Mensch& Medizin 65 STEVE GSCHMEISSNER / SPL / KEYSTONE Blasige Haut Diagnose Andrea Six E twas stimmt nicht mit der 15-Jährigen. Sosehr sich die Ärztin auch bemüht, auf die Patientin einzugehen – der Teenager will mit der Wahrheit nicht herausrücken. Das Mädchen beteuert im Beisein der Mutter, dass es absolut nicht wisse, woher die Wunden an ihrer Flanke stammen. Grosse gelbe Blasen auf tiefroten Flecken ziehen sich über die Körperseite des Mädchens. Eigentlich sehen die Wunden eindeutig nach einer Verbrennung aus. Die Patientin und die Mutter bestehen jedoch darauf, dass es keinen Unfall gegeben habe, bei dem sich die 15-Jährige hätte verbrühen, verätzen oder anderweitig schaden können. Die Ärztin ist besorgt und stanzt ein winziges Stückchen Haut aus einer der Wunden. Denn bei bestimmten Krankheiten des Immunsystems können sich ähnliche Blasen auf der Haut bilden. Doch die Gewebeuntersuchung ergibt, dass keine derartige Erkrankung vorliegt. Schliesslich wird die Patientin mit Hautsalben versorgt und heimgeschickt. Bei einem Kontrolltermin nach einigen Tagen sind die Wunden fast verheilt. Die Ärztin spricht noch einmal intensiv mit der Patientin die Vorgeschichte durch. Ob es nicht doch eine Verbrennung gewesen sei? Endlich rückt der Teenager mit der Sprache raus. Bei einer Mutprobe habe sie Salz und Eiswürfel auf die Haut legen und den entstehenden Schmerz möglichst lange ertragen müssen. Weil sich Salz im schmelzenden Eis löst, wird der Haut zeitgleich schlagartig Wärme entzogen. So sind Frostschäden auf der Haut entstanden, die ein Eiswürfel allein nicht hätte bewirken können. Aus eins mach zwei: Sich teilende Brustkrebszelle im Rasterelektronenmikroskop. Doppelter Angriff Brustkrebs im Frühstadium lässt sich mit einer Doppeltherapie besser behandeln, zeigt eine neue Studie. In der Schweiz will man abwarten. Von Felicitas Witte O 15 So viele Frauen erkranken in der Schweiz pro Tag an Brustkrebs. Das sind etwa 5500 pro Jahr. 8 von 10 Frauen, die an Brustkrebs erkranken, sind über 50 Jahre alt. dem ‹kennzeichnet› Pertuzumab die Tumorzellen, so dass das körpereigene Immunsystem sie zerstören kann.» Mit der Doppelblockade lebten Frauen mit fortgeschrittenem Brustkrebs mehr als ein Jahr länger. 2012 wurde die Doppeltherapie in der Schweiz für diese Patientinnen zugelassen. B i da tte s b U ea rh c eb ht er en re S ch ie t! b die Forscher 1987 in der Biotech-Firma in Kalifornien geahnt haben, was für einen einschlagenden Erfolg ihre Entdeckungen haben würden? Sie legten damals den Grundstein für eine Doppeltherapie gegen fortgeschrittenen Brustkrebs. Nun zeigen Forscher, dass die Doppeltherapie möglicherweise auch bei Frauen mit frühem, heilbarem Stadium der herkömmlichen Chemotherapie überlegen ist. Einige Experten sind begeistert, andere noch kritisch: «Das tönt zwar vielversprechend, aber zuerst muss gezeigt werden, dass damit mehr Frauen geheilt werden und länger leben», sagt Roger von Moos, ChefOnkologe am Kantonsspital Graubünden. Die Entdeckung der kalifornischen Forscher war die Grundlage für eines der ersten sogenannten personalisierten Medikamente, die gezielt gestörte Signalwege in den Krebszellen unterbrechen. Kurz zuvor hatten Wissenschafter ein Eiweiss auf der Oberfläche von Körperzellen entdeckt, das eine wichtige Rolle beim Wachstum von Zellen spielt, sie nannten es HER2. Bei bis zu 25 Prozent der Brustkrebspatientinnen liess sich eine erhöhte Anzahl HER2 auf der Oberfläche der Tumorzellen nachweisen. Dies hat zur Folge, dass die Tumorzellen sich rasch teilen und der Tumor wächst. Frauen mit HER2-positiven Tumoren haben eine äusserst schlechte Prognose. Pärchenbildung verhindert Die Forscher in der Biotech-Firma entwickelten daraufhin Antikörper, die an HER2 binden, es damit blockieren und das Tumorwachstum stoppen sollten. Mit Erfolg: 1998 kam der erste HER2-Antikörper