3 Prädikatenlogik der 1. Stufe (PL1) − Teil I 3.1 Die Grenzen von AL Schluss AL-Schema (1) Alle Logiker sind Pedanten. Max ist Linguist oder Logiker. Max ist nicht Linguist. Max ist Pedant. φ ψ1 ∨ ψ2 ¬ψ1 χ (2) Einige Studenten sind Millionäre. Jeder Millionär ist faul. Einige Studenten sind faul. φ ψ χ Die Gültigkeit solcher Schlüsse ist nicht in AL, sondern erst in PL1 nachweisbar. (1) Alle Logiker sind Pedanten. Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 1 Max ist Linguist oder Logiker. Max ist nicht Linguist. Max ist Pedant. Prädikatenlogische Struktur ∀x [LOGIKER(x ) → PEDANT (x )] LINGUIST (max) ∨ LOGIKER(max) ¬LINGUIST (max) PEDANT (max) 2 Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 (2) Einige Studenten sind Millionäre. Jeder Millionär ist faul. Einige Studenten sind faul. Prädikatenlogische Struktur ∃x [STUDENT (x ) ∧ MILLIONÄR(x )] ∀x [MILLIONÄR(x ) → FAUL(x )] ∃x [STUDENT (x ) ∧ FAUL(x )] Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 3 PL1 ist eine Erweiterung von AL in zwei Richtungen: In PL1 wird die logische Struktur einfacher Sätze, d.h. die Prädikat-Individuenterm-Struktur analysiert. Max ist Linguist: LINGUIST ( max ) Prädikat Individuenterm 4 Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 In PL1 wird die logische Struktur von Sätzen mit Quantorenausdrücken, d.h. die Quantor-Skopus-Struktur analysiert. Alle Logiker sind Pedanten: ∀x [LOGIKER(x ) → PEDANT (x )] Quantor Skopus Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 5 AL-Gültigkeit ist ein Spezialfall von PL1-Gültigkeit: Jede AL-gültige (AL-wahre) Aussage ist auch PL1-gültig (PL1-wahr). Jeder AL-gültige Schluss ist auch PL1-gültig. 6 Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 3.2 Prädikate und Individuenterme Ein Individuenterm (Individuenausdruck) ist ein Ausdruck, der das bezeichnet, worüber in Aussagen etwas ausgesagt wird, d.h. ein Ausdruck für ein Individuum (einen Gegenstand) im weitesten Sinne Ein Prädikat (Merkmalsausdruck) ist ein Ausdruck, der das bezeichnet, was in Aussagen über etwas ausgesagt wird, d.h. ein Ausdruck für ein Merkmal im weitesten Sinne Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 7 Einfache Sätze und ihre logische Struktur Beispiele: (1) Hans schnarcht. (2) Berlin ist schmutzig. (3) Edmund ist Bayer. (4) Die Sonne scheint. (5) Die Schweiz ist schön. (6) Der Rhein ist ein Fluss. ↑ 1-stelliges Prädikat 8 Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 (7) Anna liebt Hans. (8) Maria ist eine Schwester von Fritz. (9) Die Sonne ist größer als der Mond. ↑ 2-stelliges Prädikat Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 9 (10) Berlin liegt zwischen Warschau und Paris. (11) Hans vergleicht Maria mit Miss Sachsen. ↑ 3-stelliges Prädikat 10 Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 (12) Hans ist Anna ähnlicher als Fritz Maria. ↑ 4-stelliges Prädikat Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 11 ? Welche Unterschiede gibt es zwischen der logischen und grammatischen Analyse der Sätze? 12 Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 Faustregel der logischen Analyse: Wenn in einem einfachen Satz ein oder mehrere Individuenterme gestrichen werden, dann ist der verbleibende Ausdruck ein Prädikat. Beispiel: Analysemöglichkeiten für Satz (7): Anna liebt Hans. ... liebt ... ... liebt Hans Anna liebt ... (2-stelliges Prädikat) (1-stelliges Prädikat) (1-stelliges Prädikat) Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 13 1-stellige Prädikate sind Eigenschaftsausdrücke, mehrstellige Prädikate sind Relationsausdrücke. 