3 3 Prädikatenlogik der 1. Stufe (PL1) – Teil I Prädikatenlogik der 1. Stufe (PL1) − Teil I 3.1 Die Grenzen von AL [ Partee 95-97 ] Alle Logiker sind Pedanten. Max ist Linguist oder Logiker. Max ist nicht Linguist. ALSchema φ ψ1 ∨ ψ2 ¬ψ1 Max ist Pedant. χ PEDANT (max) Einige Studenten sind Millionäre. φ Jeder Millionär ist faul. Einige Studenten sind faul. ψ χ ∃x [STUDENT (x ) ∧ MILLIONÄR(x )] ∀x [MILLIONÄR(x ) → FAUL(x )] ∃x [STUDENT (x ) ∧ FAUL(x )] Schluss Prädikatenlogische Struktur ∀x [LOGIKER(x ) → PEDANT (x )] LINGUIST (max) ∨ LOGIKER(max) ¬LINGUIST (max) Die Gültigkeit solcher Schlüsse ist nicht in AL, sondern erst in PL1 nachweisbar. PL1 ist eine Erweiterung von AL in zwei Richtungen: In PL1 wird die logische Struktur einfacher Sätze, d.h. die Prädikat-Individuenterm-Struktur analysiert. Max ist Linguist. LINGUIST max ) N ( Prädikat Individuenterm In PL1 wird die logische Struktur von Sätzen mit Quantorenausdrücken, d.h. die QuantorSkopus-Struktur analysiert. Alle Logiker sind Pedanten. ∀ x [LOGIKER (x ) → PEDANT (x )] N Quantor Skopus AL-Gültigkeit ist ein Spezialfall von PL1-Gültigkeit: Jede AL-gültige (AL-wahre) Aussage ist auch PL1-gültig (PL1-wahr). Jeder AL-gültige Schluss ist auch PL1-gültig. Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig 1 3.2 Prädikate und Individuenterme 3.2 Prädikate und Individuenterme [ Dowty 14-23, Gamut 65-70 ] Ein Individuenterm (Individuenausdruck) ist ein Ausdruck, der das bezeichnet, worüber in Aussagen etwas ausgesagt wird, d.h. ein Ausdruck für ein Individuum (einen Gegenstand) im weitesten Sinne Ein Prädikat (Merkmalsausdruck) ist ein Ausdruck, der das bezeichnet, was in Aussagen über etwas ausgesagt wird, d.h. ein Ausdruck für ein Merkmal im weitesten Sinne Einfache Sätze und ihre logische Struktur Beispiele: (1) (2) (3) (4) (5) (6) Hans schnarcht. Berlin ist schmutzig. Edmund ist Bayer. Die Sonne scheint. Die Schweiz ist schön. Der Rhein ist ein Fluss. ↑ 1-stelliges Prädikat (7) Anna liebt Hans. (8) Maria ist eine Schwester von Fritz. (9) Die Sonne ist größer als der Mond. ↑ 2-stelliges Prädikat (10) Berlin liegt zwischen Warschau und Paris. (11) Hans vergleicht Maria mit Miss Sachsen. ↑ 3-stelliges Prädikat (12) Hans ist Anna ähnlicher als Fritz Maria. ↑ 4-stelliges Prädikat ? Welche Unterschiede gibt es zwischen der logischen und grammatischen Analyse der Sätze? Faustregel der logischen Analyse: Wenn in einem einfachen Satz ein oder mehrere Individuenterme gestrichen werden, dann ist der verbleibende Ausdruck ein Prädikat. Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig 2 3 Prädikatenlogik der 1. Stufe (PL1) – Teil I Beispiel: Analysemöglichkeiten für Satz (7) ... liebt ... ... liebt Hans Anna liebt ... (2-stelliges Prädikat) (1-stelliges Prädikat) (1-stelliges Prädikat) 1-stellige Prädikate Relationsausdrücke. sind Eigenschaftsausdrücke, mehrstellige Prädikate sind Funktor-Argument-Strukturen (Gottlob Frege: Begriffsschrift, eine der arithmetischen nachgebildete Formelsprache des reinen Denkens, 1879): • Prädikate sind ungesättigte Ausdrücke und damit ergänzungsbedürftig. • Prädikate sind spezielle Funktoren, die eine bestimmte Anzahl von Argumentstellen haben. Das sind Stellen, die durch passende Argumente besetzt werden können. • Ein n-stelliges Prädikat ( n ≥ 1 ) ist ein aussagenbildender Funktor von n Argumenten. Kategorialgrammatik (Kazimierz Ajdukiewicz: Syntaktische Konnexität, 1935): • Basiskategorien: • Funktionale Kategorien: 1-stelliges Prädikat: 2-stelliges Prädikat: 3-stelliges Prädikat: n -stelliges Prädikat: S (Aussage, Satz), N (Individuenterm, Name) S /N S / NN oder (S / N )/ N S / NNN oder ((S / N )/ N )/ N S / N 1...N n oder ("(S / N 1 )/...)