auf den Markt, das Medikament Trastuzumab. Plötzlich konnten Frauen mit fortgeschrittenem Brustkrebs wieder Hoffnung schöpfen: Mit dem HER2-Blocker kam der Krebs nicht so schnell wieder, und die Frauen lebten länger. Doch bei einigen Patientinnen wuchs der Tumor trotzdem weiter. HER2-Eiweisse können sich nämlich untereinander verbinden, und diese «Pärchen» senden weiterhin Wachstumssignale an die Zelle aus. Kurzerhand entwickelten die Forscher einen weiteren Antikörper mit dem Namen Pertuzumab, der die Pärchenbildung verhindert. «Durch diese Doppelblockade werden auf verschiedene Weise Wachstumssignale in den Krebszellen gehemmt», sagt Andreas Schneeweiss, Onkologe am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen in Heidelberg. «Ausser- 80 % beträgt der Anteil der Erkrankten, die fünf Jahre nach Diagnose noch am Leben sind. 25 % So hoch ist der Anteil der Patientinnen, deren Tumorzellen auf der Oberfläche eine erhöhte Anzahl von HER2 aufweisen. Gabe vor der Operation In der neuen, am amerikanischen Krebskongress in Chicago vorgestellten Studie wurde die Doppeltherapie nun auch bei Krebs in einem frühen, heilbaren Stadium getestet. Die Medikamente wurden vor der Operation gegeben. In Gewebeproben liessen sich danach keine Krebszellen mehr in der Brust oder in der Achsel nachweisen. Mit der Kombinationstherapie war das Risiko, dass der Krebs erneut auftauchte, um 30 Prozent geringer. «Wenn ohne Pertuzumab 3 von 10 Frauen innerhalb von fünf Jahren einen Rückfall erleiden, sind es mit Pertuzumab 2 von 10», sagt Schneeweiss. Die Zulassungsbehörden in Europa und den USA zeigten sich von den Ergebnissen beeindruckt und erteilten grünes Licht für die Behandlung von Frauen mit Brustkrebs im Frühstadium. In der Schweiz ist dies noch nicht der Fall. Schneeweiss hält viel von der Gabe der Doppeltherapie vor der Operation. «Von anderen Medikamenten wissen wir, dass Frauen länger leben, wenn ihr Tumor besser auf die Therapie anspricht.» Er verabreicht wie viele seiner Kollegen in Deutschland die Kombinationstherapie vor der Operation und untersucht regelmässig Brust und Achsel per Ultraschall, um zu sehen, ob der Tumor kleiner wird. «Wenn wir zuerst operieren und erst danach die Medikamente geben, können wir das nicht messen. Dass die Therapie nicht gewirkt hat, würden wir erst sehen, wenn der Krebs wiederkommt.» Seine Kollegen in der Schweiz sind noch skeptisch: «Es ist noch nicht bewiesen, dass die Frau auch länger lebt, wenn ihr Tumor besser auf eine vor der Operation gegebene Therapie anspricht», sagt Daniel Fink, Direktor der Gynäkologie am Universitätsspital Zürich. Für Fink wäre aber auch noch wichtig zu wissen, ob die Doppeltherapie grosse Tumoren zum Schrumpfen bringt und so die Notwendigkeit einer Brustentfernung senken kann. Fink wartet wie Roger von Moos, Onkologe am Kantonsspital Graubünden, die Ergebnisse einer weiteren Studie ab, die 2016 veröffentlicht werden soll. Eine wichtige Frage, die für von Moos im Vordergrund steht, ist die Bedeutung der Chemotherapie bei diesen Patientinnen. «Da die Chemotherapie wesentlich für die Nebenwirkungen verantwortlich ist, wäre es super, zeigen zu können, dass die Antikörperkombination alleine gleich gut ist wie die Kombination mit dem Standard-Chemotherapeutikum.» Dies wird zurzeit bei Frauen mit fortgeschrittenem Krebs in einer Studie der Schweizerischen Arbeitsgruppe für Klinische Krebsforschung (SAKK) untersucht. «Patientinnen können mitmachen», sagt von Moos – «ein Anruf oder eine E-Mail genügt.» Quelle: «Kinder- und Jugendarzt», 2015, Bd. 2, S. 37. ANZEIGE <wm>10CAsNsja1NLU01DU3MDY1tAAArkTP7g8AAAA=</wm> <wm>10CFXKIQ7DMAwF0BM5-v6OnXiGU1lVUI2HTMO7P6o6NvDY2_fyhp_ndry2szw9VQbMdZbRmnr1zkZ4gQxC_aFhRI4x_rpAMwxY9xFQGEtDTIW2fGb7vj8XrJhL_XEAAAA=</wm> ZURÜCK IN DEN EIGENEN ALLTAG OHNE PFLEGE. 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