14 Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 Funktor-Argument-Struktur (Gottlob Frege: Begriffsschrift, eine der arithmetischen nachgebildete Formelsprache des reinen Denkens, 1879) • Prädikate sind ungesättigte Ausdrücke und damit ergänzungsbedürftig. • Prädikate sind spezielle Funktoren, die eine bestimmte Anzahl von Argumentstellen haben. Das sind Stellen, die durch passende Argumente besetzt werden können. • Ein n-stelliges Prädikat ( n ≥ 1 ) ist ein aussagenbildender Funktor von n Argumenten. Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 15 Kategorialgrammatik (Kazimierz Ajdukiewicz: Syntaktische Konnexität, 1935) • Basiskategorien: S (Aussage, Satz) N (Individuenterm, Name) • Funktionale Kategorien: 1-stelliges Prädikat: S / N 2-stelliges Prädikat: S / NN oder (S / N )/ N 3-stelliges Prädikat: S / NNN oder ((S / N )/ N )/ N ... n -stelliges Prädikat: S / N 1...N n oder (⋯(S / N 1 )/...)/ N n 16 Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 Symbolisierung von einfachen Sätzen in PL1 Individuenterme werden mit Individuenkonstanten a,b, c,... oder mit Individuenvariablen x , y, z ,... notiert. Prädikate werden mit Prädikatskonstanten P n ,Q n , Rn ,... notiert. Dabei gibt der Index n ( n ≥ 1) die Stelligkeit der jeweiligen Prädikats-konstanen an. Weil die Stelligkeit normalerweise eindeutig aus dem Kontext entnommen werden kann, wird der Index gewöhnlich weggelassen. Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 17 Prädikat-Individuenterm-Strukturen: P 1(a ): „a hat das Merkmal P 1 “ „ P 1 trifft auf a zu“ „ P 1 wird von a prädiziert“ „ P 1 von a “ (funktionale Sprechweise) Eigennamen werden als spezifizierte Individuenterme analysiert und deshalb mit Individuenkonstanten symbolisiert. Individuenkonstanten sind in ihrem Bezug festgelegt. 18 Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 Prädikat-Individuenterm-Strukturen der einfachen Sätze (1)-(12): (1) (7) (10) (12) Hans schnarcht. Anna liebt Hans. Berlin liegt zwischen Warschau und Paris. Hans ist Anna ähnlicher als Fritz Maria. (1)-(6) (7)-(9) (10),(11) (12) P 1(a ) Q 2 (a,b) R 3 (a,b, c) R 4 (a,b, c, d ) alternativ: P 1a Q 2ab (oder: aQ 2b ) R 3abc R 4abcd Die dargestellten Strukturen sind einfache Aussagen. Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 19 Personalpronomina und (echte) Reflexivpronomina werden als unspezi-fizierte Individuenterme analysiert und deshalb mit Individuenvariablen symbolisiert werden. Individuenvariablen sind in ihrem Bezug nicht festgelegt. Sie sind Leerstellen für Individuenkonstanten, d.h. für sie können Individuenkonstanten eingesetzt (substituiert) werden 20 Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 Prädikat-Individuenterm-Strukturen von einfachen Sätzen mit Personal-pronomina und (echten) Reflexivpronomina: Sie ist klug. Er liebt sie. Er stellt sich Hans vor. alternativ: P (x ) P 1x Q 2 (x , y ) R 2xy (oder: xQ 2y ) R 3 (x , a, x ) R 3xax 1 Die dargestellten Strukturen sind einfache Aussageformen. Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 21 ? Symbolisiere die folgenden einfachen Sätze in PL1. (1) Hans ist Berliner. (2) Er zeigte Maria den Leipziger Platz. (3) Sie kennt ihn besser als das Brandenburger Tor. 22 Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 Die Anwendung eines n -stelligen Prädikatskonstante (n ≥ 1 ) auf n Individuenterme ergibt eine einfache Aussage oder eine einfache Aussageform. Im Unterschied zu Aussagen sind Aussageformen weder wahr noch falsch. Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 23 Aus einer Aussageform φ erhält man eine Aussage φ ' , wenn für jede Individuenvariable in φ eine Individuenkonstante eingesetzt wird. Die Aussage φ ' ist eine Spezialisierung (oder Substitutionsinstanz) der Aussageform φ . Dabei muss für jedes Vorkommen einer Individuenvariablen in einer Aussageform dieselbe Individuenkonstante eingesetzt werden. Für Vorkommen verschiedener Individuenvariablen darf dieselbe Individuenkonstante eingesetzt werden. Beispiele: φ P 1(x ) Q 2 (y, z ) R 3 (x , y, x ) Q 3 (z, y, y ) φ' P 1(b) Q 2 (c, a ) R 3 (b, c,b) Q 3 (a, a, a ) 24 Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 Mit Hilfe von AL-Konnektoren können komplexe Aussagen und komplexe Aussageformen gebildet werden. Beispiel: P 1(x ) ∧ P 2 (a, y ) → ¬P 3 (x , y,b) Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 25 Logische Form in PL1 Das Ergebnis der Symbolisierung eines Satzes in PL1 ist dessen logische Form (LF). Beispiel: Jumbo ist größer als Max oder Max ist größer als Jumbo. LF: G ( j, m ) ∨ G (m, j ) Schlüssel: G (x , y ) : x ist größer als y j : Jumbo m : Max 26 Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 Weitere Beispiele: Jumbo ist größer oder kleiner als Max. G ( j, m ) ∨ K ( j, m ) Fritz ist nicht reich. ¬R(f ) Hans und Peter sind Studenten. S (h ) ∧ S (p) Hans und Peter sind Freunde. F (h, p) ∧ F (p, h ) Felix ist ein gelber Papagei. G(f ) ∧ P(f ) Wenn Hans Maria sieht, dann freut er sich. S (h, m ) → F (h ) Wenn Maria Hans trifft, dann küsst sie ihn. T (m, h ) → K (m, h ) Anna und Fritz bewundern einander. B(a, f ) ∧ B( f , a ) Anna bewundert sich nicht selbst. ¬B(a, a ) Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 27 ? Symbolisiere die folgenden komplexen Sätze in PL1. (1) Hans besuchte nicht Peter, sondern Maria. (2) Maria interessiert sich für Logik, aber nicht für Linguistik. (3) Hans empfahl Maria Aspects of the Theory of Syntax und Knowledge of Language. 28 Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 Wahrheitsbedingungen von einfachen Aussagen Eine einfache Aussage mit einer 1-stelligen Prädikatskonstanten P ist unter der folgenden Bedingung wahr: P (a ) ist wahr gdw das mit a bezeichnete Individuum die mit P bezeichnete Eigenschaft hat. Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 29 PL1 ist eine extensionale Logik. Deshalb wird in PL1 die mit einer 1-stelligen Prädikatskonstanten bezeichnete Eigenschaft mit der Menge jener Individuen identifiziert, die diese Eigenschaft haben. Es gilt also: P (a ) ist wahr gdw das von a bezeichnete Individuum ein Element der Menge der Individuen ist, die die mit P bezeichnete Eigenschaft haben. 30 Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 Allgemein können Ausdrücke eine Denotation und damit einen bestimmten semantischen Wert haben. Notation: α : die Denotation von α In PL1 werden die Denotationen von Ausdrücken mit jenen Werten identifiziert, die diese mit Bezug auf eine bestimmte Situation haben. Speziell • für Aussagen sind das die Wahrheitswerte 1 und 0 , • für 1-stellige Prädikatskonstanten Mengen von Individuen mit der jeweiligen Eigenschaft und • für Individuenkonstanten die jeweils bezeichneten Individuen. Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 31 Damit gilt: P (a ) = 1 gdw a ∈ P , d.h. die Denotation von P (a ) ist gleich 1 gdw die Denotation von a ein Element der Denotation von P ist. P + a 32 Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 P (a ) = 0 gdw a ∉ P , d.h. die Denotation von P (a ) ist gleich 0 gdw die Denotation von a kein Element der Denotation von P ist. P + a Johannes Dölling: Logik für Linguisten. WiSe 2012/13 33