/ N n Symbolisierung von einfachen Sätzen in PL1 Individuenterme werden mit Individuenkonstanten a, b, c,... oder mit Individuenvariablen x , y, z ,... , Prädikate mit Prädikatskonstanten P n ,Q n , Rn ,... notiert. Dabei gibt der Index n ( n ≥ 1 ) die Stelligkeit der jeweiligen Prädikatskonstanten an. Weil die Stelligkeit normalerweise aus dem Kontext eindeutig entnommen werden kann, wird der Index gewöhnlich weggelassen Prädikat-Individuenterm-Strukturen: P 1(a ) : „ a hat das Merkmal P 1 “ „ P 1 trifft auf a zu“ „ P 1 wird von a prädiziert“ „ P 1 von a “ (funktionale Sprechweise) Eigennamen werden als spezifizierte Individuenterme analysiert und deshalb mit Individuenkonstanten symbolisiert. Individuenkonstanten sind in ihrem Bezug festgelegt. Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig 3 3.2 Prädikate und Individuenterme Prädikat-Individuenterm-Strukturen der einfachen Sätze (1)-(12): alternativ: (1)-(6) (7)-(9) (10), (11) (12) 1 P (a ) Q 2 (a, b) R 3 (a, b, c) R 4 (a, b, c, d ) P 1a Q 2ab (oder: aQ 2b ) R 3abc R 4abcd Die dargestellten Strukturen sind einfache Aussagen. Personalpronomina und (echte) Reflexivpronomina werden als unspezifizierte Individuenterme analysiert und deshalb mit Individuenvariablen symbolisiert. Individuenvariablen sind in ihrem Bezug nicht festgelegt. Sie sind Leerstellen für beliebige Individuenkonstanten, d.h. für sie können Individuenkonstanten eingesetzt (substituiert) werden. Prädikat-Individuenterm-Strukturen von einfachen Sätzen mit Personalpronomina und (echten) Reflexivpronomina: alternativ: Sie ist klug. Er liebt sie. Er stellt sich Hans vor. P 1(x ) Q 2 (x , y ) R 3 (x , a, x ) P 1x Q 2xy (oder: xQ 2y ) R 3xax Die dargestellten Strukturen sind einfache Aussageformen. ? Symbolisiere die folgenden einfachen Sätze in PL1. (1) Hans ist Berliner. (2) Er zeigte Maria den Leipziger Platz. (3) Sie kennt ihn besser als das Brandenburger Tor. Die Anwendung eines n -stelligen Prädikatskonstante ( n ≥ 1 ) auf n Individuenterme ergibt eine einfache Aussage oder eine einfache Aussageform. Im Unterschied zu Aussagen sind Aussageformen weder wahr noch falsch. Aus einer Aussageform φ erhält man eine Aussage φ ' , wenn für jede Individuenvariable in φ eine Individuenkonstante eingesetzt (substituiert) wird. Die Aussage φ ' ist eine Spezialisierung (oder Substitutionsinstanz) der Aussageform φ . Dabei muss für jedes Vorkommen einer Individuenvariablen in einer Aussageform dieselbe Individuenkonstante eingesetzt werden. Für Vorkommen verschiedener Individuenvariablen darf dieselbe Individuenkonstante eingesetzt werden. Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig 4 3 Prädikatenlogik der 1. Stufe (PL1) – Teil I Beispiele: φ φ' P 1(x ) Q 2 (y, z ) R 3 (x , y, x ) Q 3 (z , y, y ) P 1(b) Q 2 (c, a ) R2 (b, c, b) Q 3 (a, a, a ) Mit Hilfe von AL-Konnektoren können komplexe Aussagen und komplexe Aussageformen gebildet werden. Beispiel: P 1(x ) ∧ P 2 (a, y ) → ¬P 3 (x , y, b) Logische Form in PL1 Das Ergebnis der Symbolisierung eines Satzes in PL1 ist dessen logische Form (LF). Beispiel: Jumbo ist größer als Max oder Max ist größer als Jumbo. LF: Schlüssel: G ( j, m ) ∨ G (m, j ) G (x , y ) : x ist größer als y j : Jumbo; m : Max Weitere Beispiele: Jumbo ist größer oder kleiner als Max. Fritz ist nicht reich. Hans und Peter sind Studenten. Hans und Peter sind Freunde. Felix ist ein gelber Papagei. Wenn Hans Maria sieht, dann freut er sich. Wenn Maria Hans trifft, dann küsst sie ihn. Anna und Fritz bewundern einander. Anna bewundert sich nicht selbst. ? G ( j, m ) ∨ K ( j, m ) ¬R( f ) S (h ) ∧ S (p) F (h, p) ∧ F (p, h ) G (f ) ∧ P (f ) S (h, m ) → F (h ) T (m, h ) → K (m, h ) B(a, f ) ∧ B( f , a ) ¬B(a, a ) Symbolisiere die folgenden Sätze in PL1. (1) Hans besuchte nicht Peter, sondern Maria. (2) Maria interessiert sich für Logik, aber nicht für Linguistik. (3) Hans empfahl Maria Aspects of the Theory of Syntax und Knowledge of Language. Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig 5 3.2 Prädikate und Individuenterme Wahrheitsbedingungen von einfachen Aussagen Eine einfache Aussage mit einer 1-stelligen Prädikatskonstanten P ist unter der folgenden Bedingung wahr: P (a ) ist wahr gdw das mit a bezeichnete Individuum die mit P bezeichnete Eigenschaft hat. PL1 ist eine extensionale Logik. Deshalb wird in PL1 die mit einer 1-stelligen Prädikatskonstanten bezeichnete Eigenschaft mit der Menge jener Individuen identifiziert, die diese Eigenschaft haben. Es gilt also: P (a ) ist wahr gdw das von a bezeichnete Individuum ein Element der Menge der Individuen ist, die die mit P bezeichnete Eigenschaft haben. Allgemein können Ausdrücke eine Denotation und damit einen bestimmten semantischen Wert haben. Notation: aα b : die Denotation von α In PL1 werden die Denotationen von Ausdrücken mit jenen Werten identifiziert, die diese mit Bezug auf eine bestimmte Situation haben. Speziell für Aussagen sind das die Wahrheitswerte 1 oder 0 , für 1-stellige Prädikatskonstanten Mengen von Individuen mit der jeweiligen Eigenschaft und für Individuenkonstanten die jeweils bezeichneten Individuen. Damit gilt: aP (a )b = 1 gdw aa b ∈ aP b , d.h. die Denotation von P (a ) ist gleich 1 gdw die Denotation von a ein Element der Denotation von P ist. aP b + aa b aP (a )b = 0 gdw aa b ∉ aP b , d.h. die Denotation von P(a ) ist gleich 0 gdw die Denotation von a kein Element der Denotation von P . aP b + aa b Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig 6 Übungen Übungen Ü3.1 Symbolisiere folgende Sätze in PL1. (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11) (11 P.) Karl ist freundlich, aber Paul nicht. Peter fuhr mit Jutta nach Rom. Wenn Peter nach Rom gefahren ist, dann hat er den Papst besucht. Gerd und Eva sind Bruder und Schwester oder Cousin und Cousine. Obwohl Hans und Maria einander lieben, werden sie nicht heiraten. Maria wird nicht nur von Hans geliebt, sondern auch von Peter. Hans rasiert sich nur dann, wenn Eva und Susi ihn besuchen. Arthur ist Wilhelms Großvater väterlicherseits. Wenn Anna sich wäscht, dann wäscht sie auch Jumbo. Anna wäscht sich und Jutta nicht. Anna schämt sich und Jutta nicht. Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig 7