (3) ¬∀x φ ≈ ∃x ¬φ (4) ¬∀x ¬φ ≈ ∃x φ (5) ∀x [φ ∧ ψ ] ≈ ∀x φ ∧ ∀x ψ (6) ∃x [φ ∨ ψ ] ≈ ∃x φ ∨ ∃x ψ (7) ∀x ∀y φ ≈ ∀y ∀x φ (8) ∃x ∃y φ ≈ ∃y ∃x φ Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 29 Berechnung der logischen Äquivalenz von Formeln Beispiel: ∀x ¬φ ≈ ¬∃x φ Annahme: ∀x ¬φ M ,g =1 ⇔ für jedes d ∈ D : ¬φ ⇔ für jedes d ∈ D : φ ⇔ für kein d ∈ D : φ ⇔ es gilt nicht: ∃x φ ⇔ ∃x φ M ,g ⇔ ¬∃x φ Also: M ,g [ x →d ] M ,g [ x →d ] M ,g [ x →d ] M ,g =1 =0 =1 =1 =0 M ,g =1 ∀x ¬φ ≈ ¬∃x φ Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 30 Metatheoreme über die Beziehung zwischen logischer Äquivalenz und logischer Gültigkeit bzw. zwischen logischer Äquivalenz und logischer Folgerung: φ ≈ ψ gdw ⊨ φ ↔ ψ φ ≈ ψ gdw φ ⊨ ψ und ψ ⊨ φ Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 31 Logisch äquivalente Umformungen Für eine Formel χ[ψ / φ ] , die man aus χ durch Substitution von ψ für φ erhält, gilt: Wenn φ ≈ ψ , dann χ ≈ χ[ψ / φ ] (Substitutionsprinzip). Logisch äquivalente Formeln können in einer beliebigen Formel gegeneinander ersetzt werden, ohne dass sich der Wahrheitswert der betreffenden Formel ändert. Beispiel: ∀x ¬P (x ) ≈¬∃x P (x ) , also ∀x ¬P (x ) →∃yQ(y ) ≈¬∃x P (x ) →∃yQ(y ) Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 32 Pränexe Normalformen Durch die Ersetzung von logisch äquivalenten Teilformeln können insbesondere PL1-Formeln in ihre pränexe Normalform überführt werden. D5.13 Eine Formel φ hat pränexe Normalform (PNF) gdw φ die Gestalt Q1 γ1...Qn γn φ ' hat, wobei Q1 γ1...Qn γn mit Variablen besetzte Quantoren ∀ und ∃ sind und φ ' eine Formel ist, die keine Quantoren enthält. Dabei wird Q1 γ1...Qn γn das Präfix und φ ' die Matrix von φ genannt. Die Überführung einer Formel in ihre PNF kann zu einer wesentlichen Vereinfachung führen. Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 33 Beispiel: ¬∀xP (x ) → ∀xQ(x ) 1. Schritt Gebundene Umbenennung von x in y in der Teilformel ∀xQ(x ) , so dass x nicht mehr im Skopus verschiedener Quantoren vorkommt: ¬∀xP (x )→ ∀yQ(y ) 2. Schritt Der Negationsoperator wird mit Hilfe des Gesetzes (6) der Quantorenalternation so nach innen gezogen, dass er nur noch vor einer atomaren Formel steht: ∃x ¬P (x ) → ∀yQ(y ) Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 34 3. Schritt Der ∀ -Quantor wird mit Hilfe des Gesetzes (18) der Quantorenbewegung nach außen gezogen: ∀y[∃x ¬P (x ) →Q(y )] 4. Schritt Der ∃ -Quantor wird mit Hilfe der Gesetzes (21) der Quantorenbewegung nach außen gezogen und dabei in einen ∀ -Quantor überführt: ∀y ∀x [¬P (x ) →Q(y )] Